Recoup! Filmfinanzierung Filmverwertung: Grundlagen und Beispiele
Von Eckhard Wendling
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Über dieses E-Book
Aber nicht nur die Produktionstechnik hat sich evolutionär weiterentwickelt. Auch alternative Abspielplattformen, Pay-TV- wie Pay-per-View-Optionen und Streaming-Media-Angebote haben den Markt unabänderlich verwandelt und erweitert. Die Anforderungen hinsichtlich Qualität, Technik und Budget an die Filme, die zu wirtschaftlichen Erfolgen werden sollen, stiegen dabei stetig. Um unter diesen gewandelten Herausforderungen langfristig bestehen zu können, müssen die innovativen Technologien in der Filmherstellung ihre Ergänzung in neuen, dem Wandel angepassten Finanzierungs- und Erlösmodellen finden.
Eckhard Wendling zeigt aktuelle Möglichkeiten und Entwicklungen auf, unter denen Film- und TV-Produktionen heute und in Zukunft finanzierbar werden. Dazu sollte sich die Vielzahl neuer Verwertungsmöglichkeiten mit einem Mehr an geschäftlichem Risiko und einem Mehr an Erfolgsbeteiligung verbinden.
Die klassische Wertschöpfungskette aus Kinopremiere, DVD-Veröffentlichung und Fernsehausstrahlung wird in komplexere Wertschöpfungsnetzwerke überführt, die den Produzenten stärken und finanziell unabhängiger werden lassen. Gefordert sind hier Produzenten, die diese Herausforderungen annehmen, um sich so letztlich sowohl von der öffentlichen Hand, der Filmförderung wie auch von den großen Sendern zu emanzipieren.
Eckhard Wendling
Prof. Eckhard Wendling beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den ökonomischen Rahmenbedingungen von Film- und Fernsehproduktionen. Nach dem Studium an der Universität der Künste, Berlin, arbeitet er viele Jahre als Produktionsleiter und Producer in verschiedenen Film- und TV-Produktionsfirmen. An der Hochschule der Medien, Stuttgart unterrichtet Eckhard Wendling an der Fakultät Electronic Media die Bereiche Produktionsmanagement und Produktionsplanung für Film und Fernsehen. Er leitet seit 2003 das Steinbeistransferzentrum für Audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien und ist nach wie vor ein leidenschaftlicher Kinogänger.
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Recoup! Filmfinanzierung Filmverwertung - Eckhard Wendling
[3]
Eckhard Wendling
Recoup! Filmfinanzierung – Filmverwertung
Grundlagen und Beispiele
UVK Verlagsgesellschaft mbH
[4]
Praxis Film
Band 66
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISSN 1617-951X
ISBN (eBook) 978-3-86496-081-9
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2012
Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz
Einbandfoto: © Istockphoto Inc.
UVK Verlagsgesellschaft mbH
Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz
Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98
www.uvk.de
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
[5]
