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Fernsehjournalismus
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eBook450 Seiten4 Stunden

Fernsehjournalismus

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Über dieses E-Book

'Fernsehen' findet heute nicht mehr nur auf den etablierten TV-Stationen und Sendeanstalten statt. Filme, Videos, Spots und Clips laufen auf YouTube, Vimeo und Co. Günstige Produktionstechniken und leichte Zugänge zum Publikum schaffen neue Chancen für Publizisten. Das Risiko: Die Aufgaben von Journalisten, zu recherchieren, auszuwählen, zu gewichten und vor allem ausgewogen, verständlich und informativ zu berichten, könnten an Relevanz verlieren. Dieser Herausforderung stellt sich das Buch 'Fernsehjournalismus' in seiner 2., völlig überarbeiteten Auflage. Es vermittelt grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten für die journalistische Arbeit im Fernsehen oder in anderen Medien, die bewegte Bilder als Kommunikationsmittel nutzen. Dabei vermeiden es die Autoren, den Fernsehjournalismus zu einem Handwerk zu degradieren, das in wenigen Schritten erlernbar ist. Vielmehr verfolgen sie ein ganzheitliches Verständnis für den kreativen und gestalterischen Prozess der Fernsehberichterstattung. Das Buch richtet sich an alle, die sich für die Arbeit von Fernsehjournalisten interessieren: Praktikanten, Volontäre, Studenten, Berufsanfänger, Quereinsteiger. Es bietet aber auch erfahrenen Reportern und Redakteuren Anregungen in den verschiedensten Bereichen. Beispiele, Tipps und Checklisten machen es zu einem hilfreichen Begleiter der täglichen Arbeit.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum25. Nov. 2015
ISBN9783744506175
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    Buchvorschau

    Fernsehjournalismus - Martin Ordolff

    Einleitung

    Der Fernsehjournalismus hat in den vergangenen Jahren das enge Korsett der TV-Stationen und Sendeanstalten verlassen. »Fernsehen« findet heute nicht mehr nur auf den etablierten Kanälen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der privaten Sender statt. Filme, Videos, Spots und Clips laufen auf YOUTUBE, VIMEO und Co. Günstige Produktionstechniken und leichte Zugänge zum Publikum schaffen neue Chancen für Publizisten. Das Risiko: Die Aufgaben des Journalisten, zu recherchieren, zu sortieren, zu gewichten und vor allem ausgewogen, verständlich, informativ und glaubwürdig zu präsentieren, könnten an Relevanz verlieren.

    Dieser Herausforderung stellt sich das Buch »Fernsehjournalismus« in seiner zweiten, überarbeiteten Auflage. Das Buch vermittelt fundierte und professionelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die journalistische Arbeit im Fernsehen oder in anderen Medien, die bewegte Bilder als Kommunikationsmittel nutzen, und verbindet sie mit praxisnahen und anschaulichen Beispielen und Checklisten. Dabei vermeiden es die Autoren, den Fernsehjournalismus zu einem Handwerk zu degradieren, das in wenigen Schritten erlernbar ist. Vielmehr vermittelt das Buch ein ganzheitliches Verständnis für einen kreativen und gestalterischen Prozess der Fernsehberichterstattung.

    Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über die Arbeit des Fernsehjournalisten. Die Grundlagen in den verschiedenen Bereichen werden vermittelt. »Fernsehjournalismus« beginnt mit dem filmischen Erzählen und einer passenden Dramaturgie. Als Rohstoffe und Werkzeuge hat der Fernsehjournalist das bewegte Bild, den Ton und seinen Text zur Verfügung. Sie greifen ineinander, ergänzen sich – ohne sich gegenseitig zu dominieren. Diese Balance verlangt Fingerspitzengefühl, das in diesem Buch vermittelt wird. Angefangen bei der Idee über die Recherche, die Drehplanung, die Dreharbeiten bis zur Montage am Schnittplatz und der Tonmischung – das Buch erläutert den gesamten gestalterischen Prozess der Filmproduktion im TV. Dabei geht es auch um einen wichtigen Punkt: rechtliche Fragen. Die gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Fernsehjournalist wird tagtäglich mit ihnen konfrontiert. Die Skepsis von Protagonisten, Interviewpartnern oder auch nur Passanten gegenüber Fernsehjournalisten wächst. Und nicht selten verhindern einstweilige Verfügungen, Klagen oder Schadensersatzforderungen eine termingerechte Ausstrahlung eines Filmes.

