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8 Meisterkrimis Januar 2023
8 Meisterkrimis Januar 2023
8 Meisterkrimis Januar 2023
eBook1.527 Seiten15 Stunden

8 Meisterkrimis Januar 2023

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Über dieses E-Book

8 Meisterkrimis Januar 2023

von Alfred Bekker

 

Über diesen Band:

 

Dieser Band enthält folgende Krimis

von Alfred Bekker:

 

Kommissar Jörgensen und der Mörder aus dem Museeum

Der Amokläufer

Flammentod

Stirb, Schnüffler!

Tuch und Tod

Mörder Chip

Der Hacker

Hass, der wie Feuer brennt

––––––––

 

Alfred Bekker schrieb als Neal Chadwick

Jo Walker alias Kommissar X ist der beste Privatdetektiv von New York. Er knackt die härtesten Fälle und stellt sich dem Verbrechen. Da, wo die Polizei längst aufgegeben hat, nimmt Walker die Ermittlungen auf.

––––––––

 

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum2. Jan. 2023
ISBN9798215180631
8 Meisterkrimis Januar 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    8 Meisterkrimis Januar 2023 - Alfred Bekker

    8 Meisterkrimis Januar 2023

    von Alfred Bekker

    Über diesen Band:

    Dieser Band enthält folgende Krimis

    von Alfred Bekker:

    Kommissar Jörgensen und der Mörder aus dem Museeum

    Der Amokläufer

    Flammentod

    Stirb, Schnüffler!

    Tuch und Tod

    Mörder Chip

    Der Hacker

    Hass, der wie Feuer brennt

    ––––––––

    Alfred Bekker schrieb als Neal Chadwick

    Jo Walker alias Kommissar X ist der beste Privatdetektiv von New York. Er knackt die härtesten Fälle und stellt sich dem Verbrechen. Da, wo die Polizei längst aufgegeben hat, nimmt Walker die Ermittlungen auf.

    ––––––––

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author 

    COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Kommissar Jörgensen und der Mörder aus dem Museum

    von Alfred Bekker

    1

    Das Zoologische Museum in Hamburg ist einzigartig. Es beherbergt eine Vielzahl von Exponaten und ist eine echte Augenweide.  Die Atmosphäre ist sehr angenehm. Die Sammlungen sind sehr umfangreich und interessant. Das Museum ist sehr gut besucht und es gibt immer wieder neue Dinge zu sehen.

    Ich stand vor dem großen Gebäude und sah mich um. Die Straße war voller Menschen, die in alle Richtungen unterwegs waren. Vor mir ragte das zoologische Museum in die Höhe, ein riesiges, imposantes Gebäude mit vielen Fenstern. Ich ging näher heran und betrat es.

    Im Innern des Museums war es ruhig und still. Die Wände waren mit bunten Tapeten bedeckt und an den Decken hingen Kronleuchter. In den Vitrinen lagen Knochen und Fossilien ausgestellt. Es gab auch Aquarien mit exotischen Fischen und Terrarien mit seltenen Tieren. In einem der Räume sah ich ein riesiges Skelett eines Blauwals, das mich beeindruckte.

    Ich wanderte durch das Museum und bewunderte die vielfältige Sammlung an Tieren. Es war faszinierend zu sehen, wie viele verschiedene Arten von Lebewesen es auf der Erde gibt.

    Dann stieß ich auf die präparierten Nashörner.

    Die sahen mich an, als wollten sie gleich losstampfen und mich über den Haufen rennen.

    Tote Nashörner, konserviert für die Ewigkeit.

    Das alles ist jetzt viele Jahre her.

    Ich war noch Schüler.

    Und ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass ich genau diesen Nashörnern mal beruflich begegnen würde - als Verdächtige in einer Mordermittlung.

    Mein Name ist Uwe Jörgensen. Ich bin Kriminalhauptkommissar und Teil einer in Hamburg angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen ‘Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.

    Die schweren Fälle eben.

    Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.

    Zusammen mit meinem Kollegen Roy Müller tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. »Man kann nicht immer gewinnen«, pflegt Kriminaldirektor Bock oft zu sagen. Er ist der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.

    *

    »Zugriff!«, kam der Einsatzbefehl über das Headset.

    Ich lief in geduckter Haltung aus meiner Deckung an der Ecke des Lagerhauses heraus und rannte über die Pier. Roy folgte mir. Wir trugen Kevlar-Westen und Einsatzjacken, die uns als Polizisten kenntlich machten.

    Gut zwanzig Meter ohne Deckung waren es bis zum Liegeplatz der PANAMA STAR, eines Frachters, der unter irgendeiner Billigflagge fuhr. Ich sprang von der Kaimauer aus an Deck und lief mit der Dienstwaffe in der Faust in Richtung der Brücke.

    Hinter einem der Aufbauten tauchte ein Mann in dunkler Lederjacke und Wollmütze auf. Er riss die Maschinenpistole vom Typ Uzi hoch, die er an einem Riemen über der Schulter trug. Er feuerte augenblicklich. Blutrot zuckte das Mündungsfeuer aus dem kurzen Lauf der Uzi hervor wie eine flammende Drachenzunge.

    Ich feuerte ebenfalls, aber meine Kugel ging ins Nichts. Gleichzeitig spürte ich mindestens ein halbes Dutzend Einschläge auf meinem Oberkörper. Die Kugeln wurden zwar durch die Schutzweste aufgefangen und glücklicherweise war die Munition einer Uzi relativ kleinkalibrig – aber trotzdem kam jeder dieser Treffer einem mittleren Faustschlag gleich. Ich taumelte zurück.

    Doch gleichzeitig wurde auch der Uzi-Schütze nach hinten gerissen. Seine Lederjacke hatte plötzlich ein großes Loch. Darunter kam graues Kevlar hervor, so wie wir es auch trugen. Unser Kollege Tobias Kronburg, der zusammen mit einem Dutzend weiterer Kriminalkommissare auf das Schiff zugestürmt war, hatte seine Waffe bereits in dem Moment abgefeuert, in dem der Kerl auf mich zu feuern begann.

    Nur benutzte Tobias einen Revolver vom Kaliber 357 Magnum und obwohl der Uzi-Schütze ebenfalls durch eine kugelsichere Weste geschützt war, traf ihn dieser Schuss mit der Wucht eines Dampfhammers. Benommen rutschte er an der Wand der Schiffsaufbauten zu Boden, während ich nach Luft schnappte. Offenbar hatte ich außer den Treffern, die in meiner Weste gelandet waren, nichts abbekommen.

    Roy überholte mich.

    »Waffe weg, Polizei!«, rief er.

    Der Uzi-Schütze umklammerte immer noch den Griff seiner Waffe, allerdings war er im Moment wohl nicht einmal in der Lage, um genügend Luft für einen klaren Gedanken zu holen.

    Der Uzi-Schütze zögerte. Dann ließ er die Waffe los. Roy nahm sie ihm weg und legte ihm Handschellen an.

    Unsere Kollegen Tobias Kronburg, Ludger Mathies und Mara Lauterbach waren inzwischen an Bord gekommen und schwärmten in verschiedene Richtungen aus.

    »Alles in Ordnung, Uwe?«, fragte Roy.

    »Außer ein paar blaue Flecken und zerfetzter Klamotten wird wohl nichts bleiben!«, meinte ich.

    Ich setzte mich wieder in Bewegung. Inzwischen kümmerten sich zwei andere Kollegen um den festgenommenen Gefangenen. Mara Lauterbach und Ludger Mathies drangen zur Brücke des Frachters vor. Aber dort war zurzeit niemand.

    Roy und ich folgten unterdessen Tobias Kronburg zur Einstiegsluke in den Hauptladeraum. Tobias riss sie auf. Eine Treppe führte hinunter. Roy ging als Erster. Ich folgte.

    Zur gleichen Zeit drangen Kollegen von über drei weitere Luken ins Innere des Frachters vor. Gleichzeitig näherte sich ein Boot der Hafenpolizei, und ein Helikopter drehte seine Runden über der PANAMA STAR.

    Wer sich jetzt an Bord des Schiffes befand, würde uns unweigerlich ins Netz laufen. Wir drängten uns zwischen Stapeln von Munitionskisten hindurch. Die Aufdrucke ließen keinen Zweifel am Inhalt. Ein Informant hatte uns über eine umfangreiche illegale Waffenlieferung informiert, die gerade im Begriff war, den Hamburger Hafen in Richtung irgendeines Spannungsgebietes zu verlassen. Deswegen waren wir hier. Neben hochmodernen Sturmgewehren und der dazugehörigen Munition sollten sich auch Luftabwehrraketen, moderne Panzerabwehrgeschosse und panzerbrechende Uran-Munition an Bord befinden. Zumindest war davon in der uns zugespielten Lieferliste dieses illegalen Deals die Rede. Ob sie den Tatsachen entsprach, würde sich zeigen, sobald wir die Kisten und Container an Bord geöffnet und überprüft hatten. Falls die Lieferung tatsächlich überwiegend aus Munition bestand, war das ein sehr bedenkliches Zeichen. Es bedeutete nämlich, dass die jeweiligen Abnehmer die dazugehörigen Waffen offenbar schon besaßen.

    Aber mit dem illegalen Waffenhandel war es wie mit dem Rauschgift und anderen Zweigen des organisierten Verbrechens: Wir würden es wohl nie ganz schaffen, solche Aktivitäten vollkommen zu unterbinden. Aber gerade darum durfte man in dem täglichen Bemühen, sie wenigstens einzudämmen, nicht nachlassen.

    Schüsse krachten plötzlich.

    Irgendwo zwischen all den Kisten und Frachtstücken steckte ein Schütze, der mit einer automatischen Waffe mit rascher Schussfolge herumballerte. Querschläger irrten durch den Frachtraum. Hier und da blitzten Funken auf, wenn sie gegen Stahlträger kamen und dann auf eine unberechenbare Bahn geschickt wurden. Hier und da splitterte das Holz der Kisten durch diese Projektile auf.

