Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Hatha Yoga als Erfahrung: Pädagogik, Didaktik und Methodik  einer meditativen Körper- und Übungskultur
Hatha Yoga als Erfahrung: Pädagogik, Didaktik und Methodik  einer meditativen Körper- und Übungskultur
Hatha Yoga als Erfahrung: Pädagogik, Didaktik und Methodik  einer meditativen Körper- und Übungskultur
eBook531 Seiten5 Stunden

Hatha Yoga als Erfahrung: Pädagogik, Didaktik und Methodik einer meditativen Körper- und Übungskultur

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Hatha-Yoga als Erfahrung
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. März 2022
ISBN9783347594500
Hatha Yoga als Erfahrung: Pädagogik, Didaktik und Methodik  einer meditativen Körper- und Übungskultur

Ähnlich wie Hatha Yoga als Erfahrung

Ähnliche E-Books

Körper, Geist & Seele für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Hatha Yoga als Erfahrung

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Hatha Yoga als Erfahrung - Carlo Vella

    Vorwort

    In dieser Publikation möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, um im gegenwärtigen komplexen Umfeld die eigene Integrität wahren zu können. Im Zentrum steht dabei Hatha Yoga als Erfahrung. Darin zeichnet sich ein grundlegendes Konzept ab: Verinnerlichung als Überlebenspraxis.

    Die meisten Menschen werden im Verlauf ihres Lebens mit Situationen konfrontiert, die sehr belastend sein können: mit Lebensumbrüchen, körperlichen Beschwerden, ausserordentlichen Beanspruchungen im Berufs- und Beziehungsfeld. Auch ich blieb von solchen Ereignissen nicht verschont. Eine langjährige Migräne zwang mich, geeignete therapeutische Hilfen in Anspruch zu nehmen. Eine Midlife-Crisis führte mich dazu, meine bisherige Lebensweise zu hinterfragen und nach einer modifizierten Lebensgestaltung zu suchen. Dies war angesichts des Lebensumfeldes, in das ich eingewoben war, nicht einfach. Als nun Achtzigjähriger habe ich die gewaltigen Umwälzungen entscheidender Phasen des 20. und 21. Jahrhunderts eindrücklich miterlebt. Technisierung, Digitalisierung und Globalisierung sind nicht spurlos an mir vorbeigezogen. Im Gegenteil, ich fühlte mich dabei oft verunsichert, dem rasanten Wandel nicht gewachsen und den vielen fremdbestimmenden und einnehmenden Faktoren ausgeliefert. Dieses Ausgeliefert-Sein verstärkte in mir den Wunsch – inmitten dieses hektischen, reizüberfluteten und veräusserlichenden Umfeldes – nach einem Ort des inneren Rückzugs und der Stille zu suchen. Ich fand diese rettende Insel in der Praxis des Hatha Yoga. In der geschützten Übungszone und meditativen Oase konnte ich gegenüber der Wucht der Medien, dem atemraubenden Rhythmus des Alltags und der zunehmenden Polarisierung in vielen Bereichen der Gesellschaft und Politik wohltuende Distanz gewinnen. Dabei entwickelte sich im Verlauf der Übungsjahre eine ganz speziell akzentuierte hathayogische Praxis, der ich die Bezeichnung «Hatha Yoga als Erfahrung» gab. Es ist eine Übungsweise, die in ihrer Grundtendenz einer betonten Verinnerlichungsspur folgt und ganz bewusst eine innere Entwicklung anstrebt. Das Konzept dieser Unterrichtspraxis ist nicht neu. Es hat lediglich aufgrund meiner Erfahrungen eine spezifisch persönliche Ausformung erhalten. Dabei spielten die vielfältigsten Impulsbereiche eine Rolle. Zentral war meine jahrzehntelange Lehrtätigkeit auf allen Stufen im Bereich des Fremdsprachenunterrichts und als Dozent für Fremdsprachendidaktik. Stark beeinflusst und geformt haben mich die ersten Yogakontakte im Umfeld des bekannten Yogalehrers Selvarajan Yesudian in Zürich, meine ersten Yogalehrerinnen und -lehrer ganz unterschiedlicher Richtungen und meine Yogalehrerausbildung, die ich genau im Zeitpunkt meiner beruflichen Pensionierung abschloss. Eine grosse Bereicherung bildete das anschliessende Engagement als Yogalehrer mit ganz unterschiedlichen Zielgruppen wie Strafgefangene, Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung, Blinde und ältere Menschen.

    Die Publikation richtet sich an Yogalehrende, die in ähnlicher Weise wie ich Lebens- und Übungserfahrungen machen durften und ihr unterrichtliches Wissen vertiefen möchten. Sie alle wissen, dass es keine Rezepte gibt und dass sie in ganz eigener Weise teilnehmerbezogen ihre hathayogische Vision umzusetzen versuchen.