Inhalt
Über dieses Buch
Über den Autor
1. Einleitung
2. Die historische Entwicklung der Film- und Fernsehindustrie
2.1. Die Anfänge einer neuen Industrie
2.1.1 In Deutschland
2.1.2 In Frankreich
2.1.3 In den USA
2.2. Das Kino erobert die Welt – ein neuer Markt entsteht
2.3 Erste Monopole entstehen
2.4 Die US-Entertainmentindustrie beherrscht den Weltmarkt
2.4.1 Die amerikanischen Majors
2.4.2 »Big Five« und »Little Three«, US-Majors und die Independents in Zahlen
2.5 Die europäische Filmindustrie: Überleben am Subventionst(r)opf?
3. Wirtschaftliche Grundlagen der Filmproduktion
3.1 Filme als Ware und Kulturgut
3.2 Deutscher, europäischer und internationaler Kinofilm
3.3 Kinofilme und ihr Budget
3.4 Chancen und Risiken der Filmherstellung für Kino und TV
Andrea Schütte: Produzieren in Deutschland für die große Kinoleinwand
3.5 Filmfinanzierung als Projektfinanzierung
3.5.1 Unterschiede in der Finanzierung zwischen Kino- und TV-Filmen
3.5.2 Budgets für das deutsche Fernsehprogramm
3.6 Finanzierungsformen von TV-Produktionen
Egon Mayer: Blick zurück in die Zukunft
3.6.1 Finanzierung im Rahmen einer Auftragsproduktion für einen Fernsehfilm oder ein TV-Movie
3.6.2 TV-Auftragsproduktion für einen TV-Sender gegen Festpreis
Dagmar Rosenbauer: Der Auftragsproduzent in der TV-Branche
Robin Honcken: Die Rolle der Studiobetriebe in der deutschen Kino- und TV-Landschaft
3.7 Überblick über die Finanzierungsquellen bei Kinoproduktionen
3.8 Finanzierung im Rahmen von Koproduktionen
[6]
3.8.1 TV-Auftragsproduktion mit Koproduktionsanteil
3.8.2 Koproduktion im Rahmen einer deutschen Kinofilmproduktion mit Fördermitteln und Senderbeteiligung
Christoph E. Palmer: »Terms of Trade« zwischen Sendern und Produzenten
3.9 Finanzierungsplan eines Kinofilms mit TV-Beteiligung
3.10 Weitere Finanzierungsbestandteile
3.11 Finanzierung unter Einbeziehung eines Completion Bonds.
3.12 Die Rolle der Banken
3.12.1 »Gap Financing« und »Shortfall Guarantee«
Bernhard Stampfer: Finanzierung von Spielfilmen in Europa
3.13 Finanzierung mit Mitteln der nationalen und internationalen Filmförderungsinstitutionen
3.14 Finanzierung mittels bilateraler Koproduktionsabkommen
4. Auswertungsfenster und Verwerter, die Rolle von Filmvertrieb und Filmverleih
4.1 Wertschöpfungsketten, »Windowing« und »Versioning«
4.1.1 Auswertungsfenster für deutsche Kinofilme
4.1.2 Übersicht über die verschiedenen Erlöse in der Verwertungskette
4.2 Filmvertrieb – die Rechtelizensierung weltweit
4.2.1 Die Finanzierung mit Mitteln von Vertriebsgarantien
4.2.2 Erlösbeteiligungen und Ausschüttungsproblematik von Vertriebserlösen an die Produzenten
4.3 Kinoverleih
4.3.1 Verleihvorkosten und Erlösverteilung zwischen Produzent und Verleiher
4.3.2 Modelle der Erlösverteilung im Kinoverleih
4.4 Erlösstrukturen im Verwertungsbereich der DVD oder der Blu-ray-DVD
4.5 Erlösmodelle im Bereich von Video-on-Demand und Pay-per-View
Christian Springer: Über die Finanzierung von Kinofilmen …
5. Aufbau des Kalkulationsschemas eines Kinofilms
5.1 Zuschlagssätze, Handlungskosten und Überschreitungsreserve bei Kinoproduktionen mit Geldern der Filmförderungen
5.2 Producer’s Fee, Regiegage und die Gagensätze der Herstellungsleitung
5.3 Finanzierung und Kalkulationsschema bei Werbefilm und Musikvideo
5.3.1 Markup bei Werbefilmproduktionen
6. Hauptquellen der Kinofilmfinanzierung, die Filmförderung
6.1 Verschiedene Formen der deutschen Fördersubventionen im Film
6.1.1 Filmförderung mit Referenzmitteln der Filmförderungsanstalt des Bundes
