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Die mythischen Quellen Band 1: eine andere Welt
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Die mythischen Quellen Band 1: eine andere Welt
eBook336 Seiten4 Stunden

Die mythischen Quellen Band 1: eine andere Welt

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Über dieses E-Book

Hast Du Dir schon einmal vorgestellt, Ritter und Elben in echt zu besuchen, als diese noch lebten? Das könnte mit etwas Fantasie und Magie doch funktionieren, oder? Und wie wäre es, wenn Dein Stofftier plötzlich zum Leben erwachen und zu Deinem besten Freund würde? Also ich fände das schon cool. Für den sonst eher von Pech verfolgten Finn wird dies plötzlich wahr und er findet sich in einem fantastischen Abenteuer wieder, das seinesgleichen sucht. Und diese Geschichte will ich Dir gerne erzählen, wenn Du magst. Es geht darum, dass der fast 10 jährige Finn erst durch mythische Quellen tauchen muss, um dann das Volk der Elben vor bösen Rittern zu schützen. Dabei ist er eigentlich eher der vorsichtige Typ. Aber vorsichtig sein geht bei diesen Abenteuern nicht. Eher sind Mut und Fantasie gefragt. Begleitet wird er von einem alten Druiden. Der, naja, durch Druidenmagie ausgerechnet zu einem lebenden Stoffhunddruiden geworden ist! Wie findest Du das? Vielleicht schräg? Finn zumindest hat sich eigentlich lieber einen echten Druiden als Begleiter gewünscht. Doch so müssen es die zwei ungleichen Gefährten zusammen mit Finns Cousine schaffen, die Elben zu retten. Denn der böse Ritter Craig Goshem verbündet sich mit dem mächtigsten und bösesten aller Elbendruiden, um das gesamte Volk der Elben zu beherrschen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. März 2021
ISBN9783743923799
Die mythischen Quellen Band 1: eine andere Welt
Autor

Oliver T. Streppel

Mit 12 Jahren hat Oliver T. Streppel angefangen Zeichentrick- und Stopmotionfilme zu entwerfen und umzusetzen. Mit 15 Jahren begann er dann lange Geschichten zu entwicklen und Bücher zu schreiben. Nachdem er als Filmemacher Geschichten in bewegte Bilder umgesetzt hat, bringt er nun sein Wissen als Geschichtenerzähler, Filmemacher und studierter Medienpädagoge im Bildungsbereich ein.

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    Buchvorschau

    Die mythischen Quellen Band 1 - Oliver T. Streppel

    Kapitel 1

    Es war einmal vor langer Zeit, so beginnen für gewöhnlich Märchen. Doch Finn ist keine Figur aus einem Märchen. Er ist ein gewöhnlicher Junge, so wie vielleicht ein Freund von Dir oder Du selbst. Und doch erzählt sich diese Geschichte fast wie ein Märchen. Es ist schwierig zu sagen, wann alles wirklich begann. So richtig verändern soll sich Finns Leben aber heute, an einem Tag, der für ihn schon nicht normal begonnen hatte, aber dazu später mehr.

    Märchenhafte Geschichten über Ritter und Elben kennt der neun-, fast zehnjährige Finn aus Büchern. Oder von dem Mittelaltermarkt auf der Burg Stettenfels. Dort hat er als Hobbyfotograf schon eindrucksvolle Fotos geschossen – von einem Leben der Menschen, wie es früher wohl gewesen sein mag. Doch nun? Direkt vor ihm kniet ein Beweis für etwas, das er im Geschichtsunterricht über die Zeit des Mittelalters seiner Heimatstadt so nicht gelernt hat, eine Armeslänge unter der Wasseroberfläche! Eine menschengroße Steinfigur befindet sich dort, offensichtlich uralt! Als wenn sie auf etwas warten würde, kniet sie auf einer hohen Säule. Diese ist sehr schön verziert und kleine Stufen führen von dieser Säule hinab in die Tiefe. Soweit, dass man das Ende nicht erahnen kann. Um die Figur herum scheint früher ein gewaltiger, luftiger und sehr fein gearbeiteter Tempel gestanden zu haben. Das kann man aus den Überresten der Grundmauern schließen. So kann Finn nur erahnen, wie gewaltig das ganze gewesen sein mag, als es hier noch im Trockenen gestanden haben mag. Doch die Steinfigur ist nicht menschlich. Sie sieht eher aus wie ein Fabelwesen aus einem Ritterfilm, in dem Elben und Zwerge auftauchen. Bleibt also die Frage, was das für ein Ort ist? Ist es eine geheime, mythische Quelle? Und wenn ja, wer hatte sich hier aufgehalten? Finn kann es sich beim besten Willen nicht vorstellen – aber er ahnt etwas. Doch halt, wie kommt Finn darauf, dass es sich hier um eine „mythische" Quelle handeln soll? Das hat etwas mit einem Zusammentreffen gestern zu tun. Was ist also gestern passiert?

