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Gegen Politik: Über die Regierung und die geordnete Anarchie
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eBook596 Seiten7 Stunden

Gegen Politik: Über die Regierung und die geordnete Anarchie

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Über dieses E-Book

Lässt sich die Autonomie des Menschen mit der Autorität des Staates in Einklang bringen? Gegen Politik befasst sich mit kollektiven Wahlen und der angeblichen Notwendigkeit, individuelle Wahlen außer Kraft zu setzen. In dieser Arbeit versucht Anthony de Jasay, die seiner Meinung nach illusorischen Vorstellungen über die wohlwollende Macht von Verfassungen und die Möglichkeit einer begrenzten Regierung zu zerstören. Er zeigt, wie tief in der Gesellschaft verwurzelte Konventionen in Bezug auf unerlaubte Handlungen, Verträge und Eigentum die Funktion einer erzwungenen Ordnung übernehmen und in Kombination mit der Freiheitsvermutung eine freiwillige Ordnung aufrechterhalten können. Anthony de Jasays umfangreiches Werk zeichnet sich durch seine Klarheit und sein Vertrauen auf logische Argumente aus. Es ist eine umfassende Verteidigung der Freiheit, das dem Leser Erkenntnis verspricht und zu neuen Überlegungen anregt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Okt. 2020
ISBN9783347159426
Gegen Politik: Über die Regierung und die geordnete Anarchie
Autor

Anthony de Jasay

Anthony de Jasay wurde am 15. Oktober 1925 in Ungarn geboren und floh 1948 vor dem Eisernen Vorhang. Nach zwei Jahren in Österreich studierte er ab 1950 Wirtschaftswissenschaften an der Western Australia University. Sein Weg führte 1955 an die Oxford University. Später lehrte er am Nuffield College. Seine Forschungen bezogen sich auf internationale Geldströme und Wechselkurse. Diese Forschungen führten ab 1962 zu einem Wechsel in die Finanzwelt. Nach seiner Übersiedelung nach Frankreich zog er sich 1979 in die Normandie zurück und wurde Privatgelehrter. Anthony de Jasay verstarb am 23. Januar 2019. Anthony de Jasay ist ein einflussreicher von jeder Denkschule unabhängiger Philosoph und Ökonom, der zu einem der weltweit führenden Vertreter des klassischen Liberalismus geworden ist. Zu seinen Büchern, übersetzt in ein halbes Dutzend Sprachen, zählen The State (1985), Social Contract, Free Ride: A Study of Public Goods Problem (1980), Choice, Contract, Consent: A Restatement of Liberalism (1991), Before Resorting to Politics (1996), Against Politics: Government, Anarchy, and Order (1997), Justice and Its Surroundings (2002) und Social Justice and the Indian Rope Trick (2015). Auf Deutsch erschienen bisher: Der Staat (2018), Liberalismus neu gefasst (1995 und in Neuauflage 2021), eine Sammlung seiner Essays in Liberale Vernunft, Soziale Verwirrung (2008), Der Gesellschaftsvertrag und die Trittbrettfahrer (2020), Gegen Politik (2020), Der indische Seiltrick (2021). Stimmen: Roland Baader: „Der einzige Ratschlag, den Ökonomen und Philosophen den politischen und akademischen Gottspielern geben können, ist der des bedeutendsten Sozialphilosophen unserer Zeit, Anthony de Jasay: ‚No politics!‘“ Gerard Radnitzky: „Meiner Meinung nach ist Anthony de Jasay der bedeutendste politische Philosoph des 20. Jahrhunderts, weil sein Werk es uns erlaubt, entscheidende kognitive Fortschritte zu erzielen und zum ersten Mal die wesentlichen Merkmale einer Alternative zum modernen Staat zu erkennen. Im intellektuellen Bereich haben nur sehr wenige mehr für die Sache der Freiheit getan als Anthony de Jasay.“ James M. Buchanan: „Hier ist politische Philosophie, wie sie sein sollte: Ernsthafte Themen, die mit Elan, Witz, Courage und echtem Verständnis diskutiert werden. Konventionelle Weisheit kann Anthony de Jasay überbieten, es sei denn, dessen Verteidiger stellen sich der Herausforderung.“