6.2 Finanzierungsplan und Erlösrückführung einer deutschen Kinoproduktion
[7]
6.3 Nicht rückzahlbare Zuschüsse der Filmförderinstitutionen
6.4 Europäische Filmförderungsprogramme
6.4.1 Eurimages – European Cinema Support Fund
6.4.2 MEDIA-Programm 2007
6.5 Nationale Filmförderung in Deutschland, Federal Funds
6.6 Die Filmförderungsanstalt der Bundesrepublik Deutschland (FFA)
6.7 Der Beauftragte für Kultur und Medien (BKM)
6.7.1 Förderbereiche des BKM
6.7.2 Grundsätze der Förderentscheidungen
6.7.3 Der Deutsche Filmpreis
6.8 Der Deutsche Filmförderfond (DFFF)
6.8.1 Übersicht über die Aktivitäten des Deutschen Filmförderfonds (DFFF)
6.8.2 Der Ablauf einer DFFF-Förderung
6.8.3 Vergabekriterien
6.8.4 Zuwendungsfähige Herstellungskosten und Auszahlungsmodalitäten
6.9 Das Finanzierungsprogramm der KfW
6.10 Kuratorium junger deutscher Film und weitere nationale Förderinstitutionen
6.11 Regionale Filmförderung in der Bundesrepublik Deutschland
6.11.1 Film- und Medienstiftung NRW
6.11.2 Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF Bayern)
6.11.3 Filmboard Berlin-Brandenburg (Medienboard)
6.11.4 Filmförderung Baden-Württemberg (MFG Filmförderung)
Dieter Krauss: Filmkultur und Filmwirtschaft als Förderkriterien
6.11.5 Mitteldeutsche Medienförderung (MDM), die Film- und Medienförderung von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
6.11.6 Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH)
6.11.7 nordmedia, die Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen
6.12 Regionalförderungen mit besonderen Schwerpunkten
6.12.1 Filmbüro Bremen
6.12.2 Hessische Filmförderung
6.12.3 HessenInvestFilm
6.12.4 Filmbüro Nordrhein-Westfalen
6.12.5 Kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern
6.12.6 Saarland Medien
7. Klassische und neue, alternative Formen der Finanzierung im TV
7.1 Der deutsche Fernsehmarkt
7.1.1 Pay-TV-Programme
7.1.2 IP-TV
7.1.3 Mobiles TV – ein neues Medium entsteht
7.1.4 Die TV-Werbung im öffentlich-rechtlichen und im privaten Fernsehen
7.2 Merchandising und Licensing
[8]
7.3 Sonderrolle der Computergames und die Lizenzvergaben an Computerspiel-Hersteller
7.4 Product Placement
7.4.1 Branded Entertainment
7.4.2 Image Placement
7.5 Zuschaueranrufe als Finanzierungsquelle, telefonische Mehrwertdienste
8. Neue Formen der Finanzierung: Fundraising, Crowdfunding und Seed Money
8.1 Was ist Crowdfunding?
8.2 Crowdsourcing und Crowdfunding
8.3 Wer engagiert sich im Crowdfunding?
8.4 Welche Summe wird über Crowdfunding finanzierbar?
8.5 Crowdfunding versus Fundraising
8.6 Wie arbeitet das Crowdfunding?
Sarah Nörenberg und Karl-Martin Pold: »Sie nannten ihn Spencer«
8.7 Wie erfolgen die Zahlungen beim Crowdfunding?
8.8 Crowdfunding ohne Plattform
Carl-A. Fechner: »Die 4. Revolution – Energy Autonomy«
8.9. Crowdinvesting, Mikroinvesting und Private Equity
8.10 Seed Money – Unternehmensfinanzierung durch die Möglichkeiten des Schwarms
8.11 Wohin geht die Entwicklung beim Crowdfunding?
9. Fazit und Ausblick
Anhang
A. Eigenschaftstest für Spielfilme, Formblatt des DFFF
B. Adressen
Übersicht über die bundesweiten Filmförderungen
Übersicht über die regionalen Filmförderungen durch die Bundesländer
Adressen von Angeboten des BKM und des Bundes
Verbände / Organisationen
Verleiher
C. Filminfos und Magazine
D. Festivals national
E. Aus- und Weiterbildung
F. Archive
G. Internationale Statistik
H. Literaturangaben und sonstige Quellen
I. Sonstige Internetlinks
J. Glossar
[9]
Über dieses Buch
»Wenn ein Film Erfolg hat, ist er ein Geschäft.