    Er war von Frau Ranucksdother abgefangen worden. Sie ist erst wenige Tage an seiner Schule und als Krankeitsvertretung hält sie Deutsch und Englisch bei ihm.

    »Finn, mein Junge. Ich habe hier einen Bericht. Den soll ich dir von Herrn Kobbochur geben«, hatte sie zu ihm gesagt.

    »Kobbochur?«, Finn war irritiert gewesen. Er hatte den Namen noch nie gehört. »Wer soll das sein?«

    »Darf ich dir nicht sagen. Das ist ein Geheimnis. Wir haben ihn Gestern unten am See getroffen. Dort hält er sich wohl gelegentlich auf.«

    »Am See?«, Finn hatte verwundert seine Lehrerin angesehen. »Es gibt in Burgheim doch gar keinen See!«

    »Ach Junge. Das ist alles so geheim, weißt du? Ich habe dir, glaube ich, schon zuviel verraten. Nimm jetzt die Nachricht und verschwinde in deinen Unterricht. Herr Judowski wartet nicht gern. Auf, auf!«, unsicher berührte sie ihn kurz an der Schulter und wandte sich dann ab. Finn hatte sie noch fragen wollen, wer dieser Herr Kobbochur sein solle. Doch sie war im Lehrerzimmer verschwunden ohne sich noch einmal umzudrehen. Finn hatte neugierig auf den Zettel in seiner Hand hinabgesehen. Es war ein Ausschnitt aus einem Artikel:

    »… 870 nach Christi entdeckte der Wikinger Gardar Svavarsson Island. Nach einer mündlichen Überlieferung streifte er dabei südlich von Island eine Steilküste, die er Irland zuordnete. Nicht wissend, dass es eine weitere Insel, größer als Island, war, die er dort sah; mitten im Nordatlantik. Erst 300 Jahre später, in der Zeit als Heinrich II. sich König von England nannte, entdeckte der englische Ritter Craig Goshem die Insel und nannte sie Westend-England. Aufzeichnungen aus dieser Zeit gibt es keine. Nur vage, mündliche Überlieferungen. So gibt diese Insel Wissenschaftlern bis heute ein großes Rätsel auf und sie bleibt bis heute ein Mysterium. Denn sie soll am 13. Januar 1362 Opfer einer gewaltigen Erdverschiebung geworden sein. Sie verschwand spurlos auf dem Grund des Meeresbodens. Einher ging diese gewaltige Naturkatastrophe mit dem Jahrhundertsturm »Grote Mandrenke«, der sich seinen Weg weiter suchte bis an die deutsche Küste, wo er die große Handelsstadt Runghold am 16. Januar komplett verschlang. Bis heute ist nicht geklärt, ob es diese Insel tatsächlich gab. Oder ob die Geschichten des dort lebenden Volkes, die sich selbst die Elben nannten und das Ritter Craig Goshem versuchte zu unterjochen, doch nur Erfindungen von diesem selbsternannten Fürsten waren. Bleiben all diese Geschichten nur eine Lüge der englischen Monarchie? Oder gibt es Menschen mit Genen der Elben auf Island? Denn dorthin hätten sich die Elben retten können, als Westend-England im Meer verschwand. Im Folgenden werde ich…«

    Der Text endete hier. Er schien eigentlich noch weiter zu gehen. Doch Frau Ranucksdother hatte ihm kein weiteres Blatt gegeben.

