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Contemplative Care: Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA
Contemplative Care: Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA
Contemplative Care: Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA
eBook571 Seiten7 Stunden

Contemplative Care: Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA

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Über dieses E-Book

Beim Wort "Seelsorge" denken die meisten Menschen an den Besuch des Pfarrers im Krankenhaus, wenn jemand im Sterben liegt. Doch auch in vielen anderen Religionen gibt es Seelsorge, und dieses Tätigkeitsfeld ist viel breiter und bunter, als man denkt.

Im Essayband "Contemplative Care. Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA" erzählen 35 buddhistische Seelsorgerinnen und Seelsorger aus erster Hand über ihre Arbeit im Hospiz, im Gefängnis, im Krankenhaus, am Universitätscampus und im Militär. Sie hören den Menschen zu, sprechen mit ihnen, meditieren mit ihnen, führen buddhistische Zeremonien durch. Sie organisieren Nachmittagsbetreuung für Kinder und Eltern, beraten Studierende auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben und Helfen ehemaligen Gefängnisinsassen, wieder einen Job zu finden. Kurz gesagt: Sie kümmern sich um andere. Damit dies gelingt, müssen sie sich zuallererst um sich selbst kümmern, mit täglicher Meditation und Kontemplation. Das Buch erschien ursprünglich in den USA und ist nun erstmals auf Deutsch erhältlich. In Europa, auch im deutschsprachigen Raum, gibt es buddhistische Seelsorge, doch sie steckt noch in den Kinderschuhen. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, diese Art des Kümmerns-Umeinander zu fördern und hoffen, dass dieses Buch viele Menschen dazu inspirieren wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Mai 2023
ISBN9783757836320
Contemplative Care: Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA

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    Buchvorschau

    Contemplative Care - Books on Demand

    INHALTSVERZEICHNIS

    Einleitung zur amerikanischen Ausgabe

    Pat Enkyo O’Hara

    Vorwort zur amerikanischen Ausgabe

    Judith Simmer-Brown

    Vorwort der amerikanischen Herausgeberinnen

    Cheryl A. Giles und Willa B. Miller

    Danksagungen

    Vorwort zur deutschen Ausgabe

    Shinko A. Hagn

    Vorwort der Übersetzerin

    Koryu S. Halbeisen

    I. DIE WURZELN DER CONTEMPLATIVE CARE: GRUNDLAGEN EINES FACHGEBIETS

    Annäherung an eine Definition von buddhistischer Seelsorge

    Jennifer Block

    Angemessene Antworten kultivieren: Ausbildungsgrundlagen für buddhistische Seelsorgende in Sanghas und Institutionen

    Judith Kinst

    Meditation allein ist nicht genug

    Wakoh Shannon Hickey

    SPOT: Ein Ausbildungsprogramm für Buddhistinnen und Buddhisten in Amerika

    Lew Richmond und Grace Schireson

    „Jenseits der Color Line": Furchtlosigkeit kultivieren in der Contemplative Care

    Cheryl Giles

    II. DEN KRANKEN DIENEN: DIE KUNST DER KRANKENHAUSSEELSORGE

    Die vier edlen Wahrheiten als Rahmen für Contemplative Care

    Trudi Jinpu Hirsch

    Buddhistische Seelsorge in einem christlichen Kontext – eine persönliche Reise

    Mark Power

    Das Drehen des Dharma-Rads in seinen vielen Formen

    Robert Chodo Campbell

    Den Kreis erweitern: Engagierter Bodhichitta-Geist in der Krankenhausseelsorge

    Chris Berlin

    Das juwelenbesetzte Netz: Was Dogen und das Avatamsaka-Sutra spirituellen Betreuenden zu bieten haben

    Koshin Paley Ellison

    Der Weg des Seelsorgers: Ein Modell, basierend auf einem buddhistischen Paradigma

    Mikel Ryuho Monnet

    III. DHARMA HINTER GITTERN: DIE KUNST DER GEFÄNGNISSEELSORGE

    Garys Geschichte

    Dean Sluyter

    Mitgefühl strahlt durch Stein

    Margot Newman und Gary Allen

    Wir gehören zueinander

    Penny Alsop

    All meine Beziehungen

    Richard Torres

    Sich hinter Gittern umeinander kümmern

    Nealy Zimmerman

    Buddhisten hinter Gittern

    Terry Conrad

    IV. MANJUSHRIS SCHWERT FÜHREN: DIE KUNST DER COLLEGE- UND MILITÄRSEELSORGE

    Mögest du immer ein Schüler sein

    Danny Fisher

    Den Geist verändern, die Welt transformieren

    Ji Hyang Padma

    Buddhistische Seelsorge im Militär

    Thomas Dyer

    V. MIT STERBENDEN LEBEN: DIE KUNST DER END-OF-LIFE-CARE

    Spiritual Care bei Sterbenden

    Tenzin Chodron

    Gemeinschaft und Mitgefühl in der Sterbebegleitung

    Joan Halifax

    Güte erwecken: End-of-Life-Care in einem Social-Model-Hospiz

    Randy Sunday

    Eine mitfühlende Präsenz sein: Der kontemplative Zugang zur End-of-Life-Care

    Kirsten Deleo

    Akzeptanz finden im Herzen der Dinge

    Carlyle Coash

    Ein wenig Jetzt

    Ginger Brooks

    Zehn Leitsprüche für Contemplative Care

    Victoria Howard

    VI. DHARMA LEHREN UND FÜRSORGE SCHENKEN: DIE KUNST DER SEELSORGE IM ALLTAGSKONTEXT

    So habe ich gehört: Eine Reflexion über Zuhören als Spiritual Care

    Willa Miller

    Un-rechte Rede: Wissen, wann man besser lügen sollte

    Lin Jensen

    Ein Feldbericht: Wie es ist, ein amerikanischer zen-buddhistischer Priester und Seelsorger zu sein

    Steve Kanji Ruhl

    Buddha, Dharma und Sangha-Seelsorge mitten in der Stadt

    Rebecca Johnson

    Familienprogramme in buddhistischen Gemeinschaften

    Sumi Loundon Kim

    WEITERFÜHRENDE LITERATUR

    NACHDRUCKGENEHMIGUNGEN

    Einleitung zur amerikanischen Ausgabe

    Pat Enkyo O’Hara

    Dieses Buch erscheint genau zum richtigen Zeitpunkt. Zwei Strömungen laufen zusammen. Es gibt die Erkenntnis, dass in den säkularen, wirtschaftlich orientierten Zugängen zur Care-Arbeit etwas fehlt. Zugleich breitet sich in buddhistischen Gemeinschaften die Erkenntnis aus, dass wir durch unsere Praxis der Kontemplation, des Gewahrseins und der Präsenz diese Lücke auf ganz einzigartige Weise schließen können. Wir können uns mitfühlend um andere kümmern. Wie sieht diese Art des Kümmerns aus?