Wenn er keinen Erfolg hat, ist er Kunst.«
Carlo Ponti¹ sowie Jean Gabin² zugeschrieben
Seit nunmehr fast 120 Jahren gehen die Menschen ins Kino. Immer wieder fesseln spannende Stoffe die Zuschauer und sorgen dabei für volle Kassen bei Kinobetreibern, Verleihern und Filmproduzenten. Häufig aber werden auch Filme produziert, die schlimmstenfalls zum finanziellen Desaster für alle Beteiligten führen. Die Anforderungen an erfolgreiche Filme steigen stetig, die handwerkliche Qualität eines Kino- oder Fernsehfilms kostet viel Geld: Technische Innovationen, aber auch die Kosten für Autoren, Regisseure, Schauspieler verschlingen große Budgets. Da sich die Marktchancen der Ware Film im Vorhinein aber bis zuletzt nur schwer bestimmen lassen, und immer nur einige wenige echte Box-Office-Erfolge vielen Flops gegenüberstehen können, ist eine Filmherstellung für den Produzenten immer ein Hochrisikogeschäft. Viele Unwägbarkeiten und selbst Zufälle können darüber entscheiden, ob ein Film letztlich zum Erfolg wird. Umso wichtiger wird daher eine klare Struktur bei der vorausgehenden Finanzierung. Innovative Technologien in der Filmherstellung müssen ihre Ergänzung finden in innovativen Finanzierungs- und Erlösmodellen. Diese überführt die klassische Wertschöpfungskette aus Kinopremiere, DVD-Veröffentlichung und Fernseherstausstrahlung in komplexe Wertschöpfungsnetzwerke, welche dabei helfen, die Filmfinanzierung sowie das spätere Recoupment (den eigentlichen Mittelrückfluss aus der Verwertung) abzusichern.
Dieses Buch möchte die Vielzahl an aktuellen Möglichkeiten und Entwicklungen aufzeigen, mit denen Film- und TV-Produktionen sich finanzieren und recoupen³ lassen. Denn erst durch die Bündelung verschiedener Finanzierungselemente lässt sich die unbedingt notwendige Liquidität für die Produktionsphase sicherstellen. Mit der späteren breiten Ausdifferenzierung der Verwertungsketten wird die Refinanzierung, das Recoupement, zu einer wichtigen Säule für Folgeprojekte und so letztlich zur Unternehmensabsicherung.
[10]
Am Ende der aktuellen Entwicklungen von neuen Formen und Wegen in der Finanzierung und Refinanzierung wird sich vielleicht auch die deutsche Produktionslandschaft verändert haben. Mit Glück entsteht ein neuer Produzententyp, der sich vom TV-Auftragsproduzenten klassischer Prägung deutlich unterscheiden wird. Dieser Filmproduzent wird dann verstärkt zu einem Unternehmertyp eher amerikanischer Prägung, mit weit größerem unternehmerischen Risiko und größerer Verantwortung, aber auch mit weit größeren Gewinnaussichten für seine Arbeit.
Eine Vielzahl an zusätzlichen Statements von Branchenkennern im Buch, welche die Produzentensicht, die Sendersicht und die Sicht der Förderinstitutionen aufzeigen, sollen zusätzliche Einblicke geben in ein komplexes Themenfeld rund um die Finanzierung und die Verwertung von Filmen in Deutschland.
Über den Autor
Prof. Eckhard Wendling beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Produktion von Filmen und von Bewegtbildcontent. Nach dem Studium an der Universität der Künste Berlin, arbeitete er einige Jahre als Kundenberater in internationalen Werbeagenturen in Düsseldorf und Hamburg. Anschließend war er als Produktionsleiter und Producer in Film- und TV-Produktionsfirmen in Hamburg, Berlin und London tätig. Seit 2001 unterrichtet Eckhard Wendling an der Hochschule der Medien Stuttgart in der Fakultät »Electronic Media« die Bereiche Produktionsmanagement und Produktionsplanung für elektronische Medien. Seit 2003 leitet er außerdem das Steinbeistransferzentrum für Audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien und geht weiterhin leidenschaftlich gerne ins Kino.
