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WissensManagementWissen
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eBook294 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Information und Wissen sind als Diskussionsthema en vogue! Allgegenwärtig, manchmal im nicht zu bewältigenden Überfluß vorhanden, andererseits ein knappes Gut, bedrohlich und hoffnungsvoll zugleich, Auslöser und Träger der Lösung von Problemen.
Vor diesem Hintergrund, der Wissen als wichtige organisationale Ressource konstituiert, bestehen die Ziele dieser Arbeit darin,
•eine epistemologische und sozialtheoretische Perspektive auf Wissenschaft und Praxis anzuwenden, die von grundlegenden Einschränkungen bzgl. des Umgangs mit Wissen ausgeht, diese Einschränkungen auch konsequent ernst nimmt und ihre Bedeutung für praktisches und wissenschaftliches Handeln zu analysieren,
•vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Managements der Ressource Wissen in Organisationen aufzugreifen, die zu grundlegenden Paradoxien und Dilemmata führt, die nur mit bescheidenen theoretischen Geltungsansprüchen zu pragmatischen Überlegungen weiterleiten können,
•um damit auch die Grenzen anwendungsorientierter Sozialwissenschaft auszuloten, ihre Bedeutung für soziale Realität kritisch zu reflektieren und ein durch Skepsis begründetes bescheideneres Wissenschaftsverständnis zu formulieren.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum2. Juli 2023
ISBN9783347972179
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    Buchvorschau

    WissensManagementWissen - Michael Zart

    1. Zur Problematik des Wissens

    Grau is alle Theorie - entscheidend is auf´m Platz.

    Alfred „Adi" Preißler¹

    Information und Wissen sind als Diskussionsthema en vogue! Allgegenwärtig, manchmal im nicht zu bewältigenden Überfluß vorhanden, andererseits ein knappes Gut, bedrohlich und hoffnungsvoll zugleich, Auslöser und Träger der Lösung von Problemen.

    Einige Schlaglichter:

    Der Anbruch der Informations- bzw. Wissensgesellschaft wird von prominenten Vertretern der Wissenssoziologie propagiert und analysiert (vgl. Stehr 1994). Die damit verbundenen neuen gesellschaftlichen Problemlagen führen zur Forderung, neben der Rechts- und Wirtschaftsordnung eine Wissensordnung mit dem Rang einer dritten Grundordnung zu institutionalisieren (vgl. Spinner 1994). Dies ist plausibel, wenn es bspw. in einer ökonomischen Perspektive nicht mehr nur noch darum geht, Informationen und Wissen über Produkte, Verfahren und Märkte ertragreich zu nutzen, sondern die Märkte für Informationen und Wissen selbst einen beträchtlichen Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten einer Volkswirtschaft bestimmen, und damit zu Chancen und Risiken einer Kommerzialisierung von Wissen führen (vgl. Kuhlen 1995). Wenn ein bisher eher untergeordneter Aspekt des sozialen Lebens zu einem zentralen wird, dann entstehen neue Problemlagen, denen die alte Ordnung möglicherweise nicht mehr gerecht werden kann.

    Von politischer Seite ist in Deutschland seit der G7 - Ministerkonferenz zur Informationsgesellschaft im Februar 1995 in Brüssel eine ansteigende Beschäftigung mit diesen Fragen zu konstatieren. Unter der Überschrift Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft findet sich eine Vielzahl von Aktivitäten. Anfang 1996 legte die Bundesregierung einen Bericht vor, in dem die Ausgangslage in Deutschland dargelegt und der derzeit notwendige staatliche Handlungsbedarf auf dem Weg in die Informationsgesellschaft aufgezeigt wurde (BMWi 1996). Zum gleichen Zeitpunkt wurde durch den Bundestag die Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, die Auswirkungen der schnellen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der elektronischen Medien auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Gesellschaft, Kultur, Politik und Demokratie darzustellen und Vorschläge für parlamentarische Initiativen zu machen, die notwendig sind, um einerseits die Chancen der Informationsgesellschaft umfassend zu nutzen und andererseits ihre Risiken angemessen zu bewältigen (vgl. Deutscher Bundestag 1996)².

