Lost in Time & Space: Transmediale Universen & Prozesshafte Serialität
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Über dieses E-Book
Indem Fernsehserien in der heutigen Zeit über die Grenzen ihres Ursprungsmediums hinaus im Internet, in Büchern, Comics, Spielen (weiter-)erzählt werden können, avancieren sie zu transmedialen Gesamtkonzepten, wodurch sich feststellen lässt, dass serielle Narrationen sich nicht mehr nur temporal, sondern auch spatial entfalten. Einher mit dieser Prämisse gehen Fragen, wie sich Fernsehserie über die Mediengrenzen hinweg verräumlichen und ob sowie in welcher Form sich die Zeitlichkeit verändert.
In dieser medienwissenschaftlichen Abhandlung wird die Prozesshaftigkeit ihrer Entstehung, welche einhergeht mit der immanenten Serialität, anhand von den US-amerikanischen Serienproduktionen BREAKING BAD, GAME OF THRONES und THE WALKING DEAD untersucht, indem die Fragen nach der Betrachtungsmöglichkeit ihrer Inhalte als auch ihrer Begrifflichkeiten in einem spatiotemporalen Kontext gestellt werden. Entsteht eine eigene Kategorie zeitlich-räumlicher Prozessualität von Serien? Welche Implikationen lassen sich auf das Konzept der Serialität feststellen, auf die Diffusion oder Performation des Fernsehens selbst? Und nicht zuletzt muss und wird die Frage gestellt werden, wie sich dies auf die Kategorie Zuschauer auswirkt.
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Buchvorschau
Lost in Time & Space - Christine Piepiorka
Christine Piepiorka
Lost in Time & Space
Transmediale Universen & Prozesshafte Serialität
© 2017 Christine Piepiorka
Verlag und Druck: tredition GmbH, Grindelallee 188, 20144 Hamburg
ISBN
Illustration Umschlag: © Raevsky Lab / Fotolia
Umschlagsgestlatung: Christine Piepiorka
Satz: tredition GmbH & Christine Piepiorka
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Lost in Time & Space
Transmediale Universen & Prozesshafte Serialität
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie in der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von Christine Piepiorka aus Dortmund
Gedruckt mit der Genehmigung
der Fakultät für Philologie
der Ruhr-Universität Bochum
Referentin: Prof. Dr. Eva-Maria Warth
Koreferent: Prof. Dr. Oliver Fahle
Tag der mündlichen Prufung: 03.02.2017
ERLÄUTERUNG ZU DIESEM BUCH
Die Entscheidung zu einer Veröffentlichung per Book-on-Demand und als Online-Version über den Universitätsserver der Ruhr-Universität ist keine zufällige. Vielmehr gibt es für mich Gründe:
Ich sehe eine Problematik in der Verbreitung von wissenschaftlichen Ideen nur zu teuren Preisen – für Autor und Leser gleichermaßen. Ich möchte mit meiner Arbeit einer einfachen Beschaffung von wissenschaftlicher Literatur und dem Austausch von Ideen, die nicht übermäßig preisintensiv ist, begegnen. Dies bietet eine Online-Veröffentlichung. Doch: Ich liebe Bücher. Ich liebe ihre Haptik und ihren Geruch. Man kann Sie mitnehmen, ›Stellen markieren und darin arbeiten‹. Daher entschied ich mich zusätzlich per Book-on-Demand zu veröffentlichen. So ist meine Arbeit als Buch verfügbar und ich kann gleichzeitig helfen, die immer knapperen Ressourcen unseres Planeten zu schonen, indem mein Buch nur bei Bedarf gedruckt wird.
DIE AUTORIN
Christine Piepiorka (*1981) hat 2001-2005 Medienökonomie auf Diplom an der Business and Information Technology School studiert. Im Anschluss hat sie in den Bereichen Marketing, Online-Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Fernsehproduktion und Filmproduktion gearbeitet. Währenddessen publizierte sie ihre erste Monographie (LOST IN NARRATION, 2011). Um den wissenschaftlichen Horizont erweitern zu können, entschloss sie sich Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum zu studieren. Nach erfolgreichem Abschluss 2009 promovierte sie und war als Lehrbeauftragte am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum tätig. Neben zahlreichen Konferenzbeiträgen und der Organisation einer internationalen Konferenz, entstanden in den letzten Jahren weitere Fachbeiträge. Seit 2015 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und doziert an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Köln im Bereich Medien- und Eventmanagement.