    Herr Judowsky hatte sich erinnert, dass es einen kleinen See auf einem Privatgrundstück geben solle. Irgendwo im Burgheimer Wald.

    So hatte sich Heute Finn schon ganz früh morgens, noch vor der Schule, auf den Weg gemacht, diesen See zu suchen. Eigentlich hätte der kleine Finn, der viel zu klein aussieht für sein Alter, irgendjemanden auffallen müssen. Viele halten ihn erst für sieben oder acht Jahre alt. Das behauptet zumindest seine Stiefmutter. Doch so früh am Morgen hatte die kleine Stadt Burgheim noch tief geschlafen. Ungesehen hatte der kleine, fast zehnjährige Finn den Wald erreicht und tatsächlich bald schon das Grundstück gefunden, auf dem er den geheimen See vermutet hatte.

    Schnell hatte er die Kamera eingeschaltet, um ein Beweisfoto zu schießen. Wer weiß, wofür er dies noch würde brauchen können. Seine Kamera ist ihm heilig und er nimmt sie überall hin mit. Sie hat er von einem ansässigen Fotografen vor einiger Zeit geschenkt bekommen. Seine Eltern schenken ihm nie etwas. Im Gegenteil. Seit drei Wochen muss er in der gleichen Jeans herumlaufen, da seine Stiefmutter für ihn kaum Geld ausgibt. Der graue Kapuzenpulli, den er trägt, ist vom Secondhand-Markt. Seine Stiefmutter ist weder arm noch asozial. Sie will für Finn nur einfach kein Geld ausgeben. Wahrscheinlich weil sie ihn hasst. So nimmt es Finn zumindest an. Und sein Vater ist Vertreter für Zahnfüllungen. Ihn sieht er nur selten. Doch warum schenkt ein Fotograf Finn eine Kamera? Der Junge hat in seinen jungen Jahren bereits ein außergewöhnliches Talent für Fotografie entwickelt, das dem Fotografen aufgefallen war. Und er wollte gern den kleinen Jungen fördern. Für Finn ist die Fotografie jedoch weit mehr, als nur Bilder zu schießen. Für ihn heißt fotografieren: mit seiner Kamera schöne Erinnerungen zu speichern und zu archivieren! Deshalb will er auch Fotograf werden.

    Das verrostete Tor, das er in diesem Eichenwald gefunden hatte, führte in ein Grundstück, das eingezäunt war von einem sehr alten, hohen Stacheldrahtzaun und es war verwunschen zugewachsen von unzähligen kleinen Tannenbäumen. Schon durch den Zaun hatte Finn dies bereits erkennen können. Das private Waldstück hatte auf ihn gewirkt, als ob es seit Jahrzehnten von keinem Menschen mehr betreten worden war.

    Man erzählte sich, dass der Besitzer, ein uralter Mann, im Koma lag, weshalb die Erben noch nicht an das Grundstück herankamen. Und schon zuvor soll er seinen Söhnen verboten haben, irgendetwas an diesem Grundstück zu verändern. Doch dies waren alles nur Gerüchte. Wirklich wissen tat es keiner, was mit diesem Stückchen Wald geschah und geschehen wird. Das hatte Herr Judowski Finn erzählen können.

    Gute hundert Meter von dem Waldweg entfernt hatte er schließlich ein rostiges Loch im Zaun gefunden. Nach einigen Metern hatte er einem vergessenen Parkplatz gefunden, auf dem noch immer ein alter Mercedes-Benz gestanden hatte, der hier schon vor unendlich langer Zeit abgestellt worden sein musste. Aus dem leicht offen stehenden Kofferraum hatte es alt und modrig gestunken, doch Finn hatte nur ein Wagenheber, Werkzeug, Werkzeugkisten und ein paar weitere Decken darin gefunden. Schließlich war er einem Weg gefolgt gefolgt, der bis an die Rückseite eines riesigen, verrammelten Holzhauses geführt hatten. Hinter dem Holzhaus hatte sich der gewaltige Waldsee ausgebreitet. Wenn es wieder warm werden wird, nächstes Jahr, würde Finn mit einer Badehose zurückkommen. Ganz sicher. Einziges Problem: er muss zuvor schwimmen lernen und seine panische Angst vor Wasser ablegen. Eine bewältigbare Aufgabe für ein Jahr – irgendwie.

