Besenrein: 25 Jahre neues Deutschland, Zwei Ansichten aus Ost und West
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Buchvorschau
Besenrein - Gerhard Schumacher, Axel Wörner
Vorwort
25 Jahre sind seit 1989 wie im Fluge vergangen. Die 40 Jahre DDR davor – sind sie nun vergessen oder nicht?
Der 25. Jahrestag des Mauerfalls bringt eine Flut vor allem offizieller Veröffentlichungen über die DDR, die nur eines kennen, den sogenannten Unrechtsstaat zu schmähen. Dem müssen Linke, Sozialisten und alle, die sich das nicht gefallen lassen wollen - auch, weil es nicht stimmt - etwas entgegensetzen.
In diesen Chor stimmen auch die beiden Essayisten Gerhard Schumacher und Axel Wörner ein. Der Schriftsteller Schumacher und der gelernte, aber ehemalige Historiker Wörner, der sich zum Schriftsteller gemausert hat, vertreten paritätisch West und Ost. Dabei singen sie ihre je eigene Melodie, aber doch das gleiche Lied. Wer das Feuilletonistische mit Situationsschilderung im lockeren Stil liebt, sei auf die mit etwas Ironie und historischen Rückblicken mit unterschiedlicher Reichweite angerichteten Geschichten von Schumacher verwiesen. Wer nach historischen Perspektiven in großen gedanklichen Bögen und Analysen mit einem gewissen theoretischen Anspruch sucht, möge sich an Wörner halten. Dieser entwickelt z. B. eine interessante und überzeugende Analyse der Situation in der DDR im Wendejahr 1989, indem er die von Lenin formulierten allgemeinen Merkmale einer revolutionären Krise anwendet.
Aber die DDR wird uns über dieses Jubiläumsjahr hinaus noch lange beschäftigen. Denn das Nachdenken über das Gewesene wird nicht aufhören, besonders bei denen, die sich aus irgendeinem Grunde mit der DDR verbunden fühlten und noch fühlen, wenn die Fragen nach den Ursachen des Verschwindens der DDR unbeantwortet bleiben.
Nach dem Bruch vom 1989/90 schien es so, als ob es nur Kritik am gescheiterten Versuch geben konnte, auch wenn ein begabter Politiker uns ermunterte: Kopf hoch, nicht die Hände!
Ohne Zweifel muß an erster Stelle jetzt und weiterhin die radikale Kritik am realen Sozialismus (lassen wir es bei diesem selbsterfundenen Eigennamen, auch wenn er unlogisch ist), an der DDR, der Sowjetunion, am Marxismus-Leninismus usw. stehen. Es darf keine Tabus geben. Auch Wertungen wie es gab Fehler oder Schwächen, aber die Grundlinie war richtig
sind mehr als beschönigend. Sie bedeuten nur ein Ausweichen und sind fehl am Platze.
Eigentlich sollten oder müßten Sozialisten die schärfsten und konsequentesten Kritiker sein und diese Rolle nicht ihren Gegnern überlassen. Sie wissen, wie das System funktioniert hat, im Guten wie im Schlechten. Ist es nicht so, daß die Verbrechen im Namen des Sozialismus die Anhänger des Sozialismus am meisten geschmerzt haben? Dabei ist schon viel Vorarbeit geleistet worden. Kritische Denker aus den eigenen Reihen haben von Anfang an auf Fehler und Schwächen hingewiesen. Diese Kritik wurde von den jeweiligen Machthabern nicht genutzt, sondern unterdrückt, die Kritiker wurden verfolgt.
Warum fällt (Selbst)Kritik so schwer?
Es scheint einen Widerspruch zwischen der notwendigen historisch-kritischen Haltung zur Geschichte und der persönlichen Sympathie für Soziales und Linkes zu geben. Das Gefühl hängt an der Tradition der Arbeiterbewegung, den erstrebenswerten Idealen einer gerechten Gesellschaft. Wer sich in das gewaltige Gedankengebäude des Marxismus hineinbegeben hat, kann ihm so leicht nicht wieder entkommen. Der Verstand sagt: Es konnte so nicht weitergehen. Die ganze Sache muß überprüft werden. Sie ist gescheitert. Dann setzt der Gegendruck ein: Die ununterbrochene Propaganda der heute herrschenden Schichten und ihrer Medien gegen den Sozialismus und die DDR. Sie zwingt zur Selbstverteidigung. Die angeklagte Linke betont ihre Verdienste und positiven Seiten, prangert die Fehler der anderen Seite an und verdrängt die eigenen Versäumnisse.
Da stellt sich noch eine weitere Grundsatzfrage, die nur noch hypothetischen Charakter hat: Wäre ein anderer Ausweg möglich gewesen? Aber selbst die große Sowjetunion, die ja im Unterschied zur DDR Eigenständigkeit aufweisen konnte, war nicht zu reformieren in Richtung eines demokratischen Sozialismus. Der Stalinismus war ein Irrweg der Geschichte. Das Sowjet-System hatte sich überlebt und mußte zerbrochen werden. Dies war das Verdienst Gorbatschows, auch wenn sein Verhalten seit den 1990er Jahren nur noch Kopfschütteln hervorruft.
Erinnerungsarbeit ist notwendig auf allen Ebenen und in allen Bereichen.
Sie muß die Dinge beim Namen nennen - ohne Nostalgie, aber auch ohne Kleinmut.
Wenig blieb übrig von dem kleinen Land, das sich „Deutsche Demokratische Republik" nannte. War dieser Name nicht schon paradox?
Das materielle Erbe verschwand schnell. Gebäude und Einrichtungen kann man zerstören, ideelle Werte nicht.
Dabei haben die viel mit Pro und Contra beredeten Errungenschaften des Sozialismus einen Doppelcharakter. Als ob man