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2x Deutschland: Zeitzeugen erinnern sich an zwei deutsche Staaten
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2x Deutschland: Zeitzeugen erinnern sich an zwei deutsche Staaten
eBook245 Seiten2 Stunden

2x Deutschland: Zeitzeugen erinnern sich an zwei deutsche Staaten

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Über dieses E-Book

Deutschland geteilt, Deutschland vereint; die Mauer gebaut, die Mauer zerstört – Letzteres vor 25 Jahren! Und was war vorher? Welche Folgen hatte die Teilung nach dem 13. August 1961, politisch, wirtschaftlich, persönlich? Wer war davon berührt oder betroffen?
Mehr als 20 Zeitzeugen, Frauen und Männer, beschreiben hier, wie zwischen 1949 und 1953 zwei deutsche Staaten entstanden sind, wie der Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953, wie Flucht und Ausreisen erlebt wurden, wie der Transitverkehr und wie die Wiedervereinigung erlebt wurden – bis in die Zeit nach 1989. Es sind persönliche Zeugnisse im Sinne von „Oral History“, vorrangig basierend auf Erlebnissen, ergänzt durch Ansichten und Meinungen. Es ist „Geschichte von unten“, mit unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkten, geprägt vom eigenen Verstehen und Erleben.

Zeitzeugen erinnern sich an zwei deutsche Staaten
Eine Anthologie der ZeitZeugenBörse Hamburg
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum20. Okt. 2014
ISBN9783735713940
2x Deutschland: Zeitzeugen erinnern sich an zwei deutsche Staaten

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    Buchvorschau

    2x Deutschland - Books on Demand

    Kluge

    I.

    1949–1961

    Deutschland wird geteilt

    23. Mai 1949

    Lore Bünger

    Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland

    Der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949, die ja in der Geschichte unseres Landes eine bedeutende Rolle spielt, haben viele Frauen – auch ich – damals keine besonders große Beachtung geschenkt.

    Im Beruf „rauschten wir ran". Wir waren bestrebt, gemeinsam die Wirtschaft wieder in Gang zu kriegen, alte In- und Auslandsbeziehungen neu zu knüpfen und das nötige Geld zu verdienen, um uns auch privat wieder hochzurappeln aus dem Dilemma, das uns der Krieg und die ersten drei Nachkriegsjahre beschert hatten.

    Viele Frauen meines Alters (geb. 1923) gründeten mit aus dem Krieg zurückgekehrten Männern eine Familie. Sie waren oft doppelt- und dreifachen Belastungen ausgesetzt: Kinder aufziehen, Haushalt versorgen und evtl. noch nebenher eine Berufstätigkeit ausüben, weil e i n Lohn oder Gehalt nicht reichte, um das Nötige zum Leben zu beschaffen.

    Daher stehen nun viele von uns grau gewordenen Zeitzeugen ratlos da, wenn wir nach unseren politischen Ansichten oder gar Gefühlen gefragt werden, die uns bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bewegten.

    Uns bewegte damals der Aufbau, das Auferstehen aus der Asche – in Hamburg im wahrsten Sinne des Wortes!

    1950–1953

    Gisela Jacobs (†)

    „Und ab jetzt wird gearbeitet" – Lehrjahre in der DDR

    Am 23. Juli 1950 bestehe ich die Abschlussprüfung der 8. Klasse mit der Note „gut". Fleiß, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit werden mir im Zeugnis bescheinigt. Meine Heimatstadt ist Magdeburg im damals ostdeutschen Gebiet des Arbeiter- und Bauernstaates, der DDR.

    Aber – leider – bin ich kein Arbeiterkind und stamme auch nicht aus einer Bauernfamilie. Mein Vater ist Berufssoldat und nach seiner Dienstzeit beim Militär Beamter auf Lebenszeit. Hinzu kommt der Makel der Parteizugehörigkeit im Dritten Reich, die mein Vater mit drei Jahren Verschleppung in ein ehemaliges deutsches KZ unter sowjetischer Herrschaft gebüßt hat. Das sind keine guten Vorzeichen für mich. Kinder „solcher Eltern sind nicht förderungswürdig im sozialistischen Sinne. Also, runter von der Schule, raus ins „feindliche Leben. Aber wie?

    Meine Eltern meinen, ich solle eine Lehre bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Post beginnen. Aber da mir das Beamtentum nun schon zum Verhängnis wurde, will ich nicht in diese Einrichtungen. Ich überlege, welche Tätigkeiten ich besonders gerne mache und komme zu dem Schluss, ich zeichne gerne. In der sozialistischen Planwirtschaft gibt es schon so etwas wie Berufsberatung, um die Ausbildung des Nachwuchses für den Aufbau des Sozialismus zu steuern. Also gehe ich zur Berufsberatung; 14-jährig, ohne jede Ahnung vom Berufsleben.

