Besser leben lernen: Innere Balance zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Von Eckhard Roediger
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Buchvorschau
Besser leben lernen - Eckhard Roediger
Eckhard Roediger
Besser leben lernen
Innere Balance zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Für Lukas, Simon und Lea
und alle Kinder dieser Welt,
auf dass sie ihren Weg
in ein gutes Leben
finden mögen.
Inhalt
Geleitwort
Vorwort
Verstehen
Was macht uns glücklich?
Freiheit und Verantwortung
Entwicklung zur Gesundheit
Das Problem der inneren Anspannung
Wir leiden an unseren Vorstellungen
Biografische Gesetzmäßigkeiten im Lebenslauf
Erster Lebensabschnitt – »Das Wachstum«
Zweiter Lebensabschnitt – »Die Blütezeit«
Dritter Lebensabschnitt – »Die Reifezeit«
Vierter Lebensabschnitt – »Ernten und Welken«
Skizze eines spirituell erweiterten Verständnis des Menschen
Die Ebenen menschlichen Seins
Über die Entstehung von Stress
Wie können wir gesünder mit Stress umgehen?
Unser Seelenleben
Die Bedeutung einer bewussten Gedankenführung
Woher kommen Intuitionen?
Denken schafft Wirklichkeit
Intuitionen müssen geprüft werden
Erlebnisse müssen gedanklich verdaut werden
Gedanken zur Willensfreiheit
Eine Pause einschieben zwischen Wahrnehmen und Handeln
Das Denken muss aktiver ergriffen werden
Der menschliche Organismus
Die Welt wirkt über die Sinne in uns hinein
In uns muss die Außenwelt überwunden werden
Versuch einer Annäherung an das Wesen des »Bösen«
Lernen und Gedächtnis
Wie wurden wir, wer wir sind
Wie können wir Schemata verändern?
Schemata erkennen und benennen
Schemata anerkennen und verändern – sich von ihnen trennen
Verändern
Bedeutung der Achtsamkeitshaltung
Im Denken können wir etwas Neues ermöglichen
Auf die richtige Einstellung kommt es an
Achtsamkeit und Akzeptanz in der christlichen Mystik
Kraft durch Vertrauen
Die Bedeutung der Meditation
Achtsamkeit im Alltag
Spannungsreduktion durch Akzeptanz
Lenkung der Aufmerksamkeit
Neuformung
Die Überwindung der Selbstbezogenheit – der Blick in die Umwelt
Wie können wir Kraft auftanken?
Die drei Quellen der Kraft
Die inneren Bilder und Gedanken pflegen
Das Vertrauen auf eine höhere Macht – das innere Gebet
Die richtige Einstellung zum Tun
Innerer Dialog
Wie lassen sich bessere Lösungen finden?
Selbstbewusstsein durch die Akzeptanz aller Teile
Innere Kompromisse finden
Ins Tun kommen
Steigerung der Denkkraft
Stabilisierung oder Training
Schritte zu einem selbstbestimmten Leben
Ziele neu definieren
Wer wagt, gewinnt
Warum ist es so wichtig, Dinge aufzuschreiben?
Eine gute Planung ist das halbe Leben
Zwölf Schritte zur guten Selbstorganisation
Warum Belohnungen so wichtig sind
Was geschieht eigentlich beim Training?
Der Unterschied von Denken und Wollen/Tun
Ins Tun kommen
Über das Wesen der Kraft
»Leistung« muss sich lohnen
Soziale Aspekte
Glück – Sinn – Beziehung
Auf welche Grundsätze können wir unser Verhalten gründen?
Was können und müssen wir tun, um unser Zusammenleben positiv zu gestalten?
Wertschätzung
Wertschöpfung und Gemeinschaftsbildung
Über die Bedeutung von Ritualen für eine gute Selbstentwicklung
Wie können wir zum Mitfühlen kommen?
Die überpersönliche Dimension des Schmerzes
»Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …«
Anhang
Die Jahrsiebte im Einzelnen
Meditationsanleitung
Body-Scan
Vipassana-Meditation
Meditation mit inneren Bildern
Tagesplan
Verzeichnis der Übungen und Sinnsprüche
Literaturempfehlungen
Impressum
Geleitwort
Gegenwärtig suchen viele Menschen nach einer Identität und Spiritualität, die sich nicht einem bestimmten Religionsbekenntnis verpflichtet fühlt, sondern primär wissenschaftlich ausgerichtet ist. Man möchte glauben, was man versteht – und verstehen, was man glaubt. Dieses aber soll so allgemein gültig und verständlich sein, dass es von jedem nachvollzogen werden kann. Das ist jedoch nur dann erreichbar, wenn dabei einerseits das Zentralmenschliche angesprochen wird und andererseits für die ganz persönlichen eigenen Lebensfragen konkrete Antworten gefunden werden können.