    Geduckt lief ich vorwärts. Meine Einsatzjacke und das Hemd, das ich darunter trug, hingen mir in Fetzen herab und ich spürte jetzt auch bei jedem Atemzug die Folgen der Projektileinschläge ins Kevlar. Es fühlte sich an, als hätte jemand wie ein Wahnsinniger auf meinem Brustkorb mit den Fäusten herumgetrommelt. Aber es hätte schlimmer kommen können. Der Uzi-Schütze war offenbar von unserem Zugriff letztlich doch so überrascht gewesen, dass er seine Waffe einfach draufgehalten und nicht etwa auf den Kopf gezielt hatte.

    Wieder flogen jetzt Schüsse durch die Luft, von denen niemand sagen konnte, woher sie eigentlich kamen. Der Schütze feuerte einfach gegen die Stahlteile an der Decke des Frachtraum und sorgte dadurch für maximale Gefährdung seiner Verfolger.

    Wie viele Personen sich noch an Bord aufhielten, war uns ohnehin nicht bekannt. Der Informant hatte nur von bewaffneter Bewachung gesprochen.

    Zwischen zwei großen Frachtkisten fand ich ihn dann. Er hatte gerade die gesamte Ladung seiner Automatik leergeschossen und war jetzt im Begriff, ein neues Magazin in den Griff der Waffe hineinzuschieben.

    »Waffe weg, Polizei!«, rief ich.

    Ein Mann mit dunklem Oberlippenbart und großen, etwas hervortretenden Augen sah mich an und erstarrte mitten in der Bewegung. Er trug seine Baseballmütze mit dem Schirm nach hinten. Unter dem offenen Parka war die Kevlar-Weste deutlich zu sehen. Und außerdem trug er ein Headset – fast wie wir, nur dass sein Modell leichter und unscheinbarer war als die Dinger, die wir bei solchen Einsätzen benutzten.

    Bei dem Kerl mit der Uzi war mir ein Headset nicht aufgefallen – was vielleicht dafür sprach, dass es noch mindestens eine Person geben musste, mit der der Mann mit dem Oberlippenbart über Funk in Kontakt stand.

    Er bewegte sich nicht.

    »Denken Sie nicht einmal daran, etwas Verkehrtes zu tun!«, warnte ich.

    Er war klug genug, die Waffe und das Magazin sinken zu lassen. Unser Kollege Fred Rochow schob sich zwischen den eng beieinander stehenden Frachtkisten zu dem Kerl mit der Baseballmütze und legte ihm Handschellen an.

    Ich nahm ihm das Headset ab und lauschte. Es war tot.

    »Sie haben das Recht zu schweigen«, sagte Fred. »Sollten Sie auf dieses Recht verzichten, kann und wird alles, was Sie von nun an sagen ...«

    In diesem Moment hörten wir einen heftigen Schusswechsel am anderen Ende des Frachtraums. Ein Schrei gellte.

    »Was ist da los?«, fragte die Stimme unseres Kollegen Stefan Czerwinski über das Headset. Stefan hatte die Einsatzleitung. In unserem Präsidium war er der zweite Mann nach dem Chef.

    »Hier Diethert. Ich habe einen Mann erschossen!«

    Sören Diethert war ein junger Kollege, der frisch von der Polizeiakademie kam und noch nicht lange bei uns war. Die Art und Weise, wie seine Stimme über das Headset kam, ließ keinen Zweifel daran, dass er ziemlich mitgenommen war und vermutlich unter Schock stand.

    »Der hatte eine Waffe in der Hand und auf mich gerichtet«, sagte Diethert.

    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, antwortete Stefan. »Es ist gleich jemand bei Ihnen.«

    »Hier Uwe!«, mischte ich mich in die Unterhaltung ein. »Trägt der Tote ein Headset?« Ich bekam zuerst keine Antwort. »Sören?«, hakte ich nach.

    »Kein Headset«, lautete die Antwort.

    ––––––––

    2

    Für den Mann, den unser Kollege Sören Diethert erschossen hatte, konnte niemand mehr etwas tun. Der Spurenlage zufolge hatte  er eine großkalibrige Automatik auf Sören gerichtet und der hatte geschossen. Er trug einen Führerschein bei sich, demzufolge er Edgar Soros hieß. Ob die Identität stimmte, würde sich erst noch herausstellen müssen. Draußen auf dem Pier fuhren mehrere unserer Einsatzfahrzeuge auf. Wir gaben die Daten, die wir über den Toten und die beiden Gefangenen ermitteln konnten, gleich in unserem Präsidium weiter, wo Max Warter und die Innendienst-Kollegen der Fahndungsabteilung sich darum kümmerten, sie mit unseren über das Datenverbund SIS zugänglichen Informationen abzugleichen.

    Der Mann mit der Baseballmütze und der Automatik hieß Erik Tabbert. Zumindest besaß er unter diesem Namen einen Ausweis der Hafenarbeitergewerkschaft. Der Uzi-Schütze mit der Lederjacke, der mich mit dem Trommelfeuer seiner Maschinenpistole malträtiert hatte, trug Papiere bei sich, die ihn als Jay McCough auswiesen. Er besaß einen britischen, einen irischen und einen südafrikanischen Pass unter diesem Namen, wobei die Schreibweise von 'McCough' manchmal etwas abwich. In Großbritannien schrieb er sich 'MacCough'. Auch er hatte definitiv kein Headset bei sich getragen, was die Frage umso drängender werden ließ, mit wem Erik Tabbert wohl in Verbindung gestanden hatte.

    Wir durchsuchten fieberhaft das ganze Schiff, aber außer den drei Männern war definitiv niemand an Bord. Inzwischen öffneten Kollegen die ersten Frachtkisten, um zumindest einen ungefähren Überblick darüber zu erhalten, was sich an Waffen und Munition an Bord befand.

    Insgesamt entsprach es ungefähr der Frachtliste, die uns unser Informant zugespielt hatte. Die an Bord eingelagerte Munition reichte, um mehrere Wochen einen Kleinkrieg zu führen und dabei sogar mit Luftabwehrraketen und panzerbrechenden Geschossen gegen Flugzeuge und Panzer vorzugehen.

    Unsere Erkennungsdienstler Frank Folder und Martin Horster trafen ein und Frank nahm sich das Headset wie das dazugehörige Mobilfunkgerät vor, das wir bei Erik Tabbert gefunden hatten. Der Mann mit dem Oberlippenbart schwieg beharrlich dazu, mit wem er damit in Verbindung gestanden hatte.

    »Sie sollten jetzt reden, Herr Tabbert«, bemühte sich Roy vergeblich. »Jetzt ist Ihre Aussage noch etwas wert – wenn Sie erst so lange warten, bis wir jedes kleine Detail selbst herausbekommen haben, dann ist es zu spät und kein Staatsanwalt gibt Ihnen dann noch irgendwelchen Strafrabatt auf das, was Sie zu erwarten haben.«

    Erik Tabbert grinste uns an.

    »Na, dann sehen Sie mal zu, was Sie alles herausbekommen, ohne dass ich den Mund aufmache!«, meinte er. »Ich habe hier nur Wache gehalten und bin dafür bezahlt worden, aufzupassen, dass niemand Unbefugtes an Bord kommt – und ich wette, es wird Ihnen schwer fallen, mir vor Gericht irgendetwas anderes nachzuweisen.«

    Er schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein.

    »Ich glaube, dass Sie Ihre Lage völlig falsch einschätzen«, meinte Roy.

    »Ach, wirklich? Ich glaube, dass Sie Ihre Lage falsch einschätzen.« Erik Tabbert wandte den Kopf in meine Richtung. »Und insbesondere gilt das für Sie!«

    »Für Sie Herr Jörgensen, so viel Zeit muss sein.«

    »Ich werde aussagen, dass sich von euch niemand als Polizist zu erkennen gegeben hat, sondern dass Sie und Ihresgleichen stattdessen rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch gemacht haben.«

    »Es ist Ihr gutes Recht, zu behaupten, was Sie wollen, Herr Tabbert«, erwiderte ich, obwohl mich Tabberts überhebliche Art innerlich zur Weißglut brachte. Wahrscheinlich glaubte er, dass die Hintermänner dieses Deals ihm einen guten Anwalt spendieren würden. Vermutlich hatte er sogar recht damit. Aber in diese Fall bedeutete das wohl kaum, dass er juristisch mit einem blauen Auge davon kam. Schließlich hatte er Polizisten beschossen – und Angriffe auf Polizisten wogen vor Gericht schwer. Anscheinend war ihm das allerdings noch nicht so richtig klar.

    »Mit wem waren Sie in Verbindung?«, fragte ich. »Wenn Sie wirklich bei dieser Sache hier eine so harmlose Rolle gespielt haben, wie Sie uns gerade weiszumachen versucht haben, dass spricht doch nichts dagegen, dass Sie uns verraten, wer Ihnen über das Headset Anweisungen gegeben hat und wo wir denjenigen finden.«

    »Ich sage gar nichts mehr ohne juristischen Beistand«, erklärte Tabbert.

    »Und was ist mit dem Kapitän? Es war kein Kapitän und kein Offizier an Bord. Aber das Schiff sollte in zwei Stunden auslaufen. Wie ist das zu erklären?«

    »Kein Kommentar.«

    Vermutlich hatte der Kapitän irgendwo ruhig abgewartet und wäre mit seinen Schiffsoffizieren erst kurz vor dem Auslaufen an der Pier eingetroffen, während die untergeordneten Chargen die Drecksarbeit machen und ihren Kopf hinhalten mussten. Und genau so war es nun ja auch geschehen. Tabbert hatte Handschellen angelegt bekommen, McCough ebenfalls und der dritte Mann in diesem Wächter-Trio lebte nicht mehr.

    »Es hat keinen Sinn, Uwe«, raunte Roy mir zu.