    Puppen und schöne Kleider mag ich sehr, also möchte ich Schneiderin und Modezeichnerin werden. Der Kaderleiter sieht mich mitleidig an und sagt: „Nee, Jugendfreundin, so was brauchen wir nicht für den Aufbau des Sozialismus." Wie wär’s denn mit einer Facharbeiterausbildung als technische Zeichnerin. Junge Menschen in der Industrie sind unsere Zukunft. Na, dann mache ich eben das, war meine praktische Entscheidung. Ich weiß ja sowieso nicht, was mich im Arbeitsleben erwartet.

    Das Zertifikat von der „Ernst-Thälmann"– Lehrwerkstatt in Magdeburg, 1953

    Am 1. September 1950 beginne ich meine Lehre im Schwermaschinenbau „Ernst Thälmann", vormals Krupp-Gruson, als technische Zeichnerin. Wir sind 21 Mädchen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren. Ich stehe zum ersten Mal am Reißbrett und lerne Striche ziehen, mit Bleistift und schwarzer Tusche. Ich lerne Normschrift, Zahlen, Buchstaben.

    Und nach vier Wochen Probe geht’s ab in die Werkstätten. In die Schlosserwerkstatt an den Schraubstock, meißeln, feilen, bohren. Meine Hände können das Werkzeug kaum festhalten, aber ich halte durch. Blutige Blasen an meinen Händen veranlassen den Lehrmeister nur zu der Bemerkung: „Geh zum Sani, lass dich verbinden, und dann komm wieder her."

    Nach drei Monaten geht’s ab in die Graugussgießerei. Wir Mädchen beschicken den Kupolofen mit Gusseisen und Schrott, schmelzen, stechen die flüssige, glühende Masse ab.

    Mit Modellen formen wir Lagerschalen in Formsand, gießen die Formen aus. In der Gießerei gibt es jeden Tag eine Sonderzuteilung. Jeder bekommt einen halben Liter Milch. Dazu gibt’s eine Holzkiste mit Harzer Käse, den essen wir aus der Hand. Wir sitzen in Dreck und Staub und sind dabei auch noch fröhlich. Wir sind produktiv und das macht uns stolz.

    Weiter geht’s in die kleinmechanische Bearbeitung. Wir arbeiten an der Drehbank, der Fräs- und Bohrmaschine und stellen schon Kleinteile für die Produktion her. In der großmechanischen Bearbeitung an Karussell-Drehbänken macht das Arbeiten noch mehr Spaß.

    Ein Jahr vergeht mit der praktischen Ausbildung. Dann geht’s zurück ans Reißbrett. Jetzt kann ich auch verstehen, was ich da zeichnerisch zu Papier bringen soll, damit die Zeichnung in der Werkstatt gelesen und umgesetzt werden kann.

    Meine Lehre ist für mich ein Riesenfortschritt in meiner persönlichen Entwicklung. Ich bin etwas wert, ich habe Fähigkeiten, mit denen ich mich selbst ernähren kann, ich bin selbstständig, unabhängig, kann mitreden, bin erwachsen.

    Nach zweieinhalb Jahren, ich bin gerade 17 geworden, darf ich meine Lehrausbildung aufgrund guter Leistungen vorzeitig beenden. Meine Prüfungsnote wieder „gut und zum internationalen Frauentag am 8. März 1953 werde ich als „Bestarbeiterin mit einer Urkunde geehrt. Ich denke, es wird verständlich, dass ich auch auf diesen Erfolg sehr stolz bin. Die vermeintlichen Härten, die ich „als großes Kind" erfahren habe, haben mich gestärkt. Inzwischen habe ich 45 Berufsjahre hinter mich gebracht, und es war eine gute Zeit.

    1949 bis 1964

    Ingrid Willers

    Traurige Familienverhältnisse

    Als Günter und ich 1960 heirateten, hatte mein Mann, der aus dem Erzgebirge stammt, ein bewegtes Schicksal hinter sich.

    Gegen Ende des Krieges entkam er dem Kessel von Kurland (Lettland); gemeinsam mit Kameraden flog er in Richtung Westen und geriet in amerikanische Gefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde. Da seine Mutter ihm geschrieben hatte, sein Vater sei von den Russen verschleppt worden, fuhr er zu ihr in das Erzgebirge, um ihr und seinem zehn Jahre jüngeren Bruder zu helfen.

