Professor Rütli: Zürich, Shanghai, Dubai - was nun? Herr Professor
Von Amal Blu
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Amal Blu lädt Sie, verehrte Leser und Reisende ein, sich auf die Spuren des Professors zu begeben: Stimmen Sie sich mit lebendigen Bildern auf Ihre galaktische Rütli-Reise von 20040,4 km ein.
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Buchvorschau
Professor Rütli - Amal Blu
1. Rütli Klinik
Sehr geehrter Prof. Rütli, im Namen des Abendblattes danke ich Ihnen für Ihre kostbare Zeit, die Sie sich für unsere Leser nehmen. Darf ich gleich mit meinen Fragen beginnen? (Der Professor nickt und fängt an zu erzählen.)
Jeden Morgen stehe ich um 5:30 Uhr auf und beginne den Tag, indem ich in den Frühlings- und Sommermonaten eine Stunde in unserem wunderbaren See schwimme. Im kühleren Herbst und im kalten Winter bevorzuge ich meinen eigenen Indoor Pool. Nach dem Frühstück fahre ich sofort in die Rütli Klinik, da die erste Operation stets für 7:45 Uhr angesetzt ist. Die letzte OP erfolgt meistens gegen 13:00 Uhr, sodass ich mit der Sprechstunde ab 14:30 Uhr beginnen kann. (Journalist Orsani bemerkt, dass der Tagesablauf des Professors sehr durchorganisiert und diszipliniert zu sein scheint.) Daraufhin erwidert Rütli, dass dies stimme, zumal er sich nach der Sprechstunde gegen 19:00 Uhr auf ein Briefing bzw. Debriefing mit seinen beiden Oberärzten, den Assistenzärzten und den Anästhesisten treffe. Anschließend besuche er seine Patienten auf der Station und spreche mit der leitenden Krankenschwester. Ein sechzehn Stunden Tag unter der Woche sei absolute Normalität. An den Wochenenden gebe er wie in diesem Moment Interviews, arbeite mit einem hochqualifizierten Team an einer Erweiterung der Produktpalette seiner bereits auf dem Markt erfolgreichen Kosmetiklinie, besuche internationale und interkontinentale Weiterbildungskongresse, halte Vorträge bei Symposien im In- und Ausland und treffe sich jeden Sonntag gegen 18:00 Uhr mit einem Teil seines erstklassigen Teams zur genauen Wochenplanung. Zeitknappheit gehöre zu seinem Alltag. Seine facettenreiche Arbeit lasse ihm keine Freizeit, aber er liebe es, den Menschen zu helfen. Er habe sich seinen Traum einer gutgehenden Privatklinik erfüllen können. Nun arbeite er bereits seit über 25 Jahren mit Leidenschaft im Dienste der Schönheit und beglücke sich und seine Patienten mit besonderen Genussmomenten: „Sie können sich nicht vorstellen, welches Gefühl in mir hochsteigt, wenn ein Patient bei der Verbandabnahme zum ersten Mal das Ergebnis der Operation im Spiegel sieht und Freudentränen in den Augen hat", lauten Rütlis Worte. Er lebe, um zu arbeiten und arbeite nicht, um zu leben.
Die Frage des Journalisten nach der Verantwortung eines Schönheitschirurgen im Zeitalter des eitlen Schönheitswahns beantwortet Rütli in einem langen Monolog: ein Schönheitschirurg dürfe nie den geleisteten hippokratischen Eid vergessen oder gar verletzten, denn das oberste Ziel sei es, dem Patienten zu helfen. Er führe mit jedem potentiellen Kunden
zuerst ein ausführliches Beratungsgespräch, indem er über mögliche Risiken umfassend aufklären würde. Auch weise er auf die Grenzen des Machbaren und für ihn moralisch Vertretbaren hin. Aus diesem Grund lehne er kategorisch jeden, der das Aussehen seines Idols nachahmen wolle, ab. In den USA seien solche Operationen ein alltägliches Geschäft, aber er operiere nie aus Geldgründen. Er wolle die Medizin nicht zu wirtschaftlichen Zwecken missbrauchen und habe nicht studiert, um reich zu werden. Natürlich verdiene er gut, aber er habe nicht einmal die Zeit, das Geld auszugeben. Des Weiteren schicke er Jugendliche, die im Wachstum sind, sofort nach Hause, weil sie sich eine Schönheitsoperation (Nasenkorrektur, Silikonimplantate, Rippen- oder Fußknochenentfernung) zum Geburtstag gewünscht und auch geschenkt bekommen haben. Das operierte bzw. korrigierte Areal müsse nach einer Operation immer natürlich aussehen und sich harmonisch in das Gesamtbild der Physiognomie des Menschen einfügen. Harmonie und Natürlichkeit würden in seiner Auffassung der Schönheitschirurgie als oberstes Gebot gelten, damit sich die Patienten nach einer OP wieder glücklich in ihrer Haut fühlen würden und zufrieden mit ihrem Körper seien. Aus diesem Grund sei jeder Eingriff für ihn eine neue Herausforderung und größte Vorsicht sei bei Botox - Injektionen geboten. Er spritze nur sehr wenig in die Stirnfalten, die Augenfältchen, die Mundwinkel, denn das Schlimmste sei ein Gesicht ohne Mimik. Jeder verliere durch zu viele Botox -Spritzen seine Persönlichkeit, seine Individualität. Auch weise er Patienten, die mehrmals aufgepolstert werden möchten, ab. Ein puppenartiges Gesicht lehne er nämlich kategorisch ab. Er folge dem Motto: weniger ist mehr. Er fühle sich der Menschlichkeit verpflichtet, setze der Schönheitschirurgie des 21. Jahrhunderts Grenzen und zitiere des Öfteren in einem Patientengespräch den bedeutenden Vers aus Johann Wolfgang von Goethes Gedicht Das Göttliche
: „Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut!"
