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INENODABILIS: Ein Deutsch-Deutscher Kriminalroman
INENODABILIS: Ein Deutsch-Deutscher Kriminalroman
INENODABILIS: Ein Deutsch-Deutscher Kriminalroman
eBook483 Seiten6 Stunden

INENODABILIS: Ein Deutsch-Deutscher Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Inenodabilis- Ein deutsch-deutscher Kriminalroman, der etwas andere Kriminalroman. Ein Roman mit realem Hintergrund und Bezug zur deutsch-deutschen Geschichte und politischen Geschehnissen.   Im Jahr 1965 versuchten die Kommissare Georg Rosa und Max Reinhardt einen Fall lösen, der eigentlich ganz einfach zu sein scheint. Doch im Laufe der Bearbeitung nimmt der Fall immer komplexere Formen an. Ein toter Junge wird gefunden, der einen Zettel mit der Adresse eines vermissten Mannes bei sich trägt. Dieser Mann scheint ein Chamäleon zu sein. Nachdem beide Männer keine Chance bekommen, den Fall während ihrer aktiven Dienstzeit abzuschließen, versuchen sie es nach ihrer Pensionierung erneut. Aufregende Dinge passieren, unsichtbare und gefährliche Gegenspieler erscheinen auf der Bildfläche. Es scheint ein Schachspiel zu sein, bei dem die Spieler unbekannt und die Regeln außer Kraft gesetzt sind. Werden die beiden Männer damit fertig werden? Ein Kriminalroman der besonderen Klasse.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Juni 2016
ISBN9783734505355
INENODABILIS: Ein Deutsch-Deutscher Kriminalroman

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    Buchvorschau

    INENODABILIS - George B. Wenzel

    Die Entscheidung

    Dienstag 12. Mai 1965: Die Bundesrepublik Deutschland kündigt die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu Israel an. Daraufhin brechen neun arabische Staaten, darunter Irak und Ägypten, ihre Beziehungen zur Bundesrepublik ab.

    Mittwoch, 13. Mai 1965 – 20:00 Uhr. Der Raum, in dem sich die zwei Männer aufhalten, ist nur dürftig beleuchtet. Ein stattlicher dunkler Eichentisch steht in der Mitte und darum herum sind einige Stühle aufgestellt. An der Wand steht eine dunkle Vitrine mit vielen Büchern, daneben hängt ein Kreuz. Der Boden besteht aus Holzdielen, die bei jedem Schritt knarren, ächzen.

    „Wie dem auch sei, das ist ein Jammer, ein Unglück, sage ich Dir, sagte der dunkelhaarige Mann mit dem Mittelscheitel und rückte seine Brille mit dem Handrücken zurecht. „Es kann doch nicht sein, das man kein bisschen tun kann, spricht er leise.

    Doch wieder erhält er keine Antwort von seinem Gegenüber. Er steht auf, blickt auf den Kalender an der Wand. Es ist Mittwoch, 13. Mai 1965. Er geht zum Fenster, schaut auf den leeren Platz vor dem Gebäude und denkt über die vergangenen Jahre nach. Im trüben Licht der Stehlampe steht er da und steckt beide Hände in die Hosentaschen seines dunklen Anzugs. Das Jackett hängt dabei etwas zerknüllt zwischen den Armen nach vorn. Er schaut immer noch ins Freie und schweigt. Nach geraumer Zeit spricht er wieder

    „Sag doch was, es kann in der Tat nicht sein, dass das alles ohne Folgen bleibt. Ich meine, es ist so viel geschehen und das ist buchstäblich alles ein Irrsinn."

    Er hört ein kaum vernehmliches „Njet, nichts bleibt ohne Folgen." Mehr nicht, dann war es wieder still. Er schüttelt den Kopf und murmelte vor sich hin

    „Das geht doch so nicht weiter, das musst doch auch Du verstehen. Das Risiko ist enorm, nicht nur für Dich. Denk doch auch an die Anderen", sagt er und drehte sich zu seinem Gegenüber um.

    Doch der war nicht mehr im Raum.

    „Verdammt", stößt er hervor.

    „Verdammt, und nach einer Weile „ich sollte so nicht reden, murmelte er dann.

    Er blickt wieder aus dem Fenster und sieht seinen Gesprächspartner, wie der eilig durch den Regen läuft und verschwindet.

    „Narr, flüsterte er, „Du armer Narr. Wir werden das alle bezahlen müssen.

    Dann geht er gebückt aus dem Raum. In der Kirche angekommen, steht er lange vor dem Altar und sieht das Kreuz mit Christus an.

    „Kannst Du ihm helfen?, fragt er wortlos, „Ich weiß mir keinen Rat mehr. Wenn nicht Du, wer dann.

    Nach einer Weile verlässt er mit gesenktem Haupt die Basilika St. Ulrich und geht mit schweren Schritten die wenigen Meter zu seiner Wohnung, die über dem Hof liegt. Es regnet noch immer und die trübe und feuchte Nacht passt nur zu sehr zu seiner Stimmung. Er öffnet die schwere Haustüre, schüttelt die Nässe aus seinem Umhang heraus und blickt noch einmal zur Basilika zurück. Würde es nicht regnen, könnte man die Tränen in seinem Gesicht erkennen. Dann dreht er sich um und geht ins Haus, die Türe fällt wuchtig hinter ihm ins Schloss.