    Ich stellte diese Frage einer Krankenschwester auf einer Onkologie-Station. Lächelnd antwortete sie: „Die buddhistischen Seelsorgenden haben so etwas Besonderes an sich. Schon allein die Art, wie sie durch den Korridor laufen, scheint alle zu beruhigen. Ein altertümlicheres Bild für mitfühlende Fürsorge ist Avalokiteshvara, der weibliche Bodhisattva des Mitgefühls. Sie wird mit tausend Händen und Augen dargestellt, mit deren Hilfe sie auf das Leiden der Welt reagieren kann. In einer alten buddhistischen Legende fragt ein Suchender: „Was genau tut sie mit all diesen Händen und Augen? Und die einfache Antwort darauf ist: „Es ist so, wie wenn du nachts nach deinem Kissen greifst, um es zurechtzurücken." Anders ausgedrückt: Wenn man entspannt an die Sache herangeht, ist mitfühlende Fürsorge so natürlich wie eine spontane Geste.

    Wer an die umfassende Ausbildung und Praxis denkt, die nötig ist, um intelligente Contemplative Care zu leisten, will vielleicht einwenden, dass diese Antwort zu einfach ist. Doch wenn wir ein wenig tiefer schauen, können wir sehen, dass diese Antwort auf eine Wahrheit verweist. Wirkungsvolles Kümmern entspringt einer Eigenschaft, die zwar recht alltäglich, aber nicht einfach zu erreichen ist – wahrer Präsenz, einer Verwurzelung in der natürlich aufsteigenden Wirklichkeit des Moments. Egal, ob wir mit den Qualen an einem Krankenbett, dem Zorn in einem Gefängnis oder der Angst, die unter den strengen Abläufen des Militärs lauert, konfrontiert sind: Contemplative Care kommt aus einem Herzgeist, der klar und empfänglich ist, verwurzelt in wechselseitiger Verbundenheit. Auf beiden Seiten wird Heilung möglich. Durch Contemplative Care wird die buddhistische Praxis der Kümmernden gestärkt. Sie bietet uns in jedem Moment die Chance, dem Leiden zu begegnen, sowohl im eigenen Leben als auch im Leben der anderen, um das Leiden in diesem kontemplativen Raum zu halten. Ich gratuliere den Herausgeberinnen, dass sie diese bahnbrechenden Stimmen zusammengetragen haben. Gemeinsam zeigen sie einen Praxispfad auf, den buddhistische Praktizierende in unserer heutigen Zeit gehen können, um das zu tun, was in unserer Welt gerade dringend gebraucht wird: etwas zu bewegen.

    Biografie

    Dr. Pat Enkyo O’Hara Roshi ist Äbtissin des Village Zendo. Sie ist Soto-Zen-Priesterin und zertifizierte Zen-Lehrerin. Sie erhielt durch die White Plum Lehrlinie sowohl in der Soto- als auch in Rinzai-Tradition die Dharma-Übertragung. O’Hara Roshi ist die leitende spirituelle Lehrerin im New York Zen Center for Contemplative Care. Zudem arbeitet sie als spirituelle Ko-Direktorin in der Zen Peacemaker Family, einem Verein für spirituelles und soziales Engagement und Studium.

    Vorwort zur amerikanischen Ausgabe

    Judith Simmer-Brown

    Das Buch in deinen Händen ist ein Pionierwerk. Es erzählt von der Arbeit mutiger buddhistischer Praktizierender im Westen. Sie bringen in ihrer Seelsorge-Arbeit die Tiefe ihrer Meditationspraxis in ihren unmittelbaren Dienst an der Menschheit ein, um Heilung für alle zu ermöglichen. Zwei begnadete Herausgeberinnen haben Beiträge gesammelt und ausgewählt, die anschaulich zeigen, wie diese Seelsorgenden inmitten der schwierigsten Umstände in unserer unsteten Welt „säkulare Gemeinden" erschaffen, sei es im Krankenhaus, im Gefängnis, im Militär oder im Hospiz. Sie beraten Studierende und Eltern, die buddhistische Kinder aufziehen, und sie setzen sich mit Rassismus, Klassenunterschieden und Diskriminierung aufgrund von Alter auseinander. Sie erklären, wie man in jeder Situation einfach präsent sein kann, wie man sich nicht vom Leiden abwendet, und wie man auf heilsame Art und Weise ein mitfühlendes Herz entwickeln kann.

    Jedes Kapitel ist neu und unmittelbar, voller Einsichten, die direkt aus gelebter Erfahrung kommen. Wir begleiten diese Seelsorgenden, wenn sie mit Patienten sprechen, deren Krankheiten sich katastrophal auswirken. Wir begleiten sie zu Familien, die ein Kind verloren haben, zu Soldaten, die über die Taten verzweifeln, zu deren Ausführung sie gezwungen wurden. Wir begleiten sie zu Gefängnisinsassen, die von Reue geplagt werden. Sie erzählen uns von der Direktheit und dem Humor der Sterbenden, und von der schonungslosen Ehrlichkeit derjenigen, die alles verloren haben. Bescheiden berichten sie uns von den Lektionen, die sie selbst gelernt haben. Die innewohnende Würde, Weisheit und Tapferkeit ihrer Klienten sind auf jeder Seite zu finden, und wir können sehen, dass die größte Heilkraft die Freundlichkeit ist.

    Die Autorinnen und Autoren in diesem Band stammen aus allen buddhistischen Lehrlinien, von japanischem und koreanischem Zen über tibetische Vajrayana-Traditionen und Shambhala bis hin zu Mitgliedern der Reines-Land-Schulen und der theravadischen Vipassana-Tradition. Manche von ihnen sind seit vielen Jahre buddhistische Lehrende, andere haben erst vor kurzem mit der Praxis begonnen. Ein Drittel der Autorinnen und Autoren sind meine Kolleginnen und Kollegen, Freund-innen und Freunde, oder Sanghabrüder und -schwestern. Ein weiteres Drittel sind ehemalige Schülerinnen und Schüler von mir. Viele andere kenne ich namentlich, oder indirekt dadurch, wie sie das Leben eines Klienten beeinflusst haben. Dennoch habe ich viel aus diesem Buch gelernt, darüber, was es tatsächlich bedeutet, ein buddhistischer Seelsorger im Einsatz zu sein.