Der Psychiater und Psychosomatiker Eckhard Roediger gibt mit Besser leben lernen ein Instrument an die Hand, das für diese Wegsuche geeignet ist. Schon nach wenigen Seiten ist klar, warum es sich lohnt, dieses Buch gründlich zu lesen: Es gibt zum einen die Möglichkeit, in Begleitung eines erfahrenen Kenners von Leib und Seele die eigenen Lebensfragen, Probleme, Haltungen und Wünsche neu und bewusst aus aufschlussreichen Blickwinkeln anzuschauen. Zum anderen bietet es Gelegenheit, in prägnanter Kürze vieles aufzunehmen und zusammen zu sehen, was einem sonst in umfangreichen Werken unterschiedlicher Autoren geboten wird.
Das Buch ist für Menschen geschrieben, die auf der Suche sind nach mehr Lebensqualität, Selbsterkenntnis und Menschenverständnis. Es lädt ein zu einem kreativen Dialog mit dem Autor, dem ich engagierte Leser wünsche.
Dornach, im Sommer 2006
Dr. med. Michaela Glöckler
Vorwort
Warum dieses Buch? Gibt es nicht schon genug Ratgeber dieser Art? Marktwirtschaftlich gesehen gäbe es die vielen Ratgeber sicher nicht, wenn sie nicht auch jemand kaufen würde. Die Nachfrage scheint also grundsätzlich da zu sein. Es gibt lebenspraktische Ratgeber, wie man sich durch gute Ernährung und Bewegung fit halten kann. Auch darüber, was man für sein seelisches Gleichgewicht, seine spirituelle Entwicklung oder einen besseren Umgang mit anderen Menschen tun kann. Was bringt nun dieser Ratgeber Neues?
Dieses Buch versucht im ersten Teil eine Brücke zu schlagen zwischen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Gehirnforschung und der Psychologie und altem Wissen aus dem Buddhismus und der christlichen Mystik über die spirituelle, d. h. geistige Entwicklung des Menschen. Diese Verbindung bzw. Durchdringung ist nicht selbstverständlich, leben doch die meisten Menschen heute mit einem gespaltenen Weltbezug: Zum einen »glauben« sie an die Ergebnisse der Naturwissenschaft und deren Modelle vom Menschen und der Natur, zum anderen an Gott. In der alle zwei Jahre stattfindenden
ALLBUS-Erhebungen
des Kölner Zentralarchivs für empirische Sozialforschung gaben 2002 knapp 40 % an, mindestens einmal pro Woche zu beten. 50 % gehen mehrmals pro Jahr in die Kirche, 25 % glauben an einen persönlichen Gott, zusätzlich 40 % an ein höheres Wesen im Allgemeinen. Nur 18 % glauben ausdrücklich nicht an Gott. Die Zahlen liegen in den westlichen Bundesländern allerdings deutlich höher als in den östlichen. Diese Spaltung wird im Alltag nicht weiter hinterfragt – wir leben einfach mit einer »doppelten Buchführung«.
Dieses Buch versucht die möglichen Übergänge von der naturwissenschaftlichen zu einer geistigen Welt zu umreißen. Mit einem analytisch-abstrakten Denken ist dieser Übergang nicht nachzuvollziehen, denn dann bleibt man in den alten, geformten Denkkategorien stecken. Um die Übergänge vom Stofflich-Festen zum Geistig-Nichtstofflichen zu verstehen, muss das Denken beweglicher gemacht werden. Wie das geht, versucht das Buch im zweiten Teil anschaulich und erlebbar zu machen. Die eingestreuten meditativen Sprüche mögen Ihnen dabei ebenso helfen, die Gedanken zu verlebendigen, wie die Meditationsanleitung im Anhang. So kann jeder individuell erleben, dass eine naturwissenschaftlich-rationale Weltsicht quasi bruchlos mit einer spirituellen Orientierung und Praxis verbunden werden kann und wie man aus »reiner Vernunft« auf einen persönlichen spirituellen Weg als Grundlage für eine größere Lebenszufriedenheit finden kann. Weitergehende Anregungen dazu finden Sie u. a. in den Büchern von Georg Kühlewind.