    Donnerstag, 14. Mai 1965 – 17:30 Uhr. Im Haus auf der anderen Seite der Straße waren zwei Räume schon hell erleuchtet, da der Himmel noch immer regenverhangen war. Die Vorhänge waren aufgezogen. Infolgedessen konnte man von der Straße aus durch die Fenster hineinsehen. Ein Mann räumte seit Stunden fieberhaft im Haus auf und hat im Arbeitszimmer eine Menge Papiere auf dem Schreibtisch aufgestapelt. Es war im Laufe der letzten Stunden sehr viel geworden. Den ganzen Tag saß er bereits am Schreibtisch und las Briefe. Manchmal las er einen Brief auch zweimal, doch die meisten davon schob er danach in einen Aktenvernichter. Nur wenige blieben übrig und die steckte er in einen großen Briefumschlag. Fast alle Briefe hatte er nun gelesen, nur einer lag noch auf dem Schreibtisch. Dieser war verschlossen und trug einen Poststempel aus 1956. Er öffnete das Kuvert vorsichtig mit einem schweren metallenen Brieföffner, der am Griff den alten deutschen Reichsadler aufzeigte, und zog den Brief heraus. Es war nur ein einzelnes Blatt Papier mit einer sehr schönen Handschrift. Aufgeregt las er es immer wieder. Er hielt das Papier lange in der Hand und man konnte bei genauem Hinsehen erkennen, dass ein paar Tränen sein Gesicht hinunter liefen. Dann aber steckte er auch diesen Brief zusammen mit dem Kuvert in den Aktenvernichter. Am Ende leerte er die Papierschnitzel in eine große Papiertüte. Er stand auf und packte eilig einige persönliche Sachen in einem Koffer zusammen, zog einen schweren dunklen Mantel über, griff nach der Papiertüte und verließ das Haus. Der Hund wollte mit, doch ihn schob er mit der Hand zurück.

    „Du musst heute hierbleiben, ich komme bald wieder. Pass gut auf das Haus auf", sagte er.

    Dann schloss er die Haustüre ab und überquerte mit großen Schritten den Hof, warf die Papiertüte in den Mülleimer und ging in die gegenüberliegende Garage. Wenige Augenblicke später bog ein dunkler Wagen vom Grundstück auf die Straße in Richtung Stadt.

    Der Mann, der die gesamte Zeit auf der anderen Straßenseite an einer Hauswand lehnte und die Geschehnisse im Haus gegenüber verfolgte, verließ nun seinen regengeschützten Platz. Er stieg in einen VW Käfer ein, fuhr langsam an und folgte dem vorausfahrenden Wagen in gebührendem Abstand.

