Filter: Digitale Bildkulturen
Von Berit Glanz
()
Über dieses E-Book
Social-Media-Filter beeinflussen seit einiger Zeit entscheidend die Ästhetik unserer Timelines. Bearbeitetes Bildmaterial ist allgegenwärtig, weit über einfache Farbkorrekturen hinaus. Wir alle benutzen Filter, verwandeln uns in ältere oder jüngere Versionen unseres Selbst, in Cartoonfiguren oder Trolle. Dabei werden die technischen Möglichkeiten immer komplexer: Alte Fotos beginnen zu tanzen, Schwarz-Weiß-Aufnahmen lassen sich mühelos kolorieren. Doch diese Entwicklung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf unser Verhältnis zur Realität: von Körperpolitiken in Sozialen Medien bis hin zu Deep Fakes.
Berit Glanz zeigt, wie Filter das Internet verändert haben, und wagt einen Ausblick auf ihre Zukunft.
Berit Glanz
Berit Glanz, geb. 1982, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere Skandinavische Literaturen des Instituts für Fennistik und Skandinavistik der Universität Greifswald mit Forschungsschwerpunkt Medienwandel. Zuletzt erschien Pixeltänzer.
Mehr von Berit Glanz lesen
poesie.exe: Texte von Menschen und Maschinen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Filter
Ähnliche E-Books
Bilder der Farbe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBildwerte: Visualität in der digitalen Medienkultur (Bild und Bit. Studien zur digitalen Medienkultur) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSelfies – Ein starkes Werkzeug für das persönliche Impression Management: Visuelle Inszenierung in sozialen Netzwerken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZeigen und Verbergen: Zum Doppelgestus der digitalen Visual Effects im Hollywood-Kino Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas richtige Bild: Gedanken zur Gestaltung von bewegten Bildern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFotokunst in Zeiten der Digitalisierung: Künstlerische Strategien in der digitalen und postdigitalen Phase Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGlobal Images: Eine Studie zur Praxis der Bilder. Mit einem Glossar zu Bildbegriffen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDurch Blicke im Bild: Stereoskopie im 19. und frühen 20. Jahrhundert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDigitale Autor:innenschaft: Praktiken und Politiken schriftstellerischer Selbstinszenierung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLost in Time & Space: Transmediale Universen & Prozesshafte Serialität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVirtual Reality: Edition Digital Culture 6 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGIFs: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSelfies: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenModebilder: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBrasilien der Bilder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStörzeichen: Das Bild angesichts des Realen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMode Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenImmersion – Design – Art: Revisited: Transmediale Formprinzipien neuzeitlicher Kunst und Technologie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBildkulturen II: Anschauungen. Bildlegenden - Ansätze zur praktischen Ikonologie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBilder, Kulturen, Identitäten: Analysen zu einem Spannungsfeld Visueller Kommunikationsforschung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHitchcock - Angstgelächter in der Zelle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMessy Images: Unordnungen vernetzter Bilder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFotografischer Kosmos: Der Beitrag eines Mediums zur visuellen Ordnung der Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKonsum zeigen: Die neue Öffentlichkeit von Konsumprodukten auf Flickr, Instagram und Tumblr Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEmojis: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBildproteste: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUndisziplinierte Bilder: Fotografie als dialogische Struktur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVisuelle Stereotype Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHistorische Rezeption Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDigital Memory: Neue Perspektiven für die Erinnerungsarbeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Kunst für Sie
Goya Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGotische Kunst Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Die Präraffaeliten 120 Illustrationen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Bildnis des Dorian Gray Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Lexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Bauhaus Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Kunst des 20. Jahrhunderts Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMucha Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVan Gogh Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRussische Avantgarde Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Let's sketch! Super easy! 1500 Sketchnotes: Zeichenvorlagen und Icons für alle Lebensbereiche: Beruf, Familie, Freizeit, Schule, Studium und viel mehr Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHieronymus Bosch Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Über das Geistige in der Kunst: Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit, oft ist es Mutter unserer Gefühle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFrauen in der Kunst - Visionär. Mutig. Unangepasst. Unterschätzt.: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Malerei der Renaissance Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVincent Van Gogh Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLeonardo da Vinci und Kunstwerke Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Anglizismen und andere "Fremdwords" deutsch erklärt: Über 1000 aktuelle Begriffe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGustav Klimt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlfons Mucha und Kunstwerke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEdward Hopper Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Joseph Mallord William Turner und Kunstwerke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMit den Ohren sehen: Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFranzösische Malerei 120 illustrationen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBesser leben mit klassischer Musik: Eine Auswahl der schönsten klassischen Musikstücke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNetzfeminismus: Digitale Bildkulturen Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5...Als die Noten laufen lernten...Band 2: Kabarett-Operette-Revue-Film-Exil. Unterhaltungsmusik bis 1945 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFilmsemiotik: Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAuguste Rodin und Kunstwerke Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5
Rezensionen für Filter
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Filter - Berit Glanz
1 | Schwarz-weiße Vergangenheit – Von analoger zu digitaler Filtertechnologie
Die Website I used to believe … sammelt seit 2002 absurde, lustige und mitunter erschreckende Dinge und Geschichten, an die heutige Erwachsene als Kinder geglaubt haben. In kurzen Textbeiträgen werden dort verbreitete Vorstellungen wie beispielsweise die geteilt, dass Libellen Münder zunähen oder Wolken in Fabriken entstehen. Eine der am häufigsten genannten Kindheitsüberzeugungen, mit sehr vielen sich ähnelnden Kommentaren, ist der Glaube, die Welt sei früher schwarz-weiß oder sepia gewesen, weil die Fotografien und Filme, über deren mediale Vermittlung man der Vergangenheit begegnete, hauptsächlich monochrom waren.¹
Mit diesen Ideen von einer farbloseren oder andersfarbigen Vergangenheit spielen auch immer wieder Filme und Fernsehserien, wenn beispielsweise die Erinnerungen von Protagonist*innen in einer anderen Farbschattierung präsentiert werden. Von Harry Potter und die Kammer des Schreckens bis hin zu CSI: New York: Regelmäßig werden Rückblenden in die Vergangenheit visuell durch eine Farbveränderung in Richtung Schwarz-Weiß oder Sepia angedeutet. In dem Film Pleasantville wird der Zeitsprung der Hauptfiguren in eine Fernsehserie der fünfziger Jahre beispielsweise dadurch markiert, dass die Farbigkeit entfernt wird und erst mit zunehmender Modernisierung der dargestellten Kleinstadtgemeinschaft die Kolorierung zurückkehrt. Die schwarz-weiße Darstellung macht den Zuschauer*innen in vielen Filmen den Sprung in die Vergangenheit intuitiv plausibel.