    Vermutlich hatte er recht. Es war immer dasselbe. Leute wie Tabbert gingen lieber etwas länger in den Knast, als dass sie mit uns kooperiert hätten. Sie fürchteten einerseits den langen Arm des organisierten Verbrechens und andererseits verließen sie sich darauf, dass ihre Bosse sie rauspaukten. Oft genug klappte das auch.

    Aber nicht in diesem Fall. Dafür, so hatten wir uns stillschweigend vorgenommen, würden wir mit allen zu Gebote stehenden Mitteln sorgen.

    Wenig später, während die Gefangenen bereits abtransportiert wurden, sprach Frank Steinburg uns an. Dabei hielt er ein Gerät in der Hand, mit dem Tabberts Headset verbunden gewesen war.

    »Tabbert hatte eine ganz normale Handyverbindung angewählt«, meinte Frank. »Soviel zumindest konnte ich herausfinden. Es gibt keine komplizierten Codes. Max hat den Geburtstag von Tabbert nachgesehen und siehe da, die Fantasie beim Einsatz von Passwörtern und Pin-Codes ist wie üblich sehr beschränkt.«

    »Verstehe«, murmelte ich. »Weißt du irgendetwas über den anderen Gesprächsteilnehmer?«

    »Nein – abgesehen von der Nummer, die er benutzte. Die gehört zu einem Wegwerfhandy. Man könnte herausfinden, innerhalb welcher Funkzelle es zuletzt benutzt wurde, aber bis wir die Daten haben, ist der Besitzer des Gerätes längst über alle Berge.«

    »Es könnte sich um den Kapitän handeln«, meinte Roy. »Der ist bislang hier nicht aufgetaucht und wahrscheinlich wird er das auch nicht mehr, weil er gewarnt wurde.«

    Als Kapitän des Schiffes war ein gewisser Lutz Gattmann eingetragen. Sein gegenwärtiger Aufenthaltsort war nicht bekannt. Dasselbe galt für seine Crew. Eigentlich hatten wir gehofft, Gattmann bei unserem Zugriff festnehmen zu können. In diesem Punkt hatten wir uns verrechnet.

    Ich nahm mein Handy und telefonierte mit Max Warter aus unserer Fahndungsabteilung.

    »Wir suchen Lutz Gattmann, den Kapitän der PANAMA STAR und seine Crew, die uns leider nur zum Teil namentlich bekannt ist. An Bord waren nur die drei Wachhunde, deren Daten ihr bereits habt.«

    »Aber das Schiff sollte doch in Kürze auslaufen?«

    »Die Formalitäten waren wohl schon erledigt und es war anscheinend so geplant, dass die Crew erst in allerletzter Minute zum Schiff kommt.«

    »Dann werden wir am besten die Hotels im Umkreis der Pier systematisch telefonisch abfragen und dann den Radius erweitern«, schlug Max vor. »Ich hätte an Stelle des Kapitäns auch eine enge Schiffskabine mit einem Hotelzimmer vertauscht.«

    »Wir werden schon herauskriegen, wo der Kapitän steckt«, war ich zuversichtlich. »Was ist mit den drei Männern, die an Bord waren – gibt es über die irgendwelche Erkenntnisse?«

    »Erik Tabbert, Jay McCough und Edgar Soros haben alle ein langes Vorstrafenregister. Körperverletzung, illegaler Waffenbesitz und dergleichen mehr. Und sie haben alle drei mehr oder weniger starke Verbindungen zu einem dubiosen Im- und Export-Kaufmann namens Gregor Tempel, dem Besitzer von TEMPEL GmbH. Da liefen in der Vergangenheit einige Verfahren wegen illegaler Waffen- und Technologie-Exporte. Außerdem ging es um die verbotene Einfuhr exotischer Tiere, Kunstgegenstände und so weiter.«

    »Das heißt, dieser Tempel handelt mit allem, was gut, teuer und verboten ist«, stellte ich fest.

    »Auf diesen Nenner kann man es bringen, Uwe.«

    »Worin bestand die Verbindung der drei Typen, die auf dem Schiff waren, zu Tempel?«

    »Sie waren zu unterschiedlichen Zeiten bei ihm angestellt. Und vor drei Jahren ist Tempels Teilhaber Rex Dobahn unter mysteriösen und bis heute ungeklärten Umständen getötet worden. Erik Tabbert, Jay McCough und Edgar Soros wurden damals von der zuständigen Mordkommission als Verdächtige verhört worden.«

    »Aber da war nichts dran?«

    »Offenbar konnte der Verdacht nicht erhärtet werden. Die drei hatten Alibis, die nicht zu widerlegen waren. Aber du weißt ja, wie so etwas geht. Da ist vielleicht auch nur jemand um einen Gefallen gebeten worden und hat die drei dann in irgendeiner Bar die ganze Nacht gesehen, die dann zufällig einem Geschäftsfreund von Tempel gehörte – oder so ähnlich.«

    »Vielleicht müssen wir das jetzt noch mal unter die Lupe nehmen.«

    »Ein Kollege ist schon dabei«, versprach Max.

    »Es würde mich interessieren, ob es auch zwischen dem Kapitän des Schiffes und Tempel eine Verbindung gibt.«

    »Ich hatte noch keine Zeit, das ausreichend zu überprüfen«, erklärte Max. »Aber Jens-Dietrich hat herausgefunden, dass die panamaische Reederei, in deren Besitz die PANAMA STAR fährt, zumindest teilweise Tempel gehört. Er hat auf jeden Fall über eine Tarnfirma auf den Cayman-Islands seine Finger drin.«

    Bei dem erwähnten Jens-Dietrich handelte es sich um unseren Kollegen Jens-Dietrich Richartz, unseren Fachmann für betriebswirtschaftliche Fragen. Kollegen wie er halfen uns dabei, den verbotenen Geldströmen zu folgen, die das organisierte Verbrechen hinterließ. Folgte man diesen Strömen, fand man fast immer auch die eigentlichen Hintermänner.

    Ob man sie dann auch juristisch zur Verantwortung ziehen konnte, war natürlich eine zweite Frage.

    ––––––––

    3

    Wir statteten Gregor Tempels Firma TEMPEL GmbH. einen Besuch ab. Diese Im- und Exportfirma hatte in den letzten zehn Jahren mindestens so oft ihren Namen wie ihren Standort gewechselt und hatte außerdem eine äußerst undurchsichtige Struktur, was die Besitzverhältnisse anging. Es gab da offenbar ein paar stille Teilhaber, die über Beteiligungen an Briefkastenfirmen ihren Einfluss auf die Firma ausübten.

    Bislang hatte weder unser Betriebswirtschaftler Jens-Dietrich Richard, noch die Kollegen der Steuerfahndung dieses Netz wirklich entwirren können. Darüber hinaus war an der Vita des größten Anteilseigners und Geschäftsführers Gregor Tempel noch bemerkenswert, dass er mit einer früheren Firma Bankrott gegangen war und deswegen eine Anklage wegen Konkursbetrugs am Hals gehabt hatte.

    Er war allerdings mit einer vergleichsweise milden Bewährungsstrafe davongekommen. Es hatte offenbar eine Absprache mit der Staatsanwaltschaft gegeben.

    Gregor Tempels Firma hatte ihren Hauptsitz seit kurzem in Geesthacht der Nähe der Elbe. Die Grundstückspreise waren dort für Gewerbeflächen sicherlich um einiges preisgünstiger als in Hamburg.

    Auf dem in Sichtweite des Elbe befindlichen Geländes befanden sich mehrere Lagerhäuser und ein Gebäude, in dem die Büros untergebracht waren.

    Unsere Kollegen Ludger Mathies und Tobias Kronburg begleiteten uns. Außerdem waren noch Erkennungsdienstler und Kollegen aus dem Innendienst dabei, denn wir hatten einen Durchsuchungsbefehl für sämtliche Firmenräume.

    Nach den ersten Ermittlungsergebnissen war es für unseren Chef, Herrn Jonathan D. Bock, keine Schwierigkeit gewesen, dafür die nötigen Beschlüsse zu erwirken.

    Unterstützt wurden wir von Beamten der Polizei, die dafür sorgten, dass nicht einmal mehr eine Maus das Firmengelände noch unkontrolliert hätte verlassen können.

    »Sieht etwas heruntergekommen aus«, meinte Roy, während ich den Wagen vor das einstöckige Flachdach-Gebäude parkte, in dem die Firmenbüros untergebracht waren.

    Eine Reihe von alten PKWs der Marke Mercedes befand sich im hinteren Teil des Geländes. Alles Limousinen, alle ohne Nummernschild und alle schon etwas rostig.

    »Ich weiß nicht, wohin Tempel diese Rostlauben da vorne verticken will, aber für mich sieht das ganz und gar nicht nach einem wirklich lohnenden Geschäft aus.«

    »Ist es vielleicht auch gar nicht«, meinte ich.

    Roy drehte den Kopf in meine Richtung und hob die Augenbrauen.

    »Du meinst, das alles hier ist nur Tarnung für Tempels eigentliche Geschäfte?«

    »So könnte es sein.«

    »Mal sehen, was Herr Tempel uns dazu sagt.«

    Wir stiegen aus.

    Während sich unsere Kollegen um die Lagerhäuser kümmerten und feststellten, ob dort jemand war, gingen Roy und ich geradewegs zum Eingang des Bürobungalows.

    »Polizei. Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss für das gesamte Firmengelände«, sagte ich, als sich an der Sprechanlage eine Frauenstimme meldete. »Machen Sie bitte die Tür auf, sonst müssen wir uns gewaltsam Zutritt verschaffen!«

    Man ließ uns herein. Eine Frau mit brünetten, langen Haaren, schätzungsweise Ende zwanzig bis Anfang dreißig, kam uns entgegen. Sie trug Jeans und eine graue Jacke mit einem riesigen weißen Knopf, der irgendwie sofort die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zog.