    Wie schon seit Tagen regnete es leicht und fein, der Scheibenwischer hatte jedoch keine Mühe das Wasser auf der Frontscheibe zu verdrängen. Auf der Straße spiegelte sich das Licht der Laternen und die Menschen eilten am Straßenrand entlang, um nach Hause zu kommen oder ihre letzten Besorgungen zu erledigen. Manche standen vor Schaufenstern, andere rannten über die Straße, um die Straßenbahn zu erreichen oder packten ihre Einkäufe in ihr Auto. Viele erledigten ihre letzten Einkäufe an diesem Donnerstag. Es war ein paar Minuten vor 18 Uhr, also noch 30 Minuten bis Geschäftsschluss. Der Mann fuhr inzwischen in der Gögginger Straße in Richtung Stadtzentrum. Immer wieder schaute er angestrengt nach draußen, als würde er etwas oder jemanden suchen. Doch hier waren um diese Zeit einfach nur viele Menschen unterwegs, die es eilig hatten. Es war nicht schneller vorwärtszukommen, ohne dabei zu riskieren jemanden zu übersehen und anzufahren. Die Leute passten nicht auf den Verkehr auf und der Regen machte es für den Fahrer nicht einfacher. Am Königsplatz angekommen, bog er dann nach leicht rechts in Richtung Maximilianstraße ab. Dort hielt er vor einem kleinen Laden. Spielwaren aller Art waren im Schaufenster ausgestellt und einige Kinder standen davor und drückten ihre Nasen an den Ladenfenstern platt, während ihre Eltern nörgelnd weitergehen wollten. Blechspielzeug, Modelleisenbahnen und Puppen waren ausgestellt. Doch dafür hatte er keinen Blick übrig, er wandte sich dem Laden daneben zu. Ein kleiner unscheinbarer Laden, das Schaufenster war dämmrig. Er schloss die Türe auf, sah sich nach links und rechts um und ging hinein. Die Glocke über der Türe, die leise schellte, ignorierte er. Er schloss die Türe hinter sich und ging schnellen Schrittes durch den schmalen unbeleuchteten Raum. Er kannte sich aus, so fand er den Weg auch ohne Licht und das, ohne irgendwo anzustoßen oder hängen zu bleiben. Es standen links und rechts des Raumes Regale mit alten Büchern, viele davon hatten einen Buchrücken mit kyrillischer Schrift. Niemand außer ihm befand sich im Laden. Er ging weiter nach hinten und durchschritt eine andere Türe, die quietschend nachgab und sich öffnete. Die Stufe darunter knarrte, als er sie mit seinem Schritt belastete. Er blieb einen Moment stehen und hörte nach vorne in den Laden. Doch es war nichts, er war allein. Nun betrat er das kleine fensterlose Büro, knipste das Licht an und setzte sich vor den Schreibtisch. Im Schein der Glühbirne, die von der Decke baumelte, durchsuchte er die Schubladen des Schreibtisches und später das Regal dahinter. Die gesuchten Papiere legte er sorgsam zusammen auf den Schreibtisch. Als er alles in seiner Tasche verstaut hatte, ging er in die Toilette, kämmte sich vor dem Spiegel die Haare aus dem Gesicht und putzte seine Brille. Er sah sich kritisch im Spiegel an und knurrte „Nun dann." Nach etwa einer Stunde, in der Hand eine Reisetasche, erschien er wieder im Laden und ging in Richtung Ausgang. Er verließ den Laden, schloss die Türe sorgfältig hinter sich ab und stieg in sein Auto. In dem Licht der Schaufenster und der Laternen konnte man nun erkennen, welches Fabrikat der Wagen war. Es war ein dunkelblauer BMW 501 A, Baujahr 1954. Soweit man das bei diesem Wetter und dem inzwischen stärker gewordenen Regen sehen konnte, war der Wagen sehr gepflegt. Alle Leute, die daran vorbeigingen, schauten sich nach dem Auto um. Ein Wagen mit Sechszylinder-Motor war schon etwas Besonderes. Der Mann fuhr los und steuerte die Maximilianstraße entlang. Er fuhr nicht besonders schnell, da das Straßenpflaster den Wagen gehörig durchrüttelte und ab und zu gab es große Schlaglöcher im Belag, die dem Wagen, aber vor allem dem Fahrer nicht gut bekamen. Wenige Minuten später parkte er erneut, diesmal vor einer Kirche. Es war die Basilika Sankt Ulrich & Afravi, vor der er stehengeblieben war. Er schaltete das Licht aus. Einen Moment blieb er noch im Wagen sitzen und schaute aus dem rechten Seitenfenster seines Fahrzeuges auf den Eingang der Kirche, als würde er auf jemanden warten. Doch dann stieg er aus, schloss den Personenwagen ab und lief eilig auf die Eingangstüre zu. Er griff nach der Türklinke, nicht jedoch ohne sich noch einmal umzusehen und zu prüfen, ob ihm jemand folgte. Doch da war niemand, der ganze Vorplatz der Kirche war wie leergefegt, denn die Geschäfte hatten inzwischen geschlossen. Nun trieb der Regen die Menschen zurück in die Häuser, in ihre Wohnungen. Er drückte die schwere Türe auf und betrat die Kirche. Auf den ersten Blick sah er, dass kein anderer Besucher in der Basilika war. Er ging mit den Händen in den Taschen seines dunklen Mantels nach vorn zum Altar, vor dem ein weißhaariger Priester stand. Der Mann blieb wenige Schritte hinter dem Priester stehen. Nach einer Weile räusperte er sich. Der Priester drehte sich nach ihm um und schaute den Mann mit großen Augen an.

    „DU, fragte er, „DU bist wieder hier? Ich dachte, ich würde Dich nie wiedersehen.

    Der Mann im Mantel nickte nur und antwortete nicht. Der Priester legte seinen Arm auf des Mannes Schulter und sagte:

    „Komm."

    Beide gingen aus der Kirche, durch die Sakristei in die Privatgemächer des Gottesmannes.

    Weit nach Mitternacht erschien der Mann im dunklen Mantel wieder auf dem Vorplatz der Kirche. Es hatte derweil aufgehört zu regnen und die Straßenbeleuchtung war ausgeschaltet worden. Es war nun nur noch Dunkel, nichts spiegelte sich mehr im nassen Pflaster der Gehwege oder Straßen. Selbst die Beleuchtung für die Kirche, die auf der anderen Straßenseite auf den Hausdächern montiert ist, war nun ausgeschaltet. Bei seinem Auto angekommen, blieb er noch einen Augenblick stehen, sah sich langsam um und suchte den Vorplatz der Kirche und die Straße ab. Es war niemand unterwegs, er war allein. Dann stieg er in seinen Wagen und sah noch eine Weile nachdenklich zum Eingang der Basilika. Er drehte den Schlüssel, startete den Wagen und fuhr dann ohne Umwege und ohne einen weiteren Halt zurück zu seinem Haus nach Göggingen, einem Vorort von Augsburg. Außer ihm war niemand mehr unterwegs, kein Auto war ihm bisher begegnet oder gefolgt. Er empfand das fast als beunruhigend und versuchte sich noch mehr auf die Straße zu konzentrieren. Zuhause angekommen parkte er den Wagen wieder in der Garage neben einem jüngeren Wagen der gleichen Marke. Das Garagentor verschloss er sorgfältig und schien dabei jedes Geräusch vermeiden zu wollen. Er öffnete leise die Haustüre und wurde schwanzwedelnd von seinem Hund begrüßt. Bevor er die Tür hinter sich schloss, blickte er sich wieder um, als würde er prüfen, ob ihm jemand gefolgt sei. Es gab drei verschiedene Schlösser an der Türe. Er verriegelte alle und vergewisserte sich sorgfältig, dass sie wirklich verschlossen waren. Danach ging er durch alle Wohnräume des Hauses, überprüfte die Fenster und zog die Vorhänge zu. Im Lichtschein einer Lampe sah man ihn noch mehr als eine Stunde in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch sitzen. Etwas später konnte man ihn, trotzt der zugezogenen Vorhänge, in die Küche gehen und etwas trinken sehen. Kurz darauf verloschen die Lichter in der Küche und wenige Minuten danach auch im Schlafzimmer. Alle Fenster waren nun dunkel und es drang kein Geräusch mehr aus dem Haus hinaus. Die Nacht war absolut schwarz und ruhig. Der Hund hatte sich vor der Schlafzimmertür hingelegt, wie er das immer tat, wenn sein Herr zu Hause und zu Bett gegangen war. Bis zum frühen Morgen änderte sich daran nichts.