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    Buchvorschau

    Gegen Politik - Anthony de Jasay

    Teil 1 – Ausreden

    1. Selbstwidersprüchliche Vertragstheorie³¹

    Kann es rational sein, den Staat zu wollen? – Oder gar ihn entfernen zu wollen? Warum Gesellschaften Staaten brauchen, und wenn dem so ist, welche Art von Staat ihren Bedürfnissen entspricht, bleibt ein immerwährendes Dilemma, über das jede Generation aufs Neue nachgedacht hat, oft mit einer gewissen Leidenschaft. Dass dies der Fall gewesen sein soll, ist vielleicht seltsam, in Anbetracht dessen, dass Gesellschaften und Staaten ähnlich wie siamesische Zwillinge leben oder wir sie so wahrnehmen. Unsere derzeitige Verwendung der beiden Wörter „Gesellschaft und „Staat ist aufschlussreich: Eine Gesellschaft wäre nicht vollwertig, nicht vollständig und verdient nicht den Namen, wenn ihr ein eigener Staat fehlte. Es ist wahrscheinlich eine stichhaltige Mutmaßung, dass, wenn wir dennoch die Art und Notwendigkeit der Verbindung in Frage stellen und immer wieder Begründungen dafür liefern, dies wegen des Unbehagens geschieht, das wir angesichts zweier ihrer Attribute empfinden, die in Konflikt miteinander zu geraten scheinen. Zum einen zwingt uns diese Verbindung, manchmal mit großer Strenge, das zu tun, was wir nicht freiwillig wählen würden, sowie von dem Abstand zu nehmen, was wir wählen würden. Dies geschieht nicht mit einem gewissen moralischen Spielraum, sondern über einen Großteil unserer realisierbaren Wahlen. Insbesondere nimmt sie den Löwenanteil der individuell erwirtschafteten und im Besitz befindlichen Ressourcen in Anspruch und verwendet sie in einer Weise, wie es das betreffende Individuum nicht getan hätte, denn sonst gäbe es keinen Grund, sie gemeinsam zu wählen. Das andere ist, dass all dies, auf mehr oder weniger undurchsichtige Weise, legitim erscheint: Die Macht des Staates lastet auf uns mit unserer Zustimmung, und wir könnten es vernünftigerweise nicht anders wollen.

    Der Konflikt, der anscheinend dem Masochismus in dem Individuum und einem Dilemma des Zusammenlebens in der Gruppe gleichkommt, wurde immer wieder durch aufeinanderfolgende Versionen der Gesellschaftsvertragstheorie ausgesöhnt. Doch das Unbehagen besteht weiterhin, und die Erklärungen und Rechtfertigungen des Staates werden in immer raffinierteren sowie eleganteren Formen erneuert und wurden in letzter Zeit durch die Spiel- und Entscheidungstheorie etwas geklärt.

    Drei Hauptgründe sprechen dafür, warum der Naturzustand im Sinne eines Versuchs großer Bevölkerungsgruppen, ohne Rückgriff auf einen souveränen Staat zum gegenseitigen Vorteil zu interagieren, nicht tragfähig ist oder zumindest verschwenderisch ineffizient ist.

    Der erste Grund ist, dass die Übernahme von Lasten und die Verteilung der daraus resultierenden Vorteile potenziell konfliktreich ist, wenn die individuellen Vorteile eines gemeinsamen Unternehmens nicht direkt proportional zu den individuellen Beiträgen sind³². Es ist möglich, dass einige einen besseren Handel erhalten, wenn andere einen schlechteren bekommen. In solchen Situationen sind die Kosten- und Anreizstruktur der gesellschaftlichen Kooperation die Voraussetzungen für ein Gefangenendilemma: Es ist gut, wenn alle einen Beitrag leisten und davon profitieren, aber es ist besser, wenn jeder mehr profitiert und weniger beiträgt, und am besten ist es, wenn jeder nichts beiträgt. Rationale Menschen disponieren entsprechend. Sie leisten keinen Beitrag, erfüllen ihre Beitragsversprechen nicht und halten Vereinbarungen über gegenseitige Beiträge nicht ein. Es wird also keine systematische Kooperation zwischen ihnen geben, wenn nicht die systematische und vermeintlich unparteiische Anwendung von [institutionellem] Zwang oder deren Androhung zur Durchsetzung gegenseitiger Versprechen besteht. Jede Entität, die den Willen und die Autorität besitzt, welche mit übermächtiger Kraft zur Ausübung dieser Funktion unterstützt werden, ist ein Staat. (Selbstverständlich impliziert das Argument nicht, dass ein Staat theoretisch oder praktisch auf diese Funktion beschränkt ist oder sein kann.)

    Unter der gleichen Rubrik wird auch gesagt, dass es keine Vereinbarung darüber geben könne, wie die Früchte der Kooperation und Arbeitsteilung aufgeteilt werden könnten, wenn Vereinbarungen nicht durchgesetzt werden könnten. Die Einkommensverteilung ist eine Funktion der Faktoreigentümerschaft. Sofern nicht zuerst Eigentumsrechte³³ an (nicht menschlichen) Produktionsfaktoren vereinbart werden, unterliegt die Verteilung des Überschusses aufgrund der Kooperation einem Verhandlungsproblem, das möglicherweise nicht lösbar ist. Bevor Kooperation, Arbeitsteilung, und „Markt" möglich werden, muss der Staat Eigentumsrechte definieren, also entscheiden, wem was gehört.³⁴

    Der zweite Grund, der den Staat fordert, ist, dass, wenn trotz des ersten Grundes eine Kooperation dennoch möglich ist, dies auch für das Trittbrettfahren auf dem Rücken des Staates gilt, und sowohl Lasten als auch Vorteile „unfair" verteilt werden, sofern der Staat dies nicht verhindert.

