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Isabell - Eine Welt zwischen Himmel und Erde
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Isabell - Eine Welt zwischen Himmel und Erde
eBook265 Seiten3 Stunden

Isabell - Eine Welt zwischen Himmel und Erde

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Über dieses E-Book

Die junge Isabell spürt in ihrem Innersten seit langer Zeit das Gefühl einer bald eintreffenden weltlichen Veränderung. Eines Nachts erscheint ihre bereits verstorbene Großmutter in einem ihrer Träume und läutet viele für den menschlichen Verstand unfassbare Geschehnisse ein, die Isabell schon bald an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen. Isabell nahm ihre Großmutter außergewöhnlich war, doch kann sie sie durch die Ereignisse zunehmend mehr verstehen. Ihre Fantasie und die Realität scheinen für sie immer weiter miteinander zu verschwimmen. Kann Isabell ihrem Verstand wirklich nicht mehr trauen? Oder steht dem Planeten Erde tatsächlich eine unfassbare Veränderung bevor?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Juni 2022
ISBN9783347685932
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    Buchvorschau

    Isabell - Eine Welt zwischen Himmel und Erde - Judith Isabell Segelke

    Kapitel 1

    Sonntag, August, 23.46

    Uhr Der Anfang vom Ende

    Wer nach den Sternen greift und Wunder erwartet,

    wird reicher beschenkt als ein jener, der bloßen

    Sternenstaub in den Händen hält.

    Der Mond sieht so friedlich aus, wie er im Ensemble mit den Sternen im Universum schwebt. Die Nacht ist so klar, als sei mir, ich könne wahrlich jedes einzelne seiner Details erkennen. Es ist Vollmond und mit seiner Anmut und mystischen Präsenz scheint er auf mich herabzublicken. Wie es wohl ist, auf anderen Planeten?

    Ich wurde heute einer warmen Sommernacht beschenkt und laut meiner inneren Uhr stehen die Zeiger auf kurz vor Mitternacht. Ich sitze auf einer Bank, jene sich auf meiner Veranda mit Blick in meinen großen Garten befindet und lausche dem Zirpen der Zikaden, dem Singen der Nachtigall und meinem eigenen Atem. Fast jeden Abend, sofern es die Jahreszeit zulässt, oft bis spät in die Nacht hinein, sitze ich hier, im Kerzenschein, manchmal mit einem Buch und je nach Temperatur, eingehüllt in eine Wolldecke. An diesem Ort wird Abschied genommen, werden Wunder begrüßt und Träume geboren.

    Auf dieser Bank verbringe ich die ruhigen Augenblicke, vergesse die Welt und das Geschehen um mich herum und kann mich ganz auf den Moment konzentrieren, mich in ihn hineinfallen lassen, wie in ein Meer aus Federn. Gelegentlich wünschte ich, ich könne sie konservieren, diese schönen, aber oft kurzen Momente meines Lebens, in denen mein Innerstes mit der Welt in Einklang ist.

    Heute Abend fühle ich mich inspiriert, meine Gedanken niederzuschreiben. Eine leichte Ungewissheit begleitet mich hierbei, da ich noch nicht weiß, auf welche Resonanz ich mit meinen Worten bei Ihnen treffen werde. Noch bin ich unsicher, habe innerlich das Bedürfnis, von Ihnen bestärkt zu werden, obwohl ich mir dessen bewusst bin, dass Sie diese Zeilen erst zu einem späteren Zeitpunkt erreichen.

    Doch bitte ich Sie um Entschuldigung, verehrte Leserin, verehrter Leser, ich vergaß, mich nach vieler Träumerei Ihnen vorzustellen, in ein paar Sätzen mit Ihnen Bekanntschaft zu machen, wobei diese Bekanntschaft eher einseitiger Natur ist, da ich Sie nun doch nicht wirklich kennenlernen kann. Nun lasen Sie die obigen Zeilen und fragen sich womöglich, wer denn eigentlich zu Ihnen spricht.