    In den meisten Situationen sind diese Seelsorgenden die einzigen Buddhisten in einer jüdisch oder christlich geprägten oder komplett säkularen Welt. Manchmal fühlen sie sich isoliert, als hätten sie keinen Boden unter den Füßen. Wenn sie nicht wissen, wie sie helfen können, haben sie Angst oder das Gefühl, sie wären mangelhaft. Die meisten behaupten, dass es nicht viel nützt, sich selbst als „Buddhist zu sehen. Sie sind überkonfessionelle Seelsorgende, die tun, was auch immer gerade getan werden muss. Wir können fühlen, wie sie ihren Klienten Schritt für Schritt näherkommen, ihre Hand nehmen und sie emotional unterstützen. Auf pragmatische Art und Weise zeigen sie uns, wie man Seelsorger ist. Diese Seelsorgenden lehren die grundlegenden buddhistischen Praktiken. Dazu zählen Meditationen für liebende Güte, aufmerksames Zuhören und „grundlegende Anwesenheit. Sie listen Sprüche als Hilfsmittel für die Kümmernden auf und reden über „mitfühlende Präsenz", eine Kunst, die Seelsorgende beherrschen. In zahlreichen Kapiteln wird diese Arbeit mit der zeitlosen Lehre der vier edlen Wahrheiten und dem selbstlosen Bodhisattva-Pfad im Mahayana kontextualisiert. Unsere Seelsorgenden zeigen uns, wie sie von dieser uralten Weisheit genährt werden, wie sie von ihren Lehrlinienhaltern, aus buddhistischen Texten und aus Meditationsanleitungen frische Inspiration bekommen.

    Viele wissen, dass sie Pioniere sind, und laden andere buddhistische Praktizierende dazu ein, sich ihnen anzuschließen. Wie kann man anderen den Weg ebnen? Sie zeigen auf, dass es nicht ausreicht, „einfach nur zu sitzen", um einen sterbenden Menschen zu begleiten. Es ist wichtig, dass man eine akademische Ausbildung und professionelle Supervision hat, um die notwendigen theologischen und seelsorgerischen Fertigkeiten zu erlernen. Sie erzählen von wichtigen Zusatzausbildungen, die sie in ihrer Arbeit sehr unterstützt haben und die sie in der Clinical Pastoral Education (CPE), im Hospiz und im Militär bekommen haben. Sie heben die Wichtigkeit von Ordination hervor (sowohl monastische als auch Laienordination) und bringen spezifische Vorschläge, wie man dies in unseren Gemeinschaften unterstützen kann.

    Für sie alle ist tägliche Meditationspraxis die Hauptunterstützungsquelle für ihre Arbeit. Sie geben zu, dass die wichtigsten Eigenschaften, die ein buddhistischer Seelsorger in jede schwierige Situation mitbringen kann, ein klarer Geist, ein sanftmütiges Herz und ein offenes Ohr sind. Es gibt nur einen Weg, wie man dies ununterbrochen leisten kann, ohne auf formelhafte Techniken zurückzugreifen oder sich hinter einer „Seelsorge-Maske", die Burnout und Zynismus überdeckt, zu verstecken. Er besteht darin, dass man immer und immer wieder zur Unmittelbarkeit dessen, was gerade geschieht, zurückkehrt.

    Ich erinnere mich an eine der Kernlehren von Chögyam Trungpa Rinpoche: „Die alltägliche Praxis besteht darin, einfach eine umfassende Akzeptanz und Offenheit für alle Situationen, Gefühle und Menschen zu entwickeln. Alles komplett zu erfahren, ohne geistige Zurückhaltung oder Blockaden, damit wir uns niemals in uns selbst zurückziehen oder nur auf uns selbst fokussiert bleiben." Das ist die Essenz von Meditationspraxis und buddhistischer Seelsorge.

    Biografie

    Dr. Judith Simmer-Brown ist seit 1978 Professorin für Religionswissenschaften an der Naropa University in Boulder, Colorado. Sie studierte am Cornell College und an der Florida State University, nahm am Columbia University and Union Theological Seminary teil und promovierte an der Walden University. Zu ihren Lehrschwerpunkten im Bereich des Masterstudiums zählen buddhistische Schriften, Ethik und Philosophie sowie interreligiöser Dialog. Sie ist eine Acharya (fortgeschrittene Dharmalehrerin) in der buddhistischen Shambhala-Lehrlinie von Sakyong Mipham Rinpoche und Chögyam Trungpa Rinpoche. Zudem verleiht sie Upadhyaya-Ordinationen (Ordinationen für sangha-interne Seelsorge) in der Shambhala-Gemeinschaft. Sie ist Autorin der Bücher Dakini’s Warm Breath: The Feminine Principle in Tibetan Buddhism und Meditation in the Classroom.

    Vorwort der amerikanischen Herausgeberinnen

    Cheryl A. Giles und Willa B. Miller

    Du hältst ein Buch in deinen Händen, in dem das wachsende Feld der Contemplative Care aus einer Vielzahl von Perspektiven umfassend erforscht wird. Der Begriff „Contemplative Care wurzelt in der buddhistischen Seelsorge-Bewegung. Er wurde geprägt von einer Gruppe Menschen, die andere pflegen und sich um sie kümmern, und die damit beginnen, ihre Leidenschaft für buddhistische Praxis und die buddhistische Weltsicht in eine sinnstiftende Arbeit und Lebensweise zu verwandeln. Er ist eng verwandt mit „Spiritual Care, einem Begriff, der inzwischen in der Krankenhausseelsorge und im Hospiz häufig benutzt wird. Dennoch möchten wir zwischen „Spiritual Care und „Contemplative Care unterscheiden.

    In unserem Verständnis bezieht sich Spiritual Care auf einen großen Verband von Praktizierenden, die in einer Vielzahl von Kontexten, sowohl beruflich als auch ehrenamtlich, emotionalen und spirituellen Beistand leisten. Contemplative Care wiederum bezieht sich auf eine Art der Fürsorge und des Kümmerns, die auf rigorosem Training in einer meditativen oder kontemplativen Tradition fußt. Wenn wir es wagen wollen, den Begriff Contemplative Care zu definieren, könnten wir sagen:

    Contemplative Care ist die Kunst, spirituelle, emotionale und seelsorgerische Unterstützung zu leisten, auf eine Art und Weise, die von persönlicher, konsistenter kontemplativer oder meditativer Praxis gespeist wird.

    Daher erfordert Contemplative Care, dass die kümmernde Person eine Meditationspraxis hat. In den meisten Fällen ist die kümmernde Person Teil einer kontemplativen Tradition oder Lehrlinie, wie beispielsweise dem Buddhismus. Obwohl Contemplative Care nicht zwangsweise buddhistisch sein muss, legen wir in diesem Buch den Fokus auf Contemplative Care, wie sie von Buddhistinnen und Buddhisten praktiziert und verstanden wird.