    Der dritte häufig genannt Grund ist, obwohl kein schlüssiges Argument diesen unterstützt, dass (trotz angenommener systematischer und universeller Kooperation, erfolgreichem Abkommen über den daraus resultierenden Überschuss und bei fehlendem Trittbrettfahren im gewöhnlichen Sinne) eine möglicherweise ungerechte Verteilung der Nettovorteile entstehen könnte, oder, da die Verteilungsgerechtigkeit im Auge des Betrachters liegt und nicht wie Tatsachen festgestellt werden kann, nicht als gerecht von einem wesentlichen Teil der Gesellschaft wahrgenommen würde. Dies würde eine nachhaltige Kooperation gefährden. Um sie zu retten, muss der Staat – und nur er kann es – die Umverteilung herbeiführen, die den erforderlichen Grad an gesellschaftlichem Zusammenhalt erzeugt.

    Nur der erste dieser Gründe ist wirklich entscheidend. Das Argument für die Notwendigkeit des Staates, welches sich allein aus der Rational-Choice-Theorie ableitet, steht oder fällt damit. Die anderen sowie ihre zahlreichen Nachkommen, die in politischen Agenden auftauchen, sind entweder Ableitungen davon oder, wenn sie einen unabhängigen Status haben (z. B. Fairnessprobleme), nicht intersubjektiv gültig. Wenn der erste Grund für den Staat nicht zutrifft, muss es in der Regel möglich, wenn auch nicht gesichert sein, einen gegenseitigen Vorteil zu erzielen und gesellschaftliche Dilemmata (n-Personen-Spiele, deren dominantes Gleichgewicht pareto-inferior ist, z. B. der „Krieg aller gegen alle [von Thomas Hobbes] oder die „Tragik der Allmende [von Garrett Hardin]) durch Vereinbarung zu überwinden. Denn die Abweichung zwischen dem, was für jeden einzelnen Spieler und für alle kollektiv teilnehmenden Spieler rational ist, ergibt sich aus der Irrationalität, sich auf gegenseitig vorteilhafte gegenseitige Versprechen zu verlassen, wenn tatsächlich das Brechen des Versprechens für jede Partei ein besseres Ergebnis („Auszahlung") sichert, unabhängig davon, was die anderen Parteien einer Vereinbarung tun wollen. Verträge werden also niemals freiwillig eingehalten. Wenn nun Versprechen eingehalten werden und Vereinbarungen verbindlich sind, kann jedes kollektiv rationale Ergebnis, d. h. jede Interaktion, deren Wirkung (einschließlich verhandelbarer externer Effekte) zumindest schwach pareto-superior gegenüber ihrer nächstbesten Alternative ist, letztendlich immer durch einen Vertrag herbeigeführt werden, dessen Ausführung gesichert ist, d. h. einen Vertrag, dessen Abschluss individuell rational ist.

    Die einzigen Interaktionen, die nicht vertraglich vereinbart werden könnten und die eine Intervention des Staates erforderten, wären solche, deren Auswirkungen auf die Parteien pareto-unvergleichbar wären – gut für die einen, aber schlecht für die anderen. Hier wäre der Staat gefragt, nicht weil Verträge nicht bindend sind, sondern weil die potenziellen Verlierer sich weigern würden, bindende Verträge einzugehen. Die pareto-unvergleichbare Lösung durch die Androhung von [institutionellem] Zwang dennoch durchzusetzen, ist als gut anzusehen, auszuführen und zu empfehlen, wenn das Schlechte der Verlierer als kleiner angesehen wird als das Gute der Gewinner aus der Interaktion. Dies ist natürlich keine Tatsachenfrage, sondern ein Werturteil, das umstrittenes politisches Handeln fordert und rechtfertigen soll. Es mag Verdienst haben, aber es ist intersubjektiv nicht vertretbar.

    Wenn Verträge jedoch bindend sind, ist nie ganz offensichtlich, warum 1. eine Änderung, die pareto-superior ist, nicht zur Gleichgewichtslösung eines kooperativen Spiels werden sollte, warum 2. die Kostspieligkeit („Transaktionskosten") solcher Lösungen solange ein Hindernis sein sollten, wie sie noch einen teilbaren Nettovorteil bringen und warum 3. Zwangsmaßnahmen, die die Aufrechterhaltung eines Staates erfordern, insgesamt weniger kostspielig und effizienter sein dürften als freiwillige Übereinkommen. Unabhängig davon ist nur das Problem der Einhaltung von Versprechen entscheidend und unverzichtbar, wie auch immer wir die verschiedenen Unterstützungen nutzen, die für die Gesamtheit der Theorien bereitgestellt wurden, die erklären, warum es rational ist, den Staat zu haben.

