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Perry Rhodan 144: Drei Ritter der Tiefe (Silberband): 2. Band des Zyklus "Chronofossilien"
Perry Rhodan 144: Drei Ritter der Tiefe (Silberband): 2. Band des Zyklus "Chronofossilien"
Perry Rhodan 144: Drei Ritter der Tiefe (Silberband): 2. Band des Zyklus "Chronofossilien"
eBook578 Seiten7 Stunden

Perry Rhodan 144: Drei Ritter der Tiefe (Silberband): 2. Band des Zyklus "Chronofossilien"

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Über dieses E-Book

Zu den Rätseln und Mythen des Universums zählt der Frostrubin. Das gigantische Objekt beeinflusste weite Teile des Kosmos – doch dann veränderte es sich. Seither bringt der Frostrubin den Tod über zahlreiche Sternenreiche. Auch die Milchstraße und die von Menschen besiedelten Welten sind in akuter Gefahr.
 
Die Einzigen, die etwas gegen diese kosmische Bedrohung tun können, sind die Ritter der Tiefe. Zuletzt haben die Terraner Perry Rhodan und Jen Salik sowie der Arkonide Atlan die Weihe zum Ritter erhalten – allerdings fehlen ihnen viele Kenntnisse über diesen uralten Orden. Während Perry Rhodan sich anschickt, die sogenannten Chronofossilien in der heimatlichen Milchstraße zu aktivieren, bricht Atlan zu einer Reise ins Unbekannte auf.
 
Der Arkonide stößt in das Tiefenland vor. Dabei handelt es sich um eines der bizarrsten Gebilde im bekannten Universum. In seinen Weiten hofft Atlan, wertvolle Hilfsmittel zur Bewältigung kosmischer Gefahren zu erhalten ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Nov. 2018
ISBN9783845331430
Perry Rhodan 144: Drei Ritter der Tiefe (Silberband): 2. Band des Zyklus "Chronofossilien"

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    Buchvorschau

    Perry Rhodan 144 - Thomas Ziegler

    cover.jpgimg1.jpgimg2.jpg

    Nr. 144

    Drei Ritter der Tiefe

    Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

    Cover

    Klappentext

    Kapitel 1-10

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    Kapitel 11-20

    11.

    12.

    13.

    14.

    15.

    16.

    17.

    18.

    19.

    20.

    Kapitel 21-30

    21.

    22.

    23.

    24.

    25.

    26.

    27.

    28.

    29.

    30.

    Kapitel 31-40

    31.

    32.

    33.

    34.

    35.

    36.

    37.

    38.

    39.

    40.

    Kapitel 41-46

    41.

    42.

    43.

    44.

    45.

    46.

    Nachwort

    Zeittafel

    Impressum

    PERRY RHODAN – die Serie

    Zu den Rätseln und Mythen des Universums zählt der Frostrubin. Das gigantische Objekt beeinflusste weite Teile des Kosmos – doch dann veränderte es sich. Seither bringt der Frostrubin den Tod über zahlreiche Sternenreiche. Auch die Milchstraße und die von Menschen besiedelten Welten sind in akuter Gefahr.

    Die Einzigen, die etwas gegen diese kosmische Bedrohung tun können, sind die Ritter der Tiefe. Zuletzt haben die Terraner Perry Rhodan und Jen Salik sowie der Arkonide Atlan die Weihe zum Ritter erhalten – allerdings fehlen ihnen viele Kenntnisse über diesen uralten Orden. Während Perry Rhodan sich anschickt, die sogenannten Chronofossilien in der heimatlichen Milchstraße zu aktivieren, bricht Atlan zu einer Reise ins Unbekannte auf.

    Der Arkonide stößt in das Tiefenland vor. Dabei handelt es sich um eines der bizarrsten Gebilde im bekannten Universum. In seinen Weiten hofft Atlan, wertvolle Hilfsmittel zur Bewältigung kosmischer Gefahren zu erhalten ...

    1.

    Als er zu sich kam, herrschte finstere Nacht. Atlan fühlte seinen Körper wieder. Der Boden unter seinem nackten Rücken war hart und kühl, und hoch über ihm funkelten Sterne und hauchzarte Spiralnebel am wolkenlosen Nachthimmel.

    Mit einem Ruck fuhr er hoch. »Jen?«

    »Ich bin hier«, antwortete die vertraute Stimme des Ritters der Tiefe. Atlan wandte den Kopf; der Freund saß einige Meter hinter ihm am Boden.

    »Wo ist dieser Gummifloh?« Atlan atmete tief ein. Die Luft war kühl und frisch, jedoch völlig geruchlos. Steril.

    Er richtete sich langsam auf und schaute suchend in die Finsternis. Jen Salik und er hatten eine weitläufige Ebene erreicht, befanden sich aber sehr nahe am Rand eines Abgrunds. Der Abgrund zog sich rechts und links von ihnen in Richtung Horizont und verschmolz mit der Nacht. Atlan entdeckte in der Steilwand dunklere Stellen – Höhlenöffnungen, vermutete er.

    Salik deutete hinab in den gigantischen Talkessel. »Das kann nur die Grube sein. Zweifellos stehen wir am Rand dieser riesigen planetaren Schüssel.«

    »Und wo ist Drulensot?« Atlan sah sich um, doch der Tiefenzöllner war und blieb verschwunden. Das galt ebenso für die grünen Kristallbehälter, mit denen sie durch den Dimesextatunnel gereist waren.

    Wie weit mochten sie von Cortrans entfernt sein? Oder von der Milchstraße? Atlan legte den Kopf in den Nacken. Einer der fahlen Nebel musste die Riesengalaxis Behaynien sein, Ordobans Heimat, die Keimzelle der Endlosen Armada.

    Salik stieß ihn an. »Ich glaube, da unten bewegt sich etwas!«

    Atlan blickte in den Abgrund. »Ich sehe nichts«, stellte er nach einigen Sekunden fest. »Außerdem ist mir kalt.« Er lachte verärgert. »Offen gestanden komme ich mir ein wenig albern vor, nackt hier in der Einsamkeit auf einen hüpfenden Gummiball zu warten.«

    »Dort!«, schrie Salik auf.

    Diesmal bemerkte auch Atlan eine Bewegung. Etwas Großes, Schwarzes quoll aus einer der nahen Höhlen und schob sich langsam die Steilwand herauf. Ein Wächter der Tiefe? Atlan hatte das unbehagliche Gefühl, dass dieses Etwas Jen Salik und ihn als Eindringlinge sah.

    Kurze Zeit vorher:

    Atlan betrat gemeinsam mit Jen Salik und dem Sorgoren Carfesch das würfelförmige Metallgebäude im Zentrum der Kosmokraten-Station Cortrans. Er hatte erwartet, nur die kahlen Wände einer Schleusenkammer zu sehen, deshalb blieb er überrascht stehen.