Auch weise er auf die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung und eines bewussten tabakfreien Lebensstils ohne Alkohol oder mit maßvollem Alkoholkonsum in Kombination mit Sport/Bewegung und Entspannung hin.
Journalist Orsani spricht den Professor abschließend noch auf die hartnäckigen Gerüchte, es solle weitere Rütli Kliniken in Asien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geben, an. Die Idee einer zweiten privaten Schönheitsklinik entweder in Dubai/Abu Dhabi oder in China reize ihn seit langer Zeit, erwidert Rütli und erzählt ein Kindheitserlebnis aus Hangzhou, dem malerischen Ort am Westsee, hundertsiebzig Kilometer von Shanghai entfernt: seine Eltern, beide Diplomaten, leider viel zu früh bei einem Flugzeugabsturz in Brasilien ums Leben gekommen, hätten ihn im Alter von neun Jahren mit nach China genommen. (Er sei damals dreizehn Jahre alt gewesen als er von diesem tragischen Unfall erfahren habe.) Dort hätte er sich für die vielfältigen Chinese Arts
begeistern können. Die chinesische Kalligraphie, die er immer noch nicht beherrsche, würde er gerne lernen. Das Chinese Knot
habe auch früh sein Interesse geweckt und er würde es begrüßen, es erneut zu erlernen. Faszination habe er für das Clay Making
und das Paper Cutting
empfunden. Diese, im Verzeichnis des UNESCO immateriellen Kulturerbes spezielle, aufgelistete, chinesische Schneidetechnik aus dem sechsten Jahrhundert, habe er nicht dafür genutzt, um historische Persönlichkeiten oder Tiere abzubilden, sondern um menschliche Gesichter optimal aussehen zu lassen. Vor allem aber habe ihn der Besuch eines Clay Making
Workshops geprägt. Während die gleichaltrigen Kinder Prinzessinnen, Piraten, Mönche, Schweine oder Drachen aus dieser Knetmasse, einer Art Plastilin, hergestellt hätten, habe er ebenmäßige Gesichter und stilvolle Hände modelliert und stets versucht, die optimale Nase, die passenden Lider, den wohlgeformten Mund und die schönsten Finger zu formen. Damals habe er bereits gemerkt, dass er Chirurg werden wolle und seine Leidenschaft für die Ästhetik entdeckt.
Leider habe er in der Vergangenheit nie die Zeit gehabt, die Volksrepublik China nochmals zu besuchen. Laut einer Studie der Global Business Travel Association
soll China im Jahr 2016/2017 „der weltgrößte Markt für Geschäftsreisende werden". Diese könnten dann vor oder nach einem Geschäftsabschluss eine Behandlung in der Rütli Klinik vornehmen lassen. Der Professor bemerkt weiterhin, dass in den letzten Jahren der Anteil der männlichen Patienten stark gestiegen sei. Wer nämlich gut und frisch bzw. jung aussehe, habe größeren beruflichen Erfolg, laut der Auffassung seiner männlichen Klientel, die sich immer öfters eine Behandlung gönne. In diesem Zusammenhang verweist er auf das Vampirlifting - auch Plasmalifting genannt - mit oder ohne Hyaluron angereichert, welches wahre Wunder leiste, wenn man es regelmäßig auffrischen würde. Diese Eigenbluttherapie nähme nur eine Stunde in Anspruch und am selben Abend sei der Patient wieder gesellschaftsfähig.
Shanghai oder die nähere Umgebung seien aus unterschiedlichen Gründen eine mögliche Wahl für eine zweite Rütli Klinik. Aber bevor es soweit sei, müssten ausgesuchte Standorte geprüft, Investoren gesucht und wichtige Verhandlungen, zum Beispiel mit den entsprechenden Behörden, geführt werden.
Was die Arabischen Emirate betreffe, so gebe es das Angebot eines hochgeschätzten Kollegen in Dubai, mit ihm gemeinsam eine Klinik in Dubai oder in Abu Dhabi zu eröffnen. Die Zukunft werde ihm den Weg zeigen. Er möchte keine voreiligen Aussagen treffen und sich an einem chinesischen Sprichwort orientieren: die Welt hält immer neue Überraschungen bereit
. Nun aber rufe die Pflicht, er müsse auch am Wochenende zu seinen Patienten auf die Station.
Mit diesen Worten beendet Prof. Rütli das Interview und der Journalist Orsani bedankt sich nochmals für die privaten Einblicke und äußerst interessanten Auskünfte über die Pläne einer zukünftigen Rütli