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Der Jemen Deal: Ein Mord, ein Waffendeal, ein Terroranschlag: Der Politthriller vor dem Hintergrund des Jemenkrieges
Der Jemen Deal: Ein Mord, ein Waffendeal, ein Terroranschlag: Der Politthriller vor dem Hintergrund des Jemenkrieges
Der Jemen Deal: Ein Mord, ein Waffendeal, ein Terroranschlag: Der Politthriller vor dem Hintergrund des Jemenkrieges
eBook465 Seiten6 Stunden

Der Jemen Deal: Ein Mord, ein Waffendeal, ein Terroranschlag: Der Politthriller vor dem Hintergrund des Jemenkrieges

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Über dieses E-Book

Fulminante Thriller-Spannung vor dem aktuellen Hintergrund des Krieges im Jemen

Mit der »Operation Decisive Storm«, der Militärintervention einer von Saudi-Arabien geführten Militärallianz begann im März 2015 der aktuelle Krieg im Jemen. Vor diesem realistischen Hintergrund handelt der Politthriller »Der Jemen Deal«.
Ein Toter in Lappland löst Ermittlungen aus, die den geheimen Waffendeal einer Gruppe innerhalb deutscher Behörden mit einem jemenitischen Warlord stören, in den auch BND und CIA verwickelt sind. Skrupellose Partner, die vor nichts zurückschrecken. Auch nicht davor, ihr Ziel mit Terror zu erreichen.
Marc Möller, Kriminalkommissar beim LKA Hamburg, verfolgt von den Dämonen einer persönlichen Schuld, trifft dabei auf deren Grund: Einen eiskalten Mörder und Terroristen. Möller gerät mit den Ermittlungen immer tiefer zwischen die tödlichen Fronten des Deals bis er sich zwischen seiner Liebe und der persönlichen Rache entscheiden muss, die ihn vom dunkelsten Ort seiner Karriere an die eigenen Grenzen stoßen lässt …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum10. März 2023
ISBN9783347867949
Der Jemen Deal: Ein Mord, ein Waffendeal, ein Terroranschlag: Der Politthriller vor dem Hintergrund des Jemenkrieges
Autor

Hans Bischoff

Hans Bischoff wurde im Mai 1949 in Stuttgart geboren, wo er auch aufwuchs. Nach einem Werbestudium arbeitete er rund 40 Jahre lang erfolgreich in der Werbung: 8 Jahre in leitender Position in der Industrie, 2 Jahre als Agenturgeschäftsführer in Stuttgart, dann führte er 27 Jahre lang von 1987 bis 2014 seine eigene Werbeagentur in Pfullendorf mit international vertretenen Kunden. Nach dem Ausscheiden aus dem operativen Geschäft begann Hans Bischoff 2015 seinen ersten Kriminalroman zu schreiben, den ersten Band einer Serie um seinen Protagonisten Peter Förster. Seine drei klassischen Kriminalromane, ein Bodenseekrimi sowie der Politthriller »Der Jemen Deal« sind im Selbstverlag veröffentlicht. Das neu aufgelegte, überarbeitete Werk »Im Bann der Rache« erschien im Dezember 2021. Dabei bezieht er sich auf die oft undurchschaubaren Aktivitäten der Finanzbranche und mannigfaltiger Steuerschlupflöcher. Präzise Recherche, das Entdecken interessanter Schauplätze und eine ungekünstelte klare Sprache zeichnen Hans Bischoff aus. Der Autor greift gerne Themen aus dem aktuellen Zeitgeschehen auf. Beim jetzt neu aufgelegten, überarbeiteten Politthriller »Der Jemen Deal« führten die politische Situation und der langjährige Krieg im Jemen zur Romanidee. Der Autor verbindet gerne reine Fiktion und reale Begebenheiten. Neben dem Schreiben von Kriminalromanen ist er als Fotograf und Videofilmer unterwegs. Bleibt dann noch Zeit übrig, beschäftigt er sich mit Grafik und Malerei und frönt der italienischen Küche. Er lebt mit seiner Frau in Überlingen am Bodensee. www.hans-bischoff.de mail@hans-bischoff.de

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    Buchvorschau

    Der Jemen Deal - Hans Bischoff

    Hamburg. Dezember 2015

    »Seb!« Nichts. »Seb?«

    Er beugt den Kopf leicht zur Seite und flüstert in das winzige Mikrofon an seinem Hemdkragen. »Seb, verdammt noch mal, melde dich!«

    Es knistert nur in seinem kleinen Knopf im Ohr. Sonst ist es still. Er versucht, sich in der totalen Schwärze der heruntergekommenen Industriehalle zu orientieren. Plötzlich sind da die Stimmen. Kehlige Laute. Arabisch? Er ist sich sicher, das sind sie.

    Jetzt, Geräusche wie Schläge zerreißen die Stille. Stöhnen. Ein Schrei. Er umklammert die P8 Combat, seine gegen alle Ausstattungsvorschriften verteidigte Dienstwaffe. Er hält sie mit beiden Händen im Angriffsmodus nach vorne gestreckt und schleicht vorsichtig zwischen herumliegenden Schrottteilen in Richtung der angrenzenden zweiten Halle. Die weichen dicken Gummisohlen seiner Turnschuhe dämpfen die Trittgeräusche.

    Er riecht es. Benzin. Und dann dieser entsetzliche Schrei, das grelle Licht, das hinter dem Durchgang in der Nebenhalle aufleuchtet. Sebastian. Der erste Schrei geht in ein markerschütterndes Wehklagen über. Unmenschlich. Er stolpert, rennt dann aber auf den schmalen Durchgang zu. Beißender Qualm und der Gestank nach verbranntem Fleisch schlagen ihm entgegen. Dann sieht er ihn.