    Der äußere Schein trügt zuweilen, wisperte sein Logiksektor. Vor allem bei derart weit fortgeschrittener Technik.

    Atlan ignorierte die Bemerkung. Er sah sich fasziniert um. Obwohl der Metallwürfel von außen nicht größer war als ein Einfamilienhaus, erstreckte sich vor ihm eine Halle, die einem Fürstenpalast als Tanzsaal dienen konnte. Die ferne Rückwand war ein Mosaik aus farbenprächtigen, in ständiger Bewegung befindlichen Kristallen. Nach wenigen Sekunden schälte sich aus dem bunten Chaos Atlans eigenes Konterfei heraus. Das Mosaikgesicht verzog die Lippen zu einem leicht schiefen Lächeln.

    Atlan erwiderte dieses Lächeln, und das Mosaik zerfloss wieder zum formlosen Farbengemisch.

    Zu beiden Seiten säumten mächtige Bäume in großen Kübeln die Halle, und im tiefblauen Laub ihrer Kronen leuchteten faustgroße Kugeln wie exotischer Weihnachtsschmuck. Der Boden bestand aus weißem Marmor, aus dem diffuse Helligkeit aufstieg. Weit verstreut standen hohe, elegant geschwungene Glasskulpturen, die an gigantische Sektschalen erinnerten.

    Zwischen den Skulpturen hüpfte ein grasgrünes Geschöpf von einer Marmorplatte zur nächsten. Dieses Wesen war eine Kugel und etwa einen Meter groß. Rundum verlief ein Ring rubinroter, menschlich anmutender Augen – das Einzige, was der Kugel eine gewisse Struktur verlieh.

    Während das Geschöpf entfesselt auf und ab hüpfte, brabbelte es närrisch vor sich hin: »... erwische euch schon ... scheußliche Wanzen ... wartet nur ...«

    Atlan hörte die Stimme der hüpfenden Kreatur nicht, vielmehr entstand sie direkt in seinen Gedanken.

    Telepathie, bemerkte der Extrasinn mit sanfter Ironie. Der Tiefenzöllner ist telepathisch begabt.

    Der Tiefenzöllner?, dachte Atlan.

    Natürlich ist er der Tiefenzöllner. Oder hältst du dieses Wesen für den Hausmeister?

    Atlan seufzte. Offenbar befand sich der Extrasinn in streitlustiger Stimmung.

    Carfesch kam an seine Seite. Der Gesandte der Kosmokraten schaute zu dem hüpfenden Tiefenzöllner hinüber, und für einen Moment glaubte Atlan, Resignation in dem nichtmenschlichen Gesicht zu erkennen. Aber dieser Ausdruck verschwand schnell. Danach erschienen die strohfarbenen achteckigen Hautplättchen, die Atemöffnung mit dem gazeähnlichen Filter und die strahlend blauen Augen nur noch unnahbar.

    »Wer ist das, bei allen Sternen?«, fragte Jen Salik. Der mittelgroße, durchschnittlich wirkende Terraner deutete auf die hüpfende Kugel.

    »Drul Drulensot«, antwortete Carfesch. »Der Tiefenzöllner.«

    »Und was treibt er da?«

    »Er jagt Sonnenwanzen. Das ist sein einziger Zeitvertreib in den letzten Jahrtausenden, seit der Kontakt zur Tiefe abgebrochen ist und er keine Besucher mehr zur Grube bringen muss.«

    Erst in der Sekunde bemerkte Atlan die bunten Leuchterscheinungen, die dicht über den Boden huschten, auf der Flucht vor dem Zöllner, dessen Gebrabbel immer lauter wurde.

    »Bildet euch nicht ein, dass ihr mir entkommen könnt! Erwische ich euch heute nicht, dann eben morgen. Ich habe Zeit ...« Drulensot machte einen gewaltigen Satz, flog zehn Meter durch die Luft und prallte mit einem gurgelnden Laut auf dem Marmor auf. Ein Rudel Sonnenwanzen ergriff die Flucht, doch ihr Jäger war schneller; er machte einen zweiten Satz, und die Leuchtkugeln verschwanden unter seinem grünen Leib.

    »Hm«, schmatzte Drulensot. »Köstlich, einfach köstlich.«

    »Drulensot!«, rief Carfesch. »Drul Drulensot!«

    Der Augenring des Zöllners verschwand für Sekunden hinter grasgrünen Lidern. Der Kugelleib sackte schlaff in sich zusammen, blähte sich schnell wieder auf, erschlaffte erneut, und wuchs abermals, und jede Kontraktion ließ den Zöllner einen halben Meter in die Höhe springen.

    Alles in allem entstand der Eindruck eines völlig verdutzten Wesens. Die mausgroßen bunten Leuchterscheinungen profitierten von der Verwirrung ihres unerbittlichen Jägers; blitzartig waren sie bei den Bäumen und verschwanden im dichten blauen Laub.

    »Carfesch!,« erklang die Mentalstimme des Tiefenzöllners in Atlans Kopf. »Ich dachte, die Sonne hätte dich nach deinem letzten Besuch in der Station verschlungen. Aber du lebst! Was für eine Enttäuschung! Das verdirbt mir den ganzen Tag.«

    Drulensot schrumpfte und blähte sich wieder auf, und fortwährend fixierte er mit böse schimmernden Augen die drei Eindringlinge.

    »Die Protuberanz, die du mir zum Abschied hinterhergeschickt hast, geriet ein wenig zu kurz«, sagte der Sorgore. »Außerdem war meine Tätigkeit in diesem Universum nicht beendet, wie du siehst. Es wäre vermessen von mir gewesen, nur aus Höflichkeit dir gegenüber in die Sonne zu stürzen. Ich hoffe, dein Hass auf mich hat dich nicht ganz um den Verstand gebracht ...«

    Der Zöllner schmatzte abfällig und hüpfte näher. »Wer spricht von Hass? Um jemanden zu hassen, muss man ihn wichtig nehmen. Ich nehme dich nicht wichtig.«

    Mit respektvollem Abstand verharrte Drulensot und plusterte sich auf. Der Blick seiner tief liegenden Augen wanderte von Carfesch zu Atlan und Jen Salik. Drulensot kicherte.