    Die inhaltliche Konkretisierung dessen, was unter einer Informationsgesellschaft zu verstehen sei, bleibt jedoch relativ blaß: Der Begriff Informationsgesellschaft steht für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der der produktive Umgang mit der Ressource Information und die wissensintensive Produktion eine herausragende Rolle spielen. (BMWi 1996: 15)³

    Vor dem Hintergrund anhaltender Massenarbeitslosigkeit stehen Chancen und Risiken des Wandels zur Informationsgesellschaft und ihrer aktiven Gestaltung im Raum: Sofern es nicht gelingt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Informationswirtschaft zu stärken und die Möglichkeiten der Informationstechnik für die Flexibilisierung der Produktion, der globalen Ausrichtung von Absatz- und Beschaffungsstrategien und der Verkürzung von Innovationszyklen auszuschöpfen, sind Wachstumseinbußen und Arbeitsplatzverluste nicht auszuschließen. … Vorliegende Studien deuten - bei aller damit verbundenen Unsicherheit - darauf hin, daß bei der Erfüllung von bestimmten Bedingungen im rechtlichen, wirtschaftlichen und technologischen Umfeld in den nächsten 15 Jahren in der Europäischen Union zusätzlich bis zu 6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Bezogen auf den Anteil der Bundesrepublik Deutschland an den Beschäftigten in der EU insgesamt würde dies im günstigsten Fall bis zum Jahre 2010 einem Potential von etwa 1,5 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen entsprechen. (BMWi 1996: 8)

    Die Bandbreite der Prophezeiungen ist jedoch groß: Die Propheten verheißen ein goldenes Zeitalter. Die Wohlfahrt breitet sich ungehemmt über die Erde aus, Arbeit gibt es genug, Armut verschwindet. Das digitale Zeitalter werde Hierarchien sprengen und mehr Harmonie unter die Menschen bringen, verkündet Nicholas Negroponte, Vordenker der Informationsgesellschaft, in seinem neuen Buch „Total digital. … Amerikas führender Medienkritiker Neil Postman widerspricht heftig: Kein Problem von heute hängt damit zusammen, daß wir zuwenig wissen. Wenn weiterhin Kinder an Hunger sterben, wenn sich Kriminalität nicht mehr kontrollieren läßt, und wenn wir nicht genügend Arbeitsplätze schaffen, dann liegt das nicht an zuwenig Informationen, sondern eher an zuviel. (Behrens 1995: 44 ff.)

    Heuser (1996) beschreibt radikale Veränderungen durch die internationalen Datennetze. Insbesondere weist er auf die Verschiebung und Dynamik nationaler Handlungsspielräume in Richtung Globalisierung hin, die die Möglichkeiten einer aktiven nationalen Gestaltung des Wandels fraglich erscheinen läßt: Einer der wichtigsten klassischen Erfolgsfaktoren einer Volkswirtschaft, die Infrastruktur, verliert kontinuierlich an Einfluß. Verkehrswege spielen für den Online-Buchhalter in Südasien keine Rolle: Im Extremfall reichen ihm Personalcomputer und Satellitenantenne, um mit Arbeitgeber oder Kunden in den entwickelten Volkswirtschaften zu kommunizieren. … In der Informationsgesellschaft lassen sich die wirtschaftlichen Geschicke eines Landes schneller verändern. Ein Entwicklungsland muß nicht mehr alle Stufen infrastruktureller Entwicklung durchlaufen, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Wissensarbeiter, deren Fähigkeiten gefragt sind und sich elektronisch übertragen lassen, können nahezu unabhängig von infrastrukturellen Voraussetzungen ihr Geld auf dem internationalen Arbeitsmarkt verdienen. … Indes verschwindet wiederum leicht, was leicht kommt: Die internationalen Arbeitgeber können ihre Gunst in der volatilen Ideenökonomie schnell und relativ billig einem anderen Standort zukommen lassen.

