ROYAL LEBEN: Aus der Krise zurück auf den eigenen Thron
Von Korinna Heintze
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Über dieses E-Book
Korinna Heintze ist systemisch-holistischer Coach. Sie lebt und arbeitet in Leipzig.
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Buchvorschau
ROYAL LEBEN - Korinna Heintze
1 ROYALE Herkunft
„Wenn man ohne Flügel geboren wurde, darf man sie nicht am Wachsen hindern."
Coco Chanel
ROYALE Geschichte von Theresa: Wie du wirst, was du bist
„Haaalllloo, dröhnt es aus dem Lautsprecher, „das kleine Mädchen hier unten im Karussell mit der roten Jacke!
Es ist, als ob der ganze Rummelplatz plötzlich verstummt.
„Halloooo. Ja, du! Du musst schon den Steuerknüppel ganz kräftig zu dir heranziehen, so wie die anderen Kinder. Dann geht es auch für dich nach oben."
Verunsichert gestikuliere ich vor mich hin. Ich bin vier und ein bisschen Jahre alt und versuche das schon die ganze Zeit. Sieht der das denn nicht? Meine Gondel schwenkt auf und ab. Sie zieht ihre Kreise ein paar Zentimeter über dem Boden des Karussells.
Meine Kraft reicht nicht aus, um diesen blöden Steuerknüppel einfach zu mir heranzuziehen. Schluchzend warte ich, bis das Karussell endlich stoppt. Ich klettere aus der Gondel.
Meine Mutter bückt sich zu mir herunter. Ich schlinge meine Ärmchen fest um ihren Hals. Haselnussgroße Tränen kullern über meine Wangen. Sie versucht mich zu trösten: „Irgendwann kommst du auch ganz, ganz hoch hinaus. Komm mit mir."
Ganze fünf Minuten später wendet sich das Blatt. Die Haselnusstropfen sind getrocknet. Der Wind zerzaust meine braunen Haare. Meine blauen Turnschuhe winken mir fröhlich von meinen Füßen aus zu. Wir sitzen in unserer Gondel und schweben über den Rummelplatz. Die Gondel dreht sich in die Ketten ein und wieder aus. Ich spüre meine Flügel. Ich kann tatsächlich fliegen.
Mit knapp 20 Jahren heirate ich. Aus heutiger Sicht: viel zu früh. Vielleicht hätte mich eine längere Zeit des Wachsens und Reifens davor bewahrt, einem Mann mit einem Alkoholproblem ein Versprechen zu geben. Er selbst allerdings denkt, er würde es anders machen als sein Vater. Sein Vater, der die Erinnerungen an die schlimmsten Jahre seines Lebens Tag für Tag wegspült. Wie sehr sich mein Mann auch um die Aufmerksamkeit seines Vaters bemüht, er erreicht ihn nicht. Den Kopf nach unten gebeugt, kauert sein Vater apathisch auf dem dunkelgrünen Samtsessel vor dem Fenster. Er starrt vor sich hin. Regungslos und erstarrt, so wie der kleine Junge, der im Arm seiner Mutter im Luftschutzbunker versucht, noch etwas Leben zu atmen, während draußen Sirenen heulen und Bomben die Heimat zerstören.
Anfangs sind es bei meinem Mann nur ein paar mehr Anlässe. Dann sind es mehr Gläser und Flaschen, für die es keine Anlässe mehr braucht. Er verändert sich. Er lallt und ich kann kaum mehr verstehen, was er sagt. Er schläft bis mittags seinen Rausch aus. Er verliert seinen Job. Er trinkt weiter. Ich verdiene den Lebensunterhalt für die Familie – allein. Er nimmt Kredite auf. Ich bezahle die Raten. Keiner soll irgendetwas von diesem Zustand mitbekommen. Ich lächle mein süßestes Clownslächeln, wenn ich mit anderen über meine Familie spreche. Dann setzt er aus. Im Rausch zertrümmert er den Großteil unserer Wohnungseinrichtung – und meine Liebe. Er schreit. Er hört nicht auf. Ich ersticke meine Angst in der Überzeugung, ihm helfen zu müssen. Es funktioniert nicht. Die Schulden wachsen. Er verspricht, sich einen neuen Job zu suchen. Doch der Entzug scheitert, so wie der nächste und auch der übernächste. Zwischendrin erleben wir einige gute nüchterne Momente – bis er wieder abstürzt.