    »Zwei neue Narren, eh?«, wandte er sich an Carfesch. »Es gibt genug Verrückte im Hochland, die versessen sind, den Tod in der Tiefe zu finden ...?« Er blinzelte. »Äußerst merkwürdig anzusehende Kreaturen. Allem Anschein nach sind sie nicht nur geistig, sondern sogar körperlich deformiert.«

    Atlan lächelte nachsichtig. »Was du siehst, ist unsere normale Erscheinungsform. Von einer Deformation kann keine Rede sein.«

    »Keine Rede.« Drulensot funkelte Atlan grimmig an. »Willst du behaupten, dass ich lüge? Ich mag Leute nicht, die mich als Lügner bezeichnen. Der Letzte, der es gewagt hat, schmort bis heute in der Sonne.«

    »Ein Missverständnis ...«, begann Atlan, aber der Zöllner hüpfte nur wilder auf und ab und fiel ihm zeternd ins Wort: »Ein Missverständnis setzt voraus, dass du überhaupt etwas verstehst. Verstehen kommt von Verstand, und wie mir scheint, gehört Verstand zu den Dingen, die dir fehlen.«

    In unmittelbarer Nähe huschte eine faustgroße violette Lichtkugel aus einer Bodenöffnung und flog dicht an Drulensot vorbei. Der Zöllner sprang ihr mit einem Satz hinterher. Er schmatzte noch eindringlicher, kaum dass er die Lichtkugel absorbierte.

    »Sonnenwanzen.« Er seufzte. »Schreckliches Ungeziefer, trotzdem schmackhaft. Sie sind überall. Kommen direkt aus dem Herzen der Sonne. Eine wahre Pest. Um sie zu vertilgen, musste ich schon vor Jahrtausenden meine Ernährungsgewohnheiten umstellen, aber diese Biester sind schlau. Je mehr ich von ihnen verzehre, desto mehr kommen aus der Sonne zu mir herauf. Natürlich sind sie fünfdimensionaler Natur. Eben das macht sie so lästig.«

    »Selbstverständlich.« Atlan nickte höflich und erntete dafür einen herablassenden Blick.

    Drulensot drehte sich einmal um seine Achse und fragte: »Diese beiden Narren wollen tatsächlich in die Tiefe hinabsteigen, eh?«

    »Sie heißen Atlan und Jen Salik«, sagte Carfesch. »Salik ist ein Ritter der Tiefe. Und Atlan ...«

    »Ich weiß, wer Atlan ist«, fiel ihm der Zöllner mürrisch ins Wort. »Und dass es sich bei dem anderen um einen Ritter der Tiefe handelt, sieht jeder halbwegs intelligente Zöllner mit einem Blick. Da ich nicht nur halbwegs intelligent, sondern blitzgescheit bin, ist deine Bemerkung überflüssig.« Er blinzelte Atlan und Jen Salik verschwörerisch zu. »Carfesch produziert sich gern – wie all diese Marionetten der Kosmokraten ...«

    »Das genügt, Drul!«, unterbrach Carfesch zornig. »Es wird Zeit, dass wir zum Wesentlichen kommen. Ich ...«

    Drulensot ließ den Sorgoren nicht ausreden. »Dieser Kerl trägt eine Armadaflamme«, stellte er fest, mit fünf seiner Augen Atlan fixierend. »Sag mir: Seit wann gehört das Orakel von Krandhor zu Ordobans Armada? Stört dich die Flamme nicht?«

    Atlan zuckte die Achseln. »Man gewöhnt sich daran.«

    Drulensot lachte dumpf. »Ich würde eher behaupten, du wirst sie dir abgewöhnen müssen, wenn du in die Tiefe willst. Willst du? Oder hat dir diese Fadenpuppe Carfesch nur eine fixe Idee in den Kopf gesetzt?«

    »Wir sind hier, um die Lage in einem Bereich zu sondieren, der als Tiefe oder Tiefenland bezeichnet wird«, wandte Salik ein. »In der Tiefe arbeiten Beauftragte der Kosmokraten an einem Ersatz für TRIICLE-9, einem Bestandteil der Doppelhelix psionischer Felder, die den Moralischen Kode unseres Kosmos bilden. Der Kontakt zur Tiefe ist vor langer Zeit abgebrochen. Nichts deutet darauf hin, dass die Rekonstruktion von TRIICLE-9 gelungen ist, und niemand weiß, was den Abbruch der Verbindung ausgelöst hat.«

    Salik machte eine kurze Pause, als wolle er eine Reaktion abwarten. Da alle schwiegen, fuhr er fort: »Atlan und ich werden die Tiefe betreten, die Situation analysieren und alles für den Zeitpunkt vorbereiten, an dem Perry Rhodan mit der Endlosen Armada eintrifft.«

    »So einfach ist das?«, rief Drulensot und hüpfte hektisch. »Ich dachte, Roster Roster und Jorstore wären die letzten größenwahnsinnigen Narren gewesen, die Carfesch auftreiben konnte. Obwohl ich zugeben muss, dass ihr Wahn weniger stark ausgeprägt war als eurer.« Der Zöllner kicherte. »Roster Roster und Jorstore wollten sich damit bescheiden, die Tiefe nur auszukundschaften – ihr scheint es darauf anzulegen, dort direkt die Kontrolle zu übernehmen, eh?«

    »Wenn es sich nicht vermeiden lässt, auch das«, bestätigte Salik.

    Drulensot kicherte wieder. »Sicher. Warum auch nicht? Allmählich wird mir klar, Carfesch, warum es Jahrtausende gedauert hat, bis du mit diesen neuen Kundschaftern erschienen bist. Wahrscheinlich musstest du das gesamte Hochland absuchen, um Kreaturen von solchem Größenwahn wie die beiden Narren zu finden ...«

    »Das Hochland wimmelt von Leuten wie uns«, sagte Atlan und kam damit dem Sorgoren zuvor. »Sofern du mit dem ›Hochland‹ unser Universum meinst.«

    »Unser Universum«, echote der Zöllner giftig. »Du glaubst, du hättest das Universum schon in der Tasche?«

    »Ich bin gerade dabei, es einzustecken«, konterte Atlan und lächelte.

    Drulensot seufzte. »Dieser Bursche macht mich krank. Er erinnert mich an die Sonnenwanzen.«

    »Lassen wir deine Mahlzeiten zunächst aus dem Spiel ...«, bat Carfesch.