    Die bislang beschriebenen Schlaglichter haben eines gemeinsam: Informations- und Kommunikationstechnologie sind die unabhängige Variable einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren Weg mit größter Unsicherheit verbunden ist.

    Ein etwas anderer Zugang zu dieser Thematik geht von der allgemeinen Standortdebatte aus. Pawlowsky (1996: 27 ff.) skizziert die Strukturkrise der deutschen Wirtschaft, die sich einerseits in Kosten- und Produktivitätsproblemen, andererseits aber auch in Innovationsproblemen äußert. Er unterscheidet zwei idealtypische Strategien zur Standortsicherung: die erste, als numerische Flexibilität bezeichnet, setzt auf Kostenabbau und Deregulierung arbeits- und sozialrechtlicher Normen, um die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen an quantitative Beschäftigungsschwankungen über Arbeitszeit und Lohnkosten zu erleichtern. Die zweite, als interne Flexibilität bezeichnete Strategie, baut auf vorhandenen Standortvorteilen der Human-Potentiale auf. Qualifikation, Motivation und Kooperationsbereitschaft sollen die potentielle organisationale Flexibilität erhöhen. Zielt die erste Variante auf das Kosten- und Produktivitätsproblem, legt die zweite Variante den Schwerpunkt auf eine Erhöhung der Innovationsdynamik, auf eine Verbesserung der Lernfähigkeit von Organisationen und auf eine Optimierung qualitativer Erfolgsfaktoren, z. B. einer Optimierung intelligenter Problemlösungsangebote. (ebd.: 29) Information und Wissen werden auch hier als zentrale Ressourcen von wachsender Bedeutung im Wirtschaftsprozeß angesehen.

    Folglich sind Fragen des Managements der Ressource Wissen in jüngster Zeit vermehrt in den Blickpunkt getreten: einerseits im Sinne eines Wissens über die Welt, um sich den Veränderungen dieser Welt anpassen zu können, andererseits weil die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung anscheinend einen permanenten Innovationsdruck an allen Fronten (Produkte, Verfahren, Strukturen) ausübt, wie uns Schumpeter (1952) schon 1911 lehrte. Damit verbunden ist die Produktion neuen Wissens als dauerhafter Prozeß, um anhaltende Wettbewerbsvorteile zu erzielen (vgl. Krogh / Venzin 1995). Knowledge-Based-Business (Davis / Botkin 1994) fordert eine Knowledge-Creating Company (Nonaka / Takeuchi 1995), in der der Knowledge-Worker als letzte Bastion für

    Wettbewerbsvorteile (vgl. Harrigan / Dalmia 1991) oder die Infopreneure als Triebkräfte strategischer Informationssysteme (vgl. Dance 1994) die Hoffnungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen tragen. Soweit zur vordergründigen Rhetorik von Wissenschaft und Beratung!

    Steigende Komplexität und Dynamik, Globalisierung, technologischer Wandel, Verschärfung des Wettbewerbs: dies sind die Schlagworte, mit denen die Problematik der Situation wirtschaftlicher Organisationen umschrieben wird, die durch Information und Wissen bewältigt werden soll. Es scheint so, als ob Wissen zum neuen Axialprinzip der postindustriellen Gesellschaft bzw. zum zentralen Produktionsfaktor von Unternehmen geworden ist. (Schüppel 1996: 183)