[11]
1. Einleitung
Film ist ein Ausdruck der Kunst – in Deutschland oft das Resultat der künstlerischen Interessen und der Fantasie seines Schöpfers. Die Filmkunst wird mal gehätschelt, vielfach öffentlich gefördert, manchmal von Politik und Zuschauern kritisiert, aber selten ganz grundsätzlich in Frage gestellt. Jeder Zuschauer kann sich über Filme leicht seine ganz eigene Meinung bilden, sie beurteilen und kritisieren. Jeder kann Argumente dafür finden, ob er einen Film gut oder schlecht, spannend oder langweilig, notwendig oder überflüssig findet. Filme sind so ein bedeutender Teil unserer Kultur und unserer Identität.
Film ist nur möglich durch Technik, die Filmherstellung ist ein Handwerk. Die Herstellung von Filmen ist höchst komplex, meistens sehr aufwendig und häufig sehr teuer. Benötigt werden, zumindest wenn man eine gewisse Qualität auf der Leinwand oder im TV anstrebt, qualifizierte Mitarbeiter, eine ausreichende Vorbereitungs- und Produktionszeit sowie die notwendigen Finanz- und Sachressourcen.
Film ist aber auch ein Handelsgut, eine Ware die es zu verkaufen gilt. Filme für Kino und TV sind Produkte einer hochspezialisierten Dienstleistungsbranche und ein Wirtschaftsfaktor. Die Filmproduktion steht so neben anderen Dienstleistungen in der Informations- und Unterhaltungsbranche. Die Finanzierung dieser Ware ist aufwendig, der Erfolg schwer vorauszusehen.
Historisch bedingt ist in Europa der Blick auf Film vor allem auf dessen künstlerische Bedeutung gerichtet, erst in zweiter Linie begreift man Film auch als Wirtschaftsgut, als Ware. Speziell in Deutschland wurde diese Sichtweise lange zu einem gesellschaftspolitischen Kampf zwischen Kultur und Kommerz, fast schon zwischen Gut und Böse, instrumentalisiert. Nach dem stark auf wirtschaftlichen Notwendigkeiten basierenden Wiederaufbau der deutschen Filmwirtschaft in den 1950er- und 60er-Jahren entwickelte sich im allgemeinen gesellschaftlichen Aufbruch der 68er-Zeit eine bis in die heutige Zeit hineinreichende Bewertung des deutschen Films als wichtige Kulturtechnik und als unverzichtbares identitätsstiftendes Kulturgut. Der deutsche Film war so immer auch Zankapfel politischer Intensionen und Bewertungen. Generell wurde Filmherstellung aber immer als unabdingbar, als gesellschaftlich wünschenswert⁴ und somit zwangsläufig als von
[12]
der öffentlichen Hand förderungswürdiges Gut eingestuft. In den Jahrzehnten nach dem Aufbruch durch den »Neuen Deutschen Film« fanden sich die klischeehaften Rollen auch bald klar verteilt: auf der einen Seite die Regisseure, Filmemacher, die Autorenfilmer, Autoren und Kreativen, immer und einzig ihrer heren Kunst verantwortlich, – und auf der anderen Seite die geldgierigen Produzenten, die willkürlich entscheidenden Fördergremien, die auf den Werbemarkt zielenden TV-Sender, die bremsenden Medienanwälte und quengeligen Finanziers, jederzeit bereit, die Filmkunst dem schnöden Mammon des Kassenerfolgs oder der leidigen Zuschauerquote zu opfern.
Hollywood hatte von Beginn an ein völlig anderes, nämlich ein ganz und gar kapitalistisches Selbstverständnis vom Filmgeschäft. Hier wurde der Begriff »Film« durch den Begriff »Movie« ersetzt: Dem europäischen Begriff der »Filmkunst«, des künstlerischen »Cinémas«, setzten die Studios und Produzenten Hollywoods von Anfang an den Begriff des »Moviebusiness« gegenüber. Das Moviebusiness ist somit in den USA ein ganz gewöhnliches weiteres Dienstleistungsangebot in einer breit aufgestellten US-Entertainmentindustrie. Die Filmindustrie ist hier ein fester Teil der »TIME Branche«, bestehend aus Telekommunikation, Information, Medien und Entertainment. Während in Deutschland immer aufs Neue versucht wurde, die Filmbranche mit innovativen direkten und indirekten Staatshilfen zu unterstützen, ist diese Art der Filmförderung durch die öffentliche Hand in den USA nahezu unbekannt. Findet ein Filmprojekt dort keine Finanzierung auf dem freien Markt, d.h. glaubt kein Investor an den Erfolg der Filmidee und somit an ein rentables Geschäft, dann findet die Filmherstellung erst gar nicht statt.