    So kommt es, dass er jetzt am Ende des Stegs kniet und in das Wasser starrt. Es ist so tief, dass er hier nicht stehen kann. Das Wasser ist von einer brillanten Klarheit, weshalb man jede Einzelheit am Grund des Sees erkennen kann. Zumindest dort, wo genug Licht den Boden erhellt. Es gibt einiges zu entdecken: schwarze Baumstämme, die wie versteinert am Grund liegen. Karpfen, die immer wieder an die Wasseroberfläche kommen. Und natürlich die schon erwähnte Elbengestalt unter Wasser. Als die Wolken etwas mehr von der Sonne freigeben und ein breiter Lichtstrahl den Teil des Sees direkt vor Finn erhellt, werden ungeahnte Details dieser Figur erst erkennbar. Finn kann kaum glauben, was er hier entdeckt hat. Vor ihm kniet, auf einer Felssäule, eine ältere Frau. Sie blickt ihn an – genau in die Augen! Den Kopf nach hinten geneigt, die Hände hoch nach oben gestreckt. Gerade so, als ob sie nach ihm greifen möchte. Doch sie befindet sich so weit unterhalb der Wasseroberfläche, dass ihre Fingerspitzen mindestens einen halben Meter unter dem Wasserspiegel bleiben. Der Körper dieser Figur ist von einem nur angedeuteten Seidenumhang umhüllt und zusätzlich von einer dünnen Algenschicht bedeckt. Doch diese ist so dünn, dass man den grauen Stein darunter erkennen kann. Finn schluckt schwer. Wer oder was ist sie? Ihm fallen die fremden Gesichtszüge auf. Und je länger er dorthin starrt, desto sicherer ist er: diese Frau hat leicht spitze Ohren und Augenbrauen, die spitz zur Nase hin zu laufen. Genau so wie Elben aus den nordischen Sagen beschrieben werden. In fremden Runen ist etwas vor ihr auf den Boden geschrieben. Zeichen, die direkt aus einem Fantasyfilm stammen könnten, fein und vielsagend, rund und vollkommen. Um den Hals trägt die Frau ein Amulett, ebenfalls aus Stein gefertigt. Und… das Licht lässt nach, die Sonne verschwindet wieder hinter den Wolken. Die Figur wird wieder eins mit dem felsigen Untergrund. Wenn man jedoch weiß, wo man hinsehen muss, kann man sie erahnen. Was hat er hier nur entdeckt? Was ist das für ein geheimnisvoller Ort? Geht seine Phantasie mit ihm durch? Das zumindest werfen ihm seine Eltern immer vor: Träume nicht den ganzen Tag! Du musst mit beiden Beinen auf der Erde stehen! So sagen sie es immer.

    Plötzlich hört Finn ein Glucksen hinter sich – was ist das? Eine Quelle? Und war da nicht noch zusätzlich ein anderes Geräusch?

    Kapitel 2

    Doch diese Geschichte beginnt auch noch an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Es ist die Zeit, in der Barbarossa gerade dabei ist, sein Reich zu vergrößern; gleichzeitig regiert König Heinrich der II. als erster König in England und vertreibt einige der mächtigsten Ritter von der Insel. Einer unter ihnen ist der im Süden lebende Lord Craig Goshem. Machthungrig und politisch sehr aktiv wehrt er sich anfangs gegen seinen König. Nachdem er jedoch versucht hatte, seinen König mit etwas Gift aus dem Weg zu schaffen, muss er Hals über Kopf fliehen. Auf seiner Flucht nach Frankreich strandet Craig Goshem zusammen mit seinem Gefolge auf einer unbekannten Insel. Er betritt als erster Lord dieses Land, ernennt sich selbst zum Herrscher dieses kleinen Reiches und tauft diese große Insel ›New-England‹. Und von nun an will er dieses ganze Land besitzen.