    Paradoxerweise scheint aber das Heilmittel zugleich der Auslöser der Probleme zu sein. (vgl. Pawlowsky 1994: 16) Das Problem besteht ja gerade darin, daß es auf dieser Welt so furchtbar viel und immer mehr Wissen gibt, welches relevant sein könnte, daß dieses Wissen verteilt, heterogen, widersprüchlich ist und - das ist m. E. der entscheidende Aspekt der Informations- und Kommunikationstechnologie - daß die prinzipielle, globale Zugänglichkeit dieses Wissens enorm gestiegen ist und weiter steigen wird.⁴ (vgl. Wersig 1993: 232 f.; Deiser 1996: 50 ff.) Vor dem Hintergrund beschränkter menschlicher und damit auch organisationaler Informationsverarbeitungskapazitäten bleibt nur die Beschränkung durch Selektion. Da Informationen nicht mehr begrenzt, sondern im Überfluß verfügbar sind, werden die Informationsverarbeitungskapazitäten zum entscheidenden Faktor im Kampf um Konkurrenzfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, aus der Vielzahl von Informationen auf der Basis des verfügbaren Wissens sinnvolle Interpretationen abzuleiten, bestimmt den Wettbewerbsvorteil. (Pawlowsky 1994: 8) Unter Wettbewerbsbedingungen entscheidet diese Selektion und Interpretation über Erfolg oder Mißerfolg, denn die Wettbewerber stehen vor einer ähnlichen potentiellen Wissensbasis und selektieren ebenfalls, möglicherweise aber das erfolgreichere Wissen. Daß sich die Konkurrenz gleichzeitig anstrengt - und immer nur einer gewinnen kann, ist die fundamentale Triebkraft und Paradoxie dieses Prozesses. … Die Gretchenfrage in diesem Verständnis ist die Ermittlung von brauchbarem Wissen, also Wissen, welches sich in künftig nachgefragten Produkten und Leistungen manifestieren kann, und seine Abgrenzung vom unbrauchbaren" Wissen, junk knowledge oder Liebhaberwissen." (Schneider 1996: 14) Das Wirtschaften ist riskanter geworden. Die dadurch erzeugte Verunsicherung im Handeln muß irgendwie gehandhabt werden. Die Lösung besteht in der Suche nach besserem, validerem Wissen bzw. MetaWissen. (vgl. Russo / Shoemaker 1992) Die Verunsicherung durch das Bewußtsein, daß überall relevantes Wissen zu finden sein könnte, läßt das Wissen über Wissen relevant erscheinen. Schließt sich hier ein Kreis oder befinden wir uns am Anfang einer Spirale in's Unendliche?

    Ich denke, daß die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon abhängt, welche Vorstellungen man von Wissen, Wahrheit und Objektivität hat. Pawlowsky (1994: 27 ff.) beklagt die unzureichende Thematisierung von Wissen in der Ökonomie und insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre und zitiert bei der Ursachenforschung Wittmann (1972), der vermutet, daß sich die Vertreter der einzelnen Wissenschaftszweige mit dem Inhalt ihres engeren Faches beschäftigten und Wissen als philosophischen Begriff ansahen, dessen Behandlung der Obhut grundlegender Disziplinen wie der Erkenntnistheorie oder der Wissenschaftstheorie anvertraut war. (ebd.: 2262) Dem ist sicherlich zuzustimmen, wenn auch die daraus abzuleitende Konsequenz, Wissen in die engeren Fächer zu integrieren, nicht in einer Herauslösung aus den grundlegenden Disziplinen bestehen sollte. Ich würde den Spieß umdrehen: Die Vertreter der Organisations- und Managementforschung⁵ sollten sich nicht den Wissensbegriff einverleiben, sondern sich mit den Gedanken grundlegender Disziplinen vertraut machen, in denen es auch für eine selbsternannte anwendungsorientierte Realwissenschaft viel zu wissen gibt - insbesondere über Wissen. Eine epistemologische Betrachtung halte ich für angebracht, wenn nicht auf unreflektierte bzw. unausgesprochene Hintergrundüberzeugungen rekurriert werden soll.