    So werden Brücken gebaut, Häfen eröffnet, Befestigungsmauern errichtet, Kanäle gezogen, Flotten ausgerüstet und Armeen diszipliniert; überall wird durch die Fürsorge der Regierung, die zwar aus Menschen zusammengesetzt ist, die allen menschlichen Schwächen unterworfen sind, durch eine der feinsten und subtilsten Erfindungen, die man sich vorstellen kann, eine Komposition, die gewissermaßen von all diesen Schwächen befreit ist.³⁵

    Indem David Hume damit die berühmte Passage des Traktats [über die menschliche Natur] beendet, in der zwei Nachbarn sich darüber einigen, eine Wiese zu entwässern, versucht er sicherlich nicht, die Segnungen der Regierung herabzusetzen. Auch schließt er die nicht direkt die Vorstellung aus, dass deren Erfindung, auch wenn dies historisch nicht der Fall war, von dem Wohl inspiriert worden sein könnte, das seine Subjekte durch ihre Unterwerfung zu erlangen erwartet hatten, und von dem sie ferner erhofft hatten, dass die Regierung sie vor Schaden schützen würde. Sein Of the Original Contract³⁶ [Vom ursprünglichen Vertrag] befasst sich nicht wirklich mit dem, was hätte oder nicht hätte vereinbart werden können, sondern mit dem, was nicht vereinbart wurde – ein Flankenangriff, für den die Vertragstheorie [Kontraktualismus] mit ihrer „Als-ob-Begründung" wohl nicht anfällig ist. Zentraler und tödlicher für die Theorie des Staates als ein Instrument, das rationale Menschen gewählt hätten, ist seine Darstellung dessen, was zuerst kommt, nämlich der Möglichkeit verbindlicher Vereinbarungen oder des Staates als ihres Durchsetzers.

    Dies ist die Trennung der Wege zwischen Thomas Hobbes und David Hume. Letzterer ist kategorisch in der Behauptung, dass die großen ermöglichenden Bedingungen der Zivilisation vor dem Staat liegen, anstatt mit ihm verflochten zu sein, geschweige denn von ihm hervorgebracht zu werden: „Die Sicherheit des Besitzes, seine Übertragung durch Zustimmung und das Halten von Versprechen […] gehen demnach der Regierung voran."³⁷ Nichts deutet bei David Hume darauf hin, dass die politische Autorität, so fein und subtil die Erfindung auch sein mag, eine Autorität ist, die rationale Menschen wollen würden und nicht ablehnen könnten, wenn sie aufhörten, rational zu sein. Im Gegenteil, er hat keinen Zweifel daran, dass der Gehorsam gegenüber der Regierung die Wirkung und nicht die Ursache von Recht ist, wobei Recht als die ordnungsgemäße Erfüllung von Versprechen³⁸ definiert wird. Wenn aber Vereinbarungen vor dem Staat bindend sind, wie kann dann das zwingende Bedürfnis danach entstehen? – Abgesehen von der Frage, wie Staaten in der Geschichte tatsächlich entstanden sind und warum ihnen nach ihrem Entstehen gehorcht wird.

    Für David Hume zeigen die Beweise, dass 1. die Staatsmacht für die Gesellschaft exogen ist, dass 2. die Staatsmacht „aus den Streitigkeiten nicht zwischen Menschen, die einer und derselben Gesellschaft angehören, sondern aus Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gesellschaften³⁹ hervorgeht und dass 3. sie ihre Ursache „in widerrechtlicher Aneignung oder Eroberung⁴⁰ hat. Ihr wird durch Gewohnheit gehorcht und sie wird durch Kontinuität domestiziert. Es gibt Belege dafür, dass sie weder endogen noch ein unverzichtbares Element einer lebensfähigen Gesellschaft ist. Wenn es Beweise gäbe oder wenn deduktive Beweise möglich wären, wäre die Gesellschaftsvertragstheorie längst unumstritten, ein stehendes totes Gewässer.