    Aber was muss ein Fernsehjournalist beherrschen, wenn er sein »Produkt« auf dem Bildschirm platzieren will? Wie spricht er das Publikum an? Wie kann er den Zuschauer fesseln? Darum geht es im Kern.

    Dafür werden auch die journalistischen Darstellungsformen intensiv analysiert. Nachricht, Bericht, Magazinbeitrag, Reportage, Porträt, Dokumentation, Doku-Soap und Doku-Drama – alle Formen verlangen nach einer eigenen Bildsprache und unterschiedlichen Herangehensweisen. Sie wirken sich auf die Dreharbeiten und die Montage des Filmes im Schnitt aus. Und die Form entscheidet über den Stil des Textes bis hin zur Vertonung von journalistischen Filmen. Der Text spielt dabei eine wichtige Rolle. Er sorgt für Orientierung, gibt zusätzliche Informationen und verbindet einzelne Sequenzen im Film. Daher befasst sich dieses Buch auch ausführlich mit dem Texten für TV und gibt Hinweise zur Vertonung von journalistischen Filmen.

    Zweifelsfrei ist der Fernsehjournalist Manager eines arbeitsteiligen Prozesses. Er entwickelt Themenideen, setzt sie in Redaktionen durch, recherchiert, führt sein Produktionsteam, organisiert Drehorte sowie Interviews und führt Regie am Schnittplatz. In einem Mediengeschäft mit wachsendem Kostendruck und erhöhtem Bedarf finden auch Allrounder und Generalisten ihren Platz.

    Der Videojournalismus hat sich im Regional- und Lokal-TV etabliert und ist auch in den nationalen Fernsehsendern angekommen. Doch die Anforderungen an Videojournalisten werden oft unterschätzt. Er muss den arbeitsteiligen Produktionsablauf in einer Person vereinen. Als Producer, Autor, Kameramann, Tonassistent, Cutter, Sprecher arbeitet der Videojournalist oft an der Grenze des Machbaren – mit Chancen und zugleich großen Risiken für die journalistische Qualität.

    Auch darauf geht dieses Buch ein und richtet sich damit an alle, die sich für die Arbeit des Fernsehjournalisten interessieren, vom Studenten und dem Praktikanten bis hin zum Volontär, Berufsanfänger und Jungredakteur. Es bietet aber auch erfahrenen Reportern und Redakteuren Anregungen in den verschiedensten Bereichen. Aufbau und Inhalt machen es zu einem Nachschlagewerk und Handbuch für Grundsätzliches. Es gibt Tipps für die tägliche Arbeit. Das Buch ist so aufgebaut, dass man es nicht chronologisch lesen muss. Deshalb kann man sich auch ganz gezielt einzelnen Kapiteln widmen, ohne dass die Verständlichkeit darunter leidet.

    Beispiele sind im Buch mit einer Büroklammer gekennzeichnet.

    Tipps werden mit einem Doppelpfeil hervorgehoben.

    Die leichtere Lesbarkeit ist der Grund, warum wir im Fließtext die männliche Form für beide Geschlechter verwenden. Zweifelsfrei arbeiten in allen Bereichen des Fernsehjournalismus auch Frauen, die ihren Job genauso gut machen wir ihre männlichen Kollegen.

    2  Storytelling

    2.1  Filmisches Erzählen – das Rückgrat des Fernsehjournalismus

    Mit bewegten Bildern ermöglichen Fernsehmacher Einblicke in faszinierende, unbekannte Welten. Musik und atmosphärische Töne ermöglichen emotionale Momente, dramaturgische Höhepunkte und transportieren Stimmungen. Der Text des Autors ordnet ein und vermittelt wichtige Sachverhalte, Hintergründe oder harte Fakten.

    Kurz: Informationen, objektive Erkenntnisse, aber auch Erlebnisse, Erfahrungen und Schlussfolgerungen müssen aufbereitet und dem Publikum in ansprechender Form präsentiert werden. Ziel des Journalisten muss es sein, den Zuschauer zu fesseln, seine begrenzte Aufmerksamkeit für die Dauer des Filmes zu binden und ihn für das Thema zu gewinnen.

    Dem Fernsehjournalisten steht dazu als zentrales Instrument das Storytelling zur Verfügung. Filmisches Erzählen ist die treibende Kraft des Bewegtbildes. Und es ist das abgrenzende Kriterium des Fernsehjournalismus zu allen anderen Berufsfeldern des Journalismus.