    Die Bedeutung einer epistemologischen Reflexion sehe ich nicht nur als eine theoretische Notwendigkeit zur Fundierung wissenschaftlicher Konzepte, deren praktische Implikationen und Gestaltungsempfehlungen für den Umgang mit der Ressource Wissen davon losgelöst vermittelt werden könnten. Es geht ja gerade darum, Wissen zu generieren, das etwas über den Umgang mit (und auch der Generierung von) Wissen aussagen soll. Die vordergründig pragmatische Ansicht, Erkenntnistheorie sei unpraktisch und eine intellektuelle Spielerei, verkennt u.a. die Bedeutung impliziter Laien-Theorien über Wahrheit, Wissen und Wissenschaft, die das Handeln der Nicht-Wissenschaftler (z. B. Managementpraktiker) beeinflussen. Diese Theorien (insbesondere bei akademisch gebildeten Akteuren) sind in einem beträchtlichen Maß auch Resultat des wissenschaftlichen Selbstverständnisses, welches implizit oder explizit vermittelt wird. Die Problematik des Umgangs mit Wissen vor dem Hintergrund alltäglich erfahrbarer Komplexität, Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit und die mit einem enormen Ressourcenverbrauch verbundene Suche nach Objektivität und richtigem Wissen verdeutlichen in einem ersten Zugriff die Relevanz einer Reflexion über Erkenntnis auch für die Praxis.⁶

    Die in den oben zitierten Schlaglichtern implizit enthaltenen Sichtweisen gehen von einer weitgehend objektiven Realität aus, die zwar komplex und dynamisch ist, aber prinzipiell objektiv erkennbar und erfahrbar ist. Wenn Wissen über diese Realität heterogen ist, dann deshalb, weil Informationen fehlen oder unzutreffende Informationen dem Wissen zugrunde liegen.⁷ Allein die Fülle der Informationen und des Wissens schafft Probleme. Dies impliziert einen enormen Management- und Steuerungsbedarf in Organisationen. Die Organisations- und Managementforschung ist aufgerufen, Wissen zu generieren, um die Problematik des Wissens zu handhaben, zu managen.⁸ Dies tut sie traditionell mit dem Anspruch, Wissen bereitzustellen, mit dem die Probleme einer Praxis besser gelöst werden können. Wenn man Kriterien für die Beurteilung der objektiven Gültigkeit von Wissen voraussetzt, sind dies zwar ungeheuerlich komplexe, aber mit viel Fleiß bewältigbare Aufgaben. Der Wissenschaftler, der einer positivistischen Glaubenslehre anhängt, sei es implizit oder explizit, glaubt daran (oder betet dafür), die Welt in seinen Erkenntnissen verdoppeln zu können, um ihr danach, sich selbst über die Praxis erhebend, so richtig gestaltend beizukommen. (Kappler 1996: 197) Trotz einer gewissen Skepsis wird an der prinzipiellen Prämisse der Gestaltbarkeit festgehalten. Suboptimale Ergebnisse solcher Gestaltungsbemühungen stellen nicht die Prämisse selbst in Frage, sondern sind Resultat (derzeit noch) unzureichender Situationsanalysen, (derzeit noch) unzureichender gestalterischer Methoden und (derzeit noch) unzureichender strategischer und taktischer Überlegungen. (Sandner / Meyer 1994: 187)

    Wenn man aber keinen universalen Fixpunkt für die Beurteilung von Wissen akzeptiert, wissenschaftlichen Fortschritt im Sinne einer Annäherung an Wahrheit in Frage stellt, Wissen als individuelle und soziale Konstruktionen und nicht als Annäherung an ein objektives Abbild der Realität betrachtet, kommt man konsequenterweise zu anderen, möglicherweise ungewöhnlichen Einsichten bzgl. der Problematik des Wissens für Organisationen in der sogenannten (globalen) Informations-bzw. Wissensgesellschaft. Objektivität und Wahrheit sind dann als Konstruktionen zu betrachten, die auf dem Glauben an die großen Erzählungen der Moderne (Aufklärung, Emanzipation, Fortschritt) beruhen. (vgl. Lyotard 1994) Schwindet dieser Glaube, so schwindet auch die Legitimation wissenschaftlichen Wissens. Die Aufgabe der Organisationsund Managementforschung gleicht dann einer Sisyphos-Arbeit existentialistischen Ausmaßes.