    Sebastian, sein Kollege und Freund, wälzt sich in einem Feuerball. Er ist an Händen und Füßen gefesselt. Drei schwarze Gestalten, die nur leicht vom flackernden Licht der Flammen getroffen werden, laufen soeben weg. Schüsse schlagen neben ihm in die abgebröckelte Mauer ein.

    Er geht in Deckung und brüllt in seiner Verzweiflung los, dennoch greifen die instinktiven Mechanismen seiner Ausbildung. Er schießt sofort, leert fast das komplette Magazin. Der Schrei eines Getroffenen geht im Wahnsinn der lodernden Flammen und des noch immer schreienden Sebastian unter.

    Dann ist nur noch das Feuer zu hören, die letzten züngelnden Flammen knistern, Seb ist ruhig. Er versucht ihn umzudrehen, dabei übergibt er sich in fürchterlichen Krämpfen. Das verbrannte Fleisch, der Gestank, die toten Augen, die ihn aus dem verkohlten Gesicht anstarren. Er schreit seinen Schmerz und seine Wut hinaus, der Schrei …

    Er schreckt hoch, panisch, ist schweißgebadet, nass. Das Herz rast, er atmet stoßweise. Die Brust zieht sich zusammen. Er schaut orientierungslos um sich und braucht ein paar Sekunden, um wieder einigermaßen klar zu werden. Der Radiowecker zeigt 06: 18 Uhr am 20. März 2016. Der Alptraum war in dieser Nacht so realistisch wie selten. Der Film läuft auch jetzt noch ganz klar und deutlich in seinem Kopf ab. Der pure Horror. Das Feuer. Die Schreie, die schwarzen Gestalten. Dieser Film seines Versagens, seiner Schuld. Die Bilder jener Aktion, die sich so furchtbar zur Katastrophe entwickelte. Die er zu verantworten hat. Sein Fehler. Seine Schuld.

    Er liegt bewegungslos auf dem Rücken, starrt auf die Lichtreflexe der Jalousie, die sich zuckend auf der Zimmerdecke bewegen. Mühsam wälzt er sich aus dem verschwitzten Bett, die Bettdecke rutscht auf den Fußboden, er tritt achtlos darauf.

    Marc Möller, Kriminalkommissar beim Landeskriminalamt Hamburg, erreicht gerade noch das Bad und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Wieder mal. Wie schon öfter in den letzten Wochen. Er ist ein Wrack. Aber er weiß, er wird das Schwein kriegen. Achmed al Hamiri. Den Jordanier. Sebastian Kurz‘ Mörder.

    Irgendwann.

    Tornio, Finnland. 16. März 2016

    »Mika«, ruft die junge Frau dem kleinen Jungen zu, der einige Meter vor ihr her hüpft. »Mika, nimm Joki an die Leine!«

    Aber Joki, ein bulliger Golden Retriever, denkt überhaupt nicht daran, angeleint zu werden und rast bellend auf den Fußgängersteg zur Flussinsel Pikisaari zu. Dort bleibt er schwanzwedelnd stehen und hört nicht mehr auf, zu kläffen.

    »Joki, hier«, ruft die Frau jetzt missmutig, ohne Erfolg. Dann erreicht sie zusammen mit Mika den Hund und erstarrt. Was da im niedrigen Buschwerk am Ufer des Tornionjoki, dem Fluss an dem die Kleinstadt Tornio liegt, herausragt, gehört da nicht hin.

    Die aufgedunsene und völlig zerschrammte Leiche zwischen den grauen Schneeresten ist nackt.

    Die Frau reißt den Hund an sich, bindet ihn an die Leine, schnappt sich das Kind und rennt panisch einige Meter weg. Dort bleibt sie zitternd stehen und hält sich die Hand vor den Mund. Ihr Gesicht wirkt kalkweiß. Sie blickt mit weit aufgerissenen Augen zurück zum Fluss, auf dem die letzten Eisschollen des Winters gemächlich südwärts treiben.

    Es ist der 16. März und der Fluss ist hier, kurz vor seiner Mündung in die Ostsee, weitgehend eisfrei. Jetzt sieht die Frau ein älteres Paar aus der Gegenrichtung kommen und ruft und winkt.

    »Hey, holen Sie die Polizei! Schnell, hier liegt ein Toter!«

    »Was sagen Sie? Was soll hier liegen?«, fragt der Mann überrascht zurück.

    »Ein Toter! Rufen Sie doch endlich an!«

    Das Kind weint, der Hund zerrt an der Leine und bellt noch immer, als nur wenige Minuten nach dem Anruf des älteren Mannes die Polizeistreife eintrifft. Erst da erholt sich die junge Frau langsam von ihrem Schock.

    Tornio ist eine ruhige Kleinstadt im nördlichen Finnland, unmittelbar am Grenzfluss zu Schweden am Bottnischen Meerbusen gelegen. Nur wenige Kilometer weiter mündet der über 400 Kilometer lange, frei fließende Fluss in einem Delta in das Nordende der Ostsee. Tornio gilt als älteste Stadt Lapplands und ist durch Industrie geprägt.

    Die Polizeistation in Tornio ist momentan unterbesetzt. Zwei Beamte sind aufgrund falscher Planung gleichzeitig auf einem Lehrgang, einer feiert krank. Deshalb ruft der Diensthabende das Revier in der Nachbarstadt Kemi an und bittet dort die Kripo um Übernahme des Falles und Amtshilfe.