    Goshem weiß jedoch nicht, dass New-England eine mythische Insel ist und bereits einen Namen trägt: Erdan. Mythisch ist sie, da keiner zuvor die Insel gesehen hatte, keiner darf von ihr wissen, das Volk, das hier lebt, will unentdeckt bleiben. Denn es ist ein magisches Volk mit besonderen Fähigkeiten. Es wohnt hier seit Anbeginn der Zeit auf dieser gewaltigen Insel, die etwas größer ist als Island, südwestlich vor Irland liegt und das wahre Zuhause der Elben ist.

    Diese Insel wird umringt von einer Bergkette, wie sie höher und fürchterlicher nicht sein kann. Kein Elb hat sich jemals über sie hinweg getraut. Im Zentrum der Insel liegt das riesige und saftige Tiefland. Dort, wo seit unvorstellbar langer Zeit das Volk der Elben sich entwickelt. Lediglich der Süden gibt den Zugang zum Meer frei. Begrenzt wird das Tiefland im Westen von dem Fluss Hojee und im Osten von dem Fluss Araan. Und genau zwischen den beiden Flussmündungen ins Meer liegt die Stadt des Meeres. Eine Elbenstadt wie sie schöner und blühender nicht sein kann. Einige Kilometer vor der Stadt, mitten im Meer, versteckt sich eine kleine, vorgelagerte Insel. Sie ist ständig umringt von undurchdringlichem Nebel. Es ist die heilige Insel der Elben, Au’va genannt. Kein normaler Elb darf sie betreten, ausschließlich Druiden oder Priesterinnen ist es erlaubt, aber auch Kindern, die dort die mythische Kunst der Elbendruiden oder der heiligen Priesterinnen erlernen sollen. Nur wenige Heranwachsende bringen die Fähigkeit mit, in den auserwählten Kreis der Schüler aufgenommen zu werden.

    Lengja ist eine von ihnen. Ein rothaariges Mädchen, das mit ihren 14 Jahren bereits sehr hoch gewachsen ist. Sie besitzt die typischen Elben-Merkmale: die spitzen Ohren, zur Nase hin spitz zulaufenden Augenbraue und ein makelloses Gesicht. Die Elben sind das schönste Volk auf Erden, so steht es in den germanischen Sagen geschrieben, und dem kann man ohne Übertreibung zustimmen. Als Priesterschülerin trägt sie stets ein beigefarbenes, wallendes Gewand, das vergleichbar ist mit einer Mönchskutte. Jedoch lässt sich Lengja nicht vergleichen mit anderen Schülerinnen. Sie hat einen starken Willen, was sich auch an ihrem knallbunten, engen T-Shirt und einem ebenso vielfarbigen Stirnband zeigt, das sie gut sichtbar unter dem Gewand trägt. Ihr vollständiger Name lautet Lengja – Tochter von Vila Tochter von Tur. Sie ist die Tochter der Herrin-des-Wassers, denn ihre Mutter Vila ist niemand anderes als das geistige Oberhaupt der Elben und somit die wichtigste Person auf Erdan.

    Lengja ist heute sehr aufgeregt. Ihre Mutter kommt zu Besuch. Und das passiert äußerst selten. Seit ihrer Geburt lebt Lengja auf Au’va und soll in die Fußstapfen ihrer Mutter treten. Hohe Erwartungen muss sie erfüllen, weshalb sie nicht unbedingt mit jedem gut befreundet ist. Gerade unter den anderen Schülerinnen gibt es vereinzelt Missmut und Neid ihr gegenüber, doch bis jetzt stört sie das kaum. Sie will es durch Fleiß und Gerechtigkeit ausgleichen. Ihre Mutter sieht sie nur zu Feierlichkeiten oder wenn es ungewöhnliche Nachrichten gibt, denn zu wichtig ist diese Frau und zu gefragt im ganzen Land. Lengja muss ihre Mutter mit dem gesamten Volk der Elben teilen, das macht sie einerseits unheimlich stolz, andererseits vermisst sie ihre Mutter trotzdem sehr.