    Während sich z. B. Printjournalisten auf ihre Notizen und Beobachtungen verlassen und daraus einen Artikel entwickeln können, der Bilder in den Köpfen der Leser erzeugt, benötigen Fernsehjournalisten immer und ausnahmslos den audiovisuellen Beleg. Ohne den bildlichen Nachweis kann keine Geschichte erzählt, keine Information bewiesen und keine Expertenaussage belegt werden. Hier gilt der merkwürdige und sicher nicht ganz ernst zu nehmende Spruch unter Fernsehmachern: Was nicht gedreht wurde, ist auch nicht passiert!

    Unsere journalistischen Produkte sind also Erzählungen, die abhängig von verfügbarem Film- oder Videomaterial bzw. den Möglichkeiten für Dreharbeiten sind.

    Das Erzählen ist das wesentliche Merkmal eines Filmes. Im Gegensatz zum Foto zeigt ein Film immer einen Ablauf – ganz gleich, wie kurz oder lang er ist. Er ist eine Folge von Bildern und Tönen, aus denen die Zuschauer Schlüsse ziehen!

    Aus einer einfachen filmischen Sequenz mit zwei Einstellungen konstruieren wir bereits eine Geschichte.

    Die erste Einstellung zeigt einen gut gekleideten Herrn, der einsam am Tresen einer Hotelbar sitzt. Für die zweite Einstellung stehen zwei Optionen zur Verfügung. In der ersten Variante betritt eine Frau im Abendkleid die Bar und präsentiert sich selbstsicher am Eingang. Die zweite Variante zeigt dieselbe Frau. Diesmal schaut sie sich aber zunächst im Raum um.

    Ohne weitere Hintergründe über die beiden Protagonisten zu kennen, wird ein Zuschauer sofort einen Zusammenhang, eine Motivation, also eine Geschichte unterstellen. Diese gedanklichen Konstruktionen unterscheiden sich, je nachdem welche Variante des Auftrittes der Frau im Abendkleid gewählt worden ist.

    Um im Fernsehen filmisch zu erzählen, stehen den Autoren verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung. Dazu gehören bewegte oder stehende Bilder (Film, Video, Foto, Zeichnungen usw.), die später im Schnitt bearbeitet werden. Und Interviews mit Experten, Betroffenen oder Menschen auf der Straße sind wichtige Gestaltungsmittel. Zudem helfen der Text, die Töne bzw. Geräusche vom Drehort, aus dem Klangarchiv oder von Sound-Datenbanken aus dem Internet sowie Animationen, Grafiken und Musik.

    Aus der Verknüpfung dieser Elemente entsteht ein Fernsehbeitrag. Natürlich sind nicht immer alle Komponenten gleichermaßen daran beteiligt. Das hängt von der Art und der Länge des Filmes ab. Eine klassische Reportage z. B. kommt ohne Grafiken, Animationen und oft auch ohne Musik aus der »Konserve« aus. Ein Beitrag von drei Minuten Länge braucht nicht unbedingt einen Text, wenn die Interviewpassagen stark genug sind – beispielsweise bei einem Porträt.

    Welche Gestaltungsmittel eingesetzt werden, ist also von Fall zu Fall verschieden. Eines ist jedoch für das filmische Erzählen unerlässlich: Der Autor muss sich vor Beginn der Dreharbeiten darüber im Klaren sein, was er mit seinem Film bzw. seinem journalistischen Beitrag ausdrücken will. Der Kameramann und Buchautor Peter Kerstan spricht hier vom Aussagewunsch.

    »Der Begriff Aussagewunsch ist nicht nur die Bezeichnung für eine Vorstellung, sondern er repräsentiert einen Arbeitsschritt der Filmgestaltung. Der Aussagewunsch ist einmal eine Hypothese für die Verständlichkeit und gleichzeitig ein Kriterium für den Einsatz meiner Gestaltungsmittel. Bei jeder Einstellung, jeder Sequenz, jedem Satz des Textes kann ich mich fragen: Entspricht dieses eigentlich meinem Aussagewunsch?«

    Ein klar formulierter Aussagewunsch erleichtert das Zusammenspiel von Journalist und Kamerateam ungemein. Wenn der Autor vor der ersten Aufzeichnung dem Kameramann unmissverständlich seine Idee näherbringt, kann zielgerichteter und ökonomischer gedreht werden. Der Kameramann kann dann leichter die wichtigen visuellen Belege finden, nach passenden Einstellungen suchen und optische Geschlossenheit über die gesamte Dauer der Dreharbeiten schaffen.