Meine Tochter bringe ich an einem verregneten Junitag allein auf die Welt. Ich habe ihr in den letzten Monaten von dieser Welt und ihrer Familie hier erzählt – abends, wenn sie mit ihren Ellenbogen ungeduldig gegen meine Bauchdecke geboxt hat: „Auch wenn dein Vater dich vielleicht nicht richtig wahrnimmt, so wie sein Vater ihn kaum beachtet hat, sind wir zusammen doch eine Familie. Weißt du, es gab einmal einen König, der hatte heimlich ein Kind in seinem Reich gegen ein Königskind ausgetauscht und so für viel mehr Achtung in seinem Königreich gesorgt. Und auch ich passe auf dich auf und achte darauf, dass es dir gut geht."
Während ich weiter darüber sinniere, wie das Leben meiner Tochter verlaufen würde, setzen die Wehen ein. Ich rufe mir ein Taxi und fahre mit der Tasche los, die ich schon vor Wochen für diesen Moment vorbereitet und gepackt habe. Der Taxifahrer setzt mich direkt vor dem Eingang der Geburtsstation ab. Mit einem verzerrten Gesicht und außer Atem drücke ich ihm erst sein Geld in die Hand und danach auf den Klingelknopf an der Eingangstür. Endlich. Eine ältere Frau mit einem streng zusammengebundenen Haarknoten öffnet mir die Tür und fragt fast engelsgleich freundlich: „Na, wie kann ich Ihnen denn helfen?"
Ich gestikuliere im Anflug der Wehe: „Wonach sieht denn das Ganze hier aus?, und will sie frustriert dazu bewegen, mir etwas gegen die Schmerzen zu geben: „Bitte eine Spritze, sofort und alles, was Sie sonst haben – Hauptsache es hört auf, so schrecklich wehzutun.
Fürs Erste legt sie mir ein paar homöopathische Kügelchen auf die Zunge. Dann schleppe ich mich hinter ihr her ins Untersuchungszimmer und von dort aus postwendend in den Kreißsaal. Sie stemmt die Hände in ihre Seiten, schaut mich an und sagt: „Sie sind stark und kriegen das alles auch wunderbar ohne irgendwelche Unterstützung hin."
Ein kalter Schauer läuft über meine Schulter. Nur wenige Menschen wissen um meine private Situation.
Die Abstände zwischen den Wehen verkürzen sich. Der Schmerz hingegen verstärkt sich. Wehe für Wehe. Welle für Welle. Endlich: Die nächste Presswehe zwängt meine Tochter in meine Welt. Ihr Schrei ist magisch. Die Hebamme legt sie in meinen Arm. Ihr kleiner Körper ist so weich wie weiße Federn. Ich betrachte sie. Wie schnell und aufgeregt sie atmet. Sie schmiegt ihr Köpfchen an meine Brust. Meine Hände zittern. Ich lache und weine.
In diesem Moment entscheide ich mich, nie wieder in meinem Leben mit einer Gondel nur ein paar Zentimeter über den Boden zu kreisen, sondern den Steuerknüppel mit ganzer Kraft zu mir heranzuziehen.
ROYALE Selbsterkenntnisse: Wer bin ich und was ist der Sinn meines Lebens?
Meinem alten Leben kehre ich den Rücken. Es fühlt sich schrecklich an, sich unabhängig zu machen, fast so, als würde ich meinen Mann verraten. Ich habe ihm versprochen, in guten und in schlechten Tagen für ihn da zu sein. Doch jetzt überlasse ich ihn seiner Sucht, um mich und meine Tochter zu retten. Was würden „die anderen" über das Ende dieser Ehe sagen, da nach außen alles so gut aussah? Würden sie denken, ich sei gescheitert mit meinen Träumen und Wünschen von einer glücklichen Familie? Und bin ich es nicht auch – gescheitert? Oder lasse ich nicht endlich eine Illusion los und gebe meinem Leben die Wende, die es so dringend benötigt?
Ich gehe jetzt meinen eigenen Weg und breche mit Familiendramen, mit Geschichten und deren Fortsetzungen. Ich beende Abhängigkeiten, um nicht genauso zu werden, wie ich nie sein wollte. Mit ganzer Kraft habe ich den Deckel auf das gedrückt, was in unserer Familie nicht sein sollte, wofür sich ganze Generationen vor mir genauso geschämt haben, wie ich es heute immer noch tue. Ihre Geheimnisse wabern in den hintersten Ecken meines Kellers und schweben durch meine Träume. Mir wird immer klarer, wie sehr ich Glaubenssätze und Muster, bestimmte Verhaltensweisen von Familienangehörigen und Ahnen übernommen habe, ohne sie zu hinterfragen. Wie lange reise ich schon unbewusst mit ihrem Gepäck und wohin bin ich eigentlich