Das JFK Rätsel: Wer erschossden Präsidenten?
Von Volker Jochim
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Volker Jochim
Volker Jochim, geboren 1953 in Frankfurt am Main. Lebt heute in Mühlheim am Main.
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Buchvorschau
Das JFK Rätsel - Volker Jochim
1
Dallas
Mark Phillips saß gelangweilt an seinem Schreibtisch. Ein ereignisreiches Jahr neigte sich dem Ende zu. Seine Artikelserie über die UFO Geheimakten hatte zwar für Aufsehen gesorgt und einige Senatoren hatten die Offenlegung aller Akten gefordert, aber der erhoffte Erfolg blieb aus, da andere Ereignisse alles überlagerten und die Regierung dies nutzte, um die Sache erst einmal ad acta zu legen.
Anfang Februar zerbrach die Raumfähre Columbia nach Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und alle sieben Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.
Ende März hatte die Regierung endlich ihren dritten Golfkrieg, den der Präsident mit einer vier Minuten kurzen Rede seinem Volk verkündete.
Und vor vier Wochen wurde ein ehemaliger Bodybuilder zum Gouverneur von Kalifornien gewählt.
Hasta la Vista, Baby!
„Was ist nur aus diesem Land geworden?", dachte er betrübt und durchforstete mehr beiläufig das
Internet nach Neuigkeiten.
Eine Mitteilung weckte dann doch sein Interesse. In drei Wochen jährte sich das Attentat auf John F. Kennedy, den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, zum vierzigsten Mal.
Er war damals noch viel zu jung um etwas davon mitzubekommen, aber später hatte er einiges darüber gehört. Eben auch, dass es berechtigte Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse gab.
Das wäre doch wieder etwas nach seiner Kragenweite. Er warf den Bleistift auf den Schreibtisch und machte sich auf den Weg ins Archiv. Es war besser gut vorbereitet zu sein, bevor er mit dem Chefredakteur über sein Vorhaben sprach.
Glücklicherweise war dieser Jahrgang schon digitalisiert. So blieb es ihm erspart in den verstaubten Folianten zu wühlen.
Er war so in diese Geschichte vertieft, dass er völlig die Zeit vergaß. Erst als sein Rücken schmerzte und sein Magen anfing zu knurren, sah auf die Uhr. Über drei Stunden hatte er hier nun schon zugebracht und hatte immer noch das Gefühl am Anfang zu stehen.
Die Berichte und Fotos, die er glaubte zu benötigen, druckte er sich aus und ging zurück ins Redaktionsbüro. Dort verstaute er alles in seiner Tasche,
zog seinen Mantel an und verließ das Gebäude.
Unterwegs besorgte er sich schnell eine Pizza und fuhr nach Hause.
***
Während er seine Pizza vertilgte, sortierte er die Unterlagen und begann sich Notizen zu machen.
In diesem Fall wollte er gleich chronologisch vorgehen um sich nicht am Anfang schon zu verzetteln.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen? In der langen Geschichte der Vereinigten Staaten war Kennedy nach Lincoln, Garfield und McKinley der vierte Präsident, der bei einem Attentat ums Leben kam. Die ersten drei Anschläge lagen aber schon sehr lange zurück. Der letzte über sechs Jahrzehnte vor Kennedy. Was war also geschehen und warum?
Zuerst war es wohl ratsam sich mit dem Grund des Präsidentenbesuchs in Dallas und dem Ablauf zu beschäftigen.
Der eine Grund war relativ einfach. 1964 waren Präsidentschaftswahlen und Kennedy wollte sich zur Wiederwahl stellen. Dazu benötigte er unbedingt die Stimmen aus Texas, wo ihm zumindest ein Großteil der Bevölkerung sehr skeptisch gegenüber stand. Zu- dem war auch noch seine Partei, die Demokraten, in Texas zerstritten. Und das, obwohl sein Vizepräsident Lyndon B. Johnson aus Texas kam.
Darüber musste er unbedingt mehr erfahren, aber wen konnte er dazu befragen? Es war immerhin vierzig Jahre her.
Da fiel sein Blick auf den Namen über einem der Artikel. Es war ein ehemaliger Kollege, der ihn in seiner Anfangszeit unter seine Fittiche genommen hatte. Quasi sein Mentor. Der müsste alles noch hautnah erlebt haben und sich daran erinnern können. Er suchte seine Telefonnummer heraus und rief ihn an.
„Jackson…", meldete sich eine müde Stimme nach einer Weile.
„Hallo Paul, Mark Phillips hier. Störe ich?"
„Mark? Nein, du störst nicht. War nur im Sessel eingeschlafen. Du erinnerst dich also noch an den alten Paul? Lange nichts mehr von dir gehört mein Junge. Nur deine Artikel gelesen. Hast ja doch was bei mir gelernt."
„Danke, Paul. Tja, ich war halt viel unterwegs."
„Und was verschafft mir nun die Ehre deines Anrufs?"
„Ich recherchiere gerade in einer Sache, die schon etwas zurück liegt…"
„…und da hast du dich an mich erinnert."
„Ja, ich hatte auch im Archiv einige deiner Artikel herausgesucht, würde aber gerne deine persönliche
Sicht auf die Dinge hören."
„Klingt ja spannend. Um was geht’s denn?"
„Das Attentat auf den Präsidenten vor vierzig Jahren."
Phillips hörte ein heißeres Husten.