    In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Journalisten, denen die Aussage ihres Beitrags nicht klar ist, lassen gerne Bilder »zur Sicherheit« drehen. Unter Kameraleuten wird das spöttisch »Jagen und Sammeln« genannt. Später im Schnitt haben diese Autoren dann viel zu viel Material. Zudem wird es wesentlich schwieriger, eine klare Struktur für den Beitrag zu finden. Nur wenn der Aussagewunsch feststeht, ist für Autoren, aber auch für die Kamerateams die technische und gestalterische Arbeit zielgerichtet möglich. Sind Schwenks oder Zooms für die »Story« sinnvoll oder störend? Unterstützt eine bewegte Kamera die Aussage des Films oder sind eher ruhige Bilder vom Stativ gefragt? Welche Rolle nimmt der Autor in dem Beitrag ein?

    Diese Rollen des Journalisten beeinflussen den Stil des filmischen Erzählens. Grundsätzlich kann zwischen der Innen- und der Außenperspektive unterschieden werden. Nutzt der Autor die Innenperspektive, greift er zu einer gestalterischen Technik, die es ermöglicht, die Geschichte aus einer sehr persönlichen Sichtweise zu erzählen. Der Journalist kann entweder im On auftauchen – also selbst durch die Geschichte führen –, oder er nimmt die Innenperspektive durch entsprechende Formulierungen im Text ein, wie z. B.: »Wir reisen in das Katastrophengebiet«, »Der Informant gibt uns einen Hinweis«. In jedem Fall bekommt die visuelle Gestaltung wie auch die Erzählung eine besondere Nähe. Der Zuschauer hat das Gefühl des Miterlebens. Ihm wird die Rolle des Protagonisten bzw. des Reporters »angeboten«. Die »subjektive Kamera« ist ein charakteristisches filmisches Mittel der Innenperspektive. Sie zeigt dem Zuschauer den Blick des Protagonisten bzw. des Reporters.

    Bei der Außenperspektive wahrt der Autor die Rolle des »neutralen« Beobachters. Auch die Kamera nimmt eine beobachtende Haltung ein. Die Bilder wirken stärker gestaltet – manchmal konstruiert. Die direkte Erlebniswelt der Protagonisten ist für den Zuschauer dadurch weiter entfernt. Aber so können die gedrehten Bilder eine ganz besondere gestalterische Kraft entfalten, und der Protagonist rückt ins Zentrum der Geschichte.

    Ein Autor bekommt den Auftrag, einen Bericht über eine Lebensmittelmesse zu machen. Er bucht sein Kamerateam für zwei Drehtage auf der Messe. Am ersten Drehtag steht das Team auf dem Messegelände und dreht Bilder von Ständen, Menschengedränge, Verkostungen, den Hallen, Präsentationen und jeder Menge Konservendosen, Süßigkeiten und Tütensuppen. Am Ende des Drehtages sichtet der Autor das Drehmaterial und findet keinen passenden Ansatz für seinen Bericht. Trotz unzähliger Einstellungen und vieler Minuten Bildmaterial lässt sich kein roter Faden finden, der dem Bericht eine klare Aussage gibt.

    Am zweiten Drehtag entwickelt der Autor eine inhaltliche Idee und formuliert seinen Aussagewunsch. Er möchte in seinem Bericht herausarbeiten, ob die Ernährung mit biologisch kontrolliert angebauten Lebensmitteln tatsächlich gesundheitsförderlich für die Verbraucher ist. Jetzt dreht das Team am Stand eines großen Biolebensmittelproduzenten. Alles wird vom Stativ gedreht. Und der Autor bittet den Kameramann immer wieder, Bilder von Produkten zu drehen. Zudem führt der Autor Interviews mit Ernährungsexperten und Biobauern. Und es kann ein Produzent von konventionell hergestellten Lebensmitteln für ein Statement gewonnen werden. Zu guter Letzt macht ein Besucher vor laufender Kamera einen Geschmackstest zwischen Bioeiern und Eiern aus einer Legebatterie. Alle Interviews werden mit dem passenden Hintergrund in Szene gesetzt. Der Autor entscheidet sich für die Außenperspektive und bietet dem Zuschauer eine Beobachtung an.