    Man nennt mich Isabell. Ich bin tiefgründiger Natur, liebe die Kunst, Fotografie, Musik und Literatur. Bin eine Philosophin, Traumtänzerin und wohl mehr mit meinen Gedanken über den Wolken, als mit beiden Füßen auf der Erde.

    Ich pflege eine tiefe Faszination für das Leben. Es ist einzigartig und die Basis für jegliche unserer Handlungen und Erfahrungen. Ebenso interessiere ich mich für den Menschen, weil er ein Teil des Lebens ist. Mich beschäftigt die Frage, warum das Leben ausgerechnet so ist, wie wir es kennen und der Mensch in einer bestimmten Art und Weise auf sein Umfeld reagiert. Ich bin auf der Suche nach Antworten, doch dies gewiss nicht im religiösen Kontext. Mich interessiert weniger die Ansicht meiner Mitmenschen und ihr Blick auf die Welt, vielmehr möchte ich auf meine eigene Art und Weise zu ihnen finden, zu den Antworten auf die großen Fragen des Lebens und zu ihr, der Wahrheit.

    Als scheine ich der Macht des Mondes unterworfen, lasse ich mich von den Wellen des Lebens tragen, bis sie sich wieder zurückziehen und mich ein neues Ufer willkommen heißt. Oft wundere ich mich selbst, wo ich gestrandet bin. So sehne ich mich bei all der Veränderung nach Sicherheit und Kontrolle. Doch beides ist wohl in unserer Welt nicht zu finden und wir scheinen dem Leben ausgeliefert.

    Wir erschaffen uns unsere eigene kleine Welt, pflegen den Wunsch eines Eigenheimes, eines festen Arbeitsplatzes, eines Partners, mit der leisen Stimme der Hoffnung, jene uns Sicherheit verspricht. Wenn es wohl eines ist, das ich in meinen achtundzwanzig Jahren gelernt habe, ist es die Tatsache, dass dieser Stimme, die Unwahres und nicht ganz Uneigennütziges verspricht, nicht zu trauen ist. Vielmehr hegt sie das Bedürfnis, uns in die Irre zu führen, in die Dunkelheit, in die Täuschung.

    In einer Zeit der Orientierungslosigkeit kann sie uns beeinflussen und uns auf einen falschen Weg führen, auf den Weg der Lügen. Doch können wir manchmal die Lüge nicht von der Wahrheit unterscheiden und wissen nicht, wohin uns unser aktueller Weg führen wird.

    Bei diesem Schriftwerk ist es ähnlich. Ich weiß in diesem Moment selbst noch nicht, was Sie auf den kommenden Seiten lesen werden. Es wird sich wohl bei den Seiten um Briefe handeln, bei denen mir der Adressat unbekannt bleibt. Sie werden mich kennenlernen, doch werde ich nicht erfahren, wer sich auf der anderen Seite dieses Buches befindet.

    Tatsächlich wagte ich lange Zeit noch nicht einmal davon zu träumen, meine Gedanken in Zeilen auf Papier zu bringen und nun wünsche ich mir, dass meine Worte Ihnen einen Mehrwert geben. Vielleicht schenkt Ihnen diese Lektüre, die Sie just in diesem Augenblick in Ihren Händen halten, eine Auszeit von Ihrem Leben, ganz gleich, wie Sie Ihr Leben gerade wahrnehmen. Ganz gleich, was war und was noch kommen wird.

    Es wäre zudem wünschenswert, wenn Sie ebenso selbst einen persönlichen Nutzen aus meinem Geschriebenen ziehen können oder meine Worte zu Ihrem Leben eine Analogie aufweisen und Sie mich so ein Stück weit verstehen.