    Einleitung

    In der vorliegenden Publikation versuche ich auf zentrale Fragen der Gestaltung eines zeitgemässen Yogaunterrichts angemessene Antworten zu geben. Dabei wird dem Aspekt der Fülle – in welcher Form auch immer – eine ganz besondere Beachtung geschenkt werden. Bei der hier beschriebenen hathayogischen Praxis liegt der Fokus akzentuiert auf Erfahrungen aus erster Hand. Neben dem Erleben der körperlichen Wirkungen beim Yoga Üben nimmt das Kultivieren und Entwickeln existenziell bedeutsamer Kompetenzen einen bedeutsamen Platz ein. Gemeint sind z. B. das Wahrnehmungsvermögen, Körper- und Atembewusstsein, Konzentration und Achtsamkeit. Die Kompetenzentwicklung basiert auf einer ganz spezifischen Übungsweise, welche der Verinnerlichung einen hohen Stellenwert einräumt. Das so gestaltete Unterrichtsgeschehen weist daher eine eher sanfte, langsame und meditative Prägung auf. Entsprechend gestalten sich die Übungsanleitungen. In diese werden neben den üblichen Anleitungselementen ganz bewusst vermehrt verinnerlichende Impulse eingewoben. Der Aufbau der Publikation spiegelt in einem gewissen Sinne meine Interessen und mein Engagement aus meiner früheren Lehrtätigkeit. Es war mir als Lehrender schon immer ein ganz wichtiges Anliegen, meinen Unterricht durch geeignete Massnahmen zu optimieren und wirksamer zu gestalten. So habe ich die fremdsprachdidaktische Konstellation sinngemäss in die Bereiche des Yogaunterrichts übertragen, Akzente neu gesetzt und den yogaunterrichtlichen Gegebenheiten angepasst.

    Die Ausführungen zeigen daher folgende Aufbaustruktur: Darstellung der Vielfalt und Verflechtung aller im hathayogischen Unterrichtsfeld bedeutsamen Aspekte, spezifische Ziele und Inhalte des Yogaunterrichts und das kompetenz- und entwicklungsorientierte Lernkonzept einer erfahrungsbezogenen Yogapraxis. Der Reichtum hathayogischer Übungen wird anhand von Beispielen anschaulich aufgezeigt. Dabei wird eindrücklich darauf hingewiesen, dass Yogaübungen in sich das Potenzial von Lernmedien tragen. Wir lernen, die Übungen auszuführen, doch gleichzeitig kultivieren wir dabei auch Übungsqualitäten wie z. B. Achtsamkeit, Hingabe und Selbstvergessenheit. Wir lassen die Übungen zu uns sprechen. Sie berühren und formen uns. Diesem Aspekt sind die Ausführungen zum Prozesshaften im yogischen Lernbereich gewidmet. Es wird anschaulich am Phänomen des «Kuchenbackens» und an einem einfachen Übungsbeispiel dargestellt. Ein begrenzter geschichtlicher Exkurs erläutert, wie sich der Yoga-Modus mit dem Hatha-Yoga-Modus verflochten hat und sich daraus auch eine meditativ akzentuierte hathayogische Körper- und Übungskultur ableiten lässt. Um unserem Körper und unserer Verkörperung die ihnen gebührende Referenz zu erweisen, sind diesen Bereichen eigene Kapitel gewidmet. Bei allen didaktisch -methodischen Exkursen wird darauf hingewiesen, dass die Lernenden immer in ihrer Ganzheit angesprochen werden sollen. Körper, Psyche und die seelisch-spirituellen Seins-Aspekte bilden eine unzertrennliche Einheit. Der personenzentrierte Ansatz zeigt sich daher als tragendes Leitmotiv in allen unterrichtlichen Belangen. Das zentrale Kapitel9. veranschaulicht anhand praktischer Übungsbeispiele, wie die Prinzipien eines verinnerlichenden Yogaunterrichts umgesetzt werden können. Von besonderer Bedeutung sind die Ausführungen in Bezug auf das «hathayogische Lerngärtchen» und die Thematik «Yoga und Alltag». Hier wird deutlich, wie entscheidend für unser Leben ein regelmässiger, täglicher Rückzug in die Stille und Ruhe sein kann.

    Am Ende jedes Kapitels finden sich unter der Rubrik «Persönliches» Ereignisse und Erfahrungen aus meinem Leben, meiner eigenen Yogapraxis und als Yogalehrer. Dem schliesst sich eine kurze Zusammenfassung des Kapitelinhalts an. Dabei wird immer auch die spezifische Funktion der Yogalehrenden in Bezug auf den im Kapitel beschriebenen Unterrichtsaspekt differenziert aufgezeigt. Zu erwähnen bleiben die Illustrationen. Ich habe auf farbige, perfekte Bilder bewusst verzichtet. Dafür habe ich versucht, mit eigenen Punktbildern die Publikation zu bereichern. Mit dieser Darstellungsweise will ich einen wichtigen Grundzug des vorliegenden Konzeptes untermalen: Die Form ist weniger bedeutsam als der Inhalt. Alles Seiende wird von spezifischen Energiefeldern getragen. Es sind diese Energiefelder, die uns auch yogaübend berühren und verwandeln können. Eine weitere Bereicherung stellen die da und dort eingeflochtenen, meditativen Texteingaben dar. Sie sind ein Geschenk meiner verinnerlichenden Bemühungen. Sie beinhalten erstaunlich tiefgründige, an mich gerichtete Aussagen aus dem kollektiven, weisen Hintergrund, mit dem wir alle verbunden sind. Ich bin überzeugt, dass in einer meditativen Körper- und Übungskultur, wie sie «Hatha Yoga als Erfahrung» aufzeigt, viele wertvolle Entwicklungsmöglichkeiten schlummern. Ohne Hatha Yoga als generellen Hoffnungsträger betrachten zu wollen, erkenne ich darin viele Vorteile. Ich habe neben vielen heilsamen körperlichen Wirkungen vor allem auch entscheidende innere Entwicklungen erfahren dürfen. Eine differenzierte und achtsame Selbstwahrnehmung bildete die Grundlage, dass sich meine Beziehung zur Welt und den Menschen gegenüber spürbar zum Positiven wandelte.