DANKSAGUNG
Ein Dissertationsprojekt ist als Einzelner zu erdenken und zu schreiben. Trotzdem ist an diesem Prozess stets ein Netzwerk von Menschen und Institutionen beteiligt, ohne die ich dieses Projekt nicht hätte umsetzen können. Diesen möchte ich meinen Dank aussprechen.
Zum einen danke ich Prof. Dr. Eva Warth und Prof. Dr. Oliver Fahle, die die Betreuung meiner Dissertation übernommen haben. Mit großem Engagement wurde ich von ihnen in Bezug auf die Fragestellungen und auch die zeitliche Realisierung meiner Arbeit unterstützt. Stets konnte ich einen Ratschlag und auch Motivation erhalten. Ich hätte mir keine bessere Betreuung wünschen können!
Die Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum, das Institut für Medienwissenschaft, die Freunde der Ruhr-Universität Bochum sowie die Research School Bochum ermöglichten mir zum einen die Finanzierung von Reise- und Materialkosten und boten zum anderen die Möglichkeit der Vernetzung und Weiterbildung.
Weiter haben mich zahlreiche Fachkollegen, Freunde und Bekannte unterstützt. Besonderen wissenschaftlichen Austausch verdanke ich Daniela Olek, mit der ich theoretische Ideen mit Spaß entwickeln und umsetzen konnte. Auch Kim-Carina Hebben danke ich, die im selben Forschungsbereich tätig ist und mich mit entsprechendem Input begleitete. Ich werde es gern zurückgeben. Auch Julia Eckel und Bernd Leiendecker begleiteten mich mit Rat und Tat. Ebenso danke ich allen weiteren Mitgliedern der inoffiziellen Bochumer Doktorand_innen-Gruppe (›Die Bo-Bros‹). Katharina Hülscher kennt und teilte meine Höhen und Tiefen und gab pragmatische Kommentare. Danke an alle Genannten für die zahlreichen hilfreichen Hinweise, die moralische Unterstützung und die in mich investierte Zeit.
Last but not least: Ohne die uneingeschränkte Unterstützung von Gerd und Regina Piepiorka hätte ich den Weg meines Studiums bis zu diesem Projekt und der Promotion nicht schaffen können. Danke, dass Ihr immer an mich glaubt, mich unbegrenzt unterstützt und mir vertraut (Nach Chicago ist alles machbar). Michael Havojic war stets an meiner Seite; durch nicht endende Unterstützung in emotionaler und motivierender Hinsicht. Der Dank gilt auch meinen Schwestern und all meinen Freunden, die mich in dieser Zeit unterstützt, aber auch ertragen haben.
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. SERIELLES TERRAIN
2.1 Narration
2.2 Zuschauer
2.3 Serie und Serialität
3. (TRANS)MEDIALITÄTEN
3.1 Dazwischen – Intra-, Inter-, Crossmedialität
3.2 Miteinander – Medienkonvergenz & Transmedialität
3.3 Durchdringend – Transmedia Storytelling
3.4 Umfassend – Transmediales Universum
4. EXTENSITÄT – TRANSMEDIALE(R) ZEIT & RAUM
4.1 Zeit & Raum
4.2 Transmediale Serien in Zeit & Raum
4.2.1 Narrative & Welten
4.2.2 Adressierungen & Optionen
5. ZWISCHENFAZIT – ZEITLICHES UND RÄUMLICHES UNIVERSUM
6. SERIELLE PROZESSUALITÄT
6.1 In – Serie
6.2 Wiederholend –Serialisierung
6.2.1 Raum
6.2.2 Zeit
6.2.3 Adressierung
6.3 Fortsetzend – Serialität
6.4 Oszillierend – Performanz und Diffusion
6.5 Entwickelnd – Prozessualität
7. TRANSMEDIALE UNIVERSEN & PROZESSHAFTE SERIALITÄT
8. QUELLENVERZEICHNIS
8.1 Literaturverzeichnis
8.2 Internetquellen
8.3 Serienverzeichnis
8.4 Filmverzeichnis
8.5 Bildquellen
Abbildungsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
Abgerissene Gesichtshaut, weiße, starrende Augen, blutverschmierter Mund!