    In meinem Geist erscheint ein Bild, wie Sie diese Briefe lesen werden und sich vielleicht wundern, dass ich zunächst noch etwas distanziert auf Sie wirke. Man sagte zu mir einmal, wäre ich ein Buch, wäre ich kein offenes, leicht durchschaubares, sondern gehöre eher zu der Art von Büchern, bei denen der Leser nach den Absätzen eine Pause benötigt, um mein Gesagtes zu reflektieren und es zu verstehen. Ja, vielleicht wirke ich verschlossen und unnahbar, doch kann ich mir vorstellen, dass wir uns im Laufe unserer kommenden gemeinsamen Zeit vertrauter werden, vielleicht werde ich wie eine gute Freundin für Sie. Wie eine Brieffreundin, bei der Sie sich nicht um eine schriftliche Antwort bemühen brauchen.

    Noch bin ich etwas schüchtern, weiß selbst nicht, wieviel ich von mir und meinem Leben preisgeben möchte. So ziehe ich es vor, und ich bitte Sie herzlich, anstatt Ihnen eine im Detail ausgefertigte Beschreibung meinerseits zu überreichen, erstellen Sie sich selbst ein geistiges Porträt meiner Person, auch wenn es nur auf einer Vorstellung beruht und diese Prägung eines Tages wieder verblassen wird.

    Damit Sie während des Lesens dieser Seiten ein Bild vor Ihren inneren geistigen Augen entwickeln können, möchte ich Ihnen eine kurze Beschreibung meiner Umgebung anbieten. Das Haus, in dem ich lebe, verfügt über viele Zimmer und weist ein romantisch-malerisches Ambiente auf. Es ist umsäumt von einer dunkelroten hohen Backsteinmauer, welche beidseitig in ein großes Tor aus Eisen mündet. Die Mauer wird durch hochgewachsene, künstlerisch anmutende Efeuranken verziert, sodass mir hin und wieder der Gedanke kommt, der Anblick meines Hauses wäre wirklich ein gutes Motiv für eine Postkarte oder ein Gemälde. Doch nicht selten erinnert mich diese massive, steinerne Wand ebenso an die Mauern einer Festung. Bei ihrer Größe und ihrer schon nahezu autoritären Erscheinung wirken sie abschreckend, als sollten sie lieber nicht zu einem Duell herausgefordert werden.

    Es ist ein Erbe meiner Großmutter, die Gründerzeitvilla, in der ich lebe, mit diesem schönen angrenzenden Garten. Früher als Kind half ich ihr oft beim Ernten von Gemüse und beim Jäten des Unkrauts, auch sprach ich mit den Gräsern und Sträuchern, als seien sie meine Freunde. Vermutlich bekamen sie damals so viel Liebe und Zuwendung, dass es für mehr als ein ganzes Pflanzenleben reicht und sie mir meinen nicht existenten grünen Daumen heute nachsehen.

    Meine Großmutter besaß einen wunderschönen Rosengarten, welchen sie mit viel Feingefühl, Hingabe und Liebe pflegte. Nahezu jeden Tag verbrachte sie Zeit mit ihren mit Dornen besetzten Freundinnen. Heute existieren sie in diesem Garten nicht mehr, denn mit der zunehmenden Schwäche meiner Großmutter schienen sich die Rosen ebenfalls zurückzuziehen, bis sie eines Herbstes verblühten und für immer aufhörten, in ihren prächtigen Farben zu strahlen. Es schien mir, als verweigerten sie die Pflege durch eine andere Person. Rosen waren ihre liebsten Blumen.

    Ich habe meine Großmutter so in Erinnerung, lächelnd bei ihren roten Rosen stehend im Schein der warmen Sommersonne. Dieses Bild bekam einen besonderen Platz in meinem geistigen Archiv. Vor kurzem wurde ich nach meinen Lieblingsblumen gefragt, die Antwort fiel mir leicht.

    Zu dem Haus gehört ebenso ein Dachboden, auf dem ich mich im Kindesalter oft aufhielt. Alte und schöne Dinge schienen mich nahezu magisch anzuziehen. Sogleich überkommt mich erneut das Verlangen, diesen Ort aufzusuchen, Sie an die Hand zu nehmen und Ihnen den Platz zu zeigen, der in meiner kindlichen Phantasie ein verwunschener Ort mit zahlreichen nichtmenschlichen Wesen war. Nicht selten verbrachte ich meine freie Zeit dort oben mit Feen, Kobolden und anderen mir sichtbaren Fabelwesen.