    1 Yogaunterricht – ein Lern- und Erfahrungsfeld ganz besonderer Art

    Kapitelinhalt:

    • die primäre Bedeutung der personalen Ebene: Yogalernende - Yogalehrende

    • die personalen und didaktischen Aspekte des Yogaunterrichts

    • die gegenseitige Verflechtung der einzelnen Faktoren

    Yogaunterricht im Spannungsfeld personaler und didaktischmethodischer Gegebenheiten

    Jedes Unterrichtsgeschehen – auch Yogaunterricht – erweist sich als ein reichhaltiges, vielfältiges Interaktionsfeld. Die wesentlichen Schwerpunkte jedes unterrichtlichen Geschehens sind personaler und didaktisch-methodischer Natur. Die einzelnen Faktoren spielen bei der Planung, beim Aufbau, der Durchführung und Auswertung des Yogaunterrichts eine entscheidende Rolle. Jeder Faktor hat dabei seine spezifische Bedeutung und steht mit jedem anderen Faktor des Unterrichtsfeldes in Interdependenz (siehe Abb. 1). Die Verflechtungen sind dynamischer Natur. Die einzelnen Faktoren bestimmen, beeinflussen und befruchten sich wechselseitig. Der harmonische Einbezug all dieser komplementären Faktoren des gesamten Bezugsfeldes führt zu einer optimalen Gestaltung des Yogaunterrichts.

    Das wohl entscheidende Stichwort inmitten aller einwirkenden Unterrichtskomponenten ist in der didaktischmethodischen Ebene unter den Unterrichtsprinzipien zu finden: Teilnehmerorientierung. Yogalehrende gestalten ihren Unterricht differenziert in Bezug auf die am unterrichtlichen Geschehen Beteiligten. Yogaunterricht ist für die Beteiligten da und nicht umgekehrt!

    Erste Priorität hat daher immer die personale Ebene: die Lernenden und die Lehrenden. Pädagogische und psychologische Gegebenheiten stehen dabei im Vordergrund. Die Beachtung der Prinzipien der Erwachsenenbildung und eine liebevolle zwischenmenschliche Kommunikation wirken sich auf die Lernatmosphäre in entscheidender Weise aus. Didaktisch-methodische Aspekte sind eng mit der personalen Ebene verbunden, dieser jedoch untergeordnet. Auf diesen Grundlagen aufbauend, ist die Chance gross, dass die Lernenden den Yogaunterricht als ein fruchtbares Lern- und Erfahrungsfeld erleben.

    Zentraler yogaunterrichtlicher Fokus: der Mensch als ganzheitliches Wesen

    Der Kern der yogaunterrichtlichen Anliegen berührt den Menschen in der Ganzheit seines Wesens. Darin unterscheidet sich der Yogaunterricht von jedem anderen Unterricht. Daher ist die Beziehungsebene im Yogaunterricht von ganz besonderer Bedeutung. Eine Unterrichtsatmosphäre, die von Wohlwollen, Offenheit und Vertrauen getragen wird, bildet einen dafür angemessenen Resonanzraum. Alle unterrichtlichen Akzentsetzungen und Dispositionen ruhen dementsprechend auf einem betont personenzentrierten Ansatz. Inhaltliche, didaktische und methodische Elemente finden auf der Basis dieses menschlich- harmonischen Umfeldes ihren sinnvollen Platz. Das „Was reitet auf den heiter-positiven und motivierenden Wellen des „Wie. Um diesem personalen Bereich das notwendige Gewicht zu geben, sollen dazu noch einige zusätzliche, erhellende Angaben folgen.

    Yogalernende

    Die uns Lehrenden im Yogaunterricht anvertrauten Menschen sind in ihrer Individualität einmalig. Sie haben ihre spezifischen Stärken und Schwächen, Begabungen und Veranlagungen. Geprägt durch eine einzigartige Lebensbiographie und unter dem Einfluss spezifischer Lernerfahrungen wird jede Teilnehmerin/jeder Teilnehmer im Unterricht seine eigenen Erfahrungen machen, einen eigenen Lernweg beschreiten und damit auch einen sehr persönlichen Yogaweg gehen. Dieser Tatsache müssen wir Yogalehrende uns stets bewusst bleiben. Gewisse Gegebenheiten bei den Lernenden sind dabei von besonderer Bedeutung. Die Teilnehmenden bringen unterschiedliche körperliche Voraussetzungen mit. Einzelne haben vielleicht einschränkende Beschwerden (z. B. Rücken- und Atemprobleme). Es zeigen sich auch im Bereich der psychischen Bereiche (Mentales, Emotionales) grosse Unterschiede (z. B. im Leistungs- und Perfektionsverhalten, in der Konzentrationsfähigkeit, im Bereich der Selbstwahrnehmungskompetenzen, im Umgang mit dem «inneren» Kritiker). Negative Erfahrungen in früheren Lernsituationen können Nachwehen verursachen und resignative Muster wachwerden lassen (Das lerne ich doch nie!). Auch ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass in Bezug auf den Unterricht sehr unterschiedliche Erwartungen gestellt werden. Der Erwartungsradius ist von enormer Breite. Er reicht vom körperlichen „Fit- und Schlank-Werden", «Yoga als Wohlfühlevent» bis zu Bemühungen, etwas für die eigene innere Entwicklung zu tun. Dazwischen liegt ein breites Feld vielfältig anderer Wünsche. Yoga bietet eine breite Projektionsfläche, auf der eine Fülle an Vorstellungen Platz findet. Für uns sind jedoch jene Erwartungen von Bedeutung, die sich an uns als Yogalehrende richten, an uns Menschen in unterrichtsgestaltender Funktion. Und da ist es wichtig, sich immer wieder Folgendes zu vergegenwärtigen: Wir befinden uns weitgehend im Bereich der Erwachsenenbildung. Wir unterrichten vorwiegend Frauen und – hoffentlich - vermehrt auch Männer. Erwachsene Yogalernende erwarten in erster Linie einen kompetent konzipierten, erfahrungsbezogenen Unterricht, differenziert den Teilnehmenden angepasst mit präzis angeleiteten Übungen. Sie erwarten von uns Einfühlungsvermögen, Ausgeglichenheit und spürbares Engagement. Sie freuen sich, wenn wir ihnen mit Interesse begegnen und uns Mühe geben, sie zu motivieren, bzw. ihre Motivationen zu wecken. Aber sie schätzen es auch, wenn man ihnen vertrauensvoll Freiräume gestattet und sie in ihrer Selbsttätigkeit und Selbstverantwortung unterstützt. Manipulierenden und indoktrinierenden Tendenzen stehen sie verständlicherweise eher negativ gegenüber. Es gilt, unterrichtliche Dispositionen zu treffen, welche dazu führen, dass die Lernenden in ihrer Art das eigene, individuelle Potenzial optimal entfalten können. Entwicklung vollzieht sich in ihnen. Letztlich sind die Lernenden im Yogaunterricht «Sich-selbst-Lehrende». Eine differenzierte, teilnehmerbezogene Gestaltung des Yogaunterrichts bedingt daher, dass Yogalehrende über umfassende Informationen bezüglich der Voraussetzungen und Erwartungen der Lernenden verfügen (persönliche Gespräche, Gesundheitsfragebogen).