    Gerade ist sie dabei, ein Gästezimmer für ihre Mutter herzurichten, als eine zweite Priesterschülerin ihres Alters den Raum betritt. Lengja kennt das Mädchen kaum. Sie ist neu hier angekommen, doch sie ist hier auf Au‘Va bekannt seit der ersten Sekunde. Grund dafür sind ihre weißen Augen. Sie wirken als wenn das Mädchen blind wäre, denn ihre Augenfarbe ist fast weiß mit einem Hauch grün.

    »Lengja. Du musst mir helfen. Du kennst dich im Kräutergarten besser aus als ich. Ich muss einen Wahrsagepunsch kochen. Ich hatte ein Gespräch, eine eigenartige Auseinandersetzung. Ich glaube er ist ein böser Druide und er bedroht die gesamten Elben! Er gab sich als mein Lehrmeister aus. Ich muss herausfinden, ob das wahr ist!«, das Mädchen klingt extrem verzweifelt.

    »Aber das ist verboten! Und es ist kein Punsch, sondern ein Sud! So heißt das! Und wem willst Du diesen Sud geben, so dass er die Wahrheit spricht?«, antwortet Lengja Stirnrunzelnd.

    »Lengja. Bitte. Du musst mir helfen.«

    »Kannst Du noch warten, bis ich mit dem Herrichten des Zimmers fertig bin?«, fragt Lengja abwinkend.

    »Nein! ich muss wissen, ob die Elben einer riesigen Gefahr gegenüber stehen!«, antwortet das Mädchen verschwörerisch.

    »Das ist doch Quatsch!«, Lengja ist entsetzt über diese Behauptung.

    »Ich weiß es nicht! Aber ich muss es rausfinden!«, antwortet ihr das Mädchen geheimnisvoll.

    »Nein. Tut mir leid. Ich muss erst das Zimmer für meine Mutter herrichten und dann ein Feuer im Gemeinschaftsraum anfachen, es wird Heute ein Schneesturm geben sagen die alten Priesterinnen.«, Lengja schüttelt den Kopf.

    »Lengja. Ich…«

    »Ich kann dir jetzt nicht helfen«, unterbricht Lengja das Mädchen etwas barscher als sie es eigentlich wollte. Das Mädchen sieht sie kurz traurig an und wendet sie sich ab. Lengja schüttelt den Kopf. Der Wahrsagesud, oder Punsch, wie ihn diese Schülerin genannt hatte, gilt als dunkle Magie! Diesen zu kochen oder gar zu trinken ist verboten. Und der Kräutergarten ist ebenso absolut tabu! Diesen Regeln traut sich Lengja nicht zu widersetzen, vor allem jetzt nicht, wo doch ihre Mutter zu Besuch kommt.

    Eine Stunde später ist Vila immer noch nicht angereist. Sie sollte eigentlich schon vor einer Weile auf Au’va eintreffen. Lengja schürt mit einer älteren Frau das Feuer in der Versammlungshütte, so dass es schön warm wird und sie geschützt sind vor dem herannahenden Schneeturm, als eine zweite Priesterin völlig aufgelöst hereinstürmt.

    »Das Mädchen ist verschwunden. Das Mädchen, das dich vorhin noch aufgesucht hat, Lengja. Sie sagte, sie will in den Kräutergarten. Doch sie ist nicht zurückgekehrt!«

    »Das ist doch Wahnsinn. Sie wollte den Wahrsagesud kochen. Wahrscheinlich hat sie sich vergiftet, als sie Kräuter probiert hat und liegt bewußtlos im Kräutergarten!«, platzt es aus Lengja heraus.

    »Der Schneesturm, bei allen Geistern! Die weiße Schneewand ist schon vom Dorf aus zu sehen! Sie wird in wenigen Momenten über das Dorf hereinbrechen! Wenn die Priesterschülerin noch da draussen ist, kann sie erfrieren.«, ruft die Frau entsetzt, die mit Lengja das Feuer geschürt hat. Den drei Anwesenden ist klar, dass sie nachsehen müssen, nicht das der Priesterinnenschülerin tatsächlich etwas passiert ist. Die Priesterin, die mit Lengja Feuer geschürt hat, holt ein paar Decken und warme Umhänge, während Lengja sich ein langes Seil um den Bauch wickelt. Wer weiß schon, wozu man so etwas würde brauchen können.