    »Die Wanzen wurden nur aus purer Notwendigkeit zu meinem Hauptnahrungsmittel«, wandte der Zöllner zänkisch ein. »Sie sind keine Speise im klassischen Sinn, sondern hyperdimensionale Schmutzpartikel, die bei jedem Probelauf der Dimesextaverbindung zur Grube entstehen. Ich könnte die Probeläufe einstellen, wenn du nicht alle paar Jahrtausende irgendwelche Narren anschleppen würdest, die nichts Besseres zu tun haben, als auf Nimmerwiedersehen in der Tiefe zu verschwinden ... Was bleibt mir also anderes übrig, als Wanzen zu verzehren? Soll ich zulassen, dass sie die gesamte Station verseuchen? Ich vergeude meine Zeit mit der Jagd, habe meinen Metabolismus umstellen und mindestens vier religiöse Tabus meines Volkes verletzen müssen, um mich von den Biestern zu ernähren, und trotzdem höre ich von dir nur Vorwürfe, Carfesch ...«

    Drulensot wirkte beleidigt und erschlaffte zu einem faltigen Ballon. Er schaute trübselig in die Runde. »Dabei bin ich der letzte Tiefenzöllner«, stellte er fest. »Ohne mich kommt keiner deiner selbstmörderischen Kundschafter an den Wächtern vorbei. Ohne mich erreichen sie nicht einmal den Tiefenfahrstuhl – von Starsen ganz zu schweigen.«

    »Deine Verdienste sind jenseits der Materiequellen bekannt«, versicherte Carfesch. »Sie werden dir zu gegebener Zeit gelohnt.«

    »Gelohnt?«, echote die Kugel. »Es lohnt sich nicht, Jahrtausende in der Sonnenstation zu verbringen und hyperdimensionale Wanzen zu jagen. Das ist eintönig, verstehst du?«

    »Mir erscheinen die Wanzen recht bunt«, bemerkte Atlan. »Ich unterscheide mindestens zehn Farbtöne.«

    Drulensot blickte ihn voll Abscheu an. »Ich ändere meine Meinung«, sagte er dumpf. »Ja, es ist wohl das Beste für uns alle, wenn dieser Bursche mit seinem größenwahnsinnigen Begleiter in die Tiefe steigt und für immer aus meiner Nähe verschwindet.«

    »Das ist genau das Stichwort, auf das ich gewartet habe.« Carfesch seufzte. »Ist der Weg passierbar? Und wie reagieren die Wächter der Tiefe?«

    »Der Weg ist passierbar«, antwortete der Zöllner. »Das heißt – nach wie vor nur in eine Richtung: hinab in die Tiefe. Herauf kommt niemand.« Er lachte und fixierte mit einem Teil seiner Augen wieder Atlan und Salik. »Die Kosmokraten waren so raffiniert, eine Sicherung einzubauen, damit nicht Werkzeuge der Chaosmächte in die Tiefe gelangen. Um den Einstieg in den Raum unter dem Raum konstruierten sie die Grube und postierten in ihr die Wächter der Tiefe. Die Wächter lassen nur positiv denkende Wesen passieren. Wer im Dienst des Chaos steht, wird von ihnen abgewiesen. Aber die Grube hat sich verändert, eh, Carfesch? Sie ist nicht mehr das, was sie früher war ...«

    »Die Mutation des Frostrubins blieb für die Grube tatsächlich nicht ohne Folgen«, bestätigte der Sorgore, wieder an Atlan und Jen Salik gewandt. »Lange nach dem Aufbruch von Ordobans Wachflotte, die neben den Wächtern der Tiefe den Einstieg zum Standort des Frostrubins beschützt hat, wurde die Funktion der Grube irregulär. Sie lässt zwar weiterhin autorisierte Besucher in die Tiefe ...«

    »... doch niemanden wieder heraus«, unterbrach Drulensot. »Die Grube ist eine Einbahnstraße – aber es liegt womöglich nicht nur an ihr, sondern zudem an den Wächtern, dass keiner aus der Tiefe zurückkehrt ...«

    »Die Wächter müssen sich ebenfalls verändert haben«, bestätigte Carfesch. »Oder in der Tiefe kam es zu einer Katastrophe, die alle dort unten getötet hat.«

    »Das erklärt nicht, warum die Kundschafter verschollen bleiben«, sagte Atlan. »Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass zumindest einem von ihnen die Rückkehr gelungen wäre, würde die Grube weiterhin in beide Richtungen funktionieren – ganz gleich, welche Gefahren in dieser mysteriösen Tiefe lauern.«

    »Genau!«, rief Drulensot, und es klang ausnahmsweise begeistert. »Die Tiefe ist gefährlich! Ich sage das seit über zehntausend Jahren, leider glaubt mir keiner. Jorstore hat über die Warnung gelacht, und was ist aus ihm geworden? Er ist seit Jahrtausenden verschwunden. Und euch, Atlan und Jen Salik, wird es nicht anders ergehen. Das Tiefenland ist eine Falle! Wer es betritt, der tut das für den Rest seines Lebens, und da ihr beide Vitalenergiespeicher besitzt, umfasst dieser Rest vermutlich eine mittlere Ewigkeit.«

    »Vitalenergie ...?«, fragte Atlan.

    »Er meint die Zellaktivatoren.« Carfesch winkte ungeduldig ab. »Wir kommen wieder vom Thema ab. Selbst wenn die Grube irreparabel geschädigt ist, gibt es einen zweiten Ausgang. Er liegt am Berg der Schöpfung – dort, wo einst TRIICLE-9 verankert war. Wo die Raum-Zeit-Ingenieure im Auftrag der Kosmokraten an einem Ersatz für das mutierte psionische Feld arbeiten.«

    Drulensot lachte höhnisch. »Ein zweiter Ausgang? Am Berg der Schöpfung? Warum hat ihn nie jemand benutzt? Warum ist keiner der Raum-Zeit-Ingenieure ins Hochland gekommen, um über den Fortgang der Arbeiten zu berichten? Ich sage dir, warum: Wenn es je einen zweiten Ausgang gegeben hat, dann ist er ebenfalls blockiert. Ich habe gesagt, dass die Tiefe eine Falle ist, und ich behaupte es erneut.«

    »Wie ihr hört, ist euer Auftrag nicht ungefährlich«, fuhr Carfesch unbeirrt fort. »Vor euch wurden schon andere Kundschafter in den Raum unter dem Raum geschickt. Die beiden letzten hießen Jorstore und Roster Roster. Wir haben nie wieder von ihnen gehört. Deshalb wissen wir nicht, wie weit die Raum-Zeit-Ingenieure mit ihrer Arbeit gekommen sind und ob sie überhaupt noch an dem großen Vorhaben arbeiten. Zu viel Zeit ist seit dem Abbruch der Verbindung vergangen. Alles ist möglich. Vielleicht ist sogar das Undenkbare geschehen und die Mächte des Chaos sind in die Tiefe eingedrungen.«