    Die Autorinnen und Autoren verwenden nicht immer den Begriff „Contemplative Care, sondern wählen aus einer großen Palette an interessanten Wörtern und bieten uns beim Ausloten der Parameter dieses Feldes viele nützliche Definitionen. In Jennifer Blocks Kapitel in diesem Buch finden wir beispielsweise folgende Definition: „Buddhistische Spiritual Care bedeutet, Menschen dabei zu helfen, auf ihre Stille, Klarheit und Liebe in ihren Herzen zuzugreifen. Wir hoffen, dass solche Definitionen Anlässe für Gespräche sein werden und dass sie unser Verständnis dafür, wie die vielen Praktizierenden in diesen Feldern ihre Arbeit verstehen, bereichern. Wir hoffen außerdem, dass diese Definitionen nicht zu eng gesehen werden, da dieses Feld sich gerade erweitert und an Tiefe gewinnt.

    Für uns ist der Begriff Contemplative Care umfassend, er schließt viele Unterkategorien mit ein. Darunter fällt buddhistische Seelsorge in Institutionen, in Sanghas und im privaten Bereich. Dass man das Wort „buddhistisch mit ursprünglich christlichen Worten wie „Seelsorge zusammenfügt, ist ein relativ neuartiges Unterfangen. Doch der Geist des engagierten Buddhismus, der Dienst am Mitmenschen, ist uralt. Seit Jahrtausenden haben Buddhistinnen, die die Religion ins Zentrum ihres Lebens gestellt haben, ihren Gemeinschaften gedient. Dazu gehörte auch direkte, praktische Hilfe, wie beispielsweise sich um Kranke zu kümmern oder Kinder zu unterrichten. Die meisten konvertierten Buddhistinnen im Westen haben Buddhismus jedoch nicht als eine Form der Seelsorge kennengelernt, sondern als eine Form der persönlichen Praxis. Wir haben uns dem Buddhismus als einer Tradition zugewandt, die Erleuchtung, größere Weisheit und tieferen Frieden für die individuelle Praktizierende versprach. Vielen von uns wurde der Buddhismus ursprünglich nicht als eine Form des praktischen Dienens, als Dienst an einer großen und vielfältigen Menschengruppe, die spirituelle Fürsorge brauchen, vermittelt.

    Aus dieser Perspektive betrachtet wird der Pioniergeist in der Arbeit der Autorinnen und Autoren dieses Buches noch mutiger und greifbarer. Ihre Arbeit ist zugleich „Mainstream" und revolutionär, auf natürliche Art mitfühlend, hin und wieder schwierig, und ständig bahnbrechend. All dies tun sie in der Geisteshaltung, Upaya zu manifestieren. Diese Stimmen regen uns dazu an, uns eine Meditationspraxis vorzustellen, die Meditation vom Kissen herunter und in die Welt hineinbringt, raus aus den Tempeln und hinein in die Hallen der etablierten Institutionen.

    Während man dieses Feld erforscht, sollte man darauf achten, die Unterschiede zwischen Seelsorge im institutionellen Umfeld und im sangha-internen Kontext nicht zu vergessen. Institutionelle Seelsorgende kümmern sich spirituell, seelsorgerisch und emotional um Patientinnen, ihre Familien und das Personal. Sie werden oft von einer Organisation, etwa einem Krankenhaus, angestellt. Diese Menschen fühlen sich vielleicht einer bestimmten Glaubensrichtung zugehörig und verwenden die Werkzeuge, die ihnen ihr Glaube oder ihre Glaubensgemeinschaft bietet. Doch für sie stehen die spirituellen Bedürfnisse der Patientin oder Klientin an vorderster Stelle, unabhängig davon, welchen Glauben die andere Person hat. Sangha-interne Seelsorgende wiederum kümmern sich um die religiösen Bedürfnisse der Mitglieder einer bestimmten Glaubensgemeinschaft oder einer Sangha. Seelsorgende aus beiden Kategorien leisten verschiedenste Formen von „Seelsorge-Arbeit". Sicherlich überlappen sich die Rollen und Pflichten beider Gattungen, doch wir finden es hilfreich, zwischen diesen zwei Formen der Seelsorge zu unterscheiden.

    Nichtsdestotrotz gibt es auch vieles, was Seelsorgende aus allen Sparten gemeinsam haben. Die Arbeit, die sie alle leisten, ist immer eine Praxis der Präsenz. Wir sind für diejenigen, die leiden, sterben oder Fürsorge brauchen, da. Wir sind da, um ihnen zuzuhören, um ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, um sie zu begleiten. Wer sich dieser Praxis des Kümmerns verschrieben hat, wächst in diesem Prozess spirituell. Es geht nicht immer um die Patientin, oder die Studierende, oder diejenige, um die man sich kümmert. Es geht um Beziehung und Intersein. Und wie du in diesem Buch bemerken wirst, manifestieren sich diese Fürsorge-Beziehungen in vielen einzigartigen Formen.

    Die Samen für dieses Buch wurden gesät, als wir zwei Herausgeberinnen uns im Sommer 2006 in Harvard trafen. Damals wurde das buddhistische Seelsorgeprogramm an der Universität konzipiert. Je mehr wir uns unterhielten, desto mehr realisierten wir, dass wir viel gemeinsam hatten, und wir begannen, zusammen zu arbeiten. Wir hielten gemeinsam Seminare zu den Themen institutionelle Seelsorge, Hospizarbeit, Gefängnisarbeit, und über viele andere Arten der Seelsorge aus einer buddhistischen Perspektive.

    In unseren Gesprächen zu zweit und mit unseren Studierenden tauchten manche Fragen immer wieder auf: Wie können wir unsere Praxis in Kontexte einbeziehen, die mit Spiritual Care zu tun haben? Wie erklären wir buddhistische Seelsorge, wenn wir mit Menschen reden, die andere Formen der Seelsorge betreiben? Wie kann man mit einem buddhistischen Hintergrund die Welt der institutionellen Seelsorge betreten? Was bedeutet es, über buddhistische Theologie zu reden? Was ist das buddhistische Äquivalent zu den Wörtern „Predigt oder „Seelsorge, „Befreiungstheologie, „soziale Gerechtigkeit, „Ethik in der Medizin, „Gemeinde, oder sogar „Klerus? Wie führen wir Studierende durch das Labyrinth der buddhistischen Seelsorge-Ausbildung? Was bedeutet es, „hauptberuflich Buddhistin zu sein?

    In unserem Bemühen, diese Fragen zu beantworten, haben wir mit einigen der Pionierinnen und Pioniere in diesem Buch geredet und Bücher und Artikel gesucht, die das wachsende Interesse an Spiritual Care, das von unseren Studierenden kam, zum Ausdruck brachten. Als wir zusammenarbeiteten und mit Menschen in dieser Welt der „engagierten Fürsorge, oder wie auch immer wir es nennen wollen, in Kontakt kamen, wurde uns klar, dass wir uns inmitten einer Revolution befanden. Buddhistinnen preschen in Institutionen vor und ihre Stimmen und Handlungen beginnen, diese Institutionen zu transformieren — und zu transformieren, was es bedeutet, „Buddhistin zu sein. In diesem Prozess kommt es zu einigen kreativen theologischen Reflexionen und Anwendungen. Diese Revolutionärinnen denken Praxis neu, in einem interpersonalen Kontext, und bringen buddhistische Praxis an Orte, wo sie einfach noch nie gewesen ist — zumindest im Westen.