    Im Uranbergbau bei der SAG (Sowjetische Aktiengesellschaft) Wismut fand Günter Arbeit und verdiente gutes Geld. 1949 lud er anlässlich der Obsternte eine Tante ein, ohne zu ahnen, dass diese briefliche Kontakte zu Westdeutschen hatte. Wenig später wurde die Tante verhaftet; ihr wurde „sowjetfeindliches Verhalten" vorgeworfen. Sie kam ins berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck, wo sie bald darauf verstarb.

    Bei dieser Tante aber fand man die Einladung von Günter. Der sowjetische Geheimdienst vermutete in dem Brief eine verschlüsselte Nachricht und legte das als Spionage gegen die UdSSR aus. Daraufhin wurde auch Günter verhaftet und zu zehn Jahren Zwangsarbeit in mehreren Zuchthäusern verurteilt. Nach fünfeinhalb Jahren wurde er begnadigt und in die DDR entlassen.

    Sein Entschluss stand fest: Er wollte in die Bundesrepublik, und so verabschiedete er sich von Mutter und Bruder und flüchtete bei Nacht und Nebel über die „Grüne Grenze".

    Von nun an galt er als Republikflüchtling. Kontakte waren nur brieflich möglich, viele Pakete gingen „nach drüben", aber eine persönliche Begegnung erfolgte erst Jahre später (1960) in Berlin, wobei Günter mit der PanAm fliegen musste, da er an der DDR-Grenze verhaftet worden wäre und zumindest seine viereinhalbjährige Reststrafe hätte absitzen müssen.

    Ein Jahr später erfolgte der Mauerbau, und der persönliche Kontakt riss abermals ab. Erst als ab 1964 Rentner über 65 Jahre Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften, gab es ein freudiges Wiedersehen – und beim Abschied traurige Gesichter, denn auf die nächste Besuchserlaubnis musste man in der DDR ein Jahr lang warten.

    1952

    Fritz Schukat

    Mit dem Fahrrad von Berlin nach Sylt

    Ich wohnte in der Nachkriegszeit bei meinen Großeltern in Berlin und ging dort auch zur Schule. In den frühen 1950er Jahren konnte man zwar an vielen Stellen als Fußgänger oder Radfahrer meist noch unkontrolliert in den „Ostsektor oder in die „Zone gehen bzw. fahren, aber es war schon recht schwierig. „Drüben" zu übernachten, das ging nicht mal mehr bei Verwandten.

    Zeichnung: Fritz Schukat

    Damals war „drüben eben doch schon eine ganz andere Welt und uns wurde ja auch dauernd eingeredet, dass Westberlin zum Westen gehört, also zum „guten Teil dieser Welt. Deshalb zog es uns dann auch nicht unbedingt in den Osten, und Ferien wollten wir dort schon gar nicht machen. Das war uns alles schon zu sehr staatlich organisiert.

    In den großen Ferien 1952 beschlossen deshalb meine drei Freunde und ich, mit unseren Fahrrädern nach Sylt zu fahren. Wir waren damals alle so um die 16–17 Jahre alt und hatten zur Vorbereitung dieser Fahrt lange zusammengesessen, die Fahrroute auf Landkarten ausgeguckt und nachgerechnet, ob und wo wir die nächste Jugendherberge finden konnten. Das war natürlich keine Sonntagstour, wie man sie heute mal fix mit dem Auto machen kann.

    In der Bundesrepublik konnte man schon längst wieder ohne Schwierigkeiten reisen, aber diese Freizügigkeit galt eben nie für Westberliner, wenn sie auf dem Landweg durch die DDR „nach Westdeutschland" fahren wollten.

    Wir mussten damals zusätzlich zu unseren Ausweisen einen so genannten Interzonenpass haben. Das war ein mehrmals gefaltetes Dokument in vier Sprachen (nämlich: englisch, russisch, französisch und deutsch) und mit vielen Stempeln versehen, das man brauchte, wenn man durch die „Ostzone" fahren wollte. Herausgegeben wurde dieses Papier von den Alliierten, die eigentlich bis zur Wende in Berlin das Sagen hatten.

    Mit dem Fahrrad durfte man natürlich nicht durch die DDR fahren, man musste entweder mit dem Zug, dem Bus oder anderswie rüberkommen. Das klappte auch, denn der Vater eines anderen Freundes war Fernfahrer. Also fragten wir ihn, ob er uns mitnehmen würde und so geschah es. Wir fuhren auf der leeren Pritsche seines Lastwagens von Berlin nach Helmstedt, dem damals bekanntesten deutsch/deutschen Grenzübergang, mit.

    Erst von dort ging es dann wirklich „mit dem Radl" los.

    17. Juni

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