    Der Sorgore musterte erst Atlan und dann Salik mit seinen strahlend blauen Augen. »Euer Weg führt ins Unbekannte, unter Umständen in den Tod«, sagte er. »Ihr müsst die Raum-Zeit-Ingenieure finden und mit ihnen versuchen, die Verbindung zum Hochland – zu diesem Universum – wiederherzustellen. Ihr müsst sie auf die Rückkehr von TRIICLE-9 und die Ankunft der Endlosen Armada vorbereiten. Und falls es in der Tiefe Kräfte gibt, die negative Ziele verfolgen, müsst ihr deren Pläne durchkreuzen. Falls die Raum-Zeit-Ingenieure ihren Auftrag vergessen haben oder nicht mehr existieren, seid ihr gezwungen, aus eigener Kraft das zweite Tor zum Hochland zu öffnen. Ich kann keine Ratschläge geben, weil niemand sagen kann, was euch erwartet. Ich kann euch nur Glück und Erfolg wünschen. Das ist alles.«

    »Nicht viel, eh?«, tadelte der Tiefenzöllner. »Für Jorstore und Roster Roster war es jedenfalls nicht genug.«

    »Wir brauchen Informationen.« Atlan achtete nicht auf die Bemerkung der hüpfenden Gestalt. »Wenn über die gegenwärtige Situation in der Tiefe keine Informationen vorliegen, dann können wir vielleicht aus den historischen Daten Schlüsse ziehen. Damit wir nicht völlig unvorbereitet hinuntersteigen.«

    »Sämtliche Informationen bekommt ihr von Drulensot«, sagte Carfesch. »Das gehört zu seinen Pflichten als Tiefenzöllner.«

    »Für mich ist es eher eine Frage der Barmherzigkeit, weniger der Pflicht«, kommentierte das Kugelwesen.

    Carfesch verdrehte die Augen. »Ihr seid demnach bereit, den Auftrag zu übernehmen und den Abstieg in die Tiefe zu wagen?«

    »Deshalb sind wir hier!«, bestätigte Jen Salik. »Oder etwa nicht?«

    »Und wir bleiben, bis wir alles hinter uns gebracht haben«, ergänzte Atlan.

    »Gut.« Carfesch nickte. »Dann überlasse ich euch Drulensots Obhut. Er wird euch alle nötigen Informationen geben und euch schnellstmöglich zur Grube bringen. Danach seid ihr auf euch allein gestellt.«

    »Taurec schien nicht an ein Wiedersehen zu glauben«, wandte Salik ein. »Wie steht es bei dir?«

    »Wir sehen uns wieder!«, versicherte der Gesandte der Kosmokraten. »Sobald Perry Rhodan und die Endlose Armada die Chronofossilien aktiviert haben und die Verankerung des Frostrubins endgültig gelöst ist, stoßen wir in die Tiefe vor. Dann sehen wir uns wieder.«

    »Sofern die beiden bis dahin überleben«, unkte der Zöllner. Sein Kugelleib blähte sich prall auf, als müsse er platzen, und hüpfte weiter.

    »Viel Glück!«, sagte Carfesch, wandte sich ab und ging auf die Wand zu, die vor ihm aufklaffte.

    Atlan erhaschte einen flüchtigen Blick auf das stumpfe Silber der Stationsplattform, zwei Ecktürme in der Ferne und die grünen Protuberanzen, die den Schutzschirm umflossen. Wie ein Floß schwamm die Kosmokraten-Station in der Chromosphäre der Sonne Cortrans.

    Die Öffnung schloss sich schnell wieder.

    »Kommt!«, drängte der Tiefenzöllner. »Wie Carfesch schon bemerkt hat: Die Zeit ist knapp. Schließlich hat es ihn Jahrtausende gekostet, euch zwei Narren zu finden ...«

    2.

    Chulch, der Plünderer, drückte sich in den Sichtschutz eines halb zerfallenen Gebäudes, das wie der von Karies zerfressene Zahn eines schlafenden Riesen an der Peripherie der Alten Tiefenschule aufragte. Er beobachtete die Treumänner zwischen den nahen Ruinen.

    Sie waren zu zwölft und gehörten dem Volk der Bayaren an, den Bewohnern des Viertels im Süden der Tiefenschule – dünne, zwölfgliedrige Kreaturen mit transparenter Haut und darunter sichtbar pulsierenden Organen. Zwei von ihnen waren aufs Dach einer Pyramide geklettert und beobachteten die Umgebung. Die anderen stakten auf ihren spinnenhaften Beinen durch den Staub.

    Suchten sie nach den Schätzen der Vergangenheit, die in der Alten Tiefenschule unter dem Schutt begraben lagen? Oder hatten sie einen anderen Auftrag? Chulch entsann sich, dass das Bayarenviertel von dem Geriokraten Kalk 978 beherrscht wurde, einem engen Vertrauten des Ältesten, des mächtigsten Bürgers von ganz Starsen ...

    In einer argwöhnischen Geste hob Chulch den weißen Pelzkopf und schnüffelte. Der Wind trug ihm den typischen Geruch zu: Moder und Staub und zudem etwas Bitteres, Scharfes. Der Plünderer kannte diesen Geruch; er zeugte von Tod und Gefahren, von Fallen und lauernden Mechanismen im grauen Jahrtausendstaub ...

    Sein schneeweißes Rückenfell sträubte sich. Er wich tiefer in den Schatten der zerfallenen Mauern zurück. Unterbewusst nahm er wahr, dass die Ruine aus einem halbtransparenten Stahl bestand, der matt und grau geworden war. Nach dem verwendeten Baumaterial und der Architektur zu urteilen, stammte die Ruine aus der Ära vor der Isolation. Bis zu dreihunderttausend Tiefenjahre hatten an ihr genagt; zusammen mit der Alten Schule war sie gealtert und verwittert und gehörte längst zum Niemandsland im Zentrum Starsens.

    Chulch sah wieder zu den Treumännern hinüber. Seinem geübten Blick entging nicht, dass sie außer mit Waffen auch mit technischem Gerät ausgerüstet waren, mit Metalldetektoren, Ultraschalltastern und Fallenspürern. Schon die umfangreiche Ausrüstung bewies, dass sie einem Statusherrscher wie Kalk 978 dienten. Einem Geriokraten, einem der wenigen Glücklichen, die als Status-Vier-Bürger zur Welt gekommen waren und alle Privilegien genossen, die die Stadt ihren Bürgern bieten konnte: Versorgung mit Nahrungsmitteln, Bedarfsgütern und technischem Gerät; Benutzung des Citytransportsystems; Schutz durch das Cityabwehrsystem; und Langlebigkeit ...

    Chulchs Blicke schweiften ab und wanderten zu dem goldenen Würfel, der zwischen den Ruinen leuchtete. Ein Starsenspender – einer von Millionen. Überall in der Stadt standen diese Würfel, und auf Gedankenbefehl erzeugten sie alles, was man sich wünschte: Nahrungsmittel, Waffen, technische Geräte ... Nur Bürger mit höherem Status konnten sich ihrer bedienen. Die Masse der Bevölkerung – Status-Eins-Bürger wie Chulch – wurde von den Starsenspendern abgewiesen.