    Als wir mit der Zusammenstellung dieses Buches fertig waren, erkannten wir, dass wir gerade einmal an der Oberfläche dieses aufkeimenden Feldes gekratzt hatten. Wir konnten nur einen Bruchteil der Autorinnen und Autoren aufnehmen, die wir hätten aufnehmen können. Dennoch hoffen wir, dass dieses Buch die vielen Menschen, die diese Arbeit leisten, dazu inspiriert, darüber zu schreiben und der Welt davon zu erzählen. Wir sind nach wie vor fasziniert und inspiriert von allen, die diesem neuen Pfad folgen. Mit viel Geschick verwenden diese Vorreiterinnen das mächtige Werkzeug Sprache, um ihren Platz zu finden und ihre buddhistische Praxis in Begriffe zu „übersetzen", die andere verstehen. Dieses Buch wurde auch für sie geschrieben: Um sie miteinander zu verbinden — für ihre eigene Generation, und für die Generation, die vor ihnen bestand.

    Dieses Buch hat sich selbst auf der Grundlage der Einreichungen in sechs Bereiche gegliedert. Teil 1— DIE WURZELN DER CONTEMPLATIVE CARE: GRUNDLAGEN EINES FACHGEBIETS beleuchtet die Definitionen, Parameter, Kernthemen und Ausbildungsgrundlagen von Contemplative Care aus verschiedenen Perspektiven. In diesem Abschnitt finden wir Jennifer Blocks Annäherung an eine Definition von buddhistischer Seelsorge, Daijaku Judith Kinsts Überlegungen zur Pädagogik in der Seelsorge-Ausbildung, Wakoh Shannon Hickeys Forderung nach einer universitären Ausbildung in Priesterseminaren, Lew Richmond und Grace Schiresons Beschreibung ihrer SPOT-Ausbildung für zen-buddhistische Seelsorgende und Cheryl Giles Untersuchung über die Rolle von Race¹ in Spiritual Care.

    Teil 2 — DEN KRANKEN DIENEN: DIE KUNST DER KRANKENHAUSSEELSORGE untersucht die Rolle, die Herausforderungen und die Erfahrungen buddhistischer Seelsorgender, die sich in modernen US-amerikanischen Krankenhäusern und darüber hinaus bewegen. In diesem Abschnitt erfahren wir, wie Krankenhausseelsorgende ihre Meditationspraxis und ihr Mitgefühl in einem fürsorgenden Kontext anwenden. Chodo Campbell erzählt uns die rührende Geschichte, wie er als Priester einen anderen Priester in Zimbabwe besucht, der an Magenkrebs im Endstadium leidet. Mark Power berichtet uns, in tiefer Ehrlichkeit, von seiner persönlichen Reise, wie er seine buddhistische Ausbildung an einen christlichen Kontext anpasst. Wir sehen, wie buddhistische Krankenhausseelsorgende wie Trudi Jinpu Hirsch und Koshin Paley Ellison uralte Schriften im Rahmen ihrer Fürsorge-Arbeit anwenden.

    Teil 3 — DHARMA HINTER GITTERN: DIE KUNST DER GEFÄNGNISSEELSORGE beschreibt die Reise von Buddhas Lehren in die hintersten Winkel des Gefängnislebens. Wir hören hier Dean Sluyters inspirierende Geschichte über Gary, einen Insassen im Hochsicherheitsgefängnis, der 28 Jahre in Haft durchhält, um schließlich ein neues Leben zu beginnen, von dem er nie geträumt hätte. Wir finden hier Penny Alsops berührenden Bericht über den Muttertag im Frauengefängnis. Wir hören Richard Torres Geschichte über Kosal, einen Überlebenden des Pol-Pot-Regimes, der in seinem Verständnis der wechselseitigen Verbundenheit tiefen Frieden findet.

    Teil 4 — MANJUSHRIS SCHWERT FÜHREN: DIE KUNST DER COLLEGE- UND MILITÄRSEELSORGE beleuchtet das Leben von Seelsorgenden in höheren Bildungsanstalten und im Militär. In diesem Abschnitt erzählen Danny Fisher und Ji Hyang Padma von den besonderen Herausforderungen, die auftreten, wenn man Studierenden in ihrer College-Zeit Seelsorge bietet. Wir begleiten auch Thomas Dyer, während er sich als erster Armee-Seelsorger im US-Militär seinen Weg bahnt.

    Teil 5 — MIT STERBENDEN LEBEN: DIE KUNST DER END-OF-LIFE-CARE beschäftigt sich mit der Pionierarbeit von Buddhistinnen und Buddhisten in der Endof-Life-Care. Hier finden wir Joan Halifax’ Reflexionen darüber, wie wichtig Gemeinschaft bei der Unterstützung von Sterbenden ist. Wir finden Randy Sundays Beschreibung eines „Social Model"-Hospizes in Südkalifornien. Wir schauen Carlyle Coash über die Schulter, während er die innere Stärke findet, am Bett eines Patienten mit verheerendem Kieferkrebs zu sitzen und ihm Meditation beizubringen.

    Der letzte Abschnitt, DHARMA LEHREN UND FÜRSORGE SCHENKEN: DIE KUNST DER SEELSORGE IM ALLTAGSKONTEXT, beleuchtet den aufkommenden Diskurs über die verschiedenen Aspekte der Seelsorge innerhalb der Sangha. Hier finden wir Lin Jensens Reflexionen über die Rolle der „rechten Rede" im Seelsorgekontext. Wir finden Rebecca Johnsons Reflexionen über buddhistische Seelsorge in der Innenstadt ebenso wie Steve Ruhls Reflexionen über zen-buddhistische Seelsorge auf dem Land. Und Sumi Loundon Kim beschreibt uns die Schwierigkeiten zwischen den Generationen, die auftreten, wenn man seine Seelsorge auf Kinder und ihre Familien ausrichtet.

    All diese Kapitel sind in unseren Augen sehr inspirierend und berührend. Wir hoffen, dass du die Materie in diesem Buch so inspirierend findest wie wir. Vor allem hoffen wir, dass dieses Buch eine Auseinandersetzung über die Art von Arbeit auslöst, die man als „Berufs-Buddhismus" bezeichnen könnte, und dass es Menschen, die sich in diesem Bereich gern informieren und ausbilden lassen wollen, als Ressource dient. Zu guter Letzt hoffen wir, dass es in denjenigen, die noch auf der Suche nach ihrer Berufung sind, einen Funken entfacht. Vielleicht ziehen sie die Vision der Bodhisattva-Arbeit, die wir in diesen Berichten und Reflexionen gespiegelt sehen, in Betracht.