Anders in Deutschland: Wo wäre der deutsche Film, speziell der aufwendig für das Kino produzierte Stoff, ohne die staatlichen Hilfen und Förderungen und ohne die Beteiligungen durch die TV-Sender? Der deutsche Kinofilm hätte in der jetzigen Form wohl schon vor Jahrzehnten als Wirtschafts- wie Kulturgut aufgehört zu existieren. Deutsche Filme sind Teil einer riesigen Subventionspolitik, zusammen mit all den anderen förderungswürdigen kulturellen Angeboten, z.B. den deutschen Opernhäusern, Theatern, Tanztheatern, Orchestern, Museen, aber auch der Steinkohleförderung, der Stilllegungsprämie für Weinberge, der Schlachtprämie für Milchkühe, der Tabakanbausubvention, den alternativen Energieproduzenten und so weiter. So lobenswert diese staatlichen Fördermaßnahmen im Einzelfall auch sind, so haben langlaufende Subventionssysteme allerdings auch immer einen ungewollten Effekt auf die jeweilige Branche, die sie eigentlich stärken und
[13]
entwickeln helfen sollen. So verändern sie nach einigen Jahren der Gewöhnung offenbar zwangsläufig die Mentalität bei den Subventionsbegünstigten: Die gewohnten Zahlungen sind schon bald keine mehr mit Dankbarkeit entgegengenommene Unterstützung und Hilfe bei eigenen nimmerwährenden Anstrengungen, sondern sie werden als »mein gutes Recht« angesehen und ganz selbstverständlich bei allen Aktivitäten mehr oder minder fest von vorneherein mit eingeplant. Statt Mut und Vitalität, statt aggressivem Unternehmergeist, wird so über Jahrzehnte auch die Anpassung an die Kriterien der Subventionsvergabe und die Risikominimierung des eigenen Engagements gefördert.
Die Erstellung von Film, oder moderner ausgedrückt von »Bewegtbildcontent« ist dabei aber weiterhin ein riskantes Unterfangen. Der Erfolg ist nicht sicher, immer schwer kalkulierbar und stark abhängig von Unwägbarkeiten in der Finanzierung, Produktion und Verwertung. Beim Kinofilm fangen diese Unwägbarkeiten bei der Jahreszeit an, in der gedreht werden soll, gehen übers aktuelle Tageswetter beim Kinostart, über die gleichzeitig anlaufenden Konkurrenzfilme, bis hin zu dem schwer einschätzbaren, gerade angesagten Publikumsgeschmack. Diesem Publikumsgeschmack muss der Filmproduzent dann aber immer auch schon die paar Jahre voraus sein, die von der Ideenfindung über die Produktion bis zur Fertigstellung eines neuen Filmes vergehen. Jahre, in denen der Publikumsgeschmack unkontrolliert um das eine oder andere Interesse und Thema mäandert, und in denen Konkurrenten das Filmthema vielleicht früher entdecken konnten und als Erste den Markt bedienen.