    Chulch knurrte unwillig. Das waren unnütze Gedanken. Er musste sich auf seine Arbeit konzentrieren.

    Die Treumänner wühlten weiter im Schutt. Sorgsam achteten sie darauf, nicht das eigentliche Gebiet der Alten Tiefenschule zu betreten, wo sich zigtausend Pyramidengebäude in den sonnenlosen Himmel reckten, überragt vom goldenen, schiefen Finger des Hochturms. Gelegentlich schrie einer der Treumänner auf und winkte erregt gestikulierend seine Begleiter herbei, aber Chulch erkannte, dass sie nur Schrott und kleine Artefakte aus den Ruinen bargen.

    Er knurrte wieder. Diese Narren mussten wissen, dass das Niemandsland und ebenso die Peripherie der Schule seit Jahrtausenden geplündert waren. Lediglich im Kernbereich, im Areal um den Hochturm, gab es noch einiges zu holen. Dort warteten indes die alten Fallensysteme auf Plünderer.

    Chulch wurde ungeduldig. Jede Expedition in die Tiefenschule kostete Zeit. Nur wer vorsichtig war, hatte eine Chance, den Fallen und Abwehranlagen zu entgehen und einige der Schätze aus den Pyramiden zu bergen. Chulch hatte schon zu viel Zeit für die Vorbereitungen aufgewendet. Wenn er Beute machen und vor Beginn der nächsten Schwarzzeit im Lorroskerviertel ankommen wollte, musste er sich beeilen. Der Geriokrat Chizgren 1931, der das Lorroskerviertel beherrschte, war ein wählerischer Kunde und leicht zu verärgern.

    Der Plünderer verdrängte die unangenehmen Gedanken. Für ihn galt es, unentdeckt in die Alte Tiefenschule einzudringen, die Pyramiden nahe des Hochturms zu erreichen, Artefakte aufzuspüren und das Ruinengebiet wieder zu verlassen, ohne von einem Energiestrahl gegrillt oder einem Schwerkrafthammer zermalmt zu werden. Er wartete eine Weile und stellte enttäuscht fest, dass mit einem Abzug der Treumänner in den nächsten Stunden wohl nicht zu rechnen war. Vermutlich würden sie erst umkehren, wenn die Energiezellen ihrer Detektoren und Schürfgeräte erschöpft waren. Zu spät für Chulch.

    Bemüht, verräterische Geräusche zu vermeiden, warf er seinen kräftigen, fellbedeckten Körper herum und trabte nach Westen. Das Geschrei der Treumänner blieb hinter ihm zurück und er erhöhte seine Geschwindigkeit.

    Der Boden dröhnte unter seinen sechs Beinen, die den mächtigen Leib mit der Geschwindigkeit eines Rennpferds durch die Ruinenlandschaft trugen. Die beiden schwarzen Taschen auf Chulchs Rücken tanzten auf und ab. Der von den Beinen aufgewirbelte Staub bedeckte bald wie grauer Puder das weiße Fell. Unter dem großen Kopf mit den braunen Augen wuchsen aus dem Hals zwei Arme, die in achtfingrigen, geschickten Händen endeten.

    Chulch lief nach Westen bis er ausreichend Distanz zwischen sich und die Treumänner gebracht hatte, dann bog er wieder nach Süden ab und fiel in einen leichten Trott zurück.

    Er lauschte und schnupperte. Nichts. Nur der modrige, bittere Geruch der Alten Tiefenschule und weit im Norden das Rauschen eines Atmosphärestrudels, der wie ein gewaltiger Quirl die Luft über Starsen aufwirbelte. Chulch sah zum Himmel auf. Die graue Wolkendecke, durch die gleichmäßiges Licht fiel, war lückenlos. Der Plünderer wunderte sich nicht über das Fehlen einer Sonne – er hätte diesen Begriff nicht einmal verstanden. In der Tiefe gab es keine Sonne. Nur den wolkenbedeckten Himmel und die gleichmäßige Helligkeit, die ein Tiefenjahr lang währte und dann von der fünfstündigen Schwarzzeit abgelöst wurde.

    Der Gedanke an die Schwarzzeit schreckte Chulch auf. Er lief wieder schneller, ein einsames sechsbeiniges Geschöpf, das jeder unbefangene Beobachter für ein Tier halten konnte.

    Bald erreichte er die Peripherie der Alten Tiefenschule. Bis in endlos anmutende Ferne erstreckte sich vor ihm das Gewirr der grauen Pyramiden. Viele von ihnen zeigten deutliche Zeichen des Zerfalls, und inmitten dieser grauen Öde funkelte das Gold des Hochturms.

    In den mythischen Zeiten vor der Isolation sollte der Turm der Endpunkt des Tiefenfahrstuhls gewesen sein, der die Besucher aus dem Hochland in die Tiefe brachte. Chulch bezweifelte jedoch, dass es so etwas wie das Hochland überhaupt gab. Wahrscheinlich war es ebenso eine Legende wie die paradiesischen Länder jenseits der Stadtmauer Starsens ... Die unendliche Weite des Tiefenlands, in dem jede Kreatur frei war von der Unterdrückung durch die Statusherrschaft und die Geriokraten. Auch frei von der Fraternität, die sich als Schutzmacht der Status-Eins-Bürger aufspielte, aber nur eine subtilere Form der Unterdrückung ausübte.

    Chulch verharrte, griff mit einer Hand nach hinten und öffnete die rechte Rückentasche. Er zog ein spindelförmiges Gerät hervor. Es hatte Äonen im Staub der Tiefenschule geruht, bis er es fand. Vor allem funktionierte es noch und hatte den unschätzbaren Vorteil, nicht nach einer bestimmten Zeitspanne zu zerfallen, wie alle von den Starsenspendern erzeugten Waffen und Geräte.

    Chulch drehte die Spindel in der Hand, bevor er fest zudrückte. Das matte Schwarz des Geräts wich einer dunkelgrünen Aura, in der seine Hand verschwand. Der Plünderer wusste nicht, wie das Gerät funktionierte, geschweige denn, aus welcher Energiequelle es versorgt wurde. Durch Versuche hatte er herausgefunden, dass sich die grüne Aura in der Nähe eines aktiven Fallensystems rot verfärbte.

    Er wartete. Nichts. Keine Gefahr. Die Gegend war sauber. Dennoch blieb Chulch wachsam. Erst recht, während er die unsichtbare Grenze überschritt und das eigentliche Gebiet der Alten Tiefenschule betrat.

    Immer wieder duckte sich der Plünderer hinter Schuttbergen und Mauerresten, glitt ins gähnende Nichts der Pyramideneingänge, beobachtete seine Umgebung und suchte mit dem Fallenspürer nach dem nächsten getarnten Abwehrsystem. Dabei bewegte er sich immer tiefer in das Trümmerreich hinein.