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei Hamburg. Dies ist mein Kollege Roy Müller.«

    »Kriminalpolizei Hamburg. Was machen Sie denn hier in Geesthacht?«, fragte die junge Frau.

    »Erstens gehört Geesthacht zu unserem Einsatzgebiet und zweitens wohnt Herr Tempel immer noch in Hamburg. Übrigens wird seine Privatwohnung im Moment auch gerade von Kollegen unter die Lupe genommen.«

    »Was ist los? Wieder mal eine dieser Justizschikanen, mit denen Ihresgleichen unsere Firma schon seit Jahren verfolgt?«

    »Wer sind Sie?«

    »Diana Harm. Ich bin hier Traffic Manager. Früher nannte man das Sekretärin. Aber das klingt nicht so gut.«

    »Wo ist Herr Tempel?«

    »Ich habe keine Ahnung, Herr Jörgensen«, versicherte Diana Harm mir.

    »Wer befindet sich derzeit noch im Haus?«

    »Nur Herr Björn Schmitz, einer unserer Buchhalter.«

    »Und in den Lagerhallen?«

    »Niemand.«

    »Sieht nicht gerade nach reger Geschäftstätigkeit aus.«

    »Es ist eben mal mehr und mal weniger los.«

    Ich ging an ihr vorbei, als ich aus einem der Büroräume ein Geräusch hörte. Türen gab es in dem Bürobungalow nicht. Ich war mit wenigen Schritten am Ende des Flures, folgte dem Geräusch in einen mittelgroßen Büroraum, der mit Schreibtischen und Regalen vollgestellt war. Die Computerbildschirme hatten XXL-Format und es gab außer einem Kopierer und der üblichen Büro-Elektronik auch einen Schredder, der offenbar gerade in Gebrauch war. Ein grauhaariger Mann mit breiten Schultern und streng wirkenden Hornbrille war damit beschäftigt, Papiere zu vernichten und ich hatte den Verdacht, dass er damit vermutlich erst angefangen hatte, als er uns auf das Firmengelände hatte fahren sehen.

    »Schluss damit!«, rief ich und hielt ihm meinen Dienstausweis entgegen. »Hier wird kein einziges Blatt mehr in den Schredder gegeben.«

    »Herr ... also ... ich ...«

    Er stotterte etwas herum und brachte allerdings keinen verständlichen Satz zustande. Ich deutete auf die Klarsichthülle mit Dokumenten in seiner Hand, die wohl als Nächstes in den Schredder gewandert wären.

    »Legen Sie das auf den Tisch!«

    »In Ordnung«

    »Sind Sie Schmitz?«

    »Ja.«

    »Wo ist Herr Tempel?«

    Er wechselte einen Blick mit Diana Harm, die mir zusammen mit Roy gefolgt war.

    »Er ist heute nicht gekommen«, sagte Schmitz. »Wir haben keine Ahnung, wo er sich befindet. Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber er geht nicht an sein Handy.«

    »Ich brauche die Nummer seines Mobiltelefons«, forderte ich. Vielleicht hatten wir Glück und konnten Tempels Aufenthaltsort mit Hilfe seines Mobiltelefons orten. Vorausgesetzt natürlich, er hatte es auch eingeschaltet.

    ––––––––

    4

    Ich gab die Handynummer an unser Präsidium weiter, nachdem Björn Schmitz sie mir mitgeteilt hatte.

    Schmitz hatte inzwischen den Schredder abgeschaltet, so dass das nervtötende Surren, das dieses Gerät von sich gab, endlich nicht mehr zu hören war.

    Roy deutete auf den Papierkorb, der zu einem Drittel mit dünnen Papierstreifen gefüllt war, zu dem das Gerät Dokumente aller Art verarbeitete.

    »Ihr Chef scheint Ihnen ja eindeutige Anweisungen für den Fall gegeben zu haben, dass wir hier auftauchen.«

    »Nein, das ist Unsinn. Wie hätte er das wissen sollen?«, gab Schmitz unsicher zurück und schob sich mit einer offenbar für ihn typischen Geste seine Brille die Nase empor. Es war bereits das dritte oder vierte Mal, dass er dies innerhalb der letzten Minute getan hatte. Irgendetwas schien ihn sehr nervös zu machen. Roy nahm die Klarsichthülle mit den Dokumenten an sich, die möglicherweise wichtiges Beweismaterial darstellte. Bevor er sich den Inhalt der Klarsichthülle ansah, streifte er sich vorschriftsmäßig ein paar Latexhandschuhe über.

    »Vielleicht hatte Ihr Chef ja einen Grund, um zu befürchten, dass sich die Justiz möglicherweise für ihn interessiert«, gab ich zurück.

    »Björn!«, wies ihn Diana Harm zurecht und ich hatte das Gefühl, dass es vielleicht einen Fehler darstellte, dass die junge Frau bei Schmitz' Erstvernehmung anwesend war.

    Als Björn Schmitz etwas sagen wollte, rief Diana Harm ihn noch einmal bei seinem Namen. »Wir sagen nichts, bis Herr Hoang hier ist.«

    »Wer ist Herr Hoang, und weshalb kommt der jetzt her?«, hakte ich nach und wandte meine Aufmerksamkeit Diana Harm zu. Auch wenn sie offiziell nur 'Traffic Manager' war, sie schien einfach die stärkere Persönlichkeit zu sein und in diesem Büro einen sehr viel größeren Einfluss zu haben, als dieser Rang es vermuten ließ.

    »Herr Hoang ist der Anwalt von Herrn Tempel und wir sollten am besten nichts sagen, so lange er nicht hier ist«, erklärte Diana Harm, während sie die Arme vor der Brust verschränkte. »Und er kommt her, weil ich ihn angerufen habe, kurz bevor Ihre Horde das Firmengelände gestürmt hat. Wir werden kein einziges Wort mehr von uns geben, bis Herr Hoang eintrifft.«

    »Wie Sie wollen, aber ich glaube nicht, dass das besonders klug wäre«, gab ich zu bedenken.

    Diana Harm verschränkte die Arme vor der Brust.

    »Das gesetzlich verbrieftes Aussageverweigerungsrecht, festgeschrieben in der Strafprozessordnung, haben Sie doch noch nicht einfach außer Kraft gesetzt, oder?«, fragte sie mit schneidendem Unterton.

    »Sie sind doch gar nicht verhaftet worden«, gab ich zu bedenken. »Und vielleicht haben Sie mit den illegalen Geschäften Ihres Chefs auch gar nicht so besonders viel zu tun, sondern hier nur ein paar Anrufe angenommen.«

    »Wollen Sie mir jetzt schon einen Deal anbieten, bevor ich verhaftet bin?«, fragte sie und verzog spöttisch das Gesicht.

    »Sagt Ihnen der Name PANAMA STAR etwas?«

    »Heißt nicht ein Club auf St. Pauli so?«

    »Es geht um ein Schiff und eine Ladung Waffen und Munition, die illegal aus dem Land geschafft werden sollten.«

    »Tut mir leid, ich kann dazu nichts weiter sagen.«

    »Wie lange arbeiten Sie hier schon?«

    »Auch dazu mache ich keine Aussage.«

    Mein Handy klingelte. Ich nahm das Gespräch entgegen. Es war Max Warter aus unserem Innendienst.

    »Uwe?«

    »Am Apparat.«

    »Die Mobilfunknummer, die du durchgegeben hast, gehört zu einem Gerät, das noch eingeschaltet ist.«

    »Konnte es geortet werden?«

    »Allerdings. Und jetzt halt dich fest! Es muss sich auf dem Gelände von TEMPEL GmbH. befinden.«

    »Wie bitte?«

    »Du hast richtig gehört – und es gibt keinerlei Zweifel. Das Signal ist sehr gut zu lokalisieren. Übrigens, die Überprüfung von Tempels Privatwohnung war negativ. Stefan und Ollie waren dort und sind nur auf Tempels Lebensgefährtin getroffen.«

    »Und ich wette, die hatte keine Ahnung, wo Tempel steckt!«

    »Du sagst es!«

    »Und irgendwelche Hinweise auf seine Geschäfte und die PANAMA STAR?«

    »Unsere Leute stellen da alles auf den Kopf und untersuchen selbst den Speicher der Spielkonsole auf verdächtige Daten. Sobald sich da noch was ergibt, melde ich mich bei dir.«

    Ich beendete das Gespräch und wandte mich noch einmal an Diana Harm und Björn Schmitz.

    »Unsere Kollegen haben Herrn Tempels Mobiltelefon hier auf dem Firmengelände geordnet. Falls er sich also tatsächlich noch irgendwo auf dem Gelände verstecken sollte, dann sollten Sie es uns jetzt besser sagen.«

    »Unseren bisherigen Aussagen gibt es nichts hinzuzufügen«, sagte Diana Harm abweisend. »Ansonsten wird Herr Hoang alle Fragen für seinen Mandanten beantworten.«

    »Dazu wird er wohl auch nichts sagen können!«

    »Das ist Ihr Pech!« Sie zuckte die Schultern.

    Björn Schmitz schier sich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Er war erneut dabei, seine Brille auf der Nase hochzuschieben. Sie schien dort irgendwie nicht den nötigen Halt für eine stabile Position zu haben.

    »Ist das auch Ihre Meinung, Herr Schmitz?«, mischte sich Roy ein, dem die Nervosität des Buchhalters offenbar auch aufgefallen war.

    »Hören Sie, ich habe mit der ganzen Angelegenheit wirklich nichts zu tun. Ich rechne hier Zahlen zusammen und weiß von keiner PANAMA STAR und irgendeiner Munitionsladung.«

    »Und Tempel?«

    »Die Wahrheit ist, dass er eigentlich schon längst hätte hier sein müssen und wir uns auch schon gewundert haben, wieso er noch nicht aufgetaucht ist. Dass sein Handy hier irgendwo ist, kann ich mir nur so erklären, dass er es vergessen hat, obwohl ...« Björn Schmitz zögerte zunächst, bevor sein Wortfluss schließlich ganz abbrach.