Mittlerweile hat sich die deutsche Filmbranche verändert. Die ehemals jungen Autorenfilmer des Oberhausener Manifests, die Schöpfer des »Neuen Deutschen Filmes« wurden abgelöst von jungen Pragmatikern, die sich aufmachen, um wieder neue Wege zu gehen: neue Wege in der Themenwahl, der Umsetzung, der Finanzierung und der Verwertung. Die mittlerweile tradierten Ausbildungswege an den deutschen Filmhochschulen und Akademien haben hoch professionellen Nachwuchs an die Entscheidungspositionen in den Filmfirmen gebracht. Nachwuchs, der daran interessiert ist, auch tragfähige Alternativen zu den klassischen Filmfinanzierungen zu entwickeln. Lange Zeit sah man hauptsächlich nur eine Seite der Medaille: Der Produzent suchte nach einer tragfähigen Finanzierung für die Filmidee, um sogleich mit der Filmherstellung, der Produktion beginnen zu können. Finanzierung hieß dabei meist die Bündelung von Filmförderungsgeldern und Senderengagement. Fokussiert wurden häufig alle Anstrengungen allein auf die Chance der Realisierung. Nachrangig wurde dabei die Verwertung, bzw. die Generierung und die Verteilung der Erlösströme aus der Verwertung, das
[14]
sogenannte Recoupement gesehen. Man wollte den Filmtraum realisieren, sobald die Herstellung gesichtert werden konnte; weiterführende Gedanken, die optimale umfassende Verwertung betreffend, rückten dabei in den Hintergrund. Doch nur eine erfolgreiche Verwertung garantiert das Weiterbestehen des Unternehmens und sichert durch Gewinne die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft. So gilt es, zukünftig stärker den Blick auf die Erlösströme in der Verwertungphase zu lenken. Die Tätigkeit der Produzenten wird sich verändern müssen, um die einseitige Abhängigkeit von Filmförderung und öffentlich-rechtlichen Sendern zu lösen, und um so langfristig eine wirtschaftlich eigenständigere, weniger von öffentlichen Mitteln abhängige, selbstbewusste Filmbranche entstehen zu lassen. Im Moment gibt es durch die technologische Entwicklung, durch Digitalisierung und Konvergenz der Medien, eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, denen gemein ist, dass sie höheres geschäftliches Risiko mit einem Mehr an Erfolgsbeteiligung kompensieren. Kein leichter Weg liegt vor den Produzenten, aber vielleicht der einzige langfristig Erfolg Versprechende.
[15]
2. Die historische Entwicklung der Film- und Fernsehindustrie
»Filmemachen ist eines der größten und sichersten Geschäfte, die ich kenne. Aber nur für das Finanzamt!«
Carlo Ponti
Die Filmindustrie sowie die sich später daraus entwickelte TV-Industrie nahmen in Europa eine völlig andere Entwicklung als in den USA. Auch die Möglichkeiten und Instrumente der Finanzierung unterscheiden sich elementar voneinander. Die Film- und TV-Branche in Europa und speziell in Deutschland ist charakterisiert durch kleinteilige Unternehmen. Die TV-Programmerstellung erfolgt meist in Rahmen von TV-Auftragsproduktionen. Hierbei gibt ein Sender ein TV-Programm bei einem Produzenten in Auftrag, der zum Festpreis für den beauftragenden Sender produziert. Der Sender kann anschließend das Programm nach seinen speziellen Wünschen und Bedürfnissen universell auswerten, ohne den Auftragsproduzenten dabei weitergehend am Auswertungserlös beteiligen zu müssen. Das US-Film- und TV-Produzentensystem orientiert sich demgegenüber schon immer weitaus stärker an einem unternehmerisch tätigen Produzenten, der mit großem Eigenanteil produziert und die spätere Verwertung kontrolliert. Möglich ist diese Stärke im US-System durch größere Eigenkapitalanteile sowie durch ein weitaus weiteres Verwertungsnetz. Genannt sein sollen hier der englischsprachige Weltmarkt und das spezifische US-System der Zweitverwertung von TVProgrammen im Rahmen der Syndications.⁵ Diese unterschiedlichen Ausrichtungen werden maßgeblich auch die Zukunft der Entwicklungen beeinflussen, in der Art und Weise wie die innovativen neuen Technologien und Verwertungsformen den Markt verändern werden. In Deutschland liegt der durchschnittliche Anteil nationaler Produktionen bei ca. 20 bis 25 Prozent der gezeigten Filme. Der prozentuale Anteil am gesamten Kinokartenverkauf steigt immer dann erheblich an, wenn einer der »üblichen« Blockbustern von Bully Herbig, Otto oder Til Schweiger ins Kino kommt, und er fällt anschließend genauso zuverlässig wieder ab.⁶
[16]
Kritsch betrachtet bleibt der Anteil deutscher Produktionen so über die Jahre betrachtet erstaunlich konstant. Trotz langer intensiver Bemühungen der Politik, der Kultur- und der Wirtschaftsförderung im Filmmetier.