    1 Zur Verwendung des Begriffs „Race" siehe Fußnote 8.

    Danksagungen

    Viele wunderbare Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen haben dazu beigetragen, diesen Band möglich zu machen. Wir sind Josh Bartok, unserem Verleger bei Wisdom Publications, für seine harte Arbeit an diesem Projekt und für sein Verständnis für die Vision dieses Buches sehr dankbar. Wir möchten auch Janet Gyatso danken, deren Präsenz in Harvard unsere ersten Unterhaltungen über dieses Themen inspiriert hat. Dieser Band wäre nicht möglich gewesen ohne die liebevolle Unterstützung unserer Partner Jewel und Mike. Zu guter Letzt würden wir uns gern tief, respektvoll und dankbar vor den vielen Pionierinnen und Pionieren im Feld der Contemplative Care verbeugen, die uns zu diesem Buch angeregt haben.

    Cheryl A. Giles und Willa B. Miller

    Wir danken Pema Shastri, Cheryl A. Giles und Willa B. Miller, dass sie es uns ermöglicht haben, die deutschen Rechte an diesem Band zu erwerben und uns in diesem Prozess unterstützt haben. Wir möchten uns auch bei Angelika Lauriel und Marilena Schedlmayer bedanken, die mit ihrem Können das Buch in die richtige Form gebracht haben, und bei Andreas Brandecker und Veronika Derfler, die sich darum gekümmert haben, das Buch bekannt zu machen. Unser größter Dank gilt Kogyo Sabine, die nicht nur die erste Korrekturleserin war, sondern uns immer wieder dazu ermutigt hat, weiterzumachen. Nicht zuletzt bedanken wir uns bei allen, die Contemplative Care leisten, und bei den Menschen, die wir selbst in unterschiedlichen Kontexten als Seelsorgende begleiten durften. Ihr seid große Lehrer für uns.

    Shinko A. Hagn und Koryu S. Halbeisen

    Vorwort zur deutschen Ausgabe

    Shinko A. Hagn

    „Dieses Buch erscheint zur richtigen Zeit", schrieb die amerikanische Zen-Priesterin Pat Enkyo O’Hara 2012 im Vorwort der englischen Originalausgabe. Hier und heute, im Jahr 2023 in Europa, trifft dieser Satz nach wie vor zu.

    Einerseits, weil die Pflege im säkularen, medizinischen Sinn immer mehr an ihre Grenzen stößt. Immer mehr Pflegende sehen sich ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen und quittieren den Beruf. Aus meiner Sicht ist „das Kümmern um andere" ohne kontemplative Praxis schwer zu bewerkstelligen, da uns die Ausweglosigkeit des Leidens, von dem wir permanent umgeben sind, an die Grenzen unseres menschlichen Seins bringt und wir es rational, kognitiv, nicht wirklich verarbeiten können. Eine kontemplative Übung, die über diese Form des Denkens, des Seins hinausgeht, ist bei der täglichen Verarbeitung sehr hilfreich.

    Andererseits sehe ich im europäischen Buddhismus eine Aufbruchsstimmung, die das Bodhisattva-Ideal in eine neue Richtung bringt, so wie es in den Vereinigten Staaten schon länger der Fall ist. Nach dem Bodhisattva-Ideal zu leben bedeutet, dass man danach strebt, zuerst alle anderen Wesen zu befreien, bevor man selbst ins Nirvana eingeht. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit und somit ein Perpetuum Mobile für Helfende. Dieser Wunsch, sich aktiv um andere zu kümmern, zeigt sich in Europa unter anderem durch verschiedene Initiativen. Nehmen wir als Beispiel die buddhistische Gefängnisseelsorge: Da gibt es die NGO „Angulimala, die in Großbritannien Insassen unterstützt und Seelsorger ausbildet, und die deutsche Initiative „JVA-Sangha, die von einem buddhistischen Gefängnisinsassen aus der Haft heraus betrieben wird, sozusagen von Häftlingen für Häftlinge. Es gibt Konferenzen der Europäischen Buddhistischen Union, die sich diesem Thema widmen, und nicht zuletzt unseren eigenen Verein in Österreich, „1000 Hände".

    Es ist uns daher ein großes Anliegen, mit der Übersetzung dieses Buches einen Beitrag zu diesem neu aufblühenden Praxisfeld zur leisten. Dank Koryu S. Halbeisen ist uns das nun gelungen.

    Im vorliegenden Buch beschreiben Seelsorger aus vielen verschiedenen buddhistischen Traditionen die Tätigkeit des „Kümmerns um andere" in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Dies reicht von der Krankenbetreuung über die Betreuung von Sterbenden, von Insassen in Gefängnissen bis hin zur Betreuung von Soldaten in der Armee. Die Autorinnen und Autoren stammen aus verschiedenen buddhistischen Linien, vom japanischen und koreanischen Zen über das tibetische Vajrayana und die Shambhala-Tradition bis hin zum Reinen Land und Theravada. Einige sind erfahrene buddhistische Lehrer, andere praktizieren erst seit Kurzem. Viele von ihnen waren Pioniere in diesem Feld und blicken zurück auf bis zu zwanzig Jahre Erfahrung. Aus diesem Erfahrungsreichtum können wir als Europäer, die wir doch eher noch am Anfang dieser Entwicklung stehen, schöpfen und ihn als Grundlage für unsere ganz eigene, europäische Seelsorge-Praxis verwenden.

    In den USA hat Seelsorge einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Es ist ein definiertes Berufsbild, und die Zulassungen sind durch einen Dachverband, der zwar von den vorherrschenden christlichen Religionen bestimmt ist, aber auch buddhistische Seelsorger mit einer gesonderten Prüfung zulässt, einheitlich geregelt. Die Basis für diese Zulassungsprüfung bilden spezielle Ausbildungen, die von den verschiedensten buddhistischen Einrichtungen aus den verschiedensten Traditionen entwickelt wurden. Sie bestehen einerseits aus einer vertieften eigenen buddhistischen Praxis, die meist mit einer Ordination verbunden ist, und andererseits aus Methoden, um eigene Reflexionsarbeit zu entwickeln. Selbstreflexion ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, um mit den Erfahrungen im Feld umzugehen und sie verarbeiten zu können. Nur so kann es uns gelingen, die zwei Wahrheiten unseres Lebens in Einklang zu bringen, das bedeutet: Sowohl auf einer „absoluten als auch auf einer „relativen Ebene einen Ausgleich zu finden. Für diese spezifisch buddhistische Herangehensweise an das Kümmern um andere haben die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes den Begriff „Contemplative Care" gewählt.