    Tatsächlich haben wir keine feste Vorstellung davon, zu welchem Wohl der Staat eine notwendige Bedingung ist. Wenn für rationale Menschen das Einhalten lästiger Versprechen dadurch dominiert wird, dass sie gebrochen werden, könnte dies zur Folge haben, dass für eine gütige gesellschaftliche Ordnung irgendeine Art von urstaatlicher [protostaatlicher] Autorität erforderlich ist. Aber die Prämisse des Bruchs des Versprechens ist weder eine konzeptuelle Wahrheit, die in der Natur von Versprechen liegt, noch ist sie mit einer erwarteten Nutzenmaximierung oder einer anderen vielleicht weniger anspruchsvollen Form der Rationalität verbunden. Sie hängt von den Fakten des Falles ab, und Schlussfolgerungen daraus können in den am weitesten verbreiteten und wichtigsten gesellschaftlichen Umfeldern grob versagen. Es ist eine empirische Tatsache, dass der Staat bereit ist, lästige Versprechen einer bestimmten („legalen) Art durchzusetzen. Daher stellt sich die Frage nach der „anarchischen Regelbefolgung nicht, und wenn dies hypothetisch der Fall wäre, könnte sie nicht beantwortet werden. Es ist nicht sinnvoll zu behaupten, dass der Grund, warum der Staat bestimmte Versprechen durchsetzt, darin besteht, dass sie andernfalls gebrochen würden. Denn wir können nur darüber spekulieren, was passieren würde, wenn es keinen Staat gäbe (oder, wie in einigen Gesellschaften, in denen er kürzlich zusammengebrochen ist, es nur die Erinnerung an einen Staat gab, der in zerfallenen Institutionen, verlorenen Tugenden und pervertierten gesellschaftlichen Gewohnheiten erhalten blieb). Wir sehen eine historische Regelmäßigkeit – meistens einen Staat zu einer Gesellschaft –, aber es wäre ein elender Funktionalismus zu glauben, dass dies etwas über die Notwendigkeit oder Effizienz der Verbindung zwischen Staat und Gesellschaft beweist. Auf der Grundlage dieser historischen Verbindung wurden viele induktive Behauptungen über den Staat als bestimmendes Merkmal der Zivilisation aufgestellt. Sie sind wert, was die Induktion wert ist. Ohne einen überzeugenderen deduktiven Grund räumt David Hume der Legitimität des Staates aus konventionellen Gründen viel ein.⁴¹

    Die Vertragstheorie ist weitaus ehrgeiziger, da sie nach einem Grund für Legitimität sucht, der, wenn er begründet wäre, nahezu unanfechtbar wäre, ohne etwas einräumen zu müssen, um der resignierten Einwilligung, der unreflektierten Konvention und der Kraft der Gewohnheit zu widersprechen. Ihre Begründung lautet, dass eine mögliche mit einem Staat ausgestattete Gesellschaft nach allgemeinvereinbarten Kriterien der Rationalität allen anderen möglichen Gesellschaften vorzuziehen ist, denen ein Staat fehlt. Es ist, als wäre die Verbindung zwischen Gesellschaft und Staat durch einstimmige rationale Vereinbarung gewählt worden. Wenn dieses Argument zutrifft, ist es natürlich unerheblich, dass sie nicht tatsächlich gewählt wurde, sondern durch exogene Ereignisse im Laufe der Zeit entstanden ist, ohne dass überhaupt zuvor erst gewählt werden musste.

    Ein so kühnes Argument aufrechtzuerhalten, bedeutet, sich auf einen langen Ast zu begeben. Die Versuche, zu sehen, ob er brechen wird, sind meines Erachtens nicht gut für den Zweck geeignet. Solche Versuche haben ergeben, dass er tendenziell einen liberalen, einen lockeschen oder einen minimalen Staat tragen wird. Diese Befunde setzen die Möglichkeit einer Vereinbarung voraus und finden dann eine plausible Menge von Bedingungen, auf die man sich einigen kann. Die Möglichkeit vorauszusetzen, bedeutet jedoch, die schwierigste logische Prüfung anzunehmen, die bereits bestanden hat. Eine nochmalige Prüfung des Astes ohne diese stillschweigende Voraussetzung ist das Hauptziel des vorliegenden Kapitels.

    Merkwürdigerweise finden wir auf der Grundlage der Vertragstheorie keine solche Voraussetzung. Im Gegenteil, es ist die Unmöglichkeit der Vereinbarung, die die Notwendigkeit einer Vereinbarung schafft – ein Paradoxon, dessen mutmaßliche Lösung auf dem Weg dorthin beobachtet werden muss. Die Basis bilden die beiden kardinalen Aussagen von Thomas Hobbes. Die erste behauptet, dass es zwar für alle besser ist, Frieden zu haben, aber es ist noch besser für jeden, in das Eigentum des anderen einzudringen, mit dem Ergebnis, dass sich alle im Krieg befinden werden – eine erkennbare Gefangenendilemma-Situation, in der die individuell rationale Wahl zu einem kollektiv irrationalen Ergebnis führt. Die zweite Aussage ist, dass sich gegenseitig bedingende Versprechen irrelevant sind und auch nicht gemacht werden können: „Übereinkommen […] sind eitler Hauch."⁴² Ohne die zweite Aussage würde die erste ihre Wirkung verlieren, denn die Gefangenendilemmata könnten immer durch einvernehmliche verbindliche Vereinbarungen umgangen werden.