Dieses Bild wirkt nahezu verstörend, bis der Betrachter unten rechts die Schriftzeile »The Walking Dead. Dead Yourself« sieht. Nun wird klar, das Foto ist ein digital bearbeitetes Bild, sofort kommt die Fernsehserie THE WALKING DEAD in den Sinn, in der sich die Handlung um Überlebende in einer Zombie ¹ Apokalypse dreht. Dieses Bild ist als Post auf Facebook zu sehen. Durch die Bildunterschrift wird der Betrachter animiert, nach der Serie zu suchen. Mit einer kurzen Internetrecherche kann die offizielle Webseite der Serie und des USamerikanischen Fernsehsenders AMC gefunden werden. Hier wird schnell klar, dass es eine Handy-Applikation gibt, mit der man sich offensichtlich fotografieren und mithilfe von Bildbearbeitung in einen Untoten verwandeln kann. Die Internetseite bietet aber noch mehr Möglichkeiten: Einen Shop mit Merchandising-Artikeln zur Serie, Games, Apps², virtuelle Touren durch die Serienumgebung, Webisodes³. Ein Klick auf eine angezeigte Episode leitet zu einer anderen Plattform weiter, auf der diese Episode angesehen werden kann. Das durch die Internetseite geweckte Interesse veranlasst jemanden, diese Episode anzuschauen und parallel auf dem Handy eine Story Sync-App⁴ zu nutzen, in der man abstimmen kann, welche Personen überleben werden, einen ›Kill-Count‹ verfolgen kann, Zitate der Folge nachlesen kann und Informationen zu den genutzten Waffen in der Serie erhält. Letztlich ist noch ein Hinweis auf das Handyspiel zu sehen, das zum Download animiert. Danach folgt ein Blick in die Programmhinweise von AMC: Wann wird die nächste Episode der Serie ausgestrahlt? Diese wird sich der Betrachter mit Sicherheit nächsten Mittwoch im laufenden Fernsehprogramm ansehen. Der Betrachter wird zum Rezipienten ⁵ und ist somit tief eingetaucht in das ›transmediale Universum‹ der Fernsehserie.
Was hat dieses Beispiel zeigen können? Es scheint hier eine mediale Ordnungsstruktur vorzuliegen, die mehrere Medien verbindet. Eine Fernsehserie weist offenbar für diese unterschiedlichen Medienplattformen relevante Aspekte auf und ist demzufolge auf diese verteilt. Ebenso liegen Verweise zwischen diesen Teilen vor, die den zeitlichen Ablauf der beschriebenen Rezeption bestimmen. Diese Feststellungen werfen Fragen auf, die einer genauen Betrachtung unterzogen werden müssen.