    Wie bringen wir diese US-amerikanischen Erfahrungen nach Europa? Allein schon den Titel zu übersetzen, war für uns eine Herausforderung. Zwar hat sich der Begriff Spiritual Care und alles, was damit verbunden ist, bei uns bereits etabliert, aber mit „Contemplative Care gehen wir einen Schritt weiter. Die Verwendung des landläufigen Begriffs „Seelsorge im Untertitel ist aus meiner Erfahrung im buddhistischen Kontext sehr schwierig. Viele Buddhisten sträuben sich dagegen, das Wort „Seele in diesem Zusammenhang zu verwenden. Ich selbst habe damit kein Problem, wir sollen ja nicht zu sehr an Worten haften und beim Wort „Seelsorge weiß jeder sofort, worum es geht. Außerdem ist „Seelsorge der rechtlich etablierte Begriff, unter dem ich seit elf Jahren ehrenamtlich als „Seelsorger tätig bin, hauptsächlich in Gefängnissen, aber auch für Obdachlose und für alle Menschen, die mich aufsuchen. Doch um diesen Diskussionsprozess offen zu halten, haben wir den Begriff „Contemplative Care" nicht übersetzt.

    Mit all diesen Versuchen einer Definition müssen wir sehr sorgfältig und wachsam umgehen, und sie bedürfen einer ausführlichen, permanenten Kommentierung, denn wir versuchen hier, dem Unsagbaren Ausdruck zu verleihen. Den Orten, wo wir uns nicht hindenken können, dieser Insel ohne Worte, wie es Wittgenstein ausdrückte, Worte zu verleihen. Ich möchte hier auch den Begriff „Herzgeist einbringen, die eigentliche Übersetzung des Wortes „Shin im Japanischen oder „Shen im Chinesischen. Im modernen Sprachgebrauch wird er allerdings mit dem Wort „Geist übersetzt. „Geist" wiederum wird heute zumeist nur noch mit einem neuronalen Korrelat in Verbindung gebracht, mit einer mechanischen Sicht auf den Menschen: kein Leib, nur Körper; kein Herz, nur Gehirn.

    Seelsorge ist keine psychologische oder sozialarbeiterische Tätigkeit, wie wir sie im alltäglichen gesellschaftlichen Kontext verstehen, sie geht weit darüber hinaus. Im buddhistischen Bezugsrahmen geht sie auch über das übliche Vermitteln von Dharma (im Sinne der buddhistischen Lehre) hinaus.

    Seelsorge ist keine dogmatische Methode und arbeitet nicht nach empirisch entwickelten Verfahrensweisen, sondern nährt sich aus der seit Jahrtausenden entwickelten Erfahrung der geistigen Schulung durch kontemplative Praktiken und den daraus erwachsenden Möglichkeiten der wechselseitig wirkenden, kontemplativen Transformation. Dies bedeutet nicht, dass psychologische Therapieformen ausgeschlossen oder abgewertet werden. Es handelt sich vielmehr um eine Erweiterung, ein sowohl als auch, ein Miteinander. Die Basis dafür ist unsere ureigenste, innewohnende Möglichkeit des allumfassenden, grenzenlosen Mitgefühls.

    Wir lernen sehr früh, uns abzugrenzen, uns von dem, was uns umgibt, abzutrennen und es als Objekt wahrzunehmen. Als etwas, das außerhalb von mir selbst existiert, aus der Etymologie des Wortes Objekt herauskommend als ein „Gegen, ein „Anderer. So funktioniert unser konditionierter Geist, unser Selbst. Mit dieser Trennung beginnt bereits unser ursprüngliches Leiden. In der buddhistischen Psychologie ist das dafür gebräuchliche Wort „Dukkha". Wir erleben uns als getrennt von unserer Umgebung, und dieser Zustand beunruhigt uns, verunsichert uns. Das ist paradox, denn tatsächlich wird unsere Wahrnehmung erst durch das Miteinander mit der Umgebung in einer erlebten Intersubjektivität geformt. Erst durch das andere oder den anderen entsteht unsere Welt. Wir atmen alle dieselbe Luft, gefüllt mit dem Atem der anderen. Wir trinken alle dasselbe Wasser, das schon seit ewigen Zeiten auf diesem Planeten zirkuliert und schon von vielen Wesen vor uns getrunken wurde. Wir scheiden es aus, die Erde reinigt es, es fließt in einen Fluss, dann ins Meer und dort verdunstet es wieder. Über den Regen wird es wieder zu Grundwasser und kommt in unsere Brunnen und unsere Münder. Alles ist mit allem wechselseitig und permanent in Verbindung.

    Die Erkenntnis, dass das eigene Selbst im Grunde nur Teil eines großen, kosmischen Prozesses ist, überfordert uns. Um emotional überleben zu können, lernen wir früh, uns abzugrenzen. Das ist wichtig, aber es trennt uns vom anderen, wir generieren eine imaginäre Außenwelt, die eigentlich nur in unserer eigenen Vorstellung existiert, zu unserem eigenen Universum herananwächst.

    Unser gesellschaftliches Zusammenleben spiegelt diese Fragmentierungen wider. Vor allem in den letzten Jahrzehnten wurde es stark rationalisiert. Die Fragmentierungen haben viele Ebenen und ziehen sich durch unser ganzes gesellschaftliches Zusammenleben. Ein paar Beispiele: Alles, was wir nicht als „normal ansehen, wird abgetrennt und in eine Einrichtung gesteckt: die Kranken ins Krankenhaus, die Behinderten ins Behindertenheim, die Psychotischen in die Psychiatrie, die Alten ins Pflegeheim, die Sterbenden ins Hospiz und die Bösen ins Gefängnis. Alles schön getrennt. Der übrigbleibende Rest der Menschheit führt „das schöne, leichte und einfache Leben.

    All das beruht auf einer geschichtlichen Entwicklung und ist prinzipiell nichts Schlechtes, aber es blendet einen Großteil unseres Lebens aus. Wir vergessen dabei immer mehr die Realität unseres Seins, und diese ist gekennzeichnet durch Altern, Krankwerden und zuallerletzt durch das Sterben, den Tod. Die Geschichte der Lehre Buddhas ist mit der Erkenntnis dieser Tatsachen verbunden, aber auch mit der Befreiung vom Leiden, die man in den vier edlen Wahrheiten, der Grundlage, auf die sich alle buddhistischen Traditionen berufen, wiederfinden kann.