    Sara Virtanen hat vor vier Tagen ihren neunundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und ist erst seit kurzem Kommissarin. Sie kümmert sich gerade um die Klärung einer Kette von Ladendiebstählen, als ihr Chef sie aus seinem Glaskasten zu sich her winkt. »Sara, bist du noch an den Diebstählen?«

    Sie nickt. »Ja!«

    »Ok, dann leg die Geschichte weg und mach dich auf die Socken nach Tornio. Dort ist eine Leiche angeschwemmt worden und die haben mal wieder keine Leute. Oder keine Lust«, fügt er hinzu.

    Sara versucht, dazwischen zu fragen, doch der Chef winkt ab. »Du nimmst den Dienstwagen, schaust die Sache mal an und übernimmst. Es sieht so aus, als ob der Tote schon länger unterwegs war, sagt zumindest der Kollege in Tornio. Es gibt eine Zeugin, die ihn gefunden hat. Also los, und mach‘s gut! Und bereite Dich darauf vor, dass es kein schöner Anblick wird!«

    Damit ist sie entlassen. Sie schließt ganz zaghaft hinter sich die Glastür zum Chefbüro und geht langsam über den Flur. Sie übersieht sogar den Kollegen, der ihr entgegen kommt.

    »Hey Sara!«

    »Äh, … sorry!«

    An ihrem Schreibtisch lässt sie sich auf den harten Bürostuhl fallen, wird sich aber im gleichen Moment bewusst, dass Matti Nurminen, ihr Boss, sie durch die Glaswände beobachtet. Sie fühlt sich ertappt.

    Es ist ihr erster richtiger Fall, sieht man mal davon ab, dass sie bei einem Tötungsdelikt vor einem Vierteljahr als Assistentin eingesetzt war. Jetzt hat sie ihren ersten eigenen Toten. Ihre Nerven flattern nach wie vor, als sie in den warmen Parka mit der Pelzkapuze schlüpft, ihre Tasche umhängt und mit einer fahrigen Bewegung den Schlüssel des Dienstvolvos vom Haken neben der Tür zerrt. Dass Nurminen hinter ihr her grinst, bemerkt sie nicht mehr.

    Sara ist eine hübsche junge Frau, keine makellose Modelschönheit. Sie pflegt ihre sportlich schlanke Figur, die langen blonden Haare trägt sie meist locker zusammengeknotet als Pferdeschwanz oder hochgesteckt. Aus hellblauen Augen strahlt Offenheit, Freundlichkeit. Sie lächelt gern, ist ein bisschen schüchtern.

    »Du musst dein Selbstbewusstsein stärken!«, meckert Nurminen öfter mal. »Du kannst es doch! Du bist gut.«

    Dreißig Minuten später erreicht sie den Fundort der Leiche am Fluss. Die beiden Kollegen aus Tornio sind froh, dass sie den Fall los sind. Sie informieren Sara kurz über die Umstände des Funds und über die in einem nur wenige hundert Meter entfernten Café wartenden Zeugen. Dann bremsen sie die Schaulust der inzwischen mit den Smartphones filmenden Gaffer. Beim Wegfahren hatte Sara bereits die Spurensicherung angerufen, die jetzt auch aus Kemi eintrifft und den Fundort samt dem Toten in Augenschein nimmt.

    Es ist gut, dass die Kollegen die Zeugen nicht in der Kälte warten ließen, denkt Sara Virtanen und betritt das kleine Café in der Pitkäkatu, einer schmalen Straße, die am Park entlang führt.

    Das ältere Paar und die junge Frau sitzen abwartend an einem runden Tisch, das Kind spielt mit dem Hund auf dem Fußboden.

    »Hey, ich bin Sara Virtanen, die ermittelnde Kommissarin. Würden Sie mir bitte Ihre Namen sagen, oder besser, die Ausweise zeigen.«

    Der Mann schaut sie fragend und etwas abschätzend an. So, als traue er dieser jungen Frau keine erfolgversprechende Polizeiarbeit zu.

    »Sie sind nicht von hier, ich kenne die Polizei in Tornio.«

    Sara schüttelt den Kopf. »Nein, ich komme aus Kemi und unterstütze die Kollegen hier. Aber nun zu Ihnen.«

    Sie ärgert sich über den Alten und seinen Blick, dann wendet sie sich an die junge Frau, dreht ihren Ausweis in der Hand und liest.

    »Elsa Häkinen. Elsa, Sie haben den Toten gefunden? Schildern Sie mir bitte kurz die Umstände.«

    »Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich war mit Mika und dem Hund im Park am Fluss spazieren, wissen Sie, der muss halt raus, auch wenn das Wetter nicht dazu reizt.«

    Sara nickt verstehend, die Frau zieht das Kind am Jackenärmel vom nassen Fußboden hoch.

    »Und dann lief Joki«, dabei deutet sie auf den Hund, »plötzlich auf den Steg zu und hörte nicht mehr auf mich. Ich bin dann hingelaufen, da sah ich ihn liegen. Es war furchtbar.« Dabei verzieht sie angeekelt den Mund. »Und dann kamen Gott sei dank die Saaronens und haben die Polizei gerufen. Das ist alles.«

    Sara bedankt sich, dann fällt ihr noch etwas ein. »Sie haben nichts angefasst?«

    »Um Himmels Willen! Nein, nein! Ich bin gar nicht näher hingelaufen«

    Die junge Frau leidet noch immer unter dem Schrecken, Sara beruhigt sie und ist sich im Klaren darüber, dass eine weitere Befragung nichts bringen wird. Sie wendet sich an das Paar.