    Am Ende des zweiten Drehtages hat der Autor weit weniger Material als am ersten Drehtag. Mit dem Verbrauchertest kann er in seinen Beitrag einsteigen, und die Experteninterviews und Bilder von den Messeständen schaffen sehr schnell einen strukturierten Bericht, in dem der Aussagewunsch des Autors erkennbar wird.

    Das Beispiel zeigt, dass ein inhaltliches Konzept die zwingende Voraussetzung für das Gelingen eines journalistischen Fernsehbeitrags ist. Allem voran steht der Aussagewunsch des Autors. Er sollte unvoreingenommen, aber mit einem klaren Ansatz entwickelt werden.

    Dann empfiehlt es sich, die zentrale Botschaft des Films in einzelne kleine Elemente zu zerlegen. Stellen Sie sich Ihren Beitrag als ein Puzzlespiel vor. Das zusammengesetzte Bild – also die Vermittlung des Aussagewunsches – wirkt nur, wenn alle Puzzleteile harmonisch ineinandergreifen.

    Angenommen, ein Journalist möchte einen Film über ein Pferderennen produzieren. Er will sich vor allem auf den Konflikt zwischen sportlicher Herausforderung für Tier und Jockey und den wirtschaftlichen Interessen der Pferdehalter konzentrieren. Daher begleitet er einen Hengst und seinen Jockey, die als Favoriten für das Rennen gelten. Zudem dreht der Autor mit dem Besitzer des Pferdes. Da der Film die Härte des Sports zeigen und zugleich die Ästhetik der Pferde transportieren soll, entscheiden sich der Autor und der Kameramann für eine weitestgehend handgeführte Kamera. Zwischendurch sollen aber auch immer wieder Interviews und Bilder vom Stativ Zäsuren im Film schaffen.

    Im nächsten Schritt sucht das Team nach den passenden Puzzles, mit denen die filmische Botschaft belegt werden können. Bei den Dreharbeiten am Renntag bieten sich unterschiedliche Puzzleteile an, wie z. B. die Vorbereitungen des Jockeys in der Pferdebox, die Begleitung des Tierarztes, die Wetthalle, die Anspannung auf der Besuchertribüne, die Gespräche der Pferdebesitzer im VIP-Bereich, die Spannung vor dem Start, das Rennen, der Zieleinlauf und vieles mehr.

    Jedes einzelne Puzzleteil sollte einem einfachen dramaturgischen Prinzip folgen. Mit einem Spannungsanstieg, einem Höhepunkt und einer Entspannungsphase erhalten wir uns die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Dafür braucht es einen oder mehrere Protagonisten und Antagonisten, z. B. den tierliebenden Jockey, der gegen die Profitgier des Pferdebesitzers kämpft. Fast immer geht es um das Aufzeigen eines Problems und dessen Lösung. Dabei ist der Hauptkonflikt von entscheidender Bedeutung. Aber auch Nebenschauplätze und Nebencharaktere sind wichtig, weil sie für Abwechslung sorgen und damit die Dramaturgie eines Filmes positiv beeinflussen. Beispielsweise könnte die Arbeit des Tierarztes ein spannender Nebenschauplatz sein. Das filmische Erzählen funktioniert vor allem dann, wenn es dem Autor gelingt, unvorhersehbare Situationen und Entwicklungen in seine Geschichte zu integrieren.

    Insbesondere für Reportagen oder Dokumentationen sind die dramaturgischen Mittel von großer Bedeutung, da der Zuschauer über einen längeren Zeitraum angesprochen werden soll. Doch auch für kurze Beiträge sind sie wichtig, da sie den Hauptaussagewunsch unterstützen. Dabei sollte der Kameramann nicht nur auf die Handlung selbst achten, sondern auch auf die Reaktion, die eine erneute Handlung hervorruft.

    Der Aussagewunsch des Beitrags lässt sich einfach herausarbeiten, wenn er durch unterschiedliche inhaltliche Komplexe (Puzzleteile) belegt wird. Jeder inhaltliche Komplex setzt sich aus einzelnen bildlichen Sequenzen zusammen. Deren Bausteine sind die Kameraeinstellungen. In der Praxis bedeutet das in letzter Konsequenz, dass bei jedem gedrehten Bild auf den Aussagewunsch geachtet werden muss.