    Sie laufen los – vor dem Schneesturm und dem Nebel her. Nur wenige Flocken erreichen sie bis jetzt, doch stetig werden es mehr. Nach einigen Metern erreichen sie den Kräutergarten, aber das Mädchen ist fort. Sie rufen sie, bekommen aber keine Antwort. Lengja sucht hastig den Boden nach Spuren ab. Endlich! Sie findet frische Fußabdrücke.

    »Sie muss zu den Klippen gelaufen sein! Schnell!«, ruft sie den beiden anderen Frauen zu.

    Das Schneetreiben wird immer dichter, bald sieht man keine 50 Schritte mehr.

    »Da vorne! Das muss sie sein. Ich sehe einen Schatten!« Lengja zeigt auf eine wankende Gestalt und rennt rufend los. Der Schneesturm ist nun so dicht, dass man kaum mehr etwas erkennen kann. Nicht einmal einen Horizont. Nur noch den Schatten der Person vor ihnen. Der Erdboden ist eins mit dem Himmel. Die drei rennen durch ein diffuses Weiß, das aus Flocken und Nebel besteht.

    »Bei allen Geistern! Wo ist sie auf einmal hin?«, ruft einer der Frauen entsetzt. »Sie ist wie vom Erdboden verschluckt!«

    »Sie muss die Klippen hinabgefallen sein!«, ruft Lengja besorgt. Rings um die ganze Insel befinden sich hohe Klippen, die steil ins Meer stürzen. Deshalb kann man die Insel so gut wie nicht betreten – außer über einen geheimen Tunnel, der unter dem Meer hindurch führt; oder aber über eine Treppe, die die Priesterinnen angelegt haben.

    Ganz vorsichtig tasten sich die Frauen weiter bis zum Rand der Klippen und blicken über die Kante.

    »Das Mädchen ist auf einen kleinen Vorsprung gefallen. Sie hatte Glück!«, stöhnt Lengja besorgt. Das Mädchen rührt sich nicht. Sie liegt mit dem Bauch auf dem harten Boden, das Gesicht von den Frauen abgewendet, bedeckt von Schnee. Hastig wickelt sich Lengja das Seil von ihrem Bauch ab und gibt ein Ende den beiden Frauen.

    »Ich geh da runter! Ihr müsst sie hochziehen! Und danach mich!«, sagt sie aufgeregt. Das andere Ende wirft sie zu dem Mädchen hinunter, während die beiden Frauen oben einen festen Stand suchen. Dann springt sie. Der Absatz liegt nicht besonders tief, jedoch steht Lengja um fast vier Kopfeslängen unterhalb der Klippenkante. Lengja beugt sich zu dem Mädchen. Sie lebt, hat aber die Augen komisch verdreht und ihr Atem geht viel zu schnell. Sie muss auf jeden Fall rasch nach oben zu den beiden Frauen, die mit Lengja gekommen sind. Doch in diesem Moment bricht ein Teil des Absatzes, auf dem sich die beiden Mädchen befinden, ab und rauscht in die Tiefe.

    »Bei allen Geistern! Der Absatz gibt nach!«, hört Lengja eine der Frauen entgeistert schreien. Lengja bindet das Seil rasch um die Brust des Mädchens, so dass sich die Schlaufe unter den Achseln verhakt.

    »Zieht sie hoch! Schnell!«, ruft sie. Die Erde erzittert – ein letztes Mal. Der Boden unter Lengjas Füßen gibt nach. Hastig wirft sie sich an die Wand und versucht an Wurzeln und Steinen Halt zu finden. Der Untergrund unter ihren Füßen verschwindet im Nebel. Jetzt ist dort nur noch weiße Unendlichkeit.