    «Sie sind dazu gekommen? Habe ich das richtig verstanden? Ihr Name ist Saaronen?«

    Die Frau schaut teilnahmslos, der Mann nickt. »Ja, aber wir haben die Leiche gar nicht angeschaut, nicht mal von Weitem. Wir haben uns gleich um Elsa hier gekümmert und die Polizei geru…«

    »Ich danke Ihnen für Ihre Aussagen und ihr Verständnis, dass es etwas gedauert hat. Ich übernehme die Rechnung hier.«

    »Das lasse ich mir gefallen, vielleicht finde ich mal wieder eine Leiche«, ruft der ältere Mann, merkt dann aber sofort, dass er daneben gegriffen hat. »Sollte ein Witz sein.«

    »Schon gut! Können Sie noch etwas Sinnvolles dazu ergänzen?«

    Der Alte schüttelt den Kopf. Sara denkt Blödmann, dämlicher Witz, bezahlt an der Theke drei Kaffee und verlässt das Café.

    Die Spurensicherer sind inzwischen mit ihrer Arbeit fertig, ebenso der Gerichtsmediziner, der Leichenwagen wartet bereits.

    »Habt ihr was gefunden oder etwas Besonderes an dem Leichnam entdeckt?«

    Der ältere der beiden in Schutzanzüge gehüllten Kollegen verneint. »Der wurde ganz einfach hier angeschwemmt und ist an dem niedrigen Buschwerk hängen geblieben. Rund um den Fundort nur ein paar Spuren von dem Hund, sonst nichts. Und an dem Typ selber ist nicht mehr viel heil geblieben, wir denken, der kommt von weit oben her den Fluss runter. Gefühlt ist der schon über viele Klippen gegangen. Also geschwommen.«

    Der jüngere lacht. »Mit ein wenig Glück wäre er an uns vorbei getrieben. Dann hätten wir ihn los.«

    Virtanen verdreht die Augen.

    Der Gerichtsmediziner, Sara schätzt ihn auf etwa sechzig, hat eine erste Begutachtung der Leiche vorgenommen.

    »Ihre Jungs haben das schon gut formuliert. Rundherum Hämatome, von was kann ich Ihnen vielleicht mit Glück nach der Obduktion sagen. Und ich denke, der arme Mann ist schon recht lange unterwegs, vielleicht schon ein, zwei Wochen. Oder sogar länger. Aber das kann ich auch …«

    »Danke, ich weiß«, unterbricht ihn Sara Virtanen.

    »Ok«, er wendet sich an die Leichenträger, »bringt ihn in die Gerichtsmedizin!«

    Er nickt Sara zu, »meine heiligen Hallen«, und verlässt den Fundort.

    »Und Doktor, Ihren Bericht bitte schnell. Danke!«, ruft sie ihm freundlich nach.

    Die beiden schwarz gekleideten Mitarbeiter des Beerdigungsinstituts packen den Toten in einen Kunststoffsack, ziehen den Reißverschluss zu und laden ihn auf einer Trage in den Kombi. Wie nennt man diese Männer eigentlich genau, fragt sich Sara. Leichenträger?

    Kurz darauf steht sie alleine auf dem Steg und schaut grübelnd den treibenden Eisstücken nach. Ein leichter Wind aus dem Süden kommt auf. Es wird Frühling, denkt sie.

    »Wo kommst du her?«, fragt sie laut. Der Fluss gibt keine Antwort.

    Dann fährt sie zurück ins Revier nach Kemi, schreibt ihren ersten eigenverantwortlichen Bericht über einen ungeklärten Todesfall und schickt das Foto des Toten, das sie selbst geschossen hat, an die üblichen Stellen: Polizeireviere und Presse der Region.

    Hamburg, 20. März 2016

    Seit zehn Minuten steht Marc unter der Dusche, die Glasscheiben der Duschkabine sind bereits völlig beschlagen. Der heiße Wasserstrahl brennt auf der Haut, langsam kommt er wieder zu sich, die Realität dieses beschissenen Morgens holt ihn ein. Die Bilder des nächtlichen Traums verblassen. Ganz gehen sie nie weg, er sieht sie immer vor sich, straft sich selbst damit.

    Er hat diesen Einsatz damals, vor gut drei Monaten im letzten Dezember, gegen alle Regeln initiiert. Er wollte ihn, egal wie. Hat nicht auf Verstärkung gewartet in dieser frostigen Winternacht, gegen sämtliche Dienstvorschriften verstoßen und seinen Kollegen und besten Freund Sebastian mit hinein gezogen.

    Marc Möller war zu diesem Zeitpunkt mit knapp 30 bereits Hauptkommissar, einer der Vorzeigepolizisten im LKA Hamburg. Protegiert durch seinen Chef und Mentor, Kriminalrat Alexander Becker. Warum, und wo er herkam, fragten sich nicht wenige Kollegen in der Mordkommission. Aber Möller schwieg und genoss seinen Erfolgstrip, zeigte sich extrem ehrgeizig und fühlte sich unschlagbar. Der harte, kompromisslose Bulle im Kampf gegen das Böse.

    Gemeinsam mit der Drogenfahndung waren er und Sebastian Kurz einer arabischen Gang auf der Spur, die mit unfassbarer Brutalität versuchte, große Teile des Drogenumschlags in und um Hamburg von den Albanern zu übernehmen.

    Sebastian und er bildeten das perfekte Team. Guter Bulle, böser Bulle. Der freundliche Polizist, der sachlich und korrekt vorging, überlegte, bevor er handelte. Und der coole Cop, der gerne kräftig zupackte, bevor er mit einem möglichen Kriminellen redete. Marc Möller war der Böse, der Impulsive, im Team der Dominierende und Dienstgradhöhere.

    Über seinen Informanten, einem Flüchtlingsjungen aus Syrien, den er wegen dessen Drogengeschäften unter Druck setzte, hatte Marc von einem möglichen Treffen zwischen den Arabern und den albanischen Drogenhändlern erfahren.