    Auf der anderen Straßenseite parkte wieder der VW Käfer. Der Fahrer saß in seinem Fahrzeug, zog an seiner Zigarette und blies den Rauch aus dem geöffneten Fenster hinaus. Er beobachtete das Haus gegenüber noch eine ganze Weile. Am nächsten Morgen war der Wagen verschwunden

    Empfänger unbekannt verzogen?

    Freitag, 15. Mai 1965 – 11:00 Uhr – Am nächsten Tag, so gegen 11 Uhr, klingelte eine Postbotin, die ein Päckchen unter dem Arm hatte, an der Tür der Lindauer Straße 51. Doch es öffnete niemand. So ging sie vorsichtig durch das Gartentor an die Haustüre und läutete erneut. Sie wartete einen Augenblick, dann lief sie um das Haus herum, zur Rückseite des Hauses, auf die Terrasse. Doch die Vorhänge waren zugezogen. Alles war still. Der Hund, der sonst zu bellen anfing, war ebenfalls nicht zu hören. Wegen ihm hatte sie erst an der Gartentüre geklingelt. Der Vierbeiner war meist friedlich, doch es war ein großer Hund und sie hatte ein wenig Angst vor großen Tieren. Außerdem, es schien fast so, als sei er ebenfalls so launenhaft wie sein Herr. Das hatte sie schon einige Male erlebt. Doch heute schien alles anders zu sein. Sie ging um das Haus zurück zum Gartentor und kam an der Garage vorbei. Sie sah, dass das Tor verschlossen war und lief darauf zu. Sie sah durch das Fenster nur den älteren Wagen da stehen, der andere fehlte.

    „Er wird wohl weggefahren sein", murmelte sie und legte das Päckchen vor der Haustür ab.

    Einen Tag später kam die Postbotin wieder zur Lindauer Straße 51. Es gab diesmal kein Päckchen, dafür aber einen Brief aus den USA, das sah sie gleich. Das farbige Kuvert und die Marken waren ihr aufgefallen und außerdem bekam der Mann sonst nur wenig Post aus dem Ausland. Auf dem Brief stand als Adresse Herrn Martin Blume, Lindauer Straße 51, Augsburg. Keine Postleitzahl. Das war zwar nicht selten, doch ihr erschien es ungewöhnlich. Sie steckte den Brief in den Briefkasten und fuhr mit ihrem gelben Fahrrad weiter die Straße hinauf. Der Nachbar und seine Frau standen im Vorgarten und warteten schon. Sie freuten sich jeden Tag darauf, wenn die Postbotin kam. Der Hausnachbar war an den Rollstuhl gefesselt und es gab für ihn nicht viele Abwechslungen. Auf die Frage, ob sie ihren Nachbarn gesehen hätten, antwortete die Nachbarin:

    „Nein, wir haben ihn schon seit Tagen nicht zu sehen bekommen, auch seinen Köter scheint er ausnahmsweise mitgenommen zu haben. Allerdings hat er noch nie die Vorhänge während seiner Reisen zugezogen gelassen und das ist seit vielen Jahren das erste Mal, dass Herr Blume längere Zeit nicht zu Hause ist, ohne uns Bescheid zu sagen."

    „Normalerweise lässt er es uns wissen, damit wir einen Blick auf das Haus haben", ergänzte der Nachbar.

    Das ist allerdings seltsam, dachte sich die Postbotin. Vorhänge zu, das Garagentor keinen kleinen Spalt offen, wie sonst. Das alles erschien ihr komisch, doch sie unternahm nichts weiter. Sie wird bei ihrer täglichen Tour in den nächsten Tagen mal nachsehen, ob der Mann wieder da ist.

    Zwei Tage später, am Montag, kam sie wieder mit Post zum Haus des Herrn Blume. Wieder öffnete niemand auf ihr Klingeln. Als sie das Haus betrachtete, dachte sie, hinter einem der Fenster etwas gesehen zu haben. Sie ging durch das Gartentor und klingelte an der Haustüre. Niemand machte auf. Als sie sich gerade umwenden wollte, um zurückzugehen, spürte sie im Rücken einen Blick. Schnell drehte sie sich in Richtung Fenster. Doch da war niemand.

    „Hm, murmelte sie, „spinne ich jetzt schon.

    Da rief ihr Kollege, der die Tour während ihres Urlaubs übernehmen sollte, vom Zaun herüber:

    „Ist was? Wieso brauchst Du so lange?"