    Eigenheiten des Gruppenunterrichts

    Eine Gruppe ist im Normalfall immer ein komplexer Verband und hat eine heterogene Struktur. Gemeinsame Interessen können jedoch dazu führen, dass Unterschiede in der Gruppe weniger stark in Erscheinung treten. Dies ist in einer Yoga-Lerngruppe bis zu einem gewissen Grad der Fall. In der Praxis des Hatha Yoga als Erfahrung ist die zentrale unterrichtliche Akzentsetzung auf den Verinnerlichungsprozess ausgerichtet. Tendenziell bestimmen Konzentration, Stille und Friedlichkeit das Gruppenklima. Wesentliche Anliegen des Übungsgeschehens bilden die Entspannung, die Befreiung von inneren Irritationen und das Bei-Sich-Ankommen. Die mündlich-sprachliche Ebene im Verlauf des Unterrichtsgeschehens wird ganz von den bestimmenden, doch eher zurückhaltenden Anweisungen der Lehrenden geprägt. Gruppenatmosphärisch ist eine Tendenz in Richtung Harmonie und Übereinstimmung zu erkennen. In der yogischen Übungsgemeinschaft wird oft spürbar, dass das Ganze, dh. die Ausstrahlung der Yogalerngruppe, viel mehr ist als die Summe des Potenzials der in ihrer individuellen Art Übenden. Diese intensive und intime Gruppenatmosphäre ist wohl für alle Yogalehrenden und - lernenden eine sehr eindrückliche Erfahrung.

    Yogalehrende

    Die unterrichtlichen Akzentsetzungen werden jedoch nicht nur von den Voraussetzungen, Bedürfnissen und Erwartungen der Teilnehmenden her bestimmt. Yogalehrende haben naturgemäss durch ihre Persönlichkeit und ihre (Yoga)-Vorstellungen einen prägenden Einfluss auf die Art und Weise der Unterrichtsgestaltung. Dabei können jedoch auch andere Faktoren mitbestimmend sein, z. B. ein Unterricht im Rahmen spezifischer Hatha Yoga-Richtungen, die bestimmten Traditionslinien verpflichtet sind oder von ganz speziellen Akzentsetzungen geprägt werden. Auch das in diesem Buch dargestellte «Hatha Yoga als Erfahrung» zeigt ganz spezifische konzeptionelle Gegebenheiten. Daneben ergeben sich auch in Bezug auf gewisse Zielgruppen klare unterrichtliche Forderungen, die es zu beachten gilt, z. B. bei Yogakursen für Jugendliche, für Frauen, für Männer, für Schwangere, für ältere Menschen, usw. In solchen Gruppen liegen bis zu einem gewissen Grad spezifische Gemeinsamkeiten vor, die zu berücksichtigen sind und die Unterrichtsgestaltung mitbeeinflussen. Auch Frühmorgen-, Mittags- oder Abendkurse haben ihre eigenen Gegebenheiten. Und ganz gewiss wird man in Anfängerkursen, in mittleren und fortgeschrittenen Stufen spezielle personale und didaktische Akzente zu setzen haben. Doch auch in mehr oder weniger ausgewogenen Gruppen wird immer eine gewisse Heterogenität ein zu beachtender Strukturfaktor bleiben. Zusätzliche Anforderungen an uns Lehrende können durch hohe Teilnehmerfluktuationen in den Kursen und durch häufige Neueintritte in einen laufenden Kurs gestellt werden. Von uns Yogalehrenden wird daher eine hohe Flexibilität gefordert. Der unterrichtlichen Heterogenität haben wir mit einer ausserordentlichen Anpassungsfähigkeit, einer Diversifizierung des Angebotes und einer dynamischen didaktisch-methodischen Gestaltung des Unterrichts zu antworten.

    Das personal-didaktische Interdependenzfeld des Yogaunterrichts

    Abbildung 1: Personal- didaktisches Interdependenzfeld des Yogaunterrichts

    Die einzelnen personalen, didaktisch-methodischen Aspekte werden im Allgemeinen nicht bewusst und streng geplant miteinander verknüpft. Unterrichtserfahrung, Improvisationsgabe und Intuition erlauben es Yogalehrenden, spontan situationsadäquate, ausgewogene, unterrichtliche Lösungen zu finden.

    Zur Illustration der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Faktoren des personalen und didaktischen Feldes folgen einige erhellende Erläuterungen. Dadurch soll sichtbar gemacht werden, wie dicht die Verflechtungen sind und von welch hoher Dynamik das hathayogische Unterrichtsfeld geprägt ist. Ein steter, sehr enger Bezug zur personalen Unterrichtskomponente ist nicht zu übersehen.