    »Wir nehmen die hoch«, sagte er zu Sebastian, der wenig von diesem unkoordinierten Alleingang hielt, aber dabei blieb. Und dann liefen sie den Gangstern genau in die Falle. Anfängerfehler. Sie hatten sich vor der abrissreifen Halle auf dem Areal einer Baustoffhandlung am Müggenburger Kanal im Hafengebiet getrennt.

    »Nur mal aus der Ferne observieren«, hatte Marc dem Chef mitgeteilt. Der verbot ihnen ausdrücklich jede konkrete Maßnahme. Doch zuvor hatte Marc das Gespräch auf seinem iPhone schon weggedrückt.

    »Chef, ich verstehe Sie nicht mehr, schlechter Empfang!«

    Und plötzlich war Sebastian Kurz weg, er antwortete nicht. Sie hatten ihn unvorbereitet erwischt, brutal zusammengeschlagen, gefesselt und mit Messern gefoltert. Er hatte keine Chance. Obwohl Möller höchstens zehn Minuten später von der gegenüberliegenden Seite in die weitläufige Halle eindrang, war es zu spät. Sie hatten ihn mit Benzin übergossen, sie wollten ein Exempel statuieren: »Ihr Scheißbullen, bleibt uns vom Leib!«

    Der Kollege brannte lichterloh, er hatte keine Überlebenschance. Er war eine lebende Fackel. Und Möller plagte neben der Trauer um seinen Freund und der entsetzlichen Wut auf sich selbst ein Riesenproblem. Der Einsatz wurde ihm als Dienstvergehen angelastet. Die Interne ermittelte gegen ihn. Allerdings konnte ihm, außer der offensichtlichen Zuwiderhandlung gegen die Anweisung des Dezernatsleiters kein fachliches Versagen nachgewiesen werden. Also eine Disziplinarstrafe. Zuerst suspendiert, wurde er abschließend zum Kommissar degradiert, mit wenig Aussicht auf zukünftige Beförderung.

    Marc interessiert das alles nicht, er zieht sich völlig in sein Schneckenhaus zurück, schiebt lustlos Dienst. Aus dem aktiven Bullen wird eine lahme Ente. Becker lässt ihn nicht mehr nach draußen. Innendienst. Marc sträubt sich nicht dagegen. Er spult seine Stunden ab und vergräbt sich danach in seiner Wohnung. Niemand kommt an ihn ran. Bis heute holen ihn die Alpträume ein, sieht er die Bilder vor sich.

    »Der pflegt sein Trauma«, kommentieren die Kollegen in der Abteilung, von denen der größte Teil ihm die Schuld an Sebastians Tod zuschiebt. Er war vorher aus Neid über seine unkonventionelle Ermittlungsarbeit, seine Erfolge, sein oft fragwürdiges Vorgehen und dessen Deckung durch ganz oben schon nicht übermäßig beliebt, jetzt mobben sie ihn, wo es geht. Selbst Becker, sein väterlicher Förderer, geht ihm weitgehend aus dem Weg und beschäftigt ihn mit unwichtigen Fällen.

    Idiotenarbeit denkt Marc. Es macht ihm nichts aus. Erfolg, Karriere, Spaß an der Arbeit bewegen ihn nicht. Er hat in diesem Leben zur Zeit nur noch ein Ziel: Den Mann, der Sebastian töten ließ, zur Strecke zu bringen. Den Mann, der ihm den Freund nahm. Den Mann, der ihn zum Schuldigen machte. Den Boss der arabischen Gang: Achmed al Hamiri. Der Jordanier.

    Marc will nur noch Rache. Er zieht sich zurück, wird zum Gespenst in seiner Umwelt, er lebt seinen Hass Tag für Tag.

    Muonio, Finnland. 27. Februar 2016

    Nur wenige Minuten nach ihrem Eintreffen stehen bereits die Gläser mit Koskenkorva, dem finnischem Wodka mit dem legendären Ruf vor den sechs Männern an der Hotelbar, nahe dem kleinen Grenzort Muonio im finnischen Lappland.

    Gegen sechzehn Uhr ist die Gruppe von ihrem zweitägigen Trip mit dem Motorschlitten durch die tief verschneite, inzwischen nächtliche Tundra ins Hotel zurückgekommen, hat sich ihrer Helme, Thermoanzüge und -stiefel entledigt und sofort auf den Weg in die warme Hotelbar gemacht. Ronnie, der finnische Guide und seine fünf Gäste. Drei hohe Beamte aus dem Berliner Wirtschaftsministerium und zwei Vertreter des Verbands der Waffenindustrie in Deutschland, gleichzeitig leitende Mitarbeiter eines baden-württembergischen Waffenherstellers.

    Offiziell sind sie nicht hier, in der eisigen Winterlandschaft nördlich des Polarkreises. Alle fünf haben sich lediglich für ein paar Tage Urlaub abgemeldet. »Mal kurz ausspannen.«

    Ein Ausflug mit Schlittenhunden gehört ebenso zu dem Treffen wie der Zweitagestrip mit den schnellen Snowmobilen. Mit voller Power topfebene Eisflächen zu überqueren oder auf kurvigen Spuren durch die niedrigen Kiefernwälder zu cruisen verbindet genauso wie die Abende am Kamin und an der Bar. Wodka hilft dabei besonders gut, sich kennen, verstehen und sich vor allem gegenseitig vertrauen zu lernen.

    »120 waren das mindestens!«

    Die Gruppe übertrifft sich mit erreichten Höchstgeschwindigkeiten und persönlichen Abenteuern. Sie fühlen sich sicher. Der Guide bestellt die nächste Runde »Kossu« und verabschiedet sich.

