Gib Hass keine Chance: Slam Poetry gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Von Lektora
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Buchvorschau
Gib Hass keine Chance - Lektora
Gib Hass keine Chance
Slam Poetry gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Cornelia Springer, Alexandra Kohlmeyer (Hg.)
Erste Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2022 by
Lektora GmbH
Schildern 17–19
33098 Paderborn
Tel.: 05251 6886809
Fax: 05251 6886815
www.lektora.de
Covermotiv: Cornelia Springer, Alexandra Kohlmeyer
Lektorat: Cornelia Springer, Alexandra Kohlmeyer
Layout Inhalt: Denise Bretz, Lektora GmbH
ISBN: 978-3-95461-243-7
Schweigen heißt Zustimmen
Vorwort von Cornelia Springer und Alexandra Kohlmeyer
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen! – Dieser Satz reklamiert ein Recht auf freie Meinungsäußerung, wo es nicht um Meinung geht. Rassistische Äußerungen und rechtspopulistische Ressentiments kleiden sich in den Mantel der Meinungsfreiheit. Längst sind sie nicht mehr nur Sprache rechter Ränder, sondern salonfähig in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Sie kommen als achtlose Bemerkung daher oder sind der offene Angriff auf die vermeintlich „anderen
. Worte, die Grenzen verschieben und Gräben in Köpfen, gar durch Herzen ziehen.
Sei es im Wahlkampf, beim Grillfest mit der Nachbarschaft oder in den sozialen Medien – häufig überlagern Emotionen rationale Argumente. Wie oft beißen wir uns auf die Zunge, wenn sich rechtes, rassistisches Gedankengut in das lockere Gespräch bei der Familienfeier verirrt, nur um die Harmonie zu wahren? Warum setzen wir oftmals Hasskommentaren auf Facebook oder YouTube nichts entgegen? Schweigen aber ist stille Zustimmung.
Die Studierenden im Projekt „Poetry Slam gegen Rassismus und Rechtsextremismus" an der Universität Hamburg entschieden sich, ihr Schweigen zu brechen. Im Wintersemester 2018/19 setzten sie sich kritisch mit Rechtspopulismus und -extremismus, Formen des Alltagsrassismus und Antisemitismus auseinander, mit Techniken rassismuskritischen Denkens und der Reflexion weißer Privilegien. Sie verfassten eigene Poetry Slam-Texte und probten mit großem Engagement für den Abend der Abende: den seminareigenen Poetry Slam. Am 18. Januar 2019 performten 13 Studierende – stellvertretend für die Gruppe der 35 einzigartigen Seminarteilnehmenden – ihre Texte auf der bedeutungsvollen Bühne der St. Pauli Kirche. Provokation, Poesie und Performance standen ebenso im Mittelpunkt wie die Performenden selbst, die ihre Gedanken zu Solidarität, Menschlichkeit und Vielfalt ausdrückten.
Diese Werte haben nichts an ihrer Aktualität und Dringlichkeit eingebüßt, wie uns die seit der Aufführung vergangenen Jahre drastisch vor Augen geführt haben: Montags marschieren noch immer Menschen durch deutsche Straßen und schmettern rechte Parolen. Die Coronapandemie hat seit 2020 im Gewand der sogenannten Querdenkerbewegung „besorgte Bürger*innen auf den Plan gerufen, von denen ein beachtlicher Teil öffentlich menschenverachtende und demokratiefeindliche Einstellungen formuliert. Und seit Anfang 2022 wird zudem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mitunter instrumentalisiert, um Verschwörungsideologien zu verbreiten und Misstrauen gegenüber „denen da oben
zu schüren.
Wir wünschen uns mit diesem Werk, viele Menschen zum Nachdenken anzuregen, denn Gedanken werden zu Sprache und aus Sprache wird – so unsere Hoffnung – Mut zur Zivilcourage, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen – wann immer es nötig ist.