    Gelegentlich stieß er in einer der Pyramiden, in denen er vorübergehend Unterschlupf suchte, auf Artefakte. Da war ein Roboter, der erstarrt an einer Wand lehnte und darauf wartete, dass eine barmherzige Seele seine Energiespeicher füllte, auf dass er seinen Helfer packen und in die unterirdischen Gewölbe der Tiefenschule entführen konnte. Da waren auch synthetische Edelsteine, die verstreut herumlagen und jeden, der sie berührte, mit einem Kontaktgift töteten; ebenso ein halbes Dutzend Ovoide aus makellosem Stahlglas, in denen Trugbilder aufglommen, wenn man sie ansah. Außerdem einige Barren Metall und Multiwerkstoff, von anderen Plünderern übersehen, deren Lagerorte Chulch sich merkte, um sie bei seiner nächsten Expedition zu bergen. Aber hauptsächlich gab es Schutt und Schrott, Staub und undefinierbare Maschinenreste.

    Er zog sich in eine dunkelrote Spitzpyramide zurück, rastete eine Weile und nahm zwei Nahrungswürfel zu sich. Aus Neugierde durchstöberte er seinen Unterschlupf und stieß in einem Kellerraum auf ein Porträt. Es war nicht groß; eine ovale Fassung mit mehreren Handspannen Durchmesser, und das Bild in der Fassung schien verblasst. Während Chulch näher trat, wurde das stumpfe Grau hell und zeigte das Gesicht eines Humanoiden.

    Chulch schrak zurück. In seiner ersten Reaktion fürchtete er, dass es der Stahlherr sei, jenes gnadenlose Wesen, dessen Antlitz vor fünf Tiefenjahren über allen Starsenspendern erschienen war: stumm, fremd und drohend. Ein Gespenst aus dem Nichts, das seither am Stadtrand hauste, von dort seine Söldner ausschickte und jeden entführen ließ, der den Häschern nicht schnell genug entkam.

    Aber das Gesicht gehörte nicht dem Stahlherrn. Obwohl es humanoid war, unterschied es sich deutlich von dem des Stahlherrn – oval, die Haut haarlos, vier Augen auf der Stirn und eine runde Mundöffnung über dem spitzen Kinn. Chulch lachte nach der ersten Schrecksekunde befreit auf. Dumpf hallte sein Gelächter durch das Kellergewölbe.

    Der Klang schien einen verborgenen Mechanismus ausgelöst zu haben, denn mit einem Mal bewegte sich der Rundmund des Porträts und gab verständliche Laute von sich: »... der Dienst im Vagenda ist freiwillig. Dort, wo alles strömt, kann der Dienende einfließen und Teil der Ströme werden. Man gibt und verliert nichts, sondern gewinnt; man wird eins mit dem Ganzen. Ich habe mich entschlossen, das Vagenda aufzusuchen und mein Selbst mit dem Strom des Lebens zu teilen. Wenn du diese Nachricht erhältst, geliebte Mojoniu«, das Porträt lächelte eigentümlich, »dann werde ich Starsen bereits verlassen und das Vagenda passiert haben. Ich hoffe, danach auf der Lichtebene eingesetzt zu werden, und dass ihr vom Krausen Wran mir bald folgen werdet. Es gibt so viel zu tun, und unsere Arbeit ist von solch enormer Wichtigkeit, dass ihr nicht länger zögern dürft. Ihr müsst dem Ruf folgen und in diese phantastische Welt hinabsteigen. Beeilt euch! Es gibt Gerüchte über Unregelmäßigkeiten am Einstieg, dass der Weg gelegentlich blockiert ist und einige Sendungen das Hochland nicht erreicht haben ...«

    Ein Knirschen, und das humanoide Gesicht erstarrte und wurde wieder vom Grau verdrängt.

    Nachdenklich betrachtete Chulch das matte Oval. Eine Bildaufzeichnung, überlegte er. Aber wie alt mochte sie sein? Dieses Bild hatte vom Hochland gesprochen, als wäre es Realität und keineswegs nur ein Mythos, und von einem blockierten Weg ... War es möglich, dass das Porträt aus der Zeit vor der Isolation stammte? Aus dem goldenen Zeitalter, in dem Starsen blühte und voller Leben war, erfüllt von fremden Besuchern, fremden Stimmen, exotischen Gerüchen ...?

    Einen Moment lang glaubte Chulch die Alte Tiefenschule so vor sich zu sehen, wie sie vor Urzeiten gewesen sein musste: neu und funkelnd; in den Pyramiden und auf den Straßen zahllose Kreaturen, eine bizarrer als die andere, die gekommen waren, das Leben in der Tiefe zu lernen und danach hinauszuziehen ins unendliche Tiefenland ...

    Chulch löste sich aus seiner Träumerei. Blieb man zu lange im Komplex der Tiefenschule, dann vergaß man das Leben und Sterben in Starsen, den Albdruck der Statusherrschaft und die Kämpfe, die oft zwischen den verfeindeten, von verschiedenen Völkern bewohnten Stadtteilen tobten. Man vergaß die eigene Herkunft und seine Ziele. Ebenso ließ die Wachsamkeit nach, bis die tödlichen Fallen zuschlugen.

    Chulch wandte sich ab und verließ den Keller. Er machte sich nicht die Mühe, das Porträt mitzunehmen; zweifellos war es defekt, er würde kaum einen Käufer dafür finden. Die Statusherrscher waren nicht an Artefakten aus der Zeit vor der Isolation interessiert. Warum sollten sie auch? Solche Dinge erinnerten nur daran, dass es eine Ära gegeben hatte, in der jeder Bürger Starsens den gleichen Status gehabt hatte wie sein Nachbar.

    Chulch verließ das Gebäude und trabte auf eine offene Fläche zu, auf der hohe, schlanke Gebilde aus lavendelfarbenen Kristallen wuchsen. Sein Instinkt warnte ihn. Jäh warf er sich zur Seite, stemmte die kräftigen Beine in den staubigen Boden und katapultierte sich durch die Luft. Hinter ihm schlug krachend ein violetter Blitz ein. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, klaffte ein tiefer Krater.

    Der Plünderer machte einen weiteren Sprung und lief Haken schlagend auf eine abseits stehende, bis auf die Grundmauern verfallene Pyramidenruine zu.

    Wieder ein schmetternder Blitz, diesmal nur wenige Meter von ihm entfernt. Chulch wurde von der Druckwelle der Explosion gepackt und prallte schmerzhaft gegen eine verwitterte Mauer. Benommen blieb er liegen und erwartete, dass ein neuer Blitz aufleuchten und ihn töten würde. Doch alles blieb still.