    Räumliches: Teilnehmerbezug / Hilfsmittel / Lektionsgestaltung / Übungsauswahl

    Infolge mangelhafter Regulierung der Raumtemperatur trifft die Yogaklasse auf einen eher kalten Unterrichtsraum, an der Grenze des Erträglichen. Primär sind (sofern möglich) heizungstechnische Vorkehrungen zu treffen. Decken und wärmere Kleidung können Abhilfe schaffen. Die geplante, eher sanft-ruhige Lektion muss modifiziert werden. Vermehrt werden nicht vorgesehene, dynamische und kreislaufanregende Übungen eingeflochten. (vom Autor selbst erlebte Unterrichtskonstellation!)

    Ziele: Teilnehmerbezug / Bezug zum Yogakurstyp / Übungsauswahl / Methode: angemessener Anleitungsmodus / spezielle Zielsetzungen: Kompetenzschulung

    Ist das Unterrichtskonzept z. B. von einer grundsätzlich langsamen, meditativen Zielsetzung geprägt, tangiert dies unmittelbar die Übungsauswahl, deren Ausführung, den Ablaufrhythmus und die Umsetzung gewisser Unterrichtsprinzipien (z. B. im Yogaunterricht für ältere Menschen: schrittweises Vorgehen, sanfter Ablaufrhythmus, eingeflochtene spannungslösende Übungen und erholsame Pausen). Aufmerksames und sorgfältiges Üben werden dabei durch die Anleitung mit differenzierten Verinnerlichungsimpulsen unterstützt. Achtsamkeit und Sorgsamkeit als Ziele bzw. wichtige Übungsqualitäten können sich so allmählich zu tief verankerten Kompetenzen ausformen.

    Methode / Unterrichtsprinzipien: Teilnehmerbezug / Umstellung des Aufbaus der Lektion / Inhalte: Übungsangebot anpassen/ Vorgehen: Freiräume gestatten, individuelle Betreuung

    In heterogenen Klassen, bei einer stark fluktuierenden Präsenz der Teilnehmer oder bei häufigen Neueintritten in einen laufenden Yogakurs sind Yogalehrende stark gefordert. Vieles bleibt offen. Die vorgesehene Planung muss variiert werden. Unterrichtsprinzipien können nicht starr eingehalten werden. Auf einzelne Teilnehmer muss vermehrt eingegangen werden. Doch auch auf das Gros der Klasse muss gebührend Rücksicht genommen werden. Der Klasse werden in kurzen Phasen Freiräume des Übens gestatten, um etwas Zeit für die Betreuung von Spezialfällen zu gewinnen.

    (In diesem Zusammenhang habe ich mit extremen Unterrichtssituationen einige Erfahrungen, z. B. im Yogaunterricht mit Teilnehmern im Strafvollzug. Da neben einer starken Teilnehmerfluktuation und einer internationalen Zusammensetzung der Gruppe die Übungsanleitungen mehrsprachig erfolgen mussten, geriet ich öfters in einen spürbaren personal-didaktischen Spagat.)

    Inhalte/ Übungen: Teilnehmerbezug/ Unterrichtsprinzipien/ methodisches Vorgehen/ Beobachtung / Art der Korrektur

    Eine neue Stellung soll eingeführt werden. Der Lehrende verfügt über das notwendige Wissen und besitzt Erfahrungen bezüglich der neuen Stellung (Details der Stellung, die zu beachten sind; biomechanische Gegebenheiten; Kontraindikationen; notwendige Vorübungen; Ausgleichsmöglichkeiten; beschwerdeschonende Varianten). Die Fragen, die sich beim Einführen stellen, sind weitgehend methodischer Natur: Worauf kann aufgebaut werden? Wie das Prinzip „vom Einfachen zum Komplexen" umsetzen? Wie anleiten? Was vorzeigen? Worauf hinweisen? Was in erster Linie beobachten? Wie und wann allfällige Korrekturen anbringen? In welcher Art korrigieren? Was ist bei vertiefenden Wiederholungen zu berücksichtigen?

    Hilfsmittel: Teilnehmerbezug / Rücksichtnahme auf die spezielle körperliche Situation einzelner Teilnehmer / Übungsauswahl / Methode: spezieller Anleitungsmodus

    Die spezifische Beschwerdepalette in einer Yogaklasse wird achtsam im Auge behalten. Daher werden beschwerdeschonende Varianten vorgesehen und Hilfsmittel (z. B. Stühle, Decken, Kissen) vorgängig bei den betreffenden Lernenden bereitgelegt, dies um unnötige Zusatzbewegungen und Unruhe während der Lektion zu vermeiden. Hilfsmittel können z. B. im strukturell-körperlichen Bereich wirksame Funktionen übernehmen und die Übungsausführung schonend erleichtern.

    Personaler Bereich / Yogalehrender: Methode / Art der Anleitung / Beobachtung und Korrektur (persönliche Erfahrung)

    Eine geringfügige Verletzung am Unterarm verunmöglichte mir das Vorzeigen der Stellungen und das Anleiten mit gleichzeitigem Mitmachen. Daher erfolgte der Ablauf der gesamten Yogalektion nur über die mündliche Anleitung. Dies gab mir jedoch eine ausgezeichnete Gelegenheit, vermehrt das übende Geschehen in der Klasse genauer zu beobachten und - falls nötig - sanfte Korrekturen anzubringen.