Der gelungene Abschluss dieses Buchprojekts ist insbesondere drei Studierenden zu verdanken: Lennart Rönneburg, Noa Mersmann und Philipp Litschel. Wir danken euch für eure Hingabe, euren technischen Verstand und eure Zeit, die ihr diesem Werk und seiner Entstehung in unzähligen Redaktionssitzungen gewidmet habt. Ohne euch gäbe es dieses Buch nicht!
Bei Poetry Slam handelt sich bekanntlich um Spoken-Word-Kunst. Daher möchten wir allen Leser*innen neben der Lektüre der Werke den dazugehörigen Podcast „Poetry Slam gegen Rassismus" empfehlen, der den Stimmen und Werken aller beteiligten Autor*innen den verdienten Raum gibt: https://anchor.fm/slam-gegen-rassismus.
Zuletzt möchten wir auf die in diesem Buch verwendete Schreibweise von Schwarz und weiß aufmerksam machen. Beide Begriffe sind als politische Begriffe zu verstehen, die verwendet werden, um das bestehende Machtverhältnis zu kritisieren. Sie beschreiben somit nicht die eigentliche Hautfarbe von Menschen. Die vorliegenden Texte wurden überwiegend aus einer weißen Perspektive verfasst, die als Herausgeberinnen auch unserer Perspektive entspricht.
Hamburg, Oktober 2022
Pluto – Erde 2.0
Alexandra Kohlmeyer
„Cheri, Cheri Lady,
Going through a motion,
Love is where you find it,
Listen to your heart"
Genervt drehe ich mich auf den Rücken und klatsche zweimal in die Hände. Mein Wecker verstummt. Warum die Plutoner*innen Modern Talking so vergöttern, werde ich nie verstehen. Seit ich vor neun Monaten von einem Massenraumschiff auf den Pluto umverteilt wurde, weckt mich mein „Oldschool Erdenwecker" abwechselnd mit den größten Hits von Dieter und Thomas. Langsam quäle ich mich aus dem Bett und torkele ins Badezimmer. Mein Smart-Bad analysiert mein heutiges Aussehen und beginnt mit der Berechnung der nötigen Körperpflege.
Automatisch schaltet sich das Radio ein: „Erste Hochrechnungen der Planetswahlen ergeben, dass der AfD mit 15 % der Stimmen im Planetstag vertreten sein wird." Ich zucke zusammen, wie immer, wenn ich auf diesem Planeten AfD höre. Dunkle Erinnerungen an die Erde und die dort zuletzt herrschende Partei schleichen sich in meinen Kopf, obwohl der AfD wenig mit dieser Partei gemein zu haben scheint. Der Allabendliche Bund für Dudelsackspielende hat es sich zum Ziel gesetzt das Dudelsackspielen wieder populär zu machen. Leider mit Erfolg.
„In unserem Planetsorchester sind mittlerweile viel zu wenig Dudelsäcke vertreten, es werden nur noch Blockflöten und Triangeln gefördert! Wir wollen uns diesem Missstand entgegensetzen! Make Dudelsackspielen great again!, höre ich die Parteivorsitzende lamentieren, und mir läuft ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. „Sender wechseln
, brummle ich beiläufig. Der tendenziell rassistische Algorithmus meines Radios bestimmt, dass ich doch am besten „Alte Deutsche Welle 83,5 hören solle. Es läuft „You’re my heart, you’re my soul
. „Radio aus!", rufe ich genervt.
Auf dem Weg zur Arbeit komme ich an diversen Anti-AfD-Plakaten vorbei. Slogans wie „Hört auf, zu dudeln, ihr Säcke! oder „Nieder mit der Instrumentalisierung der Regierung!
lächeln mir provokativ entgegen. Ich schüttele langsam und benommen den Kopf. Obwohl ich tausende Kilometer von der Erde entfernt bin, erinnert mich doch so viel an meine Heimat. Tagtäglich fühle ich mich beklommen, wenn ich die Türen meiner Arbeitsstelle durchschreite. Da Einheimische diese Art von Arbeit nicht mehr verrichten möchten, arbeite ich in einer Musikschule – und unterrichte