    Die gelebte, leiblich erfahrbare Praxis hilft uns dabei, einen Raum zu öffnen, der diese Trennungen überwindet. Im Buddhismus ist es die Erkenntnis des grenzenlosen Mitgefühls, die uns dabei hilft, diese Grenzen aufzuweichen und zu überschreiten. Mein Leitsatz für diese Übung stammt von Dongshan Liangjie, dem chinesischen Gründer meiner Lehrlinie, dem Soto-Zen-Buddhismus, im neunten Jahrhundert nach Christus. Er sagt in seinem Erleuchtungsgedicht: „Es ist jetzt ich, aber ich bin nicht es". Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Grenzen und Unterscheidungen gibt, nur die Art und Weise, wie wir sie betrachten, stammt aus einer anderen Sichtweise. Einer Sichtweise, in der wir uns alle als wechselseitig miteinander verbunden erkennen und damit alle auf einer Augenhöhe sind. Kein Kranker, Behinderter, Sterbender, pflegebedürftiger Klient, psychisch Kranker oder Gefängnisinsasse auf der einen Seite und kein Therapeut oder Heiler auf der anderen Seite.

    Wir als Seelsorger teilen nur etwas aus unserem eigenen Erfahren heraus. Dieses Erfahren entspringt aus der eigenen Praxis der Kontemplation. Im Herz-Sutra, dem wichtigsten Sutra des Zen-Buddhismus, heißt es: „Leer sein vom eigenen Sein. Dieses „Leer sein vom eigenen Sein ist das ureigenste Ziel unserer buddhistischen Praxis, es ist die Grundlage unseres Tuns als buddhistische Seelsorger. Die Quelle ist eine Sichtweise, die vom Feld des Mitgefühls und der „Prajna Paramita" (der Weisheit vom anderen Ufer) genährt wird. Wir öffnen einen Raum, in dem nicht bewertet, beurteilt, in dem kein Rat gegeben wird, einen Raum, in dem alles erscheinen darf. Dieses Fundament, das absolut grenzenlose Gesehenwerden-Dürfen des anderen, welches das Entfalten des Gegenübers erst wahrhaftig möglich macht, ermöglicht das bedingungslose und vollständige Annehmen des anderen. Dieses Annehmen und Gesehenwerden birgt das große Potential für eine grundlegende Transformation, denn nur so kann sich das Gegenüber auch selbst sehen und annehmen. Die Grundlage, um diese Transformation zu erfahren, ist das eigene bedingungslose Einverständnis mit allem, was einem begegnet und allem, was in einem aufsteigt. Wenn wir nicht ausweichen, sondern genau hinsehen. Wenn wir uns unseren eigenen Dämonen und denen der anderen aufrichtig und wahrhaftig stellen und ihnen begegnen. Das ist es, was ich unter Praxis verstehe.

    Um diese ganz besondere Form der Praxis, das Kümmern um andere, in die Gesellschaft zu bringen, habe ich gemeinsam mit Susanne Halbeisen und meiner Frau Sabine Hagn den Verein 1000 Hände – gelebte Verbundenheit gegründet. Wir hoffen mit der Veröffentlichung dieses Buches auf Deutsch einen Diskussionsbeitrag zu leisten, um buddhistische Seelsorge, oder wie auch immer wir sie nennen, zu entwickeln, Ausbildungsprogramme zu erstellen und dadurch unser Bodhisattva-Ideal größtmöglich zu verwirklichen. Die Buddhisten in den USA haben ihren Weg gefunden. Jetzt liegt es an uns in Europa, unsere ganz eigenen Wege zu gehen. Wir hoffen, dass wir in naher Zukunft eine von vielen Initiativen sein werden, die buddhistische Seelsorge als Praxisweg in Europa fördert. Schreibt mir, falls ihr Interesse habt, aktiv zu werden. Ich freue mich über jede Art von lebendigem Austausch.

    Biografie

    Shinko Andreas Hagn ist von Hoko Karnegis ordinierter Zenpriester der Sotoshu Shumucho in der Linie von Shohaku Okumura Roshi und leitet die Sangha „Daijihi in Wien. Er ist Seelsorger in Gefängnissen und für Obdachlose und Mitbegründer des Vereins „1000 Hände. Für seinen Broterwerb ist er Unternehmer im Handel und nachhaltigem Bauen mit Holz.

    Vorwort der Übersetzerin

    Koryu S. Halbeisen

    Als Kind besaß ich ein sehr dickes Buch, einen regelrechten Klotz, voller griechischer und germanischer Sagen. Beim Wort „übersetzen taucht vor meinem inneren Auge eine Illustration aus diesem vielgelesenen Schmöker auf: Ein Fährmann, der auf einer altertümlichen Barke inmitten eines Flusses steht, den Stock fest in der Hand. Er „setzt über, ist weder hier noch da. So fühle ich mich oft als Übersetzerin. Ich balanciere zwischen den Sprachen, und nicht immer kann ich eine Bedeutung, eine Nuance oder ein Wortspiel ans andere Ufer „retten".

    Ungleich komplizierter wird dieser Balanceakt bei Texten, die über Dinge und Erlebnisse berichten, die von sich aus sprachlich kaum zu fassen sind. Alle, die bereits versucht haben, über spirituelle Erlebnisse zu berichten, sind mit dieser Schwierigkeit vertraut. Für mich als Buddhistin war die Arbeit am vorliegenden Buch in vielerlei Hinsicht eine Art von Praxis. Ist „compassion eigentlich „Mitgefühl oder „Mitleid, und worin besteht der Unterschied? Sind „sentient beings nun „fühlende Wesen oder „Wesen mit Bewusstsein? Und die große buddhistische Nuss, „enlightenment, ist das nun „Erleuchtung oder „Erwachen"? Beim intensiven Nachdenken über diese Wörter habe ich meine eigenen Ideen und Konzepte hinterfragt und weiterentwickelt. Nicht zuletzt geschah dies dank der vielen Stunden, die der Herausgeber dieses Bandes, Shinko A. Hagn, und ich gemeinsam damit verbracht haben, über einzelnen Textstellen zu brüten.

    Das Anliegen dieser Übersetzung ist es, das spezifisch US-amerikanische Konzept der „Contemplative Care im deutschsprachigen Raum bekanntzumachen. Doch ausgerechnet das Wörtchen „Care ist aufgrund seiner Mehrdeutigkeit kaum übersetzbar: Pflege als Berufsfeld, Pflege als Tätigkeit, das Kümmern (zwischenmenschlich gesehen), Fürsorge, Zuwendung, Betreuung und noch mehr stecken darin.

    Die englische Sprache besitzt zudem je nach Kontext unterschiedliche Wörter für „Seelsorge: Im institutionellen Umfeld spricht man von „chaplaincy; der übergeordnete Begriff des „Kümmerns um die spirituellen Belange anderer, beispielsweise innerhalb der eigenen Sangha, ist „ministry oder „pastoral care". Ministry kann chaplaincy beinhalten, aber nicht

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