    „Hier stimmt was nicht, rief sie zurück. „Wir sollten die Polizei rufen.

    In dem Moment fiel eine Tür zu und man hörte Schritte im Kies des Weges, die sich sehr schnell entfernten.

    „Otto, wir sollten die Polizei rufen, rief sie wieder, „geh zum Nachbarn und telefoniere.

    Der Kollege stieg von seinem gelben Fahrrad und lief die paar Schritte zum nächsten Haus. Er klingelte bei den Nachbarn und bat darum, telefonieren zu dürfen.

    Niemand hat etwas gesehen

    Montag, 18. Mai 1965 – 12:00 Uhr.

    „Hallo, ich bin Kriminalhauptkommissar Georg Rosa und das hier ist mein Kollege Kommissar Max Reinhardt. Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen. Wie kamen Sie darauf, das hier was nicht stimmt?", fragte ich die Postbotin.

    Sie erzählte, was in den letzten Tagen passierte bzw. was ihr aufgefallen war und weshalb sie das Gefühl hatte, dass heute jemand im Haus war, obwohl niemand die Türe öffnete. Sie erklärte, dass sie sich beobachtet fühlte und es ihr komisch erschien, dass die Vorhänge zugezogen und die Garagentüre, nicht wie sonst üblich, einen Spalt offen war.

    „Sie haben vermutlich Recht, es sieht so aus, als wenn jemand im Haus war, da die Terrassentüre nicht verschlossen war. Herr Blume ist jedoch nicht da und von seinem Hund fehlt ebenfalls jede Spur, erklärte ich. „Die Garagentüre war heute nicht offen, oder, fragte ich noch mal nach.

    Die Postbotin war sich nun nicht mehr sicher.

    „Ich danke Ihnen, dass Sie uns gerufen haben. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung, falls wir noch Fragen haben sollten", sagte ich zu ihr, nickte und ging mit Max zurück ins Haus.

    „Teufel, Teufel", murmelte die Postbotin, stieg auf ihr Fahrrad und fuhr mit ihrem Kollegen weiter.

    In ihrer Tasche lagen noch eine Menge Briefe und Päckchen, die alle noch heute ausgetragen werden mussten. Sie hatten zu viel Zeit verloren. Erst durch das Warten auf die Polizei, dann durch die Befragung. Doch sie selbst wusste nun nicht viel mehr als zuvor. Nun traten beide mit Kraft in die Pedale, um die verlorene Zeit aufzuholen.

    Zurück in der Stadt. An der Bürotür vor mir steht auf einem Schild Hauptkommissar Georg Rosa. Ich trat ein und warf meinen dünnen Mantel über den Stuhl. Ich fror ein wenig. Durch den tagelangen Regen hatte es sich abgekühlt und der Mantel war eindeutig zu dünn für dieses Wetter. Max, der in Uniform neben mir stand, ließ für sich und mich einen Kaffee aus einer Kaffeemaschine, die unmittelbar neben dem Büroeingang stand.

    „Was nun, Max?", fragte ich.

    Max drehte sich um. „Ich denke, wir sollten eine Nachforschung nach diesem Herrn Blume starten. Das sieht doch sehr komisch aus. Wir haben in dem Haus nichts gefunden, was irgendwo auf persönliche Dinge hindeutet. Das Haus war klinisch rein, vor allem aber so gut wie leer und die Post, von der die Postbotin erzählte, fehlte auch. Es gab kein Päckchen und auch keinen Brief aus den USA."

    Ich nickte und setzte mich und dachte laut nach.

    „Irgendjemand muss aber doch etwas gesehen haben. Die ganzen Sachen aus dem Haus konnten nicht so ohne weiteres abtransportiert werden. Dass es Dinge gab, die nun fehlten, war eindeutig. Bei den wenigen übriggebliebenen Möbeln standen die Schubladen offen und waren leer. An den Wänden waren helle Stellen, wo vorher Bilder oder Einrichtungsgegenstände hingen oder standen. Schränke konnte man nur mit einem größeren Auto, vermutlich sogar nur mit einem Transporter oder LKW wegschaffen. Doch die Nachbarn hatten nichts gesehen und gehört. Das ist wie verhext. Keine Zeugen, nicht einmal Spuren sind gefunden worden. Es gab keine im Haus, keine im Garten, keine Reifenabdrücke, nichts. Die Fenster und Türen waren unversehrt und abgeschlossen. Einzig ein kleines Kellerfenster war angelehnt. Doch da konnte man keine Möbelstücke aus dem Hause schaffen. Wer hier drin war, hatte einen Schlüssel, oder", erklärte ich und meinte „gehen wir nach Hause und machen morgen weiter.

    Ich kann nicht mehr, es ist schon zu spät. Willst Du noch ein Bier irgendwo trinken, Max?"

    Doch Max schüttelte den Kopf.

    „Lass mal, nicht heute. Meine Frau hat mich die letzten Tage nur wenig gesehen."

    Wir verließen gemeinsam das Büro und fuhren getrennt nach Hause. Während der Fahrt nach Hause dachte ich über den abhandengekommenen Mann nach. Max und ich arbeiteten nun schon einige Jahre zusammen, doch so einen komischen, ja seltsamen Fall hatten wir vorher noch nie gehabt. Seit langem fühlte ich mich unwohl dabei, in Anbetracht dessen, was noch auf mich zukommen könnte.