    Sicherlich ist das nicht immer möglich, anzustreben ist es aber auf jeden Fall. Denn nur die konsequente Umsetzung der dramaturgischen Idee und des Aussagewunsches des Autors garantieren, dass ein fernsehjournalistischer Beitrag das Potenzial erreicht, den Zuschauer an den Bildschirm zu binden. Dieses Paradigma gewinnt vor allem mit Blick auf die Verbreitungswege im Internet an Bedeutung. Der Zuschauer ist mit der Maus oder dem Touchpad des Computers noch viel schneller als mit der Fernbedienung des Fernsehers. Das unendliche Angebot an Informationen und Bewegtbildinhalten im Netz zwingt die Nutzer innerhalb der ersten Sekunden eines fernsehjournalistischen Beitrags zu entscheiden, den Stream laufen zu lassen oder mit einem Klick die vermeintlich bessere Information zu suchen. Gerade weil im Internet das journalistische Produkt permanent mit fiktionalen Filmen, werblichen Spots und privaten Videos (User Generated Content) konkurriert, ist es wichtig, dramaturgische Grundsätze zu beachten.

    2.2  Dramaturgie des Filmes

    Die gesamte Recherche, jede noch so detaillierte Vorbereitung, die exklusivsten Informationen und spannendsten Protagonisten sind wertlos, wenn der Fernsehjournalist keine klare Vorstellung von seinem Beitrag hat. Wie sehen die ersten Bilder aus? Womit kann Spannung aufgebaut werden? Welche Aspekte können überraschen oder sind unerwartet? Wie endet der Film? Das Konzept des Fernsehjournalisten entscheidet über die Qualität eines Beitrags. Daher muss er schon vor den Dreharbeiten eine dramaturgische Idee entwickelt haben.

    Vor den Dreharbeiten muss der Autor die Idealvorstellung seines ersten und seines letzten Bildes vor Augen haben. Er sollte zudem davon »träumen«, dass er die optimalen Handlungsverläufe, die besten Interviewaussagen und spannendsten Bildmomente einfangen wird. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, tatsächlich diese Bilder drehen zu können, wird der Autor intuitiv und permanent darum ringen, sein dramaturgisches Konzept Stück für Stück zu verbessern.

    Die Wurzel des Storytellings liegt im Aussagewunsch. Ist der Aussagewunsch klar definiert, dann lassen sich die audiovisuellen Belege leichter identifizieren. Und diese sind unabdingbare Voraussetzungen für den journalistischen Film. Eine weitere zentrale Idee ist, den Film in einzelne inhaltliche Komplexe – sogenannte Bausteine – zu zerlegen. Dieses Konzept hilft auch in der Entwicklung der Dramaturgie eines Filmes.

    Vor dem Dreh die Blöcke des Beitrags strukturieren!

    Es ist sinnvoll, vor dem Beginn der Dreharbeiten genau darüber nachzudenken, wie die Struktur des Beitrags aussehen könnte. Dafür eignet sich ein ganz einfaches »Baukasten-Prinzip«.

    Baukasten-Prinzip der Dramaturgie

    In der vorstehenden Abbildung werden einzelne Blöcke dargestellt, die sich in der Regel während der Recherche oder auch erst während der Dreharbeiten ergeben. Diese Blöcke entstehen sowohl aus inhaltlichen Gründen oder werden durch die unterschiedlichen Drehorte bzw. Handlungen definiert. Sie können unterschiedlich lang sein und müssen nicht unbedingt in einer zeitlichen oder räumlichen Kontinuität miteinander verknüpft sein. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Autor auch an mögliche Übergänge denken muss.

    Eine Redaktion möchte einen Beitrag produzieren, der Großküchen in den Fokus nimmt. Auch ohne Recherche bzw. Suche von Drehorten lassen sich sehr schnell einzelne Blöcke planen. Nähert sich der Autor aus der inhaltlichen Sicht dem Thema an, dann wird er vielleicht folgende Blöcke planen: Hygiene in der Großküche, Qualität der Produkte und Zutaten, Betriebskosten usw. Zudem lassen sich aufgrund des Drehortes bzw. der Handlung weitere Blöcke definieren. Das eignet sich vor allem dann, wenn z. B. nur sehr wenige Drehorte besucht werden können. Als Blöcke eignen sich dann vielleicht die Küche, der Kühlraum, das Lager, die Essenausgabe, der Gästebereich usw. Diese Aufzählung kann nahezu endlos fortgesetzt werden. Und natürlich verschmelzen inhaltliche Blöcke mit Blöcken, die aufgrund von Drehorten entwickelt werden. Entscheidend ist nur, dass jeder Block auch Handlungen anbietet, die in einzelne Bausteine zerlegt und filmisch erzählt werden können. Sie stärken dadurch den Aussagewunsch.