Das Medium Fernsehen indes ist sicherlich kein neues Medium, aber eines, das sich scheinbar neu im Umfeld anderer Medien verortet. Es befindet sich nun in einer medialen Überschneidung mit anderen Medien. Gab es bis vor einiger Zeit noch unter anderem eine Trennung von Fernsehgerät und anderen Bildschirmen, wie z. B. Computerbildschirm, wird diese Trennung der technischen Endgeräte aufgehoben (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 76). Das beschriebene Phänomen ist begründet in der Möglichkeit, dass Mediengrenzen sich verschieben oder gar verschwinden durch eine ›Medienkonvergenz‹ ⁶ , die neue Möglichkeiten bietet, Narrationen auszufalten. Neue Techniken, wie das Internet oder Smartphones, können diese neue Narrative begünstigen. Produzenten nutzen zunehmend Möglichkeiten, Inhalte zu ihren Formaten auch auf anderen Medienplattformen anzubieten (vgl. Kurp 2012, 15). Hierbei entsteht zwar kein neues Medium, wohl aber ein erweiterter Medienverbund, der immer neue Narrative hervorbringt. Das derzeitige ›Fernsehen‹ und seine Formate zeichnen sich durch diesen Aspekt des Medienverbunds und ›Transmedialität‹ aus. Dies ist ein Phänomen, das Henry Jenkins (2006) als narrative Erweiterungen auf unterschiedlichen Medienplattformen (Print-Comic, Videospiel, Blogs⁷, Webisodes, soziale Netzwerke etc.) beschreibt. Die dort zu verortenden Narrative können als ›Transmedia Storytelling‹ bezeichnet werden, die eine komplexe ›Storyworld‹ eröffnen können. So ›fransen‹ televisuelle Serien über ihre Mediengrenzen hinweg aus und werden zu fragmentierten Extensionen, die den Zuschauer in eine narrative Welt einbeziehen (vgl. Jenkins 2006, 1ff). In transmedialen Fernsehserien, deren Narration über Mediengrenzen hinweg verbreitet wird, verlässt der Zuschauer zunehmend dieses Narrativ und vollzieht den Griff zum ›Second Screen‹⁸, um das Narrativ auf anderen Medien(plattformen) weiterzuverfolgen.
Exemplarisch zeigen diese Fernsehserien, dass sie zunehmend fortlaufender, epischer und komplexer auf differenten Ebenen erzählen.⁹ Wie Olek und Piepiorka (2012) ¹⁰ darlegen, sind sie nicht mehr auf die Ausstrahlung im Medium Fernsehen beschränkt, sondern von einem spezifischen Gerät (vgl. Köhler/Keilbach 2012, 4) sowie Programmablauf entkoppelt. Dies bezieht sich nicht nur auf differente Distributionswege ¹¹ oder die »ubiquitären« Zugriffsmöglichkeiten (vgl. ebd.). In den Blick genommen werden spezifische Modifikationen, in denen narrative Elemente zeitgleich ¹² in unterschiedliche Medien und deren jeweilige spezifische Formen eingebunden werden und dadurch die Geschichte erweitern, wobei die Serie weiterhin als Kerntext fungiert (vgl. Olek/Piepiorka 2013). Wie das eingangs skizzierte Beispiel zeigt, werden transmediale Elemente zu einem großen Teil im Internet ¹³ präsentiert. Bereits 1997 postulierte Janet Murray (1997, 84f), dass sich digitale Umgebungen besonders für episch ausgebreitete Erzählungen anbieten, sodass sich das Internet schon sehr früh als Erweiterung von Fernsehserien etabliert hat (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 77). In dieser Zeit entstanden die ersten Vorläufer transmedialer Extensionen. In diesen werden eine Vielzahl von Medienplattformen an unterschiedlichen ›Orten‹ als narrative Erweiterungen eingebunden, um von dort aus potenzielle Zuschauer zu adressieren.
Diese Ausfaltung von Fernsehserien in andere Medien erweitert die serieninhärente Annahme, dass es eine dynamische Entwicklung statt eines repetitiven Stillstandes gibt. Dies schließt an das Konzept von Wiederholung und Differenz nach Deleuze an, welches eine schöpferische Kraft des Seriellen annimmt und eine Serie damit dynamisch auf ein Werden ausgerichtet ist (vgl. Blättler 2012, 75). Eine weitere Ebene der Differenz außerhalb des Serientextes wird in den transmedialen Extensionen deutlich, welche die Möglichkeiten des Seriellen potenzieren (vgl. Olek/Piepiorka 2013). Diese sind, je nach ihrer medialen Spezifizität¹⁴, in sich selbst sukzessive wahrnehmbar und teils nicht zwingend mit der inhärenten Zeitlichkeit der Serie zu verknüpfen, sodass die Reihenfolge der Wahrnehmung einzelner Fragmente beliebig ¹⁵ sein kann. Infolgedessen entsteht eine Synchronität von Fragmenten (vgl. ebd.). Die transmediale Fernsehserie kann demnach als eine »gleichzeitige Präsentation der Fragmenten in unterschiedlichen Medienkontexten ¹⁶ als Angebot pluraler Möglichkeiten«, die stetig wächst und »hypertextuelle Charakteristiken aufweist« (Olek/ Piepiorka 2012, 81), verstanden werden. Wie Olek (2011) ausführt, sind Hypertexte generell als ein Set in sich geschlossener Einheiten jeder Art (Bilder, Texte, Tabellen, Videoclips)¹⁷ zu verstehen und können mit- und untereinander über Verlinkungen verbunden sein (vgl. Murray 1997, 84f; Olek 2011, 19ff). Wie Olek/Piepiorka (2012) bemerken, hat das hypertextuelle Netzwerk, basierend auf Deleuze/Guattari, die Struktur eines Rhizoms, eines »sich permanent weiterverzweigende[n] Wurzelgeflecht[s]« (Kajetzke/Schroer 2010, 197), das ohne übergeordnete Ordnungsstrukturen keinen Anfang und kein Ende hat, sondern aus der Mitte herauswächst, die sich jederzeit verschieben kann (vgl. Deleuze/Guattari 1997, 36f).