„Du lieber Himmel. Das war in meiner Anfangszeit bei der Post. Warum beschäftigst du dich denn überhaupt mit dem alten Kram?"
„Vielleicht wegen des Jahrestags? Vielleicht möchte ich auch nur die Wahrheit herausfinden."
Wieder das heißere Husten.
„Die Wahrheit? Wer kennt die schon? Na gut, komm morgen Vormittag zu mir. Vielleicht kann ich dir helfen."
„Danke Paul. Wo wohnst du denn?"
„In Lanham, 8th Street, eine kleine blaue Holzhütte. Kannst du nicht verfehlen."
***
Die 8th Street in Lanham war eine der ruhigen Vorstadtstraßen, gesäumt von kleinen, meist aus Holz errichteten Häuschen, die teilweise bunt angestrichen waren. So wie das von Paul Jackson.
Vor der Garage stand der alte Ford Mustang, den er schon zu seiner Zeit bei der Washington Post gefahren hatte.
Phillips erschrak, als sein ehemaliger Kollege die
Tür öffnete. Er hatte ihn bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und nun stand ihm ein Mann gegenüber, an dem die Zeit nicht ganz spurlos vorübergegangen ist und der offenbar zu viel trank.
Er trug abgewetzte Jeans und einen Pullover, der auch schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Ein eisgrauer Bart umrahmte sein eingefallenes faltiges Gesicht.
„Hallo Paul, schön dich zu sehen."
„Hallo Mark, komm rein."
Jackson führte ihn in ein Wohnzimmer in dem noch mehr Chaos herrschte, als in seinem eigenen Arbeitszimmer. Da fiel ihm ein, dass Paul ja eingefleischter Junggeselle war.
„Ich hab dir was mitgebracht, meinte Phillips und reichte Paul eine Flasche Scotch, „das war doch deine Marke, oder?
„Danke. Dass du das noch weißt. Setz dich. Ich werde mal einen Schluck probieren. Du auch?"
„Nein danke. Ist noch zu früh für mich."
Nachdem er sich einen ordentlichen Schluck eingeschenkt hatte, ließ sich Jackson in einen verblichenen Sessel fallen.
„So, schieß los, was willst du wissen?"
„Zuerst würde ich gerne mehr über die Hintergründe dieser Wahlkampftour nach Texas wissen."
„Ah, ich sehe du hast schon den richtigen Ansatz."
„Inwiefern?"
„Texas war für Kennedy von Anfang an ein Problem. Bei seiner Wahl bekam er dort nur eine hauchdünne Mehrheit, obwohl er mit Johnson einen Texaner als Vize nominiert hatte."
„Und warum war das so? Ich dachte, dass er überall sehr beliebt war."
„Sein Problem bei seinem Wahlkampf 1960 war, dass er für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner eintrat und das kam bei den konservativen Südstaatlern nicht gut an. Und da er sich 1964 zur Wiederwahl stellen wollte, musste er im neuen Wahlkampf Texas unbedingt auf seine Seite bekommen. Zudem waren die Demokraten auch noch untereinander zerstritten. Da war auf der Seite der Konservativen Gouverneur Connally und auf der liberaleren Seite Senator Yarborough. Diesen innerparteilichen Zwist wollte er mit dieser Reise auch befrieden."
„Ja, aber saß Connally nicht mit im Wagen und wurde auch verletzt?"
„Stimmt. Als Gouverneur musste er ja wohl mit im Wagen sitzen und wahrscheinlich war er auch ahnungslos."
„Dann kann man diese Fraktion wohl als beteiligte ausschließen."
„Wahrscheinlich, aber Kennedy hatte sich in seiner kurzen Amtszeit viele und auch sehr mächtige Feinde gemacht."
„Und das wären?"
„Zuerst gab es da das Investigative Committee of free and american-mindet Citizens…"
„Was zum Teufel ist das denn?"
„Dieser Verband hat am Tag der Ankunft in Dallas eine Anzeige geschaltet, in der man Kennedy vorwarf die Monroe Doktrin verschrottet zu haben."
„Aber diese Doktrin stammen doch aus dem frühen 19. Jahrhundert. Was hat denn Kennedy damit zu tun?"
„Das bezog sich auf dessen Verhalten in der Kubakrise. Die Säbelrassler im Pentagon hätten gerne gleich den Iwan angegriffen und Kennedy hat es elegant und diplomatisch gelöst. Wenn auch auf Messers Schneide. Das haben sie ihm nie verziehen."
„Aber so war es doch viel besser, als die Welt in den dritten Weltkrieg zu stürzen."
„Sicher, aber das Pentagon braucht seine Kriege. Die USA wollen im Irak einmarschieren, also werden ein paar Gebäude in die Luft gesprengt, Lügen verbreitet, der Kongress stimmt zu und los geht’s. So
einfach ist das und so läuft es."
„Da hast du leider recht."
„Und es gab noch mehr im Vorfeld des Besuchs. Ein anonymes Flugblatt in Form eines Steckbriefs kam an diesem Tag in Umlauf, in dem Kennedy des Hochverrats beschuldigt wurde."
„Was für ein Blödsinn."
„Natürlich war das Blödsinn, zeigt aber die aufgeheizte Stimmung damals. Einen Monat vorher hat ein rechtsradikaler General, Mitglied der John Birch Society, den Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen und Kennedy beschuldigt, sie würden die Souveränität der Vereinigten Staaten an die UNO übergeben, die in seinen Augen eine kommunistische Organisation