Raum und Zeit werden jedoch nicht nur in ästhetischen Quellen durch eine spezifische Farbigkeit markiert, sondern auch in unserer eigenen Wahrnehmung. Solche Zuordnungen werden oftmals gar nicht bewusst vorgenommen, führen aber trotzdem dazu, dass Menschen bestimmten Dekaden oder Orten intuitiv bestimmte Farbmuster zuweisen. Nicht nur die Orte, an denen wir leben, arbeiten oder Urlaub machen, auch unsere Lebensphasen und die medial vermittelten Erinnerungen daran haben bestimmte Farbschemata. Es macht beim nostalgischen Anschauen der Bilder aus vergangenen Jahrzehnten einen Unterschied, ob Fotografien aus der Kindheit monochrom sind oder farbig, ob die Sättigung stark ist oder schwach.
Mit der massenhaften Verbreitung der Smartphone-Fotografie verschwinden jedoch diese eindeutigen Farbmuster. Es gibt mittlerweile keine kollektiv geteilten Farbschemata mehr, die alle fotografischen Erinnerungen bestimmter Jahre oder Jahrzehnte auszeichnen. Denn mittlerweile können wir durch den Einsatz von Filtern sehr einfach die Farbigkeit unserer fotografischen Erinnerungen festlegen, die wir auf Social-Media-Accounts hochladen oder abspeichern. Dabei treffen wir permanent mehr oder weniger bewusste ästhetische Entscheidungen. Aufgrund der vielen Möglichkeiten, seine Smartphone-Fotos mit einem Filter den Look eines anderen Jahrzehnts zu verpassen, unterscheiden sich die bearbeiteten Aufnahmen aus der Zeit nach 2010 je nach den individuellen Filtervorlieben.
Wir haben in unserer Gegenwart einen viel größeren Spielraum bei der Entscheidung, welche Farbigkeit wir den Dokumentationen unseres Alltags verleihen, ob wir uns für einen kontrastreichen Filter entscheiden oder für einen, der die Aufnahme mit einem freundlichen Sepia-Ton überzieht. Ob wir bestimmte Farben und Farbtemperaturen als hip oder altmodisch empfinden, als sympathisch oder abweisend, hängt mit unserer kulturellen Sozialisation zusammen, und die Geschmacksmuster können zwischen verschiedenen Peergroups erheblich divergieren. Mit den unserem sozialen Umfeld entsprechenden ästhetischen Vorlieben gestalten wir auch unsere Fotografien. Die technische Entwicklung dieser leicht zugänglichen Smartphone-Filter verstärkt diesen Umstand noch und wird künftig die mit unserer Vergangenheit assoziierten Farbschemata – die medial vermittelte Farbstimmung der Smartphone-Jahrzehnte – prägen, höchstwahrscheinlich durch noch mehr Ausdifferenzierung als bisher schon.
Auch wenn Phänomene wie die individuell wahrgenommenen Farbstimmungen konkreter Orte, Farbmuster einzelner Epochen oder das Gefühl für einen Instagram-Filter häufig gar nicht so einfach in Worte zu fassen sind, verfügen viele Menschen über ein intuitives Verständnis für die Symbolfunktion bestimmter Farbeindrücke. Die Zuweisungen von Bedeutungen und Emotionen zu einzelnen Farben sind jedoch weder universell noch historisch gleichbleibend. Veränderungen in der Wahrnehmung kollektiv anerkannter Farbbedeutungen oder Farbmuster hängen oft mit technischen Innovationen, chemischen Entwicklungen neuer Farbstoffe, neuartigen Bildgebungsverfahren und eben auch Fortschritten im Bereich der Filtertechnologie zusammen.
So hat zum Beispiel erst die zunehmende Rechenkapazität von Computern die nachträgliche digitale (und damit effizientere) Farbbearbeitung großer Filmdateien ermöglicht. Einer der ersten Hollywoodfilme, der in großem Stil von digitaler Farbkorrektur in der Postproduktion Gebrauch machte, war im Jahr 2000 O Brother, Where Art Thou? von den Coen-Brüdern, dessen Sepia-Färbung dem Film die gewünschte altmodische Atmosphäre verlieh. Seit der Jahrtausendwende ist die digitale Farbveränderung des Ausgangsmaterials in der Postproduktion mittlerweile zum Standard geworden, und eigene ästhetische Konventionen haben sich herausgebildet.
In den ersten Jahren der digitalen Farbkorrektur kam es beispielsweise zu einer Häufung von Filmen, in denen der Komplementärkontrast von Orange und Türkis extrem sichtbar intensiviert wurde. Zusammenstellungen von Filmplakaten, bei denen die Häufigkeit dieser Farbgebung augenfällig wird, werden in den Sozialen Medien gerne geteilt,² und