    Jetzt sind die Männer wieder unter sich und kommen auf ihr eigentliches Thema zurück.

    »Wie soll das funktionieren? Wir kriegen das Zeug bei uns nicht raus.«

    »Verdammt, genau das ist die Antwort, die wir finden müssen!«

    Die Diskussion entbrennt. Den kleinen, etwas fülligen und unscheinbaren Mann, der an einem Tischchen nahe des Eingangs zur Bar sitzt beachtet keiner der fünf. Sie sind mit sich selbst beschäftigt.

    Der Mann wirkt in dem grauen, für die Region und das sportliche Hotel atypischen Anzug wie ein Vertreter, der eine Pause macht. Er sitzt vor einer Tasse Kaffee und scheint sich für nichts zu interessieren. Auch das Abendessen im Hotelrestaurant nimmt er alleine an einem Einzeltisch ein.

    Einer aus der Gruppe der fünf Männer ist jedoch aufmerksam geworden. Er weist seinen Sitznachbarn, von den anderen unbemerkt, auf den eigentümlichen Gast hin.

    »Der Typ, schau nicht hin, scheint uns zu beobachten. Mir ist er vorgestern schon aufgefallen, ich habe mir jedoch nichts dabei gedacht.«

    Sein Gesprächspartner dreht sich um, als wolle er nach der Bedienung rufen, sein Blick streift kurz den Mann. »Kann es sein, dass uns die Wagner …?«

    Der andere zuckt mit der Schulter. »Keine Ahnung, aber lass uns vorsichtig sein!«

    Keinem der anderen aus der Gruppe fällt der leicht übergewichtige Mann auf. Auch nicht, als er nach einem Anruf auf seinem Smartphone plötzlich verschwunden ist und nicht mehr zurück kommt.

    Nach den vier abenteuerlichen Tagen fliegen alle Teilnehmer der Gruppe am nächsten Vormittag vom nahen Flughafen Kittilä aus ohne konkretes Ergebnis und mit unterschiedlichen Zielen über Helsinki zurück nach Deutschland. Die Teilnehmer haben noch keine sicheren Lösungen gefunden, wie ihr Deal unerkannt realisiert werden könnte. Die logistischen Voraussetzungen erscheinen der kleinen Gruppe einfach zu groß. Der mögliche Beobachter gerät in Vergessenheit.

    Weder im Ministerium, im Verband noch bei dem Unternehmen am Rande des Schwarzwaldes ist das Treffen bekannt geworden. Ein Mann weiß davon.

    »Ich denke, es lässt sich so nicht durchführen, wir müssen anders vorgehen«, erläutert Dr. Weber-Strittmatter, Unterstaatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Technik, nach seiner Rückkehr vom Treffen in Lappland seinem Gesprächspartner Sebastian Fuhrmann am Handy.

    »Sie wissen schon, was wir alle an der Sache verdienen könnten? Ich lasse mir diese Chance nicht rausgehen, es muss doch einen Weg geben«, antwortet Fuhrmann, der vom Fenster seiner großzügigen Penthousewohnung in Berlin auf die Welt unter ihm blickt. »Dann muss ich mir wohl oder übel etwas Entscheidendes einfallen lassen.«

    Weber-Strittmatter will noch etwas entgegnen, aber das Gespräch ist bereits beendet.

    Vor zwei Wochen hatte sich der BND-Chef für den arabischen Raum bei ihm gemeldet und um ein vertrauliches Gespräch gebeten. Sie trafen sich in einer verschwiegenen Bar in Berlin Mitte. Fuhrmann redete nicht lange um den heißen Brei, sondern kam sehr schnell zum Thema. »Herr Weber-Strittmatter, haben Sie Interesse an einer halben Million?«

    Der Mann vom Ministerium reagierte unerwartet cool. »Ich denke, prinzipiell schon.«

    Sebastian Fuhrmann ließ sich die Überraschung nicht anmerken und breitete vor seinem Gegenüber einen ungeheuerlichen Plan aus.

    »Sie müssen den Deal durchziehen. Ich bleibe im Hintergrund und koordiniere das Ganze mit den beiden Partnern in Arabien.«

    Nur eine Stunde später waren sie sich einig. Weber-Strittmatter sagte zu, sich »zeitnah« um die nötigen Partner zu kümmern. »Wobei das nicht einfach wird.«

    »Sie wissen, was es bedeuten würde, sollten wir auffliegen! Also keine Fehler!«, hatte ihm Fuhrmann klar gemacht.

    Zwei Stunden nach ihrem Telefonat meldet sich Fuhrmann noch einmal. »Ich habe die Lösung. Wir machen den Deal halboffiziell!«

    Weber-Strittmatter kapiert nicht sofort. »Wie?«

    »Wir versuchen nicht, das Ganze alleine durchzuziehen, dazu fehlen uns die Leute. Wir deklarieren, natürlich nur intern, den Deal als halboffiziellen Wunsch der CIA an den Bundesnachrichtendienst, eine Saudi-Arabien freundlich gesinnte Rebellengruppe mit Waffen zu unterstützen. Im Interesse der Schwächung der iranischen Aktivitäten im Jemen. Der Deal bleibt trotzdem absolut geheim, kriegt aber einen offizielleren Touch! So dass wir die zusätzlich benötigten Leute besser einschalten können. Keiner der Beteiligten weiß von unserem alleinigen ursprünglichen Plan. Wir zahlen denen allen eine kleine Provision und locken mit der Karrieretreppe. So wird unser Deal zu einem streng geheimen Job des Dienstes.«

    Berln. 4. März 2016

    Die kleine Runde an dem etwas abseits gelegenen Tisch im Restaurant Sissi im Stadtteil Lichterfelde besteht aus vier Personen, drei Männern und einer Frau.