Wie beschrieben, bieten die transmedialen Extensionen oftmals eine beliebige Reihenfolge, können aber dennoch nicht als rhizomatisch charakterisiert werden. Denn auch wenn es in Bezug auf die Anfangs- und Endpunkte Aufweichungen¹⁸ gibt, ist der Serientext an sich ganz eindeutig als Zentrum definiert und hierarchisiert so das narrative Netzwerk. Dennoch werden transmediale Serien oftmals bezüglich ihrer Organisation als netzwerkartig beschrieben (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 82).
Folgt man dieser Beschreibung eines netzwerkartigen Raums und einer sukzessiven Wahrnehmbarkeit dieser transmedialen Serien, muss die Frage nach einer möglichen Transformation der Kategorien Raum und Zeit durch Transmedialität gestellt werden. Mit den fernsehserieninhärenten Prinzipien einer Aneinanderreihung und Wiederholung wird zunehmend gebrochen, da ein Erzählvorgang in Verbindung mit fragmentierten Expansionen der Serie vorherrscht (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 78). Hierdurch entsteht eine Gleichzeitigkeit dieser Fragmente, die sich flächig und räumlich anordnen. Denn literarische Texte oder audiovisuelle Formen präsentieren nicht nur Räume als Handlungsorte, sondern »funktionieren selbst räumlich« (Sasse 2010, 304). Daraus ableitend stellt sich wiederum die Frage, wie eine ›Verräumlichung‹, wie sie durch eine flächige Anordnung hervorgerufen wird, in einem dominant sukzessiven Modell wie der seriellen Narration funktionieren kann (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 78). In Unabhängigkeit vom Medium ist die Narration eine Abfolge von Ereignissen, die von einem Handelnden ausgelöst oder erfahren wird (vgl. Manovich 2001, 227). In diesem Zusammenhang ist Zeit als essentielle Kraft auf eine narrative Ereignisfolge als Schlüsselelement zurückzuführen (vgl. Lammes/ Verhoeff 2010, 10). Demnach steht hier im Fokus dieses Verständnisses das Voranschreiten der Handlung. Wie Olek/ Piepiorka (2012, 78) bereits hierzu anmerken, wird jedoch in der Literaturtheorie, allen voran von Genette (1994) und Bachtin (2008 [1973]), auch die räumliche Komponente betont, da sich Handlung auch im Raum erstreckt (vgl. Sasse 2010, 299). Der Raumbegriff bezieht sich hierbei also nicht nur auf den diegetischen Raum¹⁹ als Ebene der Inszenierung, sondern auch auf einen strukturellen Raum, der durch die Verbindung der einzelnen Narrationselemente an verschiedenen medialen Orten entsteht (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 79). »Mithilfe dieses Raumbegriffs soll somit die Struktur transmedialer Narrationen, die durch die Verbindung der einzelnen Handlungselemente an verschiedenen medialen Orten untereinander entsteht, sichtbar gemacht werden« (vgl. Olek/Piepiorka 2013). ²⁰ Grundlegend muss festgehalten werden, dass sich »Raum als metaphorisches Ordnungsprinzip von Narrationen definiert über ein relationales Modell und nicht über ein physikalisches, insofern er keine gegebene, feste Konstante ist, sondern durch ›soziale Praktiken [...] Handlung und Kommunikation hervorgebracht‹ (Schroer 2012, 275) wird« (Olek/Piepiorka 2012, 79). Daran schließt sich die Frage an, woran ›Räumlichkeit‹ in der Narration von Fernsehserien festgemacht werden kann? Die hier relevante Möglichkeit, ›Räumlichkeit‹ zu generieren, bietet die Einbindung aller ›Orte‹ des Medienverbundes bei der Konstruktion der Narration, indem einzelne Teile über den Raum verteilt werden.²¹ Hierbei entsteht ein Angebot pluraler Möglichkeiten durch die synchrone Präsentation der transmedialen Extensionen (vgl. ebd., 81). So stehen die Ebenen Raum und Zeit in einer Interdependenz zueinander. In dieser Untersuchung ist demnach darzustellen, wie sich die Kategorien Raum und Zeit durch Transmedialität verändern, und mit welchen Konzepten diese beschrieben werden können.