    Von der Informations- bzw. Wissensgesellschaft, der G7-Ministerkonferenz über Wissensmanagement zur Epistemologie: ein weiter Weg auf wenigen Seiten. Er sollte jedoch verdeutlichen, daß das eine nicht ohne das andere auskommt. Ziel meiner Überlegungen ist die Mitte dieser Kette, die Organisation, in der mit Wissen umgegangen wird (ob es tatsächlich gemanagt werden kann, ist noch zu klären). (vgl. Kap. 5) Da viele Organisationen einerseits allein aufgrund ihrer Größe und räumlichen Ausdehnung kaum noch überschaubare soziale Gebilde, andererseits Teile weitaus größerer gesellschaftlicher Strukturen sind, braucht es als Basis allgemeine sozialtheoretische Grundlagen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie denn soziale Gebilde unter den Bedingungen raum-zeitlicher Ausdehnung und fehlender Kopräsenz der Akteure 'funktionieren'.⁹ (vgl. Kap 4) Auf der anderen Seite steht das Individuum, das letztendlich etwas weiß oder auch nicht. Notwendig ist also eine Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen individueller Erkenntnis. (vgl. Kap. 3) Die Klammer um diese Aspekte bildet der Begriff des Handelns. Nicht im Wissen, sondern im Handeln manifestiert sich (gesellschaftliche, organisationale, individuelle) Realität und wird durch Handeln reproduziert, auch wenn dies auf der Basis des subjektiven Wissens über diese Realität geschieht.

    Vor dem Hintergrund des, wenn man es unbedingt forschungslogisch benennen will, oben skizzierten Entdeckungszusammenhangs¹⁰, der Wissen als wichtige organisationale Ressource konstituiert, bestehen die Ziele dieser Arbeit darin,

    • eine epistemologische und sozialtheoretische Perspektive auf Wissenschaft und Praxis anzuwenden, die von grundlegenden Einschränkungen bzgl. des Umgangs mit Wissen ausgeht, diese Einschränkungen auch konsequent ernst nimmt und ihre Bedeutung für praktisches und wissenschaftliches Handeln zu analysieren,

    • vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Managements der Ressource Wissen in Organisationen aufzugreifen, die zu grundlegenden Paradoxien und Dilemmata führt, die nur mit bescheidenen theoretischen Geltungsansprüchen zu pragmatischen Überlegungen weiterleiten können,

    • um damit auch die Grenzen anwendungsorientierter Sozialwissenschaft auszuloten, ihre Bedeutung für soziale Realität kritisch zu reflektieren und ein durch Skepsis begründetes bescheideneres Wissenschaftsverständnis zu formulieren.

    Als Motivation für den vorliegenden Text mag folgendes Zitat dienen: Wo der Zweifel aber bis zu den Wurzeln eigenen Wissenschaftsverständnisses sich durchnagen kann, wenn der one-best-way nicht aus Gründen mangelhaften Instrumentariums unentdeckt bleibt, sondern die Ahnung der Unmöglichkeit dieses Weges aus dem Fehlschlagen der immer aufwendigeren empirischen Suche langsam zur Gewißheit sich verdichtet, wo das eigene Erleben hartnäckig im Widerspruch zu theoretischen Bemühungen verharrt, wo die Wirklichkeit stets bunter ist als die Lehrbücher es erlauben, da wird der Kopf freier für bis dahin gar nicht ernsthaft erwogene Zusammenhänge, und die Chance entsteht, der effizient verfaßten paradigmatischen Geschlossenheit zu entgehen. (Pelzer 1995: 115)