    Keuchend hob er den Kopf. Verlassen lagen die Ruinen vor ihm. Nur zwei qualmende Krater verrieten, dass er beinahe dem uralten Fallensystem zum Opfer gefallen wäre. Aber nie hatte ein Blitz so weit nördlich eingeschlagen. Oder war Chulch dem Hochturm schon näher, als er vermutet hatte? Langsam bewegte er die Beine und stellte aufatmend fest, dass nichts gebrochen war. Das Fell seiner rechten Flanke wies Sengspuren auf, mehr war ihm nicht zugestoßen.

    Seinen Leichtsinn verwünschend, setzte der Plünderer wieder das Spürgerät ein, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Die Aura färbte sich sofort dunkelrot, ein dünner Lichtstrahl zeigte auf einen Bereich etwa hundert Meter entfernt, eine Art Schlackehaufen.

    Chulch fluchte. Hätte er besser auf seine Umgebung geachtet, statt sich den Träumereien hinzugeben, wäre ihm der Blitzwerfer nicht verborgen geblieben. Im Zentrum der Alten Tiefenschule gab es Dutzende davon, und jeder Plünderer, der sein Leben liebte, wich ihnen aus.

    Nur sein Instinkt und eine gehörige Portion Glück hatten ihn gerettet. Die zweite Explosion hatte ihn aus der Reichweite des Blitzwerfers geschleudert.

    Chulch stand auf und trottete weiter. Er achtete nun ständig auf den Fallenspürer, der während der folgenden Stunde zweimal ansprach. Beide Fallen konnte er umgehen.

    Schließlich ragte der Hochturm, schief und goldfarben, mit Säulenringen um die einzelnen Stockwerke, fast schon greifbar nah in den Himmel. Gut fünfhundert Meter hoch und an der Basis achtzig Meter dick, ließ das Bauwerk die Ruinen ringsum jämmerlich klein erscheinen. Chulch starrte hinauf zur Wolkenbank, zu jenem Bereich über dem Turm, wo der Himmel einst Feuer gefangen hatte, sobald der Tiefenfahrstuhl aus den unerreichbaren Sphären des Hochlands neue Besucher nach Starsen brachte. Sein Herz schlug schneller. Irgendwann würde er den Hochturm betreten und bis zu dessen Spitze emporsteigen. Dann würde er erkennen, ob es ein Märchen war, was erzählt wurde, dass der Fahrstuhl herabsank, sobald von der Turmspitze eine Stimme rief, und dass er jedem Rufer gehorchte und diesen hinauftrug ins Hochland.

    Zu viele Plünderer hatten schon versucht, die im Turm vermuteten Schätze zu bergen, und keiner von ihnen hatte das goldene Bauwerk wieder verlassen. Nein, überlegte Chulch, besser, er mied den Turm und die uralten Maschinen, die dort ihren Dienst versahen. Die Pyramiden des Schulkomplexes lieferten genug Beute ...

    Eine Erschütterung riss ihn von den Beinen. Chulch schnaufte verschreckt, überschlug sich im Staub und kam wieder hoch.

    Eine weitere Falle? Aber der Fallenspürer ... Ein zweiter Stoß, härter und brutaler als zuvor, traf Chulchs Flanke wie ein Rammbock. Der Plünderer schrie, während er über den Boden rutschte. Halb bewusstlos stemmte er in einem Reflex die Vorderbeine in den Staub, bremste seinen Rutsch und schnellte sich verzweifelt zur Seite. Er war selbst von der Kraft dieses Sprunges überrascht, die ihn über ein Dutzend Meter trug. Eine Flammenwand wuchs vor ihm auf und wälzte sich tosend auf ihn zu. Er stolperte, fing sich gerade noch ab, warf sich herum und hastete zurück.

    Dann kam der dritte Stoß, eine mächtige unsichtbare Faust, die Chulch jäh zu Boden schmetterte. Um ihn wuchsen Feuersäulen auf, und jemand lachte. Dieses Lachen entstand direkt in seinem Kopf.

    Er lag da wie gelähmt. Aus den Schatten, die vor seinen Augen tanzten, schälten sich drei Gestalten in bodenlangen weißen Capes. Sie hatten zwischen den Ruinen verborgen gelauert, hielten aber keine Waffen in den Händen. Chulch wusste, dass diese Gestalten selbst Waffen waren: Einer konnte mit der Kraft seines Geistes Feuer entfachen; der zweite verwandelte seine Gedanken in Fäuste; der dritte redete in den Köpfen anderer Bürger.

    Ein Pyrokinet, ein Telekinet und ein Telepath. Deshalb hatte der Fallenspürer Chulch nicht gewarnt. Er war nicht von einem Abwehrsystem der Alten Schule angegriffen worden, sondern von einer Triade der Bruderschaft der Psioniker ... Chulch verlor das Bewusstsein.

    3.

    Der Tiefenzöllner hatte Atlan und Jen Salik durch ein Labyrinth sphärischer Gänge aus Formenergie geführt und dabei kichernd Sonnenwanzen gejagt, von denen es in den Energiekorridoren wimmelte.

    Atlan hatte das Gefühl, stundenlang unterwegs gewesen zu sein, bis sie die schwarze Kammer im Zentrum des Labyrinths erreichten. Sein Logiksektor korrigierte jedoch kühl, dass seit dem Aufbruch aus der Halle nicht einmal drei Minuten vergangen waren. In der Kammer – außen kaum größer als eine Gartenlaube, innen ein riesiger Saal, dessen Ausmaße nicht abzuschätzen waren – standen in endlos anmutenden Reihen sargähnliche Behälter aus grünem Kristall.

    Drulensot kicherte. »Fehlen nur zwei Grabsteine, eh«, sagte er boshaft. »Hier ruhen die beiden größten Narren des Universums ... Was haltet ihr von der Inschrift?«

    »Sie wäre ein wenig schlicht«, antwortete Atlan, während er die Kristallsärge musterte. Zu Tausenden reihten sie sich dicht an dicht und wurden in der Ferne vom Dämmerlicht verschluckt. Ihre Anzahl vermittelte eine vage Ahnung, wie viele Besucher einst in die Tiefe geströmt waren.

    »Einen kleineren Transitsaal gibt es nicht«, kommentierte Drulensot, als hätte er Atlans Gedanken gelesen. »Das hier ist der kleinste in der Station.«

    »Und nun?«, fragte Jen Salik.

    »Legt eure Kleidung ab. Ihr bekommt neue, sobald wir die Grube erreichen.« Der Tiefenzöllner postierte sich neben zwei Kristallsärgen. Atlan stand nicht nahe genug, dass er hätte erkennen können, was Drulensot tat. Immerhin leuchteten schon nach wenigen

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