    Vom Wirtschaftsministerium sitzen Unterstaatssekretär Klaus Weber-Strittmatter sowie sein Mitarbeiter Max Novitzky am Tisch. Die beiden Gesprächspartner, eine junge, gut aussehende, elegante Dame und ihr Begleiter kommen vom BND, dem Bundesnachrichtendienst, der hier fast um die Ecke sein zweites Domizil neben dem Hauptsitz Pullach unterhält.

    Nadine Wagner ist mit 37 Jahren bereits Regierungsamtsrätin und stellvertretende Leiterin der Abteilung für regionale Aufklärung und Beschaffung, zuständig für die arabischen Länder.

    Ihr ähnlich alter Begleiter hat sich nicht namentlich vorgestellt, es scheint keinen der Vier zu stören. Nadine Wagner ist sich ihres Aussehens und der Wirkung vor allem auf männliche Gesprächspartner bewusst, sie setzt es, wenn nötig, konsequent ein: Strahlende blaue Augen, brünette, streng zusammengebundene Haare, groß gewachsen, lächelt sie die beiden Abgesandten des Ministeriums gewinnend an.

    »Lieber Herr Weber-Strittmatter, wie ist es gelaufen? Ist ja schon ein paar Tage her. Hatten Sie einen schön erfrischenden Aufenthalt nördlich des Polarkreises?«

    Der Angesprochene nickt und will gerade antworten, da kommt sie ihm zuvor. »War das Gespräch fruchtbar und wann sind Sie endlich soweit?«

    »Frau Wagner …«

    »Nennen Sie mich doch Nadine«, überrascht sie ihn.

    »Gerne, also Nadine, wir haben unsere gemeinsamen Möglichkeiten geklärt. Der Umfang sollte kein unlösbares Problem werden, die saubere Bezahlung mal vorausgesetzt. Und dazu sollte ich jetzt mal langsam Informationen haben. Die genauen Kosten haben Sie ja. Die Bereitstellung und auch der Transport lassen sich regeln, eine absolute Diskretion auch bei den anderen Partnern mal vorausgesetzt.«

    »Das ist unser Bier, wir kümmern uns um die Beteiligten.« Nadine Wagner legt Weber-Strittmatter vertraulich die Hand auf den Arm, die rot lackierten, perfekt manikürten Fingernägel leuchten auf seinem dunklen Anzug. Sie lächelt ihn gewinnend an. »Schauen Sie einfach zu, dass Sie mit dem Lieferanten bald klar kommen und halten Sie den Kreis der Mitwisser klein. Wichtig ist, dass von Ihrer Seite aus nicht doch noch Probleme entstehen.«

    Weber-Strittmatter nickt.

    Sie zieht die Hand wieder weg. »Wir haben leider noch einige bei unseren Partnern.«

    Der Unterstaatssekretär schaut überrascht, etwas pikiert, er wirkt besorgt. »Sie sagten, alles wäre in Ordnung, Sie hätten es im Griff? Was ist los?«

    »Unsere Abnehmer haben noch einige finanzielle Probleme aus der Welt zu schaffen, aber das wird gelöst, machen Sie sich deswegen keine Sorgen!«

    Genau in diesem Moment serviert der Kellner die Vorspeisen, Nadine lächelt ihm freundlich zu, er wünscht guten Appetit.

    »Was heißt das?«, meldet sich der Ministeriumsbeamte sofort.

    Nadine beruhigt ihn mit einer kleinen Geste. »Ich sagte, das ist kein Thema.«

    »Das Ministerium wird sich finanziell nicht an der Aktion beteiligen können. Niemals! Das darf nicht ansatzweise angedacht werden. Wir können keine versteckten Etats für …«

    »Langsam, Herr Doktor Weber!«, sagt Nadine und lässt den zweiten Namen Strittmatter weg. »Reden Sie keinen Quatsch! Das wissen wir auch und …«, sie macht eine kurze Pause, »kümmern uns darum. Wir sind da mit den Amis im Gespräch über einen möglichen Einstieg.«

    Jetzt meldet sich Max Novitzky ganz vorsichtig. »Die Amis? Aber ich dachte, dass die nicht offiziell dabei sind …«

    »Sind sie auch nicht, aber das braucht Sie nicht zu belasten«, unterbricht ihn Nadine Wagner. Ihre aufgesetzte Freundlichkeit ist in diesem Moment einem geschäftsmäßigen Ernst gewichen. Wobei sie weiß, dass sie wegen dieser finanziellen Schwierigkeiten, wie sie es nannte, ein möglicherweise größeres Problem bekommen würde. Aber das geht diesen Schreibtischtäter aus dem Wirtschaftsministerium im Moment nichts an.

    Weber-Strittmatter wirkt plötzlich verunsichert.

    »Sie sind sich wirklich sicher, dass da nichts passieren wird? Das läuft doch alles über diesen Jordanier? Sie wissen, wir …«, damit deutet er auf seinen Begleiter Novitzky, »wir lehnen uns verdammt weit aus dem Fenster wegen der Geschichte. Schon das Treffen in Lappland geheim zu halten, war schwierig.«

    Er schaut beleidigt, denkt Nadine Wagner, diese Pfeife, lächelt ihn dennoch freundlich an. »Wir schätzen, was Sie für uns tun, keine Angst. Die Sache ist safe. Und ja wirklich nicht zu Ihrem Nachteil. Denken Sie doch bitte an die schöne Prov…«

    »Ja, ja, ist schon ok!«, wirft Weber-Strittmatter ein, bevor Novitzky etwas sagen kann.