Versuchen Sie also, sich einfach einmal von den im ersten Teil dargestellten Gedanken führen zu lassen und sie innerlich mitzubewegen, das Gefühl mitschwingen zu lassen und zu schauen, ob in Ihnen ein sogenanntes Evidenzgefühl entsteht, d. h. ob Ihnen das Dargestellte »einleuchtet«. Aber Sie sollen die Inhalte nicht einfach glauben, sondern prüfen Sie bitte die Gedanken an Ihren Wahrnehmungen im Alltag!
Leider wird Ihnen dieses Wissen allein wenig helfen, glücklicher zu werden, denn Wissen allein ändert nichts! Glück fällt uns nicht zu und hängt auch nur wenig von den äußeren Umständen ab, wie Sie im ersten Kapitel gleich genauer sehen werden. Glück muss erarbeitet bzw. »erübt« werden. Daher enthält dieses Buch im zweiten Teil zahlreiche Übungen, durch die Sie Ihre guten Vorsätze auch tatsächlich verwirklichen können. Die Übungen basieren auf Anregungen Rudolf Steiners bzw. sind buddhistischen und christlich-mystischen Schulungsanweisungen entnommen. Der Anhang enthält ein Verzeichnis aller Übungen und Meditationen, damit Sie die einzelnen Übungen im Text leichter finden.
Das Buch soll so geschrieben sein, dass es jeder ohne Vorkenntnisse verstehen kann. Es erlaubt bildlich gesprochen einen einfachen bzw. sicheren Einstieg am Ufer, führt aber für gute Schwimmer auch in tiefere Gewässer. Gehen Sie so weit mit, wie Sie mögen; überspringen bzw. überlesen Sie getrost Passagen, die etwas kompliziert sind. Mutige »Hochseeschwimmer« (oder besser »Tiefseetaucher«, die gerne den Dingen auf den Grund gehen), können beim Verfasser die Literatur, auf die sich bezogen wird, erhalten. Zur Vertiefung sind im Anhang die erwähnten Bücher aufgeführt.
Nun möchte ich an dieser Stelle allen danken, die zur Entstehung des Buches beigetragen haben. Das sind zunächst alle Patienten, an denen ich in den täglichen Patientenvorträgen in unserer Klinik die Inhalte »ausprobiert« habe und die mich durch ihre Fragen zu immer neuen Ideen und Bildern inspirierten. Außerdem meinem Lehrer und Freund Achim Noschka für seine geduldigen Unterweisungen, meinem Kollegen Markus Pawelzik für seine Anregungen aus der positiven Psychologie und meiner Kollegin Michaele Quetz für die Ergänzungen zur biografischen Entwicklung. Last but not least gebührt mein Dank meiner hervorragenden Sekretärin Anke Heidelberg und dem Verlag für die Realisierung, denn auch bei Büchern nutzen die guten Ideen nichts, wenn sie nicht geduldig zu Papier gebracht werden. Ihnen, meinen lieben Leserinnen und Lesern, danke ich, dass Sie sich an dieses Buch heranwagen, und wünsche Ihnen viele Anregungen und Freude beim Lesen.
Eckhard Roediger, im Sommer 2006
Was macht uns glücklich?
Wenn man die Menschen fragte, würden sie sich wohl alle ein gutes bzw. glückliches Leben wünschen. Derzeit haben wir, zumindest in Deutschland, relativ gute äußere Bedingungen, um glücklich zu sein. Überraschenderweise sind aber gerade wir nicht besonders glücklich. Im Gegenteil: Depressionen nehmen seit den sechziger Jahren stetig zu und treten in immer jüngerem Lebensalter auf. Der durchschnittliche Beginn hat sich vom 30. Lebensjahr auf das ca. 15. Lebensjahr vorverlagert. Die Anzahl der Suizidversuche im Teenageralter hat sich in dieser Zeit vervierfacht.
Überraschenderweise hängt die Lebensqualität bzw. das subjektiv erlebte Lebensglück auch nicht vom finanziellen Hintergrund ab. Eine Untersuchung in Amerika zeigte, dass die Reichen keineswegs glücklicher sind als Menschen mit einem niedrigen Einkommen. Weltweit gilt, dass ab einem Jahreseinkommen von
20.000
Dollar
die Lebenszufriedenheit nicht mehr mit dem Einkommen verbunden ist. Wenn man dem entgegenhält, wie sehr sich Menschen bemühen, mehr Geld zu verdienen, ist das ein überraschender Widerspruch. Auf der anderen Seite scheinen wir jedoch auch einen Sinn dafür zu haben, dass Geld tatsächlich nicht glücklich macht. Denn wir wünschen unseren Mitmenschen in der Regel zum Geburtstag keinen materiellen Wohlstand, sondern Gesundheit, Zeit und Freunde. Damit liegen wir sicher richtiger.