    Kaum zu Hause angekommen wurde ich von meiner Frau Maria überfallen.

    „Schorsch, da rief vor einer halben Stunde jemand für Dich an. Der wollte mir nicht sagen, was er von Dir will. Er will nur mit Dir sprechen. Er ruft in einer halben Stunde wieder an."

    Ich nickte und begrüßte meine Frau mit den Worten:

    „Hallo mein Schatz, schön das Du heute schon zu Hause bist, ich habe Dir auch was Schönes gekocht", und dabei grinste ich sie an.

    Sie dachte, Er ist nicht mehr so jung, doch nun sieht er wie ein Lausbub aus. Sie lachte und meinte:

    „Alles klar, wie immer, ich muss Dich wohl wieder aufrichten."

    Gerade hatten wir gegessen, läutete das Telefon. Ich stand auf und hob den Hörer ab.

    „Reden Sie nicht, hören Sie zu, sagte eine leise Stimme am anderen Ende der Leitung. Die Stimme fuhr fort. „Ich erzähle Ihnen jetzt nur einmal, was ich zu sagen habe. Wenn Sie nicht aufpassen oder nicht zuhören, ist das Ihr Problem. Ich werde nicht wieder anrufen.

    Ich stimmte zu und unterbrach den Mann die nächsten Minuten nicht. Ich hatte mir ein paar Notizen während des Telefonats gemacht. Als der Gesprächsteilnehmer aufgelegt hatte, schaute ich meine Frau an. Sie schwieg.

    „Sag nichts, Maria, sag nichts."

    Ich drehte mich um und ging unter Mitnahme meines Mantels aus dem Haus. Unterwegs hatte ich Max über Funk erreicht und nun stand ich vor dessen Hauseingang. Max kam, diesmal nicht in Uniform.

    „Was zum Teufel ist los? Meine Frau fragte mich, ob ich mit Dir oder mit ihr verheiratet sei. Du musst gute Gründe haben, sonst wird sie Dich nie wieder zum Essen einladen", und dabei grinste er.

    „Ich habe gute Gründe, ich habe sie."

    Dann fuhren wir los. Nach einiger Zeit kamen wir auf dem Grundstück Lindauer Straße 51 an. Es standen schon einige Polizeiautos da und viele Männer in Uniform. Einige von ihnen hatten Schaufeln in der Hand.

    „Es geht los, sagte ich zu dem Gruppenführer, „lassen Sie die Männer das Grundstück umgraben. Ich will, dass jeder Fußbreit umgedreht wird. Ist das klar?

    Der Mann nickte und ließ seine Truppe antreten. Am nächsten Morgen sah der Garten aus, als wäre eine Horde Wildschweine durch das Grundstück gerast. Der Rasen war nicht mehr da, es war eine einzige Ackerfläche mit tiefen Furchen. Aber gefunden, gefunden hatten sie nichts. Müde, abgekämpft und unsagbar entmutigt standen Max und seine Kollegen vor dem Haus.

    „Das gibt‘s nicht, das gibt es doch nicht. Da hat Dich einer ganz schön geleimt, Schorsch."

    Ich nickte und ging langsam zum Gartentor. Doch dann blieb ich stehen.

    „Hey, komm mal her. Siehst Du das da? Max sah nichts. „Na das da, wiederholte ich und zeigte auf den Boden.

    Da sah man deutlich an der Kante einer Betonplatte vor der Ausfahrt eine schwarze Spur. Und daneben lag Erde, die von ihrer Farbe und Konsistenz nicht hierher gehörte, die Einfahrt war mit Kies belegt. Wir beide drehten uns in Richtung Garage und liefen darauf zu.

    Meine Güte, wie war das möglich. Sie hatten den Hund von Herrn Blume in der Garage in einem alten Blechfass mit Altöl gefunden.

    „Den muss jemand da ertränkt haben, von allein kam er nicht da rein. Wir sollten das aber vorsichtshalber überprüfen lassen. Wo ist nun das Herrchen dazu? Lass uns die Garage auseinandernehmen, und dann das Haus nochmal. Der Garten ist schon umgedreht. Der Mann wird seit mehr als zwei Wochen vermisst. In der Zeit konnte man ihn leicht beiseiteschaffen." Mit diesen Worten wies ich die Männer zu erneuten Anstrengungen an.

    Sie fanden nichts. Max seine Frau war sauer und hatte kein bisschen Lust am Sonntag zu Maria und mir zum Essen zu kommen. Also kam Max allein. Doch Maria hatte auch keinen schönen Tag. Die beiden Polizisten saßen die ganze Zeit zusammen und diskutierten intensiv über diesen Fall.

    Es war Montag, 18. Mai 1965 um 8 Uhr.

    „Schorsch, der Chef will uns sprechen", empfing mich Max mit vielsagendem Blick.

    Wir beide gingen zum Abteilungsleiter. An dessen Bürotür stand Karl Bassmann, Leiter Gewaltdelikte.

    Der Name passte auf diesen Mann. Seine Stimme war ein einziger Bass und seine Statur passte auch dazu. Sicher 120 Kilo hatte der knapp 1,80 Meter große Mann.