Die Annahme der Veränderungen von Raum-Zeit-Strukturen hat nicht nur Auswirkungen auf die Serie selbst, sondern bezieht sich auch auf das Konzept der Serialität als deren spezifisches Charakteristikum. Die transmedialen Extensionen leisten zumeist, gemäß Jenkins (2006, 95), einen eigenen, entscheidenden Beitrag zur transmedialen Story. Doch es gibt auch Extensionen, die nur eine Wiederholung von bereits Dargestelltem sind. Hier wird das serien-konstituierende Konzept von Wiederholung und Differenz deutlich: Die Differenzierung von bereits Gezeigtem wie eine Neuperspektivierung und ein neuer Handlungsstrang erweitert die Story und trägt damit zur Ausdifferenzierung der Narration bei und affirmiert zugleich das Konzept der Serialität.
Zu fragen ist dann: Wird somit die inhärente Zeitlichkeit oder gar die Serialität per se in Frage gestellt? Denn die Proliferation von Serien in andere Medien resultiert in einer Entgrenzung der Narration und hat letztendlich entscheidende Auswirkungen auf das Konzept von Serialität (vgl. Olek/Piepiorka 2012, 78): Es gibt einen Wandel von der seriellen Identität hin zu einer temporalen und räumlichen Prozessualität. Ist denn der Fortlauf einer transmedialen Erzählung in unterschiedlichen Medientexten eine Sukzession bei gleichzeitiger Verräumlichung? Das transmedial komplexe Erzählen stellt so die Zeitlichkeit sowie Räumlichkeit, im Grunde gar die Serialität per se, in Frage. Diese Thesen führen zu einer zwingenden Neukonzeption nicht nur des Begriffs der Fernsehserie, sondern auch der Serialität durch die Dimensionen von Zeit und Raum.
Weiter muss, mit dem Eingangsbeispiel im Gedächtnis, gefragt werden: Welche Konsequenzen hat dieser Umstand der Transmedialität von Fernsehserien auf das zeitliche und räumliche Zuschauerverhalten? So ist das transmediale Universum auf unterschiedlichen medialen Plattformen organisiert, bedarf jedoch der Adressierung und letztlich Handlung des wahrnehmenden Subjekts, um komplementiert zu werden (vgl. Lammes/ Verhoeff 2010, 2). »Der Einzelne wird auf verschiedene Arten adressiert, sodass seine Navigation durch den transmedialen Raum möglich wird. Er/sie konstruiert zugleich die Narration, infolgedessen ist Verräumlichung das Resultat menschlichen Handelns (vgl. Deleuze/Guattari 1997, 17).« (Olek/Piepiorka 2013). Vice versa bedeutet dies, dass ohne entsprechendes Handeln räumliches Erzählen nicht funktioniert und die Fernsehserien weiterhin ausschließlich televisuell bleiben. Wie Olek/Piepiorka (2012, 85) bereits feststellen: Die essenzielle Bedeutung von Bewegung für Narrationen beschrieb bereits Lev Manovich (2001, 247) im Kontext von Hyperfiktionen, insofern, als dass die Narration innehält, wenn der User²² nicht