    »Lengja! Schnell! Das Seil!«, hört sie jemanden rufen. Dann baumelt vor ihr der dünne Hanfstrick. Mühevoll klettert sie so die wenigen Meter zur rettenden Oberfläche der Klippe empor. Mühsam und erschöpft erreicht sie den Rand der Klippe. Erst jetzt merkt sie, wie kalt es geworden ist. Eine der Frauen beugt sich über sie.

    »Mir geht es gut. Wir müssen schnell zurück, bevor wir erfrieren!«, haucht Lengja. Die andere Priesterin hat sich inzwischen um das Mädchen gekümmert.

    »Es hat sich tatsächlich im Kräutergarten vergiftet. Sie muss von dem verbotenen SilberKraut probiert haben. Es hat bei Überdosierung eine geistesberaubende Wirkung. Das Mädchen wird dafür bestimmt bestraft werden und vielleicht wird sie nie Priesterin werden können. Aber das muss der Rat der Ältesten beschließen«, grummelt sie. Die Schneewehen werden immer dichter. Lengja richtet sich wieder auf und bindet das Seil um ihren Bauch. Nichts ist mehr von ihren Spuren zu sehen, der Schnee hat alles verschluckt.

    »Lass uns das Mädchen in die Decke hüllen, dann können wir sie tragen«, schlägt sie vor. Gesagt, getan. Der Heimweg ist anstrengender, als die Frauen gedacht hatten. Es zehrt, dass sie nicht sehen können, wie weit sie noch zurück müssen. Aber schließlich erreichen sie den Weg, der in das Dorf führt. Er ist hier durch mannshohe Holzpfähle gekennzeichnet, so dass man auch im Winter den Weg von den Klippen in das Dorf findet. Erschöpft sinken sie zu Boden. Sie sind unfähig, das in die Decke gehüllte Mädchen auch nur noch einen Schritt weiter zu tragen. Die Hände schmerzen vor Kälte.

    »Ich gehe alleine weiter. Ihr wartet hier auf Hilfe. Ich beeile mich«, Lengja steht schwerfällig auf und schüttelt ihre Füße aus, sie sind leicht taub. Völlig erschöpft erreicht sie schließlich eine Glocke in ihrem Dorf, die in einem Holzturm hängt. Es ist die einzige Alarmglocke. Seit sie hier wohnt, wurde sie noch nie geläutet. Lengja klingelt wie wild, sackt dann aber zu Boden und bleibt liegen. Sie ist am Ende. Nichts geht mehr.

    Das Dorf findet sie halb bewusstlos im Schnee liegen. Ihr ist so unendlich kalt.

    »Rettet die Priesterinnen. Rettet das Mädchen! Sie warten auf dem Weg zu den Klippen.«, stottert Lengja leise. Sofort macht sich ein riesiger Tross Elben auf den Weg, die drei Frauen zu retten.

    Die zitternde Lengja wird von einer Priesterin in die Versammlungshütte getragen, wo sie ihre nassen Kleider zum Trocknen aufhängt und Lengja vor dem Feuer, in warme Decken gehüllt, zum Aufwärmen gebettet wird.

    Ein Tee spendet ihr innere Wärme. Sie starrt in die lebendigen Flammen, während sie langsam wieder zu sich findet.

    Am nächsten Tag ist Lengja vollkommen erholt.

    Das Mädchen, das sie gerettet hatte, war noch am Morgen von der Insel abgereist. Sie hatte ihr Verhalten verteidigt und die Priesterinnen gewarnt:

    »Es steht großes Unheil bevor. Das ganze Volk der Elben ist in Gefahr«, hatte sie gesagt. Doch die Priesterinnen wollten ihr nicht glauben. Erst als Vila etwas später die Insel erreicht, erfahren sie von den eigenartigen Dingen, die tatsächlich auf Erdan vorgehen. Doch da war das seltsame Mädchen schon längst verschwunden.

    Lengja hingegen soll noch an diesem Tag zur Jungpriesterin ernannt werden: Prestir’ath heithra vatn – die Bewahrern des Wassers, so lautet ihr neuer Titel. Somit ist sie keine Schülerinn mehr. Sie ist nun eine echte Priesterin. Das beschließt der

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