    Über diese Technik zerlegt der Autor die zur Verfügung stehende Zeit für den Bericht in unterschiedliche Sequenzblöcke. Diese Blöcke lassen sich in der Regel sehr flexibel anordnen. Häufig ist beispielsweise nicht der Einstieg der Beste, der in der Realität als Erstes passiert. Vielmehr sollte der Block am Beginn des Beitrags stehen, der einen originellen Einstieg ermöglicht. Was könnte der Mittelbau des Berichtes sein? Welche Bilder eignen sich für den Schluss? So kann sehr pragmatisch vorgegangen werden, um den Bericht möglichst optimal und in kurzer Zeit zu produzieren.

    Doch Vorsicht: Nicht immer gestaltet sich die Wirklichkeit so, wie es vorab in den Blöcken geplant wurde. Deshalb ist es zwingend notwendig, Veränderungen zuzulassen. Oft stellt sich während der Dreharbeiten oder im Schnitt heraus, dass der geplante Block 2 besser im hinteren Drittel steht. Es kann auch passieren, dass Block 3 sich als nicht umsetzbar erweist. Dann wird er aus der dramaturgischen Planung gestrichen. Meist ergibt sich am Drehort auch eine spannende Situation, die nicht planbar war. Diese fließt dann als eigener Block in den Beitrag mit ein.

    Die Blöcke des Baukastens sollten immer flexibel sein. Sie sind Knetmasse, die Stück für Stück in die optimale Richtung geformt werden kann. Sie helfen, den roten Faden des gesamten Berichtes nicht aus den Augen zu verlieren.

    Handlungsbogen

    In der vorstehenden Abbildung sind die einzelnen Sequenzblöcke als kleine Dreiecke dargestellt, die wiederum von einem großen Dreieck umschlossen werden. Dieses große Dreieck symbolisiert den Gesamthandlungsbogen des Beitrags. Er ergibt sich aus den kürzeren dramaturgischen Elementen der kleinen Dreiecke. Um die Erzählstruktur des Beitrags möglichst konsequent und spannend zu gestalten, ist es sinnvoll, sowohl dem großen Handlungsbogen als auch den kleineren Sequenzblöcken eine innere Dramaturgie zu verleihen. Vielfach bietet sich dafür ein weit verbreitetes und einfaches Prinzip an.

    Jeder Film kann nach dem dramaturgischen Grundmuster Exposition, Konfliktaufbau, Höhepunkt und Schluss gestaltet werden.

    Dramaturgisches Grundmuster

    Die Exposition führt in die Handlung oder die Sequenz ein. Ungewöhnliches und Überraschendes hilft in der Exposition, den Zuschauer zu binden, Fragen aufzuwerfen oder Erstaunen zu wecken. Die Exposition stellt die handelnden Personen vor und charakterisiert sie. Das Problem wird thematisiert.

    Ein Beitrag über ein Pferderennen könnte mit einer Szene starten, die die Vorbereitung der Pferde in der Box zeigt. Die Zuschauer lernen die Tiere und die Jockeys kennen, und vielleicht sehen sie sich den Film weiter an. Die Chancen werden steigen, wenn der Film z. B. mit einem Bild vom Start des Rennens beginnt. Die Startboxen klappen auf, schnaubende Rosse preschen hervor, die Jockeys peitschen ihre Pferde nach vorn. Mit dieser Szene lernt der Zuschauer die »Darsteller« kennen. Zugleich versucht der Autor, seine Zuschauer mit starken Bildern zu binden.

    Der Konfliktaufbau entwickelt die Problemstellung der Sequenz oder des gesamten Beitrags. In dieser Phase sollte die Relevanz des Themas für den Beitrag oder für den jeweiligen Sequenzblock herausgearbeitet werden. Pro- und Contra-Positionen werden herangezogen. Protagonisten und Antagonisten treffen aufeinander. Dadurch steigt der Spannungsbogen innerhalb der

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