    »Obwohl was?«, hakte Roy nach.

    »Björn, halt den Mund!«, fuhr Diana Harm dazwischen.

    »Soll ich Sie vielleicht mal einen Augenblick hinaus begleiten und Sie in die Obhut unserer Kollegen übergeben?«, fragte ich.

    Diana Harm lief dunkelrot an. In ihren Augen blitzte es ärgerlich.

    »Sie können mich mal – aber glauben Sie nicht, dass das ohne rechtliche Folgen für Sie bleiben wird, Herr Jörgensen.«

    Das Wort Herr betonte sie dabei auf eine Weise, die unmöglich freundlich gemeint sein konnte.

    »Ich wollte nur sagen, dass Herr Tempel mit seinen Mobiltelefonen immer sehr eigen war«, meinte Schmitz. »Er hatte drei davon und wenn er mal wirklich eins davon liegengelassen hat, dann hat er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um es wieder in seine Tasche zu bekommen. Fast so, als hinge sein Leben davon ab. Einmal hat er einen Flug nach Chicago gecancelt, nur weil er eines von den Dingern ausnahmsweise mal hier auf seinem Schreibtisch liegengelassen hatte.«

    ––––––––

    5

    Wir instruierten die Kollegen entsprechend, um auf dem Gelände nach Tempel zu suchen. Harm und Schmitz wurden von Kollegen der Polizei bewacht und hatten sich in der Kaffeeküche des Bürobungalows aufzuhalten. Schließlich wollten wir nicht, dass hier im letzten Moment noch irgendwelche Unterlagen vernichtet wurden. Andererseits erschien mir Björn Schmitz‘ Ahnungslosigkeit nicht gestellt zu sein. Er schien in Tempels Geschäfte tatsächlich kaum involviert zu sein und ich fürchtete schon, dass wir vermutlich bei der Durchsuchung der Firmenräume kaum brauchbare Beweise finden würden, die Tempel tatsächlich mit der PANAMA STAR und dem illegalen Waffenhandel in Verbindung bringen konnten.

    Offenbar war Tempel ziemlich geschickt darin gewesen, eine überzeugende geschäftliche Fassade aufzubauen.

    »In den Lagerhäusern war niemand«, berichtete uns Tobias Kronburg, als Roy und ich ins Freie traten. »Und wenn ihr mich fragt, dann war da auch schon lange niemand mehr. Ein paar staubbedeckte Fässer, Stapel mit Autoreifen und einige Stapel mit Kisten stehen da herum.«

    »Mit was für einem Inhalt?«

    »Wir sind noch nicht so ganz durch, aber es scheint sich um Restpostenware zu handeln. Spielzeug, Gartengeräte,  Bleistifte, Scherzartikel – kurz gesagt, alles was nicht verrottet und billig ist.«

    »Und was ist in den Fässern?«, hakte Roy nach.

    »Gar nichts«, erklärte Tobias. »Die sind leer. Der Aufschrift und dem Geruch nach war da mal Salatöl drin.«

    »Scheint ja wirklich ein richtiges Gemischtwarenlager zu sein«, mischte sich Roy ein. »Am besten Jens-Dietrich kümmert sich mal darum.«

    Die vorrangige Frage war nun, wo sich Tempel selbst – beziehungsweise sein Handy – befanden. Jeder Quadratzentimeter des Geländes mussten wir jetzt noch einmal absuchen. Die Kollegen waren bereits dabei. Inzwischen hatten wir eine Signalpeilung, die auf vierzig Meter genau war. Das bedeutete, nur eines der Lagerhäuser kam als Quelle des Signals infrage. Das Gebäude war nicht unterkellert.

    Als wir bereits auf dem Weg zu dem betreffenden Gebäude waren, fuhr eine Limousine auf das Firmengelände. Ein champagnerfarbener Mercedes.

    Roy hatte unterdessen zum wiederholten Mal versucht, Tempels Handynummer anzurufen, denn eigentlich hätte das Gerät dann klingeln und einem unserer Kollegen auffallen müssen. Tat es aber nicht. Vielleicht war es auf stumm geschaltet. Oder es befand sich in einem schallisolierten Raum, von dem sich aber im Moment wohl niemand von uns vorstellen konnte, wo sich er befinden sollte.

    Aus der Limousine stiegen einen Mann und eine Frau. Beide waren sehr gut gekleidet. Er trug einen tausend Euro-Maßanzug, sie ein Kostüm, das ihr auf den zierlichen Leib geschneidert war und ihre Figur zwar betonte, aber nicht billig wirkte. Beide hatten asiatische Gesichtszüge. Ich schätzte den Mann auf Mitte dreißig, die Frau auf höchstens dreißig. Das lange schwarzblaue Haar trug sie zu einer elegant wirkenden Hochfrisur aufgesteckt. In den Ohrläppchen steckten Diamanten und am Handgelenk des Mannes blitzte eine Rolex auf.

    Er streckte mir die Hand entgegen.

    »Cheng Hoang von Hoang, Dramann & McCoy.«

    »Uwe Jörgensen, Polizei. Dies ist mein Kollege Roy Müller. Dann sind Sie Herr Tempels Anwalt?«

    »So ist es. Ich wurde angerufen und bin so schnell wie möglich gekommen.«

    Ich wandte mich an die Frau.

    »Und wer sind Sie?« Meinem Gefühl nach war sie nämlich nicht Hoangs Mitarbeiterin. Zumindest nicht nur.

    »Das ist meine Frau May«, erklärte Hoang. »Wir hatten eigentlich einen – wie soll ich sagen? - familiären Termin.«

    »Aber für meinen Mann gehen die Mandanten und der Job immer vor«, sagte May Hoang.

    »Tut mir leid, wir haben uns diesen Termin auch nicht ausgesucht«, erwiderte ich.

    »Was werfen Sie meinem Mandanten vor?«, fragte Cheng Hoang.

    Der Name Hoang kam mir irgendwie bekannt vor. Ich konnte im Moment nur nicht sagen, woran er mich erinnerte. Vielleicht fiel es mir noch ein. Gut möglich, dass es irgendetwas mit früheren Mandanten der Kanzlei Hoang, Dramann & McCoy zu tun hatte.

    »Illegaler Waffenhandel«, sagte ich knapp.

    Ein Fehler, denn jetzt ging Hoangs anscheinend reflexartig funktionierende Anwaltsrhetorik los. »Ich möchte Sie vorsorglich darauf hinweisen, dass sämtliche Aussagen, die ...«

    »Herr Hoang, sparen Sie sich Ihre Hinweise noch einen Moment auf«, schnitt Roy ihm das Wort ab. »Zumindest, bis wir Ihren Mandanten gefunden haben.«

    Ludger Mathies winkte uns zu.

    »Hierher, Uwe! Wir haben Tempel!«

    Wir folgten Ludger Mathies auf die uns abgewandte Seite des Lagerhauses, der als Ursprungsort des Handysignals geortet worden war. An der Rückfront standen eine Reihe von überfüllten Müllcontainern. Einer der Container war offensichtlich halb entleert worden. Kartons und Packpapier lagen daneben auf einem Haufen und einer der Kollegen der Polizei versuchte zu verhindern, dass der Wind etwas davon einfach davontrug.

    Die Containerklappe stand offen. Die Kollegen hatten eine Trittleiter zu Hilfe genommen, um hineinzusteigen.

    Ich war gerade groß genug, zum hineinsehen zu können. Ein Mann lag dort in eigenartig verrenkter Stellung. Auf seiner Stirn war ein roter Punkt zu sehen – das Einschussloch einer kleinkalibrigen Waffe. Die Augen waren weit aufgerissen. Der Mund ebenso.

    Ich hatte die Bilder von Tempel gesehen, die über unser Datenverbundsystem SIS verfügbar waren. Und auch wenn das fratzenhaft erstarrte Gesicht des Toten sich doch ziemlich stark davon unterschied, so war doch eindeutig, wenn wir da vor uns hatten.

    »Ich rufe schon einmal die Gerichtsmedizin und die Kollegen der Erkennungsdienst an«, meinte Roy.

    Ich nickte nur und wandte mich an Hoang.

    »Steigen Sie ruhig auf die Leiter, wenn Sie sich davon überzeugen wollen, was mit Ihrem Mandanten geschehen ist«, schlug ich ihm vor – denn Cheng Hoang war mehr als einen Kopf kleiner als ich und ganz sicher nicht in der Lage, über den Containerrand zu sehen.

    ––––––––

    6

    Ich telefonierte mit den Kollegen, die mit Tempels Lebensgefährtin geredet hatten, damit sie sie noch einmal eingehend befragten.

    Roy fasste unterdessen Cheng Hoang gegenüber kurz zusammen, worum es ging und zeigte ihm auch den Durchsuchungsbeschluss für die Firmenräume und die Privatwohnung.

    Ich hörte, dass Cheng Hoang anfing, Roy auf alle möglichen Rechtsverstöße hinzuweisen, die wir angeblich begangen hätten und bei denen er sich ein juristisches Vorgehen im Interesse seiner Mandantschaft vorbehalten würde. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass er Tempels Tod noch gar nicht wirklich zur Kenntnis genommen hatte.

    Ich beobachtete unterdessen, dass auch May Hoang zwei Stufen der Trittleiter hinaufstieg, um in den Container zu sehen, was mit ihre hohen Absätzen eine Kunst für sich war.

    »Kannten Sie Herr Tempel auch?«, fragte ich, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

    Ihr Gesicht war bis dahin vollkommen glatt und von gleichmütigen, unbeweglichem Ausdruck gewesen. Aber jetzt erschien auf ihrer Stirn für einen Moment eine Zornesfalte. Aus irgendeinem Grund schien es ihr nicht zu passen, dass ich sie darauf ansprach. Aber schon einen kurzen Moment später hatte sie sich wieder vollkommen unter Kontrolle. Ihr Lächeln wirkte geschäftsmäßig und kühl.