    „Hört zu Jungs, wir bekommen Ärger. Nix ist zu wenig. Wie soll das weitergehen? Der da Oben fragt schon nach, ob wir Unterstützung brauchen." Dabei zeigt er mit dem Daumen nach oben.

    „Das ist nicht so einfach, wir müssen einen Weg finden, wie wir zu einer Spur, einem Hinweis oder Sonstigem kommen. Im Moment haben wir nur dieses Telefonat und den Hund. Der ist tatsächlich im Altöl ertrunken oder erstickt", sagte ich.

    „Was ist mit dem Telefonat?", knurrte Bassmann etwas ungehalten.

    „Dieses Telefonat ist seltsam. Wir sind nicht in der Lage, diesen Hinweis richtig zu verstehen und zu verwerten. Er sagte, wir würden alles finden, wenn wir nur graben würden. Daraufhin haben wir das gesamte Grundstück umgegraben. Offensichtlich meinte er aber nicht den Garten. Er sagte weiter, dass Hinweise da wären, wo nichts ist. Was meint er damit?"

    Bassmann schaut uns nur an.

    „Ihr beiden geht jetzt mit der Spurensicherung nochmal zurück in das Haus und die Garage des Mannes und vergesst das Ladengeschäft nicht. Dreht alles auf den Kopf und sucht alles nochmal ab. Sucht nach allen erdenklichen Verstecken und beeilt Euch. Ich bin sicher, Ihr werdet was finden."

    Er wandte sich damit von uns ab und widmete sich wieder anderen Dingen. Bassmann war weder besonders sensibel oder höflich, noch geduldig und schon gar kein feinsinniger Mann. Sein Lebensspruch lautete Sei der Hammer, nicht der Amboss. So verhielt er sich auch.

    In der Zwischenzeit hatte man festgestellt, dass Blume im Jahr 1925 in Leipzig geboren war. Über seine Lebensgeschichte wusste man nicht viel, nur dass er mit allem handelte, das alt war und einigen Wert besaß. Dazu gehörten alte Autos, Bilder, Möbel und auch Schmuck. Es musste nur einen entsprechenden Wert besitzen und ein Markt musste dafür vorhanden sein. Der Name Blume war in einschlägigen Kreisen bekannt und sein Ruf war, was wir bisher herausfanden, tadellos. Dieses Geschäft betrieb er seit 1959. Er kam kurz zuvor aus der Zone über die Grenze und war einige Wochen in Friedland im Flüchtlingslager, bevor er danach im Raum Augsburg auftauchte. Zuerst hatte er einen alten Heustadel außerhalb von Haunstetten, einem kleineren Ort vor den Toren Augsburgs, angemietet. Doch schon bald hatte er in der Stadtmitte von Augsburg einen kleinen Laden. Innerhalb kurzer Zeit wurde er zur ersten Adresse in Bayern für osteuropäische Antiquitäten für vermögende Leute mit besonderem Geschmack. Aber auch von außerhalb kamen immer wieder mal Kunden, die ein gutes Stück bei ihm zum Verkauf anboten oder selbst etwas kaufen wollten. Selbst im Ausland hatte er Kunden, die sich seine Stücke leisten konnten oder wollten. Er selbst erweckte allerdings immer den Eindruck, als wenn er immer gerade so zurechtkommt. Man sah ihm nicht an, dass er eigentlich vermögend war und ab dem Vorjahr ein kleines Anwesen in der Lindauer Straße in Göggingen besaß. Nun gut, der Kaufpreis des Anwesens war nicht umwerfend gewesen, jedoch mit den Renovierungskosten überstieg das leicht ein Mehrfaches eines Facharbeiter-Jahresgehaltes. Das war schon sehr viel Geld. Nach außen sah das Wohngebäude nicht sonderlich auffallend aus. Die Inneneinrichtung war einem Antiquitätenhändler durchaus würdig. Ungeachtet dessen hatte es die technische Innenausstattung des Hauses in sich. So etwas ließen sich nur solche Leute einbauen, die etwas zu schützen hatten und nur wenige konnten sich das auch leisten. Aber die Alarmanlage war ausgeschaltet und das Haus war leer, auch Papiere fanden sich in dem Haus nicht. Alles, was wir nun wussten, hatten wir von Ämtern oder von den Nachbarn des Ladens in der Stadt bzw. den Nachbarn in der Lindauer Straße. In der Maximilianstraße lag der kleine Laden, für jeden sichtbar, doch völlig unauffällig. Der Schriftzug „Antiquitäten" auf dem Ladenfenster war in einer Frakturschrift als Bogen angebracht. Hierher kamen nur Leute, die genau wussten, was sie hier für Geschäfte tätigen konnten.

    Wir sahen uns beide Gebäude nochmal an. Den Laden in der Augsburger Innenstadt zuerst. Wir erhofften uns, dass wir dort in den wenigen Objekten, die da noch rumstanden und hingen, etwas Verwertbares finden würden. Wir suchten alles ab, jede Schublade, jedes Fach, jede Ecke. Doch Fehlanzeige, nicht ein Schnipsel Papier. Das, was noch da war, waren nur Gegenstände mit geringem Wert. Das widersprach der Darstellung, die man bisher von Blumes Geschäften hatte.