2.1 Die Anfänge einer neuen Industrie
Um 1895 gab es, mehr oder weniger gleichzeitig, in verschiedenen Ländern die ersten Vorführungen von Filmen, von »Bewegten Bildern« oder »Lebenden Photographien«.
2.1.1 In Deutschland
Im deutschen Kaiserreich erfolgte bereits am 1. November 1895 die weltweit erste öffentliche Vorführung vor einem Eintritt zahlenden Publikum im Berliner »Wintergarten«, einem bekannten Varietétheater. Die Gebrüder Max und Emil Skladanowsky experimentierten lange mit Nebelbildern und wandten sich später den fotografischen Bildsequenzen zu. 1894/85 entwickelten sich dazu die notwendigen Techniken. Die erste Kamera nannten sie »Kurbelkiste I«. Dem zur Projektion erforderlichen Vorführapparat gaben die Gebrüder Skladanowsky – wie später ihrer gesamten Kinotechnik – den Namen »das Bioskop«. Sie überließen schließlich die gesamte von ihnen entwickelte Filmtechnik für eine einmalige Gage von 2.500 Reichsmark dem Varieté Wintergarten zur weiteren Auswertung. Das aus kleinen Kurzfilmchen bestehende Programm der Skladanowskys bildete hier die Schlussnummer im üblichen Varietéprogramm, und wurde stets vor einem mit 1.500 Zuschauern ausverkauftem Haus gespielt. Zur breiteren Marktetablierung wie auch zur technischen Weiterentwicklung fehlte den Skladanowskys allerdings das nötige Kapital und vielleicht auch das kaufmännische Geschick. Max Skladanowsky stieg schon 1897 wieder aus dem Geschäft der bewegten Bilder aus. Letztlich war das Bioskop mit seiner noch nicht ausgereiften Technik ein kurzlebiges technologisches Vergnügen, das den rasanten Entwicklungen seiner Konkurrenztechnologien in Frankreich und den USA nicht standhalten konnte.
2.1.2 In Frankreich
Hier entwickelten die Gebrüder Auguste Lumière und Louis Lumière⁷ ein dem Bioskop der Skladanowskys technisch überlegenes System, das sie erst Projekt »Domitor«, später dann »Cinématographe« nannten. Beim Bioskop wurden die
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Filmstreifen (in der Frühphase waren diese noch aus Papier) mit Schusterösen aus Messing perforiert und verbunden. Außerdem rasselten bei den Skladanowskys jeweils zwei schwierig zu synchronisierende Filmstreifen mit umständlich abwechselnd montierten Phasenbildern durch den Projektor. Die Gebrüder Lumiére hingegen setzten schon von Anfang an auf Perforationslöcher und eine einstreifige Filmvorführung, bei der die Transportphase der Bilder durch eine Dunkelblende kaschiert wurde. Der Cinématographe, und dies war ein weiteres Erfolgskriterium, diente dabei sowohl zur Aufnahme, als auch zum Kopieren und Vorführen der Filme. Der Cinématographe hatte damit schon alle auch heute noch bestehenden grundsätzlichen technischen Elemente, insbesondere auch einen Vorläufer des u.a. von dem Deutschen Oskar Messter 1896 weiterentwickelten Malteserkreuzes. Dieser raffinierte Greifermechanismus bewirkt, dass das Filmband zur Belichtung, bzw. zur Projektion, kurzzeitig vollkommen stillsteht. Außerdem sorgt eine drehbare Blende dafür, dass während des periodischen Weitertransports des Filmstreifens kein Licht auf Filmfenster fallen kann. Die