    »Flüchtig«, sagte sie. »Er ist ein Mandant meines Mannes und selbstverständlich sind wir uns schon hier und da mal begegnet.« Ihr Lächeln gefror jetzt. Sie wich meinem Blick aus. »Warum fragen Sie, Herr Jörgensen?«

    Meinen Namen hatte sie sich offenbar gemerkt.

    »Wir fahnden in alle Richtungen und jeder Hinweis, so unwichtig er auf den ersten Blick auch erscheinen mag, kann uns weiterbringen.«

    »Na, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Mördersuche.«

    Ich hob die Augenbrauen.

    »Sie sagen das, als ob Sie der Justiz und den ermittelnden Behörden nicht allzu viel zutrauen würden«, stellte ich fest.

    Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.

    »Nein, ganz und gar nicht. Ich traue Ihnen eine Menge zu – nicht nur Ihnen persönlich. Allerdings habe ich festgestellt, dass manchmal große Unterschiede gemacht werden, wer jeweils das Opfer ist. Und da Sie gerade etwas von illegalen Waffengeschäften sagten und das Ganze ja wohl wie eine Abrechnung unter Gangstern aussieht, bezweifle ich, ob Sie sich wirklich so anstrengen werden, als wenn es sich um einen sogenannten rechtschaffenen Bürger handeln würde. Einen Polizisten zum Beispiel.«

    »Da irren Sie sich gewaltig.«

    »Ach ja? Na ja, vielleicht sind wir in dieser Hinsicht auch gebrannte Kinder.«

    »Wieso?«

    »Cheng und ich stammen beide aus Familien vietnamesischer Flüchtlinge, die sich ganz aus eigener Kraft nach oben boxen mussten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    »Durchaus. Aber Sie können sicher sein, dass für uns ein Mord immer ein Mord bleibt, auch wenn das Opfer vielleicht selbst Dreck am Stecken hatte«, erklärte ich. »Das spielt keine Rolle.«

    Ihr Lächeln war äußerst reserviert. Der kurze Blick, mit dem Sie mich musterte, wirkte so, als wollte sie mich wortlos der Lüge bezichtigen.

    May Hoang ging zu ihrem Mann, berührte ihn leicht am Arm und murmelte: »Sieh zu, dass es nicht länger dauert als nötig!«

    Dann ging sie zu dem champagnerfarbenen Mercedes und setzte sich auf den Beifahrersitz.

    Ich sah ihr einen Augenblick nach. Was genau mich an ihr so irritierte, vermochte ich gar nicht zu sagen. Jedenfalls dachte ich länger über sie nach, als es ihrer Bedeutung für diesen Fall eigentlich entsprochen hätte.

    Ich überließ es Roy, sich mit Cheng Hoang herumzuschlagen. Der Tote wurde zunächst im Container gelassen, um keine Spuren zu vernichten. Derweil machten sich einige Kollegen der Polizei schon mal daran, auf dem Firmengelände nach dem eigentlichen Tatort zu suchen. Denn das der nicht mit dem Fundort der Leiche identisch sein konnte, lag eigentlich auf der Hand.

    Abgesehen davon hatte der Täter wahrscheinlich auch Hilfe durch mindestens eine weitere Person gehabt, denn anders wäre es sehr schwierig gewesen, Gregor Tempels Körper in den  Container zu schaffen.

    Wir unterhielten uns noch mal mit Diana Harm und Björn Schmitz. Diesmal wurden beide getrennt vernommen. Beide bestanden darauf, dass Cheng Hoang jeweils anwesend war, wobei ich das Gefühl hatte, dass insbesondere Björn Schmitz sich keineswegs wohl dabei fühlte, dass Hoang dabei war.

    Besonders ergiebig war auch die zweite Befragung nicht. Aber immerhin wussten wir jetzt die Bürozeiten. Offenbar gab es außer den beiden zurzeit bei der TEMPEL GmbH. keine weiteren festen Angestellten.

    Wir zeigten ihnen Bilder der drei Männer, die wir auf der PANAMA STAR angetroffen hatten. Zumindest Edgar Soros, der Mann, den unser Kollege Sören Diethert in Notwehr erschossen hatte, war den beiden bekannt.

    »Ich habe Herrn Tempel vor kurzem heftig mit ihm streiten sehen«, meinte Schmitz. »Allerdings weiß ich nicht, worum es dabei ging. Er fuhr mit dem Wagen vor, polterte gleich ins Büro und dann ist Herr Tempel mit ihm rausgegangen. Die beiden haben viel mit den Armen gerudert, und anschließend ist Soros wieder weggefahren. Dabei haben die Räder seines Sportwagens durchgedreht, so einen Blitzstart hat er hingelegt. Wahrscheinlich kann man die Spuren immer noch auf der Asphaltfläche sehen.«

    »Wann war das?«, hakte ich nach.

    »Vorgestern.«

    Ich wechselte einen kurzen Blick mit Roy. Es war durchaus möglich, dass es da einen Zusammenhang mit der PANAMA STAR gab. Aber nicht zwingend.

    Cheng Hoang verabschiedete sich schließlich mit der Begründung wichtige Termine zu haben. Zuvor schärfte er Björn Schmitz und Diana Harm noch ein, keine weiteren Aussagen zu machen.

    Inzwischen trafen die Kollegen des Erkennungsdienstes ein, darunter auch der Gerichtsmediziner Dr. Bernd Heinz.

    Die Leiche von Gregor Tempel wurde nun aus dem Container geholt und einer ersten Untersuchung unterzogen. Ein einziger wohlgezielter Schuss aus einer Entfernung von nicht mehr als zwei Meter hatte Tempel getötet. In seiner Kleidung wurden alle drei Mobiltelefone gefunden, die er zurzeit in Gebrauch hatte. Eins war abgeschaltet, die anderen befanden sich im Modus für Vibrationsalarm.

    Das 'Abspuren' der Geräteoberflächen hatten die Kollegen rasch hinter sich gebracht, so dass wir die Menüs überprüfen konnten. Zumindest galt das für die beiden eingeschalteten Apparate. Bei dem abgeschalteten Telefon mussten die Kollegen zuerst das Passwort überwinden.

    Interessant waren für uns natürlich die Nummern, mit denen Gregor Tempel in Kontakt gestanden hatte. Seine Lebensgefährtin gehörte dazu, außerdem der Festnetzanschluss seiner Privatwohnung in Hamburg. Darüber hinaus schienen seine Gesprächspartner die Anonymität zu bevorzugen. Es handelte sich fast ausschließlich um Nummern von vertragslosen Wegwerf-Handys, wie wir nach und nach feststellten.

    Natürlich interessierte uns, ob Erik Tabbert mit Gregor Tempel in Kontakt gestanden hatte.

    »Volltreffer!«, sagte Roy, als er auf die entsprechende Daten im Menü stieß.

    »Dann wissen wir, mit wem Tabbert in ständigem Kontakt stand«, stellte ich fest.

    »Ja, und zu dem Zeitpunkt, als unser Zugriff erfolgte, hat Erik Tabbert mehrmals versucht, Gregor Tempel zu erreichen. Aber da war der wohl längst tot. Es gibt hier übrigens noch den Anruf von einer Festnetznummer – gestern.«

    Ich hob die Augenbrauen.

    »Na, da müsste sich doch herausfinden lassen, wem die gehört!«

    Ein Anruf bei Max Warter und wir wussten Bescheid. Die Nummer gehörte zu einem Hotel – keine fünfhundert Meter vom Liegeplatz der PANAMA STAR entfernt.

    »Könnte sein, dass sich da der bis jetzt verschollene Kapitän des Frachters verkrochen hat«, meinte Roy.

    »Fragt sich nur, ob schnell genug jemand dort sein kann, um ihn noch dingfest zu machen«, meinte ich. »Vermutlich ist der längst über alle Berge.«

    »Uwe! Seit wann bist du denn unter die Pessimisten gegangen?«, erwiderte Roy. »Oder liegt das nur daran, weil dir dein Magen so laut knurrt?«

    Roy hatte mich daran erinnert, dass wir schon lange nichts mehr gegessen hatten. Aber bis wir uns darum kümmern konnten, etwas in den Magen zu bekommen, würde es wohl noch etwas dauern.

    Ich griff zum Handy, um noch mal mit unserem Präsidium zu telefonieren. Falls Kapitän Lutz Gattmann und seine Crew in dem Hotel nicht mehr anzutreffen waren, hatten sie ja vielleicht wenigstens ein paar aussagekräftige Spuren hinterlassen.

    ––––––––

    7

    Cheng Hoang und seine Frau redeten kaum ein Wort, während sie nach Hamburg-Mitte fuhren.

    »Er wird sterben«, sagte May schließlich, aber da waren sie schon im Begriff, den nördlichen Teil von Hamburg-Mitte wieder zu verlassen und hatten bereits die Hälfte der Elbbrücke hinter sich.

    »Wir wissen seid langem, dass es so kommen wird«, sagte Cheng Hoang.

    »Es ist so sinnlos.«

    »Dein Vater ist ein tiefgläubiger Mann, May.«

    »Mein Vater glaubte, die katholische Kirche sei die einzige Gegenmacht zum Kommunismus – damals in Vietnam«, antwortete May. »Und es mag sein, dass ihm der Glaube Kraft gibt, sein Schicksal zu akzeptieren. Aber ich kann das nicht. Ich kann weder akzeptieren, dass er einfach so dahinwelkt wie eine verdorrte Blume, noch kann ich unter diesen Umständen an Gott glauben, Cheng.«

    Sie waren beide in Deutschland geboren, damit von Anfang an automatisch deutsche Staatsbürger gewesen. Anders als ihre Eltern sprachen sie kaum noch vietnamesisch. Für sie war das eine Sprache, die man allenfalls in der Familie und im Umgang mit Verwandten benutzte. Untereinander sprachen sie deutsch, ausschließlich deutsch. Ihre Eltern hatten ihnen zwar Vornamen gegeben, die vietnamesisch klangen. May hatte das immer als ein Zeichen dafür angesehen, dass ihre Eltern noch an die Möglichkeit einer Rückkehr glaubten. May hatte das nie getan. Und Cheng ging es genauso.