    Da alle sich der Kraft der zweiten Aussage bewusst sind und da das Ergebnis, der Frieden, den dieses unzugänglich macht, von jedem (d. h. „kollektiv rational") zumindest schwach dem zugänglichen Gleichgewichtsergebnis, dem Krieg, vorgezogen wird, ist es individuell rational für alle, nach einem scheinbar naheliegenden Instrument zu greifen, das offensichtlich in Reichweite ist und den Frieden zugänglich macht, der kollektiv rational ist.

    Dieses Instrument, der souveräne Staat, kann in der hobbesschen oder der lockeschen Weise spezifiziert werden; die erstere befasst sich mit dem Notwendigen und Möglichen, die letztere mit dem Wünschenswerten und Empfehlenswerten. Diese Unterschiede brauchen uns auf unserer Untersuchungsebene nicht zu interessieren. Welche Spezifikation auch immer angenommen wird, es bleiben genügend Gemeinsamkeiten, damit das Instrument als Staat beschrieben werden kann – kurz gesagt, die gemeinsame Zustimmung, einen Staat zu gründen, wenn er noch nicht existiert, und ihn als legitim zu akzeptieren, wenn er existiert.

    Dieses Argument läuft zu gut und zu schnell für sein eigenes dauerhaftes Wohl und könnte eine leichte Herausforderung und ein kurzes Innehalten vertragen, bevor es weitergeht. Denn es stellt sich die Frage, ob im hobbesschen Paradigma und seinen vielfältigen Formulierungen es wirklich die individuelle Rationalität ist, die sich der kollektiven Realität widersetzt und überwunden werden muss bzw. ihr Mangel an Rationalität oder ihre Unterwanderung unter die Schwäche des Willens und die Stärke der Leidenschaften. Vor allem Letzteres ist eine weit verbreitete Lesart von Thomas Hobbes.⁴³ Wie viele andere klassischen Theorien enthält auch Hobbes‘ Theorie inkonsistente Elemente. Vor allem seine Argumentation, den „Narren zu entlarven, untergräbt das ganze Aufheben, das er um das Wollen und Akzeptieren eines Souveräns macht. Da der Narr nachweislich irrational oder zumindest ein Narr ist und es nachweislich für jeden am besten ist, „Übereinkommen ohne Schwert individuell zu achten, können rationale Menschen freiwillig ein Übereinkommen schließen, um den Frieden zu wahren oder gemeinsam eine andere kooperative Strategie zu verfolgen, die sie für passend erachten. Sie haben keine Verwendung für den Leviathan, es sei denn, er soll sie vor irrationalen Menschen und Narren schützen. Aber wäre das nicht Nüsse knacken mit einem Dampfhammer? Ich werde diese Frage vorerst einmal zur Seite schieben.

    Andere Inkonsistenzen sind, obwohl von geringerer Bedeutung, obskurer. Jean Hampton untersucht die meisten von ihnen akribisch.⁴⁴ Eine Inkonsistenz, die Rolle, die Thomas Hobbes manchmal den Leidenschaften zuweist, kann jedoch weitere Beobachtung vertragen. Es scheint mir ein Fehler zu sein, die hobbesschen „Leidenschaften der Reizbarkeit, der Eminenz und des Ruhmesstrebens mit Irrationalität gleichzusetzen und sie dem anderen, vermutlich rationalen hobbesschen Projekt der präventiven Invasion des Eigentums eines anderen als beste Strategie zur Selbsterhaltung entgegenzusetzen. Ruhm, Eminenz und Selbsterhaltung sind insofern gleich, als sie alle als endgültige, nichtinstrumentelle Ziele fungieren. (Wenn sie als nicht endgültig dargestellt werden könnten, könnten wir immer die noch entscheidenderen Ziele an ihre Stelle setzen, in Bezug auf die sie angeblich instrumentell funktionieren, und von dort aus weitermachen.) Endgültige Ziele sind alle „Leidenschaften im Sinne von Nichtinstrumentalität. Sie sind weder rational noch irrational. Wenn die Vernunft sie in den Griff bekommen würde, würde man sie nicht als endgültig betrachten; sie würden als instrumentell entlarvt. Die Vernunft, „der Sklave der Leidenschaften",⁴⁵ kann die Praxis nur in Bezug auf die endgültigen Ziele leiten, die die Praxis erreichen soll. Die Vernunft funktioniert in Form eines hypothetischen Imperativs: Wenn das deine „Leidenschaft" ist, dann tue dies und das. Sie diktiert kein Handeln mit Bezug auf sich selbst; sie muss sich letztendlich auf etwas beziehen, das ein Bezugspunkt für und über Vernunft hinaus ist. Sie bestimmt damit die Handlungsweise, die am besten zur Befriedigung solcher „Leidenschaften führt, die die Ordnung der Menschen nach verfügbaren Alternativen regeln. Die Vernunft diktiert nicht, welche „Leidenschaften es zu haben gilt.⁴⁶ Sowohl das Streben nach Ruhm als auch die Selbsterhaltung können vollkommen im Einklang mit der Wahl von „Krieg⁴⁷ stehen – oder auch nicht, je nach empirischem Fall. „Krieg wäre irrational, nicht wenn er durch Ruhmesstreben oder eine andere Leidenschaft motiviert wäre, sondern wenn es nicht gelungen wäre, die betreffende Leidenschaft zu besänftigen.