    Die Hauptproblematik einer Arbeit, die an skeptizistischen und relativistischen Grundpositionen anknüpft, besteht in der enormen Reduktion der zulässigen Sätze.¹¹ Der Wittgensteinsche Satz 7 - Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen. (1984: 85) - trifft einen mit voller Härte. So bemerkt auch Gabriel (1993: 137): Relativistischer Geltungsskeptiker kann man konsistent nur schweigend sein, indem die Skepsis sich als Lebensgefühl niederschlägt. Dabei kann man (mit Nietzsche) auch ganz fröhlich sein, unmöglich aber ist eine in diesem Sinne fröhliche Wissenschaft.¹²

    Wenn man nun nicht schweigt und dennoch skeptisch sein will, muß man seine Methodik legitimieren. Meine Vorgehensweise könnte modisch postmodern als Dekonstruktion bezeichnet werden. (vgl. Derrida 1976, 1990; Cooper 1989; Ulrich 1993: 242 ff.) Dekonstruktion läßt sich nach Müller (1991: 10, zitiert nach Ulrich 1993: 244) durch Fragen der folgenden Art leiten: Welche Anstrengungen, Täuschungsmanöver und Vereinfachungen nehmen [Konstrukteure; Anm. K. Ulrich] in Kauf, um zu einem Weltbild zu gelangen, in welchem ihre Sicht der Wirklichkeit bruchlos aufgeht? Dekonstruktion ist Schicht-Arbeit, die aufspüren will, was einem Text an Unbewußtheit zugrunde liegt, und was der blinde Fleck im Auge des [Konstrukteurs; Anm. K. Ulrich] nicht sehen kann. Der Mensch scheint die fatale Fähigkeit zu haben, einen Weltbildapparat aufzubauen, dem er die Wirklichkeit mittels einer Art prästabilisierenden Harmonie unterordnet und anpaßt. Durch die Dekonstruktion von Texten und das Infragestellen sollen Antworten auf ihren widersprüchlichen, paradoxen Kern analysiert und reduziert werden, der Basis eines Möglichkeitsraums alternativer Konstruktionen sein kann, die sich dieses Kerns jedoch bewußt sind. Insofern kann ein Wissenschaftler als eine Art Hofnarr fungieren, der provoziert, verfremdet, gewohntes Denken (zuallererst das eigene) verunsichert und damit vielleicht die Bedingungen der Möglichkeit zur Entstehung von Neuem schafft.

    Ein Leitmotiv besteht dann auch in Feyerabends (1980: 46) Idee einer antizipierenden Kritik: "Die Kritik beruht hier nicht mehr auf vorgegebenen Maßstäben, sondern auf Maßstäben, die im Akt des Kritisierens erst entstehen Man kritisiert ohne sichtbare Mittel der Kritik, rein intuitiv

    eine Lebensform vorausahnend, die diese Mittel bereitstellen wird. Man kann diese Lebensform nicht beschreiben, denn sie ist noch nicht da, man hat keine Gründe für die Unzufriedenheit, man drückt sie aber doch aus. Eine solche Kritik hört sich immer etwas seltsam an. Rationalistische Argumente sind daher auch sehr erfolgreich im Nachweis der Absurdität solcher Gedanken, denn der Nachweis des performativen Selbstwiderspruchs (vgl. Apel 1973: 405 ff.) ist oftmals schnell erbracht. Dieser besteht darin, daß man die Gültigkeit von etwas bestreitet, während man es als gültig in Anspruch nimmt. Wenn wir mit den Mitteln der Logik deren Universalität in Frage stellen; wenn wir über die Unmöglichkeit wirklicher Verständigung kommunizieren; … wenn wir auf den Wegen

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