    Auf dem Dachboden liegen viele alte Gegenstände meiner Großmutter. Aus meiner Erinnerung heraus aufgezählt, befinden sich dort, neben unzähligen Ordnern mit vergilbten Dokumenten, eine alte Schreibmaschine, zahlreiche Fotoalben und Möbel, die in den Wohnräumen keinen Platz fanden. Viele dieser Gegenstände waren ebenso der Arbeit meiner Großmutter zuzuordnen.

    Sie war Schriftstellerin und mein großes Vorbild. Später las ich nahezu all ihre Bücher, auch wenn ihr Sujet nicht gänzlich meinem Geschmack entspricht. Sie schrieb über Phantasiewelten und erschuf Realitäten, die unserer in keiner Hinsicht ähnlich waren. Sollten Sie eine Affinität für Bücher mit phantastischen Inhalten pflegen, würden Ihnen die Bücher meiner Großmutter sicher gefallen. Ich werfe keines ihrer Schätze weg, sie beinhalten viel mehr als eine bloße Erinnerung an sie. Zugegeben, über allzu scharfe Bilder aus jener Zeit verfüge ich leider nicht mehr.

    Früher, als ich noch ein junges Mädchen war und es unsagbar schick fand, meine braunen langen Haare zu zwei Zöpfen zu flechten, um diese mit Schleifen zu verzieren, war ich oft bei meiner Großmutter. Nach der Schule, an den Wochenenden und in den Ferien. Doch im Laufe der Zeit konzentrierte ich mich auf mein eigenes Leben, war dadurch zwangsläufig weniger bei ihr aufzufinden. Vor vier Jahren verstarb sie, daraufhin erbte ich ihr Grundstück und meine Schwester erhielt, im Ausgleich dazu, ihre Geldanlagen und das Ersparte.

    Beim Schreiben dieser Worte spüre ich tiefe Trauer. Tränen beginnen sich langsam ihren Weg über meine Wange zu bahnen. Ich vermisse meine Großmutter. Sie war die einzige, die mich wirklich verstand. Niemals wollte sie mich ändern oder mich von der Umsetzung meiner Ideen abhalten. Aus der Trauer wird Wut, Wut über mich selbst, darüber, dass ich die kostbare Zeit mit ihr nicht nutzte, Wut über die Tatsache, dass ich die Endlichkeit des Lebens nicht sah, nicht ernst nahm. In der Hoffnung, den Prozess des Vergessens durch meine Trauer und meine Wut aufzuhalten, wurde ich enttäuscht und sämtliche Bilder meiner Großmutter beginnen langsam in meinen Erinnerungen zu verschwinden, wie ausgeblichene Fotos, die, wenn sie viele Stunden in der Sonne verbrachten, ein kaum noch erkennbares Motiv aufweisen.

    Ich habe meine Großmutter außergewöhnlich beeindruckend und mondän in Erinnerung. Als Kind war sie für mich ein Wesen, wie nicht von dieser Welt. Meine Großmutter schien so perfekt, so makellos. Ich bin mir sicher, in ihrem Inneren sah es anders aus, denn jeder Mensch hegt schließlich Wunden, Ecken und Kanten. Ich habe das Gefühl, ich kannte ihre äußere Hülle, doch nicht ihr eigentliches Wesen, eben nur jene Züge, die sie der Außenwelt zu präsentieren vermochte. Sie war wirklich sonderbar. Gewiss sonderbarer als Kinder ihre Großmütter für gewöhnlich wahrnehmen. Meine Großmutter umgab etwas Mysteriöses, als ob sie ein Geheimnis in sich trug, das sie durch ihre quirlige Art zu schützen versuchte. Einerseits nahm ich sie als einen weltoffenen Menschen wahr, der Neugierde und Lebensfreude ausstrahlte, andererseits war sie in sich gekehrt und zurückgezogen in ihr eigenes inneres Zuhause.