    Nadine schaut ihren bisher stummen Begleiter an. »Fred, fassen Sie doch bitte noch einmal den weiteren Ablauf zusammen.«

    Der namenlose BND-Mann streicht über sein Tablet, öffnet eine Datei und liest ab.

    »Voraussichtlich nächste Woche wird die Finanzierung stehen, dann können Sie die »echten« Papiere fertig machen.« Er betont das Wort »echten«. »Wenn Sie es dann schaffen, die Genehmigungen unerkannt durch das Bundesamt zu schleusen, oder am besten daran vorbei, kann die Lieferung aus unserer Sicht Ende April noch raus gehen. Vorausgesetzt, Sie haben die Lieferanten im Griff.«

    Er blickt kurz von seinem Tablet in die Runde und fährt fort, nachdem niemand reagiert.

    »Die Zahlung erfolgt über die vereinbarten Wege Beirut und Zürich in zwei Raten. Eine bei nachgewiesenem Abgang der Ware, eine bei Eintreffen in …«

    »Danke«, unterbricht ihn Nadine, »das passt so alles. Noch Fragen, meine Herrn?«

    Die beiden aus dem Ministerium schütteln gleichzeitig den Kopf.

    »Nein, das ist so in Ordnung. Wollen wir hoffen, dass auch alles so läuft«, sagt Novitzky und ergänzt, »für uns!«

    Wagner lächelt und übernimmt die Rechnung. Nach einem Espresso verlassen sie das Restaurant und verabschieden sich. Die beiden Ministeriumsbeamten nehmen ein Taxi, Wagner und ihr Kollege gehen die paar Meter zum Büro zu Fuß.

    »Wir werden beobachtet«, raunt Nadine Wagner ihrem Begleiter zu. »Hamiri hat wieder seine persönliche Arabertruppe geschickt. Die beiden in dem dunkelblauen BMW, der dritte sitzt im Wartehäuschen an der Bushaltestelle, jetzt geht er schräg hinter uns auf die andere Straßenseite. Der verdammte Araber ist neugierig und traut uns nicht.«

    Fred ohne Nachnamen schaut verständnislos, Nadine muss lachen. »Der will, dass wir die Jungs bemerken, das sind alles Mittelklasseganoven, die er da einsetzt.«

    Sie dreht sich zur Seite und winkt den beiden im BMW freundlich zu. »Achmed will uns zeigen, dass er uns im Griff hat. Nun denn, wenn er meint.«

    Wenige Minuten später erreichen sie die Dienststelle und trennen sich. Fred hat Bereitschaft, Nadine steigt in ihren schwarzen SUV, sie liebt die noble Marke aus Stuttgart, und fährt nach Hause. Sie weiß, sie muss den Deal zum Laufen kriegen, sonst kann sie sich auf Probleme gefasst machen. Probleme, die sie im Moment überhaupt nicht brauchen kann.

    »No Risk, no fun!«, sagt sie sich jedoch schon seit ihrem ersten Tag beim Nachrichtendienst. Und vor allem seit vor drei Tagen ihr Chef Sebastian Fuhrmann sie alleine außerhalb des Dienstes sprechen wollte. Fuhrmann, Nadine schätzt ihn auf gut fünfzig, wirkt bei seiner Größe von über einsneunzig wie ein Magersüchtiger. Nur Haut und Knochen. Sein Credo ist »Dynamik«. Auch für sehr sportliche Mitarbeiter ist es schwierig, ihm zu folgen. Er geht nicht, er rennt. Er fährt nie mit dem Aufzug, weder in sein Penthouse noch ins Büro. Fuhrmann verkörpert den Nimbus des Agenten. Irgendwie ist der immer auf der Flucht, fast unsichtbar, denkt sie sich.

    Sie trafen sich in einem Bistro nahe des Brandenburger Tores, dabei war auch ein Unterstaatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium, ein Dr. Weber-Strittmatter.

    Fuhrmann tippte ganz kurz auf Nadine Wagners Arm.

    »Frau Wagner, ich brauche Sie für eine Aktion, die wir, sagen wir mal so, im Interesse unserer amerikanischen Freunde und Kollegen sehr vertraulich und vor allem unbemerkt von anderen Abteilungen, anderen Behörden und von ganz oben, durchführen sollten. Und diese Aktion betrifft Ihr Regionalgebiet. Und …«, er schaute sie eindringlich an, »und sie bietet die Riesenchance für Sie, viel schneller als üblich zwei Schritte weiter zu kommen. Sie verstehen? Sind Sie dabei?«

    Nadine Wagner hat damals nicht lange überlegt, die Einbeziehung in eine solche verdeckte Aktion schmeichelte nicht nur ihrem Ego und ihrem Konto. Sondern sie befand sich plötzlich im innersten Kreis, im »Inner Circle« der Macht. Seitdem war sie dabei und für die gesamte Durchführung der Aktion verantwortlich.

    Über die CIA in Riad wäre der Wunsch, eigentlich eher die unmissverständliche Forderung, direkt an Fuhrmann herangetragen worden, eine Rebellengruppe im Jemen mit einer umfangreichen Waffenlieferung zu unterstützen. Die USA wollten dort im Gebiet der Huthi nicht direkt eingreifen, sondern die Aktivitäten des Iran, der diese immer mächtiger werdenden Rebellen protegieren würde, vor Ort bremsen. Anscheinend wäre auch die CIA-Führung in Langley nicht in den Deal involviert.

    Nadine ist überzeugt, dass Fuhrmann eine Leiche im Keller liegen hat, und er unter Druck steht. Sie nimmt ihm die Story nicht ab. Aber sie hat ja gesagt und

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