    Wenn die Rationalität jedoch entweder „Krieg oder Frieden oder vielleicht eine gemischte Strategie zwischen ihnen diktieren kann, je nachdem, welchen „Leidenschaften sie ein Sklave ist, wird der Staat nicht zu einem universell rationalen Instrument, sondern zu einem rationalen Instrument nur in Bezug auf bestimmte Leidenschaften sowie zu einem irrationalen oder redundanten Instrument gegenüber anderen Leidenschaften. Es würde alles davon abhängen, welche Leidenschaften die Menschen tatsächlich haben; Vertragstheorie wäre nicht eine Folge einer rationalen Wahl im Allgemeinen, sondern von bestimmten zufälligen Fakten, die sich möglicherweise ergeben oder nicht.

    Was passiert mit der Theorie, wenn alle Menschen rational handeln, aber einige von radikal anderen „Leidenschaften bewegt werden als andere? Oder was passiert, wenn einige aufgrund ihrer herrschenden Leidenschaften rational handeln, während andere inkonsistent sind, ungeordnete Präferenzen und keine herrschenden Leidenschaften haben und unvorhersehbar sind? Wäre es vernünftig für eine Teilmenge der Gesellschaft, einen Gesellschaftsvertrag zu wünschen und einen Staat zu schaffen, um nicht isoliert ihren eigenen „Leidenschaften zu dienen, sondern als strategische Antwort auf die erwarteten Handlungen anderer, die durch andere Leidenschaften motiviert sind, oder [als Antwort] auf die Risiken der falschen Vorausahnungen der Handlungen derjenigen, deren Motivation ungeordnet und unvorhersehbar ist? Die Frage ist meines Wissens in der vertragstheoretischen Literatur nicht gestellt worden. Die Antwort ist nicht offensichtlich und sieht vielschichtig aus. Es besteht jedoch die Vermutung, dass die Schaffung eines Staates das Problem der völlig rationalen Teilmenge, dem sie im Naturzustand gegenübersteht, erschweren würde. Denn angenommen, dass angesichts der Art ihrer „Leidenschaften, ihre Gleichgewichtsstrategie Frieden wäre, vorausgesetzt das Komplement wählte auch Frieden, wüssten sie jedoch nicht, welche Leidenschaften, wenn überhaupt, die Wahl der letzteren [inkonsistenten Teilmenge] bestimmten. Ein Staat, der von der völlig rationalen Teilmenge kontrolliert wird, könnte sicherstellen, dass die anderen nicht „Krieg gewählt haben, aber ein Staat, der unter die Kontrolle der anderen fällt, kann es ihnen durchaus ermöglichen, „Krieg" zu wählen oder eine völlig neue, unvorhergesehene Strategiesetzung einzuführen, bei der die beste verfügbare Strategie für die völlig rationale Teilmenge darin besteht, sich der unfeinen Ausbeutung durch die anderen oder einfach ihren schieren, zwecklosen und dummen Inkonsistenzen zu unterwerfen.

    Wie dem auch sei, der vertragstheoretische Fall besteht nicht aus solch heterogenem Material. Er beschäftigt sich mit einer Gesellschaft, in der jeder ähnlich rational ist und in der die Präferenzen einiger nicht von Leidenschaften geprägt sind, die sich deutlich von denen anderer unterscheiden. Die Annahme einer solchen Gesellschaft als Teil der Ausgangsbedingungen der Theorie ist sowohl ein Maß für ihren Ehrgeiz als auch eine Quelle ihrer paradoxen Natur.

    Der Archetyp wie auch die gemeinsame Quelle eines jeden Dilemmas, das der individuellen die kollektive Rationalität entgegenzusetzen scheint, ist ein Hauptdilemma: das Vertragsdilemma, dessen einzige Gleichgewichtslösung die Nichterfüllung des Vertrages oder „kein Vertrag" ist. Es ist an sich schon offensichtlich genug, dass es sowohl ein Gefangenendilemma als auch eine Erklärung dafür ist, warum alle echten, genau definierten Gefangenendilemmata, deren Umwandlung in kooperative Spiele im Interesse jedes Spielers liegt, dazu verurteilt sind, das zu bleiben, was sie sind, nämlich nichtkooperative Spiele.