    In Ergänzung zu den in der Einleitung zum Buch erwähnten inhaltlichen Aspekten und den im personaldidaktischen Interdependenzfeld aufgezeigten relevanten Eckdaten soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass viele der bis anhin nur begrenzt erwähnten didaktisch-methodischen Bereiche in den folgenden Kapiteln dieser Publikation noch ausführlich behandelt werden. Es wird dabei die ausserordentliche Fülle der hathayogischen Übungspalette (Inhalte) aufgezeigt. In ihr liegt ein hohes, vielfältiges Wirkungspotential. Der kompetenz- und prozessorientierte Grundzug yogaunterrichtlicher Bemühungen wird hervorgehoben (Zielsetzungen, Verfahren, Übungsweisen). In den Zielsetzungen sind die Stärkung des Körpers, die Förderung der Beweglichkeit und die Entfaltung einer umfassenden Vitalität von zentraler Bedeutung. Doch von ebensolcher Relevanz ist die Pflege innerer Qualitäten. Hatha Yoga als Erfahrung versucht in Bezug auf diese letztgenannten Zielsetzungen einen möglichen Weg aufzuzeigen. Einer betont verinnerlichenden Unterrichtsspur folgend, können wirksam innere Kompetenzen wie Konzentration, Achtsamkeit und Bewusstheit entfaltet werden. Ein neues Verständnis zum eigenen Körper und zur persönlichen Verkörperung kann wachsen. Der zentrale Fokus liegt betont auf einer ganzheitlichen Entwicklung unseres Wesens.

    Persönliches

    In meinem hauptberuflichen Arbeitsbereich als Sprach- und Didaktiklehrer standen oft neue Sprachlehrmethoden und deren prägende Prinzipien und instrumentalen Gegebenheiten im Zentrum meiner Arbeit (audiovisuelle und -linguale Methoden, Einsatz multimedialer Lehrwerke, technisierter Unterricht im Sprachlabor und durch Computer programmierter Unterricht). Dabei wurde bedeutsamen personalen Aspekten oft nicht die notwendige Achtsamkeit geschenkt (den Lerngewohnheiten und hirnphysiologischen Aspekten, der Motivation und Konzentrationsfähigkeit). Oft waren die Lernenden Versuchskaninchen für didaktisch-methodische Experimente. Wie es den Lernenden im Rahmen dieser neuen Lernkonzepte zumute war, wurde selten hinterfragt. Erst aufgrund vieler Negativerfahrungen und Lernmisserfolge schwand auch bei mir allmählich der Glaube an diese methodisch-technischen Hoffnungsträger. Damit verbunden wuchs in mir die Gewissheit: Nicht das Didaktisch-Methodisch-Technische und enge Lehrvorstellungen sollten im Zentrum des Sprachunterrichtsgeschehens stehen, sondern die Lernenden mit ihren konkreten Voraussetzungen, der individuellen Lernkapazität und ureigenen Ressourcen.

    Das Abrücken von einem stark instrumentalen und leicht manipulativ gestalteten Sprachunterricht führte zunächst einmal zu mehr Ruhe. Auch meine ursprüngliche Rolle als Pädagoge konnte ich wieder vermehrt wahrnehmen. Empathie, Verständnis und Humor leuchteten wieder auf. Didaktisch und methodisch sehr einfach gestaltete Lektionen, in denen jedoch die Lernenden einen hohen Stellenwert einnahmen, zeigten erstaunliche Wirkungen: Die Lernresultate waren spürbar besser, die Unterrichtsstunden hatten einen ganz neuen Klang. Sie waren geprägt von Heiterkeit, von Lachen, von Offenheit und hoher Lernbereitschaft.

    Dies war für mich – als ehemaliger Methodengläubiger – eine tiefe, umwerfende Erfahrung. Ich war glücklich, den richtigen Pfad wenigstens in den letzten zehn Jahren meiner Sprachlehrertätigkeit gefunden zu haben – zu einem Unterricht mit menschlichem Gesicht.

    Zusammenfassung

    Unterricht ist ein komplexes Geschehen. Viele Faktoren spielen mit ein. Dabei lassen sich zwei zentrale Komponenten unterscheiden: eine Sach- und eine Personal- bzw. Beziehungsebene. Auf der Sachebene sind vorwiegend inhaltliche und didaktisch-methodische Aspekte wegweisend. Die personale Ebene wird von pädagogisch-psychologischen Akzenten getragen. Yogaunterricht umfasst wie jeder andere Gruppenunterricht diese beiden Bereiche. Der entscheidende Unterschied zu anderen Unterrichtskonzepten liegt jedoch in Folgendem: Im Yogaunterricht geht es primär nicht um Wissen und Fertigkeiten. Es geht um die Teilnehmenden selbst. Es geht um die Menschen in ihrer Ganzheit, um ihre Integrität und umfassende Gesundheit. Diese berührt demnach nicht nur die körperliche Ebene. Es geht auch um ein Heilwerden der Psyche und um Berührungspunkte zu seelisch-spirituellen Energiefeldern. Es geht um Entwicklung und Transformation und dies über Erfahrungen in der hathayogischen Praxis. Yogalehrende sind daher in einem besonderen Mass gefordert. Sie übernehmen für die ihnen anvertrauten Menschen eine ganz spezifische Verantwortung und Funktion. Sie sind in erster Linie Gestaltende von Lern- und Erfahrungsräumen. Die Bemühungen um einen harmonischen Miteinbezug aller am Unterricht beteiligten relevanten Faktoren nimmt daher einen zentralen Platz ein. Der Schwerpunkt liegt jedoch nicht im didaktisch-methodischen Feld, sondern im Menschlich-Atmosphärischen. Das integrierte Zusammenspiel aller personalen und didaktischen Faktoren ist von hoher Dynamik und lebendiger Gegenwärtigkeit. Es ist ein Geschehen, das immer im Jetzt stattfindet und immer im Augenblick seine Erfüllung findet. Dies ist der geeignete Rahmen für prägende Erfahrungen. Was bei Yogalernenden innerhalb dieser Möglichkeiten geschehen kann, muss jedoch weitgehend ihnen selbst überlassen werden. Alle Yogalernenden erleben den Übungsprozess in ganz individueller Art. Yogalehrende sollten sich dieser Tatsache immer bewusst bleiben. So gesehen unterrichten Yogalehrende nicht im eigentlichen Sinne. Die Yogalernenden unterrichten letztlich sich selbst. Dies geschieht über ein engagiertes, übendes Engagement und über die Impulse, die ihnen im Rahmen des Gruppenunterrichts – allenfalls auch in ihrer individuellen Praxis zuhause – aus dem Yogaerfahrungsraum zufliessen. Es sind letztlich diese Impulse, die innere Entwicklungen und Veränderungen des eigenen Wesens auslösen.

    2 Überreicher Schatz an Übungen

    Kapitelinhalt:

    • Überblick über das vielfältige Angebot hathayogischer Übungen

    • zentrale Funktionen hathayogischer Übungen in ihren positiven gesundheitlichen Wirkungen und ihrem Potential als Lern- und Erfahrungsfelder

    • hathayogische Übungen in ihrer bedeutsamen Brückenfunktion für innere Entwicklungen

    Übersicht über die hathayogischen Übungen

    Die nachfolgende Übersicht stellt nur einen begrenzten Teil der hathayogischen Übungsformen dar. Doch schimmert bereits in diesem knappen Überblick die hohe Vielfalt an Übungsmöglichkeiten durch. Nimmt man bei den Asanas, es sollen über 200 sein, noch die leichteren, schwierigeren und beschwerdeschonenden Varianten dazu, ergibt sich eine unermessliche Fülle an Übungsangeboten. Dabei darf nicht vergessen gehen, dass sich jede einzelne Übung durch ein ganz spezifisches, energetisches Potenzial auszeichnet. Yogalehrende können auf diesen Grundlagen aufbauend einen feingliedrigen Unterricht gestalten, der sich als äusserst wirksames Erfahrungs- und Lernfeld erweist. Die Lernenden werden darin ganz persönlich angesprochen und berührt. Sie können durch ihr übendes Engagement und über das Wirkungspotenzial des «überreichen Schatzes an Übungen» ihren eigenen «inneren Schatz» entdecken.

    Ankommensübungen

    Ankommensübungen haben ihren Platz ganz zu Beginn einer Yogastunde. Sie bilden gleichsam eine punktuell bedeutsame Brücke vom Alltag in die Yogastunde. Der Einstieg in das alternative Lerngärtchen Yoga soll bewusst erfahren werden: in der Yogastunde ankommen, bei sich selber ankommen, sich beruhigen, sich entspannen, offen sein für mögliche neue Erfahrungen …

    Neben geeigneter Musik können auch ganz spezifische Übungen diese Anfangsphase unterstützen (z. B. eine einfache Atemachtsamkeitsübung, eine kleine Körperreise, den Auflagepunkten des Körpers auf der Matte nachspüren).

    Abbildung 2: Ankommensübung

    Aufwärmübungen

    Aufwärmübungen haben ihren Platz in der ersten Phase einer Yogalektion. Sie dienen dazu, den Körper zu wecken, ihn beweglich zu machen, den Energiefluss anzuregen und für die nachfolgenden Übungen optimal vorzubereiten. Im Rahmen der Aufwärmübungen haben auch einfachere dynamische Übungen Platz.

    Abbildung 3a: Beispiel einer einfachen Aufwärm-Übungsserie

    Abbildung 3b: Beispiel einer komplexeren, dynamischen Aufwärm-Übungsserie

    Vorbereitende Übungen

    Vorbereitende Übungen haben ganz spezielle Funktionen. Falls die Yogalektion eine spezifische Thematik hat (z. B. Öffnung des Brustraumes, Mobilität im Hüftbereich) oder gar eine einzelne, schwierige und wenig erprobte Stellung im Zentrum steht (z. B. Bogen oder Tänzerhaltung), sollten gezielte vorbereitende Übungen eingeplant werden. Durch diese Übungen wird die nachfolgende Ausführung der anvisierten Stellungen erleichtert. Dies ist vor allem bei stark heterogenen Klassen bedeutsam.

    Abbildung 4: Vorbereitende Übungen

    Asanas

    Asanas bilden die entscheidenden Kernelemente des hathayogischen Übungsbereiches. Sie zeigen sich in vielerlei Varianten. Zudem sind bei vielen Stellungen dynamische und statische Ausführungsweisen möglich.

    Abbildung 5: Asana – Varianten (Brücke)

    Ergänzende Hinweise zu den Asanas

    Die klassischen Yogastellungen weisen grundlegende körperliche Haltungen auf (z. B. stehende, sitzende, liegende Haltungen) und wesentliche Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule (z. B. Vorbeugen, Seitenbeugen, Rückbeugen). Aus der Kombination dieser Möglichkeiten entfaltet sich ein vielfältiges Übungsangebot. Die Stellungsdifferenzierungen erlauben es, vielfältigen Funktionen zu genügen und ein hochdifferenziertes, teilnehmerbezogenes Übungsfeld zu gestalten.

    Abbildung 6a: Asana: Körperhaltungen und Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule

    Abbildung 6b: Der Körper im Energiefeld der Haltungen und Bewegungsrichtungen

    Dynamische Übungssabfolgen: Vinyasas

    Dynamische Yogastile gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Charakteristisch sind dabei sinnvoll kombinierte Stellungsabfolgen, in denen Bewegung und Atmung eng verflochten sind. Wichtig bleibt dabei die korrekte Ausrichtung der Stellungen. Leichtigkeit, Harmonie, Koordination und Dynamik prägen die Ausführung. Die spezielle atmosphärische Qualität dieser Yogapraxis erinnert an den Fluss und die Beweglichkeit des Wassers. Die volle Hingabe an den Bewegungsrhythmus kann dazu führen, dass sich der Übende selbstvergessen in einem Flow aufgehoben fühlt – eine meditative Erfahrung ganz eigener Art.

    Klassische, fixe, dynamische Übungsreihen

    Damit sind mehr oder weniger fixe Stellungsabfolgen gemeint, wie etwa der Sonnengruss in unterschiedlichen Varianten. In neuerer Zeit werden vermehrt auch kürzere, einfachere, dynamische Übungsfolgen gestaltet, die in der Vorbereitungsphase einer Yogalektion spezifische Funktionen übernehmen.

    Abbildung 7: Sonnengruss

    Abbildung 8: Dynamische Übungsabfolge (Zielgruppe: Senioren)

    Diese dynamische Übungsabfolge ist für ältere Menschen gedacht. Jede Stellung kann auch etwas isoliert von der folgenden Stellung geübt werden mit kurzem Zwischenhalt in der Ruheposition (siehe Ausgangshaltung der Reihe). Der Atem wird sinngemäss begleitend und unterstützend integriert. Die Ausführung ist sanft fliessend, betont langsam und sehr achtsam. Höchste innere Präsenz durchzieht den ganzen Ablauf. Die Übungsweise ist von einer spürbar meditativen Atmosphäre geprägt.

    Atemübungen: Pranayamas

    Atemübungen, Atemtechnik und Atemführung spielen im Rahmen der hathayogischen Übungspalette eine ganz zentrale Rolle. Dabei geht es um eine bewusste und genaue Ausführung des Atemgeschehens: Einatmen-Ausatmen-Atemanhalten, wie etwa bei der Wechselatmung Nadi Sodhana. Atemrhythmus, -volumen und -achtsamkeit können dabei spürbar verbessert werden. Traditionelle yogische Atemübungen verlangen eine präzise Ausführung und sollten daher nur von einer erfahrenen Lehrperson angeleitet werden. Neben diesen gezielten Atemübungen hat die angemessene Integration des Atems in den verschiedenen Übungsformen eine hohe Bedeutung, z. B. die Atemführung bei Beugungen, Rotationen, Dehnungen, beim Halten einer Stellung oder etwa beim Einsatz der Ujjayi-Atmung. Die unterschiedlichen Aufgaben der Atmung werden auf diese Weise bewusst erfahren (begleitende, stützende, zentrierende Funktionen).

    Abbildung 9: Der integrierte Atem in der Seitenbeuge, dynamische Ausführung

    Bewegung und Atem sind ein inniges Paar. Doch behält jeder Bereich klar seine jeweilige Funktion. Der Körper kann dem Atem Raum schenken. Der Atem kann Bewegungen auslösen, begleiten und unterstützen. Die einfache Seitenbeuge ist ein anschauliches Beispiel dafür. Einatmend werden die Arme gestreckt über die Seiten nach oben in die Vertikale geführt. Die Bewegung wird mit sanfter Streckung beendet. Erst mit beginnender Ausatmung gleitet der Körper sanft in die Seitenbeuge. Die Seitenbeuge löst sich mit einer Einatmung auf. Ausatmend gleiten die Arme von oben nach unten in die Ausgangslage zurück. Es folgen einige Zwischenatmungen. Dann wird in gleicher Weise die Gegenseite geübt.

    Bandhas

    Bandhas (Verschluss, Fessel) sind muskuläre und energetische Körperzonen-Verschluss-Techniken. Anvisiert werden dabei die Ausrichtung und die Transformation der Körperenergien. Bei der Ausführung sind folgende Aspekte wichtig: die Atemführung, das Atemanhalten, die Spannung und Entspannung. Richtig ausgeführt – auch in Kombination mit Stellungen – sind Bandhas äusserst wirkungsvoll. Voraussetzungen für eine heilsame Ausführung dieser Verschlusstechniken sind das gute Beherrschen der Atemtechniken und eine spannungsfreie, hohe Beweglichkeit im körperlichen Bereich.

    Bandhas müssen genau und detailliert erlernt werden, um die erwünschten Wirkungen zu erreichen. Es werden drei grundlegende Verschlüsse unterschieden:

    - Jalandhara-Bandha (Hals- und Kehlkopfzone)

    - Uddiyana-Bandha (Zwerchfell- und Beckenbodenbereiche)

    - Mula-Bandha (Nabel- und Beckenbodenzone)

    Mudras

    Der Sanskritausdruck Mudra (Zeichen, Geste, Sigel) hat einen sehr breiten Bedeutungsradius. Im engeren Sinne werden darunter fixe Hand-, Finger-, Kopf- und Körperhaltungen verstanden, z. B. Jnana-Mudra (Geste des Wissens), Yoni-Mudra (Verschluss der Sinnespforten), Yoga-Mudra (spezifische Vorbeuge im Sitzen), Agocari-Mudra (Konzentration der Augen auf die Nasenspitze). Im Hatha Yoga werden vor allem Hand-Mudras als zentrierende, den Energiefluss unterstützende Gesten in der Meditationspraxis eingesetzt. Vereinzelt werden auch Asanas mit Zentrierungstechniken und Mudras verbunden, wie etwa in der Stellung Viparita-Karani-Mudra (Schulterstand mit intensiver Lenkung des Energieflusses). Es versteht sich von selbst, dass Mudras eine sehr präzise Ausführung verlangen, sollen sich die ihnen zugeschriebenen

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1