    Wieder folgte eine Weile des Schweigens.

    Schließlich fragte Cheng Hoang: »Hast du es ihm eigentlich gesagt?«

    »Was meinst du damit, Cheng?«

    »Du weißt ganz genau, was ich damit meine«, stellte Cheng Hoang klar – und der Klang seiner Stimme erinnerte dabei an klirrendes Eis.

    Für den Rest der Fahrt herrschte wieder Schweigen. Sie fuhren nach Harburg hinein. Ihr Ziel war eine zweistöckige Villa umgeben von einem parkähnlichen Grundstück, auf dem mehrere bewaffnete Leibwächter herumpatrouillierten. Sie führten mannscharfe Schäferhunde an der Leine, die Maulkörbe trugen – und das war zweifellos auch gut so.

    May nahm ihre Handtasche an sich und stieg aus. Cheng folgte ihr die Treppen des Eingangsportals empor. Ein Mann mit dunkle Rollkragenpullover und asiatischen Gesichtszügen öffnete ihnen.

    »Mein Vater erwartet uns, Nguyen«, sagte May.

    »Folgen Sie mir!«, antwortete Nguyen mit ausdruckslosem Gesicht. Der Rollkragenpullover war ihm etwas zu groß. Er lag nicht eng an und reichte bis über die Hüfte. Trotzdem drückte sich darunter in Gürtelhöhe sehr deutlich etwas ab, was nur ein Pistolenholster sein konnte.

    Nguyen führte sie durch einen großen Eingangsraum und durchquerte einen weiträumigen Salon. Schließlich erreichten sie einen Wintergarten. Hier herrschte üppiger Pflanzenwuchs. Eine exotische Blütenpracht entfaltete sich, und der schwere Geruch von Orchideen hing in der Luft. Außerdem war es ziemlich warm. Cheng Hoang lockerte seine Seidenkrawatte.

    Ein Mann in einem Rollstuhl saß da und hatte die schräg gestellten, schmalen Augen geschlossen. Der Atem war flach, und er schien eingeschlafen zu sein.

    »Herr Van Dong«, sagte Nguyen. »Ihre Tochter und Ihr Mann sind hier.«

    Nur zögernd öffnete Van Dong die Augen.

    »Das ist gut«, murmelte er. Er hob den Kopf und lächelte matt, als er May sah. »Holen Sie mir jetzt meine Medizin, Nguyen!«, forderte Van Dong.

    »Aber Herr, es ist ...«

    »Es ist sehr wohl schon Zeit dafür«, schnitt Van Dong seinem Leibwächter das Wort ab. »Und abgesehen davon kann es nicht schaden, die Dosis etwas zu erhöhen.«

    »Du solltest es dir einteilen«, mischte sich May ein. »Nashorn-Pulver ist kaum noch zu bekommen. Die Kontrollen sind so streng geworden, dass es immer schwieriger wird, regelmäßig Nachschub an bestimmten Tierpräparaten zu bekommen.«

    »Aber es hilft!«, war Van Dong überzeugt. Er riss dabei die Augen auf und ein schwacher Abglanz ihrer früheren Lebendigkeit kehrte zurück. Für May war es eher schmerzlich, das zu sehen, denn es erinnerte sie daran, wie ihr Vater noch vor wenigen Jahren gewesen war. Ein starker Patriarch, der die Geschicke seiner Familie lenkte – sowohl die privaten wie die geschäftlichen. Und in beiden Bereichen hätte es kaum jemanden gegeben, der auch nur ansatzweise gewagt hätte, ihm zu widersprechen. Als Flüchtling war er nach Deutschland gekommen, aber hier hatte sich Chao Van Dong sein eigenes kleines Reich aufgebaut, in dem er der unbestrittene Herrscher war.

    Bis jetzt zumindest. Denn sowohl May als auch ihrem Vater war klar, dass sich dies im Handumdrehen ändern konnte. 

    Nein, dachte May, in Wahrheit haben die Schwierigkeiten längst begonnen. Und sie würden noch zunehmen. Allein wenn jemand in den Verdacht kam, schwach zu sein, rief das alle diejenigen auf den Plan, die schon lange gerne selbst an Chao Van Dongs Stelle gewesen wären. Aasfresser!, dachte May voller Abscheu. Sie jedenfalls würde bedingungslos zu ihm halten. Bis zum letzten Moment. Und der konnte vielleicht schon schneller kommen, als es eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

    »Mach nicht so ein Gesicht, May! Ich komme wieder auf den Damm. Glaub mir! Und heute fühle ich mich schon viel besser als gestern. Wer weiß, vielleicht brauche ich nächste Woche den Rollstuhl schon gar nicht mehr.«

    »Ja, sicher«, sagte May. Ihr Lächeln wirkte wie gefroren.

    Ich hätte es ihm wirklich sagen sollen, ging es ihr durch den Kopf. Aber andererseits gab es gute Gründe dafür, über gewisse Dinge zu schweigen. Nein, es wäre zu grausam gewesen, ihm jetzt die volle Wahrheit zu offenbaren, meldete sich nun die andere der beiden widerstreitenden Stimmen zu Wort, die schon seit Wochen in ihr heftig gegeneinander redeten. Es würde ihm den letzten Rest seiner Kraft rauben, wenn er die volle Wahrheit wüsste!, hämmerte es in ihr. Sie hatte ungezählte Male mit Cheng darüber gesprochen und immer wieder waren sie am Ende zu genau diesem Schluss gekommen. Aber allein schon die Tatsache, dass sie sich immer wieder ihrer Entscheidung vergewissern mussten, sprach dafür, dass wohl wirklich nicht alle Argumente nur auf einer Seite waren.

    Nguyen kehrte zurück. Auf einem Tablett befanden sich ein Glas Wasser und ein unbeschriftetes Tablettenröhrchen.

    Nguyen setzte das Tablett auf einem kleinen Tisch ab und fuhr den dann Van Dong nahe genug heran, dass dieser sowohl das Wasserglas als auch das Tablettenröhrchen erreichen konnte.

    »Soll ich das für dich machen?«, fragte May.

    »Nein, nein. Du weißt doch, da lass ich sonst niemanden ran!« Der Inhalt des Tablettenröhrchens bestand aus einem grauweißen Pulver. Chao Van Dong schüttete alles in das Wasserglas hinein und rührte es mit einem Teelöffel geduldig um. »Das pulverisierte Horn eines Breitmaulnashorns – seit Jahrtausenden ist das ein Heilmittel der traditionellen Medizin. Allerdings misst unsere moderne Zeit dem Leben von Tieren eine mitunter höhere Bedeutung zu als dem Leben eines Menschen, was sich durch den Erlass von völlig unsinnigen Gesetzen zeigt.« Ein mattes Lächeln spielte um Van Dongs Lippen, während er den Inhalt des Glases zu leeren begann. »Aber das wird mich genauso wenig umbringen, wie all die anderen Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben.« Er leerte das Glas vollends und achtete darauf, dass wirklich auch nicht ein einziges Körnchen von dem Nashorn-Pulver im Glas blieb.

    Dann lehnte sich Chao Van Dong etwas zurück und atmete tief durch. Dabei schloss er noch einmal die Augen, so, als müsste er Kraft schöpfen. Kraft für ein paar anstrengende Aufgaben, die vor ihm lagen.

    »Krebs lässt sich genauso besiegen wie andere Feinde«, meinte Van Dong dann. »Und ihr wisst, dass ich nie zimperlich war. Weder gegenüber anderen, noch gegenüber mir selbst. Also macht euch keine Gedanken. Es wird alles weiterlaufen wie bisher.« Er machte eine ruckartige Bewegung, so als wollte er damit zeigen, wie viel Kraft wieder in ihm steckte und forderte dann: »Zur Sache, Cheng!«

    »Die Sache mit der PANAMA STAR könnte sich zu einem sehr ernsthaften Problem ausweiten«, meinte er. »Die Polizei hat Gregor Tempels Leiche in einem Müllcontainer gefunden und außerdem muss es irgendwo ein undichte Stelle gegeben haben.«

    »Das vermute ich schon länger«, meinte Chao Van Dong. »Aber ein guter Jäger wartet auf den richtigen Moment ...«

    »Und dann gibt es da noch den Kapitän der PANAMA STAR, diesen Lutz Gattmann.«

    »Das Problem ist schon so gut wie gelöst«, erklärte Van Dong. »Mach dir keine Sorgen, Cheng! Du siehst, es gibt auch gute Nachrichten!«

    »Ja«, murmelte Cheng, der einen kurzen Blick mit seiner Frau wechselte.

    ––––––––

    8

    Der tote Tempel wurde schließlich von einem Leichenwagen in das gerichtsmedizinische Institut des Erkennungsdienstes gebracht. Zuständig war Dr. Bernd Heinz.

    »Es ist wie immer, Uwe: Eine sorgfältige Obduktion braucht etwa drei Stunden. Dann habt ihr einen vorläufigen Bericht. Allerdings erwarte ich keine Komplikationen. Eine Kugel in den Kopf zu bekommen, ist schließlich keine schwer zu ermittelnde Todesursache. Aber selbst bei vermeintlich klaren Fällen erlebt man ja immer wieder Überraschungen.«

    »Wir können es kaum erwarten von Ihnen zu hören, Bernd«, sagte ich.

    »Noch was: Es ist von den Kollegen nirgends ein Projektil gefunden worden, und am Hinterkopf gibt es keine Austrittswunde.«

    »Bestätigt den Verdacht eines kleinen Kalibers«, meinte ich.