    Im Vertragsdilemma gerät, wenn die erste Partei nach einem Tausch lästiger Versprechen wie versprochen leistet, eine vernünftige zweite Partei in Verzug, da sie bereits den Vorteil der Leistung der ersten Partei in Anspruch genommen hat und ihr aus ihrer eigenen Leistung kein weiterer Vorteil erwachsen würde. Da ihr Versprechen lästig war, würde die zweite Partei in der Tat verlieren, indem sie es nicht brechen würde. Darüber hinaus ist dies allgemein bekannt, und die erste Partei ist sich bewusst, dass ihre Leistung unerwidert bleiben würde; deshalb wird sie nicht an erster Stelle leisten. Da auch dies ebenfalls allgemein bekannt ist, wäre es eine sinnlose Übung, einen Vertrag abzuschließen, von dem beide Parteien wissen, dass sie ihn nicht einhalten werden.

    Das hat beunruhigende Auswirkungen. In der allgemein gültigen Sichtweise des Vertrages wird das Versprechen einer Partei gegeben, weil das der anderen gegeben ist, und beide erwarten, dass die andere Partei den Vertrag erfüllt. Tatsächlich sagt uns die Willenstheorie des Vertrages, dass es die erklärte Absicht jeder Partei ist, die versprochene Leistung zu erbringen, auf die sich die andere Partei stützt, welche den verbindlichen Vertrag schafft. Wenn die Ausführung fehlschlägt oder umstritten ist, kann eine Vertragspartei Rechtsmittel suchen, indem sie sich an eine dritte Partei wendet, die ein Schiedsrichter ist, der die Durchsetzung des Urteils dem Kläger überlässt, wie es in der frühen römischen Rechtspraxis üblich war, oder einer Kombination von Schiedsrichter und Durchsetzer, eine Art Mechaniker, der repariert, was kaputt gegangen ist. Aber es ist nicht die dritte Partei, die den Vertrag erstellt; es sind die Parteien, die es tun.

    Die nichtkooperative Spieltheorie zeigt jedoch, dass rationale Parteien keine Absicht haben können zu leisten und sie würden dies auch dann nicht tun, wenn sie dies in einer vorherigen Spielumgebung beabsichtigt hätten, und jede gegenteilige Erklärung ihrerseits ist irrelevant. Offensichtlich fehlt das Vertrauen von einer der Parteien in das Versprechen der anderen, aber wenn es einen Durchsetzungsagenten gibt, der programmiert ist, die Nichterfüllung des Vertrages zu beheben, werden die Absichten irrelevant und die Erklärungen relevant, wenn sie in geeigneter Form abgegeben wurden. Der Durchsetzungsagent wird ihre Ausführung oder die Wiedergutmachung der Folgen der Nichterfüllung verlangen. Es ist, als ob die Existenz des Agenten oder vielmehr die Erwartung, dass er so handelt, wie er programmiert ist, irrelevantes Gestikulieren und sinnlose Wortwechsel in verbindliche Verträge umwandelt.

    Für das Verständnis der vermeintlichen Lösung des Vertragsdilemmas ist es entscheidend, dass ein Durchsetzungsagent unter bestimmten Bedingungen die Parteien in die Lage versetzen kann, von nichtkooperativen zu (konfliktreichen) kooperativen Spielen mit n Personen überzugehen, indem er verbindliche Verpflichtungen eingeht. Die Interaktion zwischen dem Agenten und beiden Parteien bleibt jedoch ein nichtkooperatives Zwei-Personen-Spiel. Nichts beweist die Möglichkeit eines verbindlichen Vertrages zwischen den Parteien und dem Durchsetzungsagenten; es gibt keinen Metaagenten, der diesen Vertrag durchsetzen könnte und durchsetzen würde. Wenn es so wäre, bräuchten die Parteien einen verbindlichen Metavertrag mit diesem Metaagenten, der von einem Supermeta-Agenten durchgesetzt werden müsste usw. Ein Durchsetzungsagent als Werkzeug der Prinzipalparteien würde einen infiniten Regress von Durchsetzungsagenten voraussetzen, die jeweils dem letzten superior [übergeordnet] sind.

    Jede Partei wählt zwischen zwei Strategien, um zu leisten oder Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachzukommen. Welche die bessere Wahl zu sein scheint, hängt in diesem Spiel von der erwarteten Reaktion des Durchsetzungsagenten ab. Der Durchsetzer kann gegen den