    Sie war ebenso herzlich, dazu ein wirklicher Freigeist und schien sich aus diesem Grund in unserer Welt der Strukturen und Regeln nicht sonderlich wohl, angekommen und heimisch zu fühlen. Zwischen der Realität der Welt und der ihrer, lag vermutlich die Diskrepanz mit dem Volumen einer Schlucht, die nicht nur Welten voneinander trennt, vielmehr zwei ganze Universen. Vor langer Zeit meinte sie einmal zu mir, es sei nicht das Leben selbst, das uns das Glück schenkt, es sei das Leben, welches wir so gestalten, dass es das Glück selbst ist. So scheint es, sie kreierte sich eine eigene Welt, eine eigene Wirklichkeit, in jener sie ganz sie selbst sein konnte.

    Ich möchte Ihnen zuletzt, bevor ich zu Bett gehe, ein Geheimnis anvertrauen. Jeder Mensch hat schließlich Geheimnisse, nicht wahr? In meinem Inneren drängt es mich, Ihnen etwas zu erzählen. Noch nie zuvor sprach ich dies aus oder schrieb je darüber. Seit einigen Jahren bin ich auf der Suche nach der Antwort zu einem besonderen Gefühl. Lange Zeit konnte ich es nicht deuten. Es handelt sich um ein mir innewohnendes Gefühl, das mir sagt, das Leben, welches wir Menschen auf der Erde kennen und führen, wird sich schon bald auf eine dramatische Weise ändern. Ich kann jenes Gefühl nicht klar definieren, weiß nicht explizit, wo es seinen Ursprung hat. Ich wachte eines Morgens in der Früh auf und es war da und in seiner Erscheinung so präsent, dass ich es bis heute spüre. Es betrifft nicht nur mein eigenes kleines Leben, vielmehr ist es ein weltliches Geschehen. Meine Großmutter war mir sehr ähnlich, ob sie wohl ebenso dieses Gefühl in sich trug? Mir fielen vor wenigen Tagen Sätze ihrerseits ein, die diesen Gedankengang bestätigen würden. Als ich ein Kind war, sagte sie einst zu mir:

    Die Welt wird bald eine ganz andere sein und Ich bin froh, dass du es noch erleben wirst.

    Um ehrlich zu sein dachte ich, sie sei verrückt, sie nehme an einer Verschwörung teil. Doch heute, als erwachsene Frau, empfinde ich dieses Gefühl ebenfalls, nehme ihr früheres Gesagtes ernst und kann es besser einordnen. Glaube zu wissen, was sie meint, auch wenn ich eigentlich gar nicht wirklich weiß, was sie wusste oder zu wissen glaubte.

    Vielleicht sind Sie es nun, die mich für verrückt halten. Ich könnte es durchaus verstehen, ich war ebenso in Ihrer Position. Sie müssten dieses Gefühl in sich spüren, um meine Worte wirklich nachvollziehen zu können. Ich bin mir dessen bewusst, dass die Beschreibung meines Gefühls sehr vage gehalten ist, doch fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu wählen. Als gebe es hierfür keine Worte.

    Ein nun physischer Blick auf die Uhr verrät mir, dass es Zeit ist, schlafen zu gehen. Eine Müdigkeit breitet sich langsam in mir aus und meine Lider werden schwer. Heute werde ich früh aufstehen, da ich in dem Vormittagskurs fünf Malschüler unterrichte und ich dafür noch einiges vorbereiten möchte. Ich vergaß zu erwähnen, dass ich eine eigene Malschule führe, durch die ich meinen Lebensunterhalt bestreite. Zu meinem Glück befindet sie sich angrenzend an meinem Haus, sodass mir lange Wege erspart bleiben.