    „Weißt Du, was ich glaube?, fragte Max, „ich denke, dass man auch hier alles raus geschafft hat, was von Nutzen gewesen war. Es ist nichts Kostbares mehr da, aber auch keinerlei Unterlagen oder Dokumente. Fast so, als hätte ein Umzugsunternehmen das Haus leergeräumt und danach geputzt. Das ist doch seltsam, oder?

    Ich stimmte zu. „Ja, das ist sehr seltsam, das ist wohl wahr. Doch wir sollten auch die wertlosen Dinge ansehen. Wenn ich etwas verstecken wollte, würde ich das sicher nicht in wertvollen Möbeln oder Bilder tun."

    Nachdem wir alles durchsucht hatten, fuhren wir in die Lindauer Straße. Dort arbeiteten bereits die Kollegen und Kolleginnen der Spurensicherung. Sie waren nicht sonderlich erbaut, dass sie auf Bassmanns Anweisung das Anwesen nochmal überprüfen mussten. Auch hier sahen wir uns ebenfalls nochmal gründlich um, doch es war nichts mehr da.

    „Schorsch, rief einer der Männer. „Schorsch, ich glaube das interessiert Euch. Er gab mir einen Splitter.

    „Was ist das", fragte Max.

    „Vielleicht ein Teil eines Bilderrahmens erklärte der Mann. „Gehört vielleicht zu einem Kirchenbild. Man muss es untersuchen, um es genau bestimmen zu können. Aber ich bin schon ziemlich sicher. Das habe ich oft bei Bildern dieser Art in Kirchen gesehen.

    Der Splitter war gerade mal fünf Zentimeter lang und etwa drei Zentimeter breit. Er schien von der Vorderseite des Rahmens zu stammen. Wir brachten ihn zur Untersuchung ins Präsidium.

    „Meine Herren, wir haben etwas für Sie, sagte ich dem Kollegen aus der forensischen Abteilung. „Der Splitter könnte vielleicht aus einer orthodoxen Kirche stammen. „Vielleicht aus Russland, möglicherweise ein Bestandteil eines Kirchenbildes. Solche Bilder kommen zu uns, nachdem sie in Russland gestohlen und bei uns eingeschmuggelt wurden. Der Wert eines solchen Bildes kann einige tausend DM betragen, aber wir müssen es noch genau untersuchen" sagte der Kollege und wollte den Splitter an seinen Kollegen Johann weitergeben.

    Mir und Max blieb der Mund offen stehen.

    „Ehrenwerter Mann, soso, sagte Max, „Ein ehrbarer Mann mit hochanständigen Lieferanten und Kunden. Was fehlt, ist das Bild. Das ist vermutlich der Hinweis Deines Anrufers, sagte Max.

    Ich murrte „Ja, das kann sein. Doch nun müssen wir mal sein Umfeld genauer abklären. Wer sind seine Lieferanten, wer seine Kunden. Ohne Papiere wird das sehr schwierig werden."

    Wir nahmen den Splitter wieder in Empfang und ich ging selbst zu Johann. Johann, der den Splitter begutachten sollte, war ein Spezialist in Sachen Kunst. Außerdem kannte er jeden, der in irgendeiner Art in diesem Metier auffällig geworden war. Er wusste deren Schwächen und deren Stärken.

    „Jo, wir brauchen Dich. Wir haben da einen Splitter eines russischen Kirchenbildes. Du musst rauskriegen, wo das her ist." Der Mann schaute sich den Splitter an und betrachtete ihn genauer unter dem Mikroskop, das auf seinem Tisch stand. Er grinste, als er sich umdrehte.

    „Wollt ihr mich verarschen, Jungs? Auf Grund der fragenden Augen erklärte Jo, was er sah. Dieser Splitter stammte weder von einem russischen Kirchenbild noch überhaupt von einem Bild. Es war schlicht und einfach ein Holzsplitter mit Farbresten. „Vermutlich von einem Schrank oder Regal, vielleicht aus dem 19. Jahrhundert. Aber vermutlich nix wirklich Wertvolles und schon gar nichts für Euch. Er grinste.

    Auf die Nachfrage, ob er denn ganz sicher sei und er dies bejahte, sah er uns mitleidig an und wir gingen beide mit gesenktem Kopf aus dem Büro. Was nun?

    „Vermutlich ist der Splitter von einem der Möbel, die weggeschafft wurden. Falls wir das Möbelstück finden würden, könnten wir den Weg zurückverfolgen", murmelte ich.

    Doch Max knurrte ärgerlich zurück. „Vermutlich, vielleicht, möglicherweise. Alles nur Annahmen, nix Handfestes."

    Er ließ seiner Frustration freien Lauf und ich tat so, als würde ich nicht zuhören. Dabei konnte ich ihn gut verstehen. Dieser Fall war verzwickt und seltsam zugleich. In den letzten Jahren hatte ich nicht oft das Gefühl, nicht zu wissen, nach was ich suchen soll. Doch diesmal sah ich keinen Anknüpfungspunkt.

    „Hey, ich hab was für Euch." Ein junger Mann der KTUvii betrat unser Büro. „Der Hund wurde nicht ertränkt. Er fiel in das Ölfass hinein. Er musste wohl lange versucht haben wieder raus zu kommen, doch das Öl ließ ihn immer wieder abrutschen und so ertrank bzw. erstickte er."

    Max und ich schauten uns fragend an. „Das auch noch", murmelte Max, „Dann muss der

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