    »Darauf weist schon die Eintrittswunde auf der Stirn. Aber wenn der Schuss wirklich aus weniger als zwei Metern abgefeuert wurde, wie uns die Schmauchspuren verraten, dann müsste eigentlich auch das kleinste Kaliber hinten am Schädel wieder austreten – es sei denn, das Projektil ist irgendwo steckengeblieben.«

    »Wo zum Beispiel?«

    »Es könnte in die Halswirbelsäule eingetreten sein. Falls das der Fall ist, müsste es dort noch stecken und es gäbe für die Ballistiker etwas zu untersuchen.«

    »Aber würde das nicht auch bedeuten, dass Gregor Tempel von schräg oben erschossen wurde?«, hakte Roy nach.

    Dr. Heinz nickte.

    »Das überschreitet zwar jetzt etwas mein Fachgebiet, aber ich würde trotzdem sagen: ein logischer Schluss.«

    Ich wandte mich an Roy. »Wie groß war Tempel, was schätzt du?«

    »Ein Meter sechsundneunzig laut Pass«, stellte Roy fest.

    Den Pass hatte der Tote nämlich stets bei sich getragen. Offenbar hatte er immer damit gerechnet, dass sich ganz plötzlich die Notwendigkeit einer Auslandsreise für ihn ergab. Für einen Im- und Export-Kaufmann nichts Ungewöhnliches.

    »Das heißt, sein Mörder ist entweder ein Riese gewesen oder ...«

    »Das Opfer hat gekniet«, mischte sich Dr. Heinz noch mal ein. »Kann ich auch erst später sagen. Es gibt zwar Abschürfungen an seiner Jeans, aber das kann normaler Verschleiß oder sogar fabrikationsbedingte Scheinalterung sein. Leider sitzt die Hose so eng, dass ich hier und jetzt unmöglich ein Hosenbein hochkrempeln und einen Blick auf sein Knie werfen kann.«

    »Verstehe«, meinte ich.

    »Aber Sie können sich sicher sein, dass ich auf diesen Punkt ein besonderes Augenmerk legen werde.«

    Etwa eine Viertelstunde später hatten die Spurensicherer des Erkennungsdienstes auch den eigentlichen Tatort ermittelt. Er befand sich am Ende der Gebrauchtwagenreihe.

    Ein dunkler Fleck auf dem Asphalt war von den Kollegen eindeutig als Blutrückstand identifiziert worden. Der Fleck war nicht sehr groß. Außerdem war eine Patronenhülse sichergestellt worden, die nach dem automatischen Auswurf unter einen der Gebrauchtwagen gerollt war.

    Hier hatte der Mord also stattgefunden. Ich sah mich um.

    »Nichts anfassen und keinen Schritt weiter!«, wies mich Karin Buchmann, eine der Erkennungsdienstlerinnen, an. Sie trug einen weißen Schutzoverall mit Kapuze, so dass ich sie zuerst nicht erkannt hatte. Sie deutete auf eine langgezogene Spur am Kotflügel einer Limousine. »Möglich, dass sich das Opfer hier noch festzuhalten versucht hat.«

    »Also scheint Gregor Tempel tatsächlich gekniet zu haben«, stellte ich fest.

    »Sieht fast wie eine Art Hinrichtung aus«, meinte Karin.

    Ich konnte ihr da nur zustimmen.

    »Gut möglich, dass da irgendetwas Persönliches im Spiel war.«

    »Wenn du an so heiklen Geschäften beteiligt bist wie Gregor Tempel, dann ist der Unterschied nicht so eindeutig«, warf unterdessen Roy ein. Als ich ihn etwas irritiert ansah, zuckte er mit den Schultern und fuhr fort: »Jemand wie Tempel muss doch nur einmal nicht geliefert oder einen Teil des Geldes unterschlagen haben – dann bekommt ein geschäftliches Problem aber ganz schnell eine private Note, Uwe.«

    »Und woher der Hass?«, fragte ich.

    Denn das war genau das Wort, das mir hier angebracht schien. Der Täter hatte Tempel aus tiefster Seele gehasst. Wofür auch immer. Aber vielleicht war genau das der Schlüssel dieses Falles.

    ––––––––

    9

    Bevor Roy und ich zurück nach Hamburg-Mitte fuhren, machten wir in einer Filiale einer bekannten Fast Food-Kette Halt, um etwas zu essen. Als wir dann auf der B5 fuhren, hatten wir den Großteil davon bereits gegessen. Roy schaltete den TFT-Bildschirm des Bordrechners ein, während ich den Wagen in Richtung des Hotels lenkte, mit dem Gregor Tempel telefoniert hatte. Der fernmündlichen Abfrage unserer Innendienstkollegen war es aus irgendeinem Grund entgangen. Das konnte viele Gründe haben. Zum einen gab es gewisse Hotels, die grundsätzlich keinerlei Auskünfte erteilen und zum zweiten konnte es sein, dass der Hotelbetrieb vielleicht erst vor kurzem aufgenommen worden war und es sich deshalb noch nicht in den entsprechenden Verzeichnissen zu finden war. Vielleicht stocherten wir ja auch nur im Nebel herum, aber es wäre andererseits nicht das erste Mal gewesen, dass uns ein vergleichbarer Hinweis weitergebracht hatte.

    Irgendwo musste Kapitän Lutz Gattmann schließlich stecken.

    Roy hatte indessen den Rechner vollständig hochgefahren und eine Online-Verbindung hergestellt.

    »Mich interessiert dieser Cheng Hoang«, meinte er. »Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Kann das sein, dass Herr Bock ihn schon mal erwähnt hat?«

    Roy hatte über die Online-Suche auch schnell etwas gefunden.

    »Ein süd-vietnamesischer Staatsmann hieß so ...«

    »Wahrscheinlich ist das dort ein Name wie Schmitz oder Brown.«

    »Möglich.«

    »Hier, jetzt habe ich die Homepage der Anwaltskanzlei«, erklärte Roy. »Cheng Hoang, Robert Dramann und Gerold McCoy haben sich unter anderem auf internationales Handels- und Strafrecht spezialisiert mit besonderem Augenmerk auf Indien und Südostasien. Es gibt Dependancen in Delhi, Singapur und Bangkok.«

    »Beeindruckend.«

    »Ja, nur passt so ein schmieriger Typ wie Gregor Tempel doch gar nicht in das Kundenprofil dieser Leute.«

    »Woher willst du das wissen, Roy?«

    »Ich mein ja nur ...«

    »Bis jetzt hat die ganze Firma den Eindruck gemacht, nur der Tarnung zu dienen. Also sollte man sich nicht vom Schein trügen lassen!«

    »Ich werde mal eine Nachricht an unseren Innendienst schreiben. Die sollen mal herauskriegen, für welche Mandanten diese Kanzlei in den letzten Jahren so gearbeitet hat. Vielleicht erleben wir da ja noch die eine oder andere aufschlussreiche Überraschung.«

    »Schaden kann es auf jeden Fall nicht, das genauer zu wissen«, meinte ich.

    ––––––––

    10

    Das Hotel war eigentlich eine kleine Pension und verdiente den Namen kaum. Von außen verriet nur ein kleines Hinweisschild vor dem Gebäude, dass die dritte Etage von einem kleinen Hotel eingenommen wurde. Im Erdgeschoss gab es Geschäfte. Einen Laden mit Angelbedarf und ein Geschäft, das sich auf antiquarische Comics spezialisiert hatte. Im ersten Stock waren die Büros einer Versicherungsvertretung, dann das sogenannte »Grant Hotel« und darüber das lokale Büro der Hafenarbeitergewerkschaft.

    Wir betraten den Eingangsraum des Hotels, nachdem wir an der Tür geklingelt hatten.

    Ein hagerere Mann, der mindestens siebzig Jahre war, stand hinter einem Tresen. Sein Haar war schlohweiß und sehr spärlich. Außerdem schienen einige seiner Haare elektrisch aufgeladen zu sein, denn sie standen auf groteske Weise in die Höhe. Seine Brille war dicker als manche Flasche und hatte ein messingfarbenes Gestell.

    »Grant Hotel« stand auch noch mal auf einem Schild auf dem Tresen, darunter die Preise, die hier für die Nacht mit Frühstück genommen wurden. Immerhin wurden die Zimmer nicht stundenweise vermietet.

    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Mann. »Das Grant Hotel bietet einen erstklassigen Service und das beste Frühstücksbuffet weit und breit. Das garantiere ich!«

    »Sagen Sie, schreibt man Grant Hotel nicht mit d am Ende von Grant?«, fragte ich.

    »Nicht in diesem Fall. Der Name bezieht sich nämlich auf mich – Alexander Grant!«

    »Ach so.«

    Der Mann lächelte verschmitzt. »Halten Sie mich für einen Analphabeten?«

    »Nein, ich ...«

    »Ich gebe zu, Sie sind nicht der Erste, der mich darauf anspricht. Wie lange wollen Sie bleiben?«

    Ich zog meinen Dienstausweis.

    »Uwe Jörgensen, Polizei. Dies ist mein Kollege Roy Müller, und wir möchten Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«

    »Hören Sie, wenn ich gegen irgendwelche Vorschriften verstoßen habe sollte, dann sehen Sie mir das bitte nach. Ich betreibe das Hotel erst seit einem Monat. Es ist nämlich so: Diese Etage habe ich von meinem Großonkel Rolf Gonnery geerbt. Der hat hier die letzten Jahre ganz allein gelebt, können Sie sich das vorstellen. Ich habe regelmäßig bei ihm vorbeigeschaut, damit er nicht völlig ...«

    »Herr Grant ...«, versuchte Roy ihn zu unterbrechen.

    Aber das war nicht so einfach. Alexander Grant redete nämlich einfach in einem fort weiter. Vielleicht hörte er auch nicht gut. Jedenfalls fiel mir eine Verdickung am Bügel

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