    Da ich am Tage beschäftigt bin, treffen wir uns an einem der kommenden Abende wieder hier, auf meiner Veranda. Nun haben Sie mich zunächst ein Stück weit kennengelernt und ich freue mich bereits auf unsere nächste Begegnung. Ich bin gespannt, wohin uns unsere gemeinsame Reise führen wird.

    Mit verträumtem Blick und müden Augen,

    in Liebe

    Isabell

    Es war einst so schön in der warmen Sommernacht,

    wo der Himmel mit seinen Sternen uns angelacht,

    hieltst Du meine Hand und sagtest zu mir,

    weißt Du?, ich träume jede Nacht von Dir!

    So ging die Zeit und Geduld ins Land und mit ihr

    meldete sich der scharfe Verstand.

    Was einst so lieblich und leicht aussah,

    war nun ein Fels, ganz undankbar.

    Ich vergaß uns ’re Träume bald.

    Ist es aus?, flüsterte ich in den kalten Wald.

    Brauchte Zeit für mich.

    Du sahst mir ins Gesicht,

    und sagtest, dies verstehst Du nicht.

    ‘Wer bin ich denn ohne Dich?

    War es dann vorüber nun?

    Sind die Gefühle schon verblasst?

    Sollte es jetzt einfach ruhen?

    So hätten wir, ich weiß es nun,

    das Wunder gar verpasst.

    Kapitel 2

    Donnerstag, August, 22.21 Uhr

    Das Leben als Illusion der

    Wirklichkeit

    Wir Menschen denken, wir leben auf Beton, bauen

    Konstrukte aus Stahl. Dabei leben wir auf Nebel

    und erschaffen fragile Luftschlösser.

    Guten Abend, liebe Leserin, lieber Leser. Vielleicht scheint eine Begrüßung mit den Worten gute Nacht bei dieser Uhrzeit angemessener. Ich möchte Sie gerne nach Ihrem Befinden fragen, doch weiß ich selbstverständlich, dass ich mit keiner kurzfristigen Antwort rechnen kann.

    Zu Beginn meines Eintrages wünsche ich mir, Ihnen von einem Ereignis meines heutigen Tages zu berichten. Bei meinem vergangenen Schreiben vor einigen Tagen erzählte ich Ihnen bereits von meinen Malklassen. Es sind größtenteils Mütter, die sich gelegentlich den Raum schaffen, um in ihrer freien Zeit Unterrichtsstunden bei mir nehmen zu können, während ihre Kinder in der Schule lernen. Eine meiner Teilnehmerinnen ist Mutter einer 13-jährigen Tochter. Bei unserem heutigen Malkurs erzählte sie mir, dass ihre Tochter sie vor kurzem fragte, woher unsere Überzeugung stamme, dass wir am Tage wach sind und in der Nacht schlafen. Ihre Tochter meinte, es könne ja auch exakt andersherum sein. Ihre Träume seien teilweise so real, dass sie das Gefühl habe, sie seien sogar realer als ihr eigentliches Leben. Weiter fragte ihre Tochter, warum wir Menschen uns nach dem Aufwachen nicht an die vielen Stunden während des Schlafens erinnern können.

    Die Mutter des Mädchens erkundigte sich nach meiner Antwort auf die Fragen ihrer Tochter, da sie in jenem Moment lediglich mit einer aus der Überforderung heraus gesprochenen Antwort reagieren konnte. Meine erste Reaktion auf das Erzählte meiner Teilnehmerin war die klare Äußerung, dass wir selbstverständlich am Tage nicht schlafen. Doch hätte ich wohl in der Situation der Mutter dennoch ebenfalls nicht gewusst, was ich ihrer Tochter antworten sollte.

    Denn im Grunde ist es zwar logisch zu erklären, dass wir am Tage wach sind und in der Nacht schlafen, doch könnte ich meine Überzeugung nicht mit fundierten Beweisen stützen. Ihre Frage zu der fehlenden Erinnerung an unsere nächtlichen Stunden warf daraufhin meinen bereits warmgelaufenen Denkapparat an. Mein Verstand ist nicht derart konzipiert,

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