Glaubt man den Forschungsergebnissen der Psychologie, so ist aber nicht einmal körperliche Gesundheit sehr eng mit der Lebenszufriedenheit verbunden. Überraschenderweise ist die Lebenszufriedenheit von Menschen ein Jahr nach einem Lottogewinn in Millionenhöhe ebenso wieder auf dem Ausgangsniveau wie ein Jahr nach einer bleibenden Verstümmelung durch einen Unfall (z. B. eine Querschnittslähmung).
Entgegen unserer Erwartung zeigt sich hier deutlich, wie wenig unser Lebensglück von äußeren Umständen abhängt. Dies sollte uns nachdenklich machen. Offensichtlich sind andere Faktoren bedeutsamer als die äußeren, die wir so gerne für unsere Stimmungen verantwortlich machen, sei es das Wetter, die Nachbarn, der verlorene Partner oder Arbeitsplatz oder die bösen Schwiegereltern.
Was macht uns denn dann glücklich, wenn nicht Geld oder Gesundheit? Dass diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist, zeigt die Flut von Ratgebern zum Lebensglück (dem mit diesem Buch nun auch noch ein weiteres Exemplar hinzugefügt wurde). Um der Frage auf den Grund zu gehen, greifen wir noch einmal auf die Forschungsergebnisse der sogenannten »positiven Psychologie« zurück, die versucht zu erforschen, was Menschen glücklich macht. Diesen Erkenntnissen zufolge setzt sich das Lebensglück bzw. die Lebenszufriedenheit aus verschiedenen Komponenten zusammen: Nur etwa 10 % hängen von unseren äußeren Lebensumständen ab, 50 % von unserer genetisch-konstitutionellen Veranlagung und etwa 40 % von unseren selbst bestimmten Aktivitäten.
Abb. 1
Vor allem auf diese letztgenannten 40 Prozent bezieht sich dieses Buch. Betrachtet man das Glückserleben genauer, kann man laut Markus Pawelzik (unter Bezug auf Martin Seligman) zufolge drei Bereiche unterscheiden, die insgesamt zum guten Lebensgefühl beitragen (siehe Abb. 1.):
1. Kurze Momente des Glücks bzw. des lustvoll-freudigen Erlebens stellen ein Element der Lebenszufriedenheit dar. Das sind genau die Momente, die uns die Werbung verkaufen will. Dieses Erleben steht oft in Verbindung mit intensiven Körperprozessen oder starken Sinneswahrnehmungen, also Kulturgenüssen, Reiseeindrücken, Festen oder anderen besonderen Aktivitäten, lustvoll erlebten Körperbetätigungen oder Ähnlichem. Diese »Gipfelerlebnisse« halten jedoch nur kurz an und die Erlebensintensität ist rasch wieder vorbei. Danach bleibt nicht selten ein Gefühl von Leere, das nach einer intensiveren Wiederholung des Erlebnisses ruft. Dies kann zu Suchttendenzen führen.
Die Fähigkeit zu diesem körperlichen Glückserleben ist stark verbunden mit der Art und Weise, wie das sogenannte »Belohnungszentrum« in der Tiefe unseres Gehirns arbeitet. Durch die Stimulation dieser Nervenzellen lässt sich elektrisch, mechanisch oder chemisch ein Lustgefühl auslösen. An dieser Stelle setzt auch die chemische Drogenwirkung an. Das grundlegende Funktionsniveau dieser Struktur bzw. ihre Reaktionsbereitschaft auf äußere Reize ist stark konstitutionell angelegt. Sie ist die körperliche Grundlage dessen, was uns als schwermütige Menschen oder »Ulknudeln« begegnet.
2. Unter diesen Gipfelerlebnissen liegt eine Ebene von grundlegender positiver Stimmung. Diese hängt weniger von äußeren Situationen als von der inneren Einstellung ab. Hiermit ist zum Beispiel die Tendenz gemeint, mit der wir auf andere Menschen oder Aufgaben zugehen, zum Beispiel mit einer gewissen Offenheit bzw. Grundsympathie. Diese Stimmungsebene ist stark von den früheren Erlebnissen in der Biografie abhängig und kann als Urvertrauen oder positives Grundgefühl beschrieben werden. Hier finden auch gelernte Lebensregeln, Selbsteinschätzungen bzw. Selbstbewertungen Eingang, zum Beispiel: »Das ist jetzt zwar dumm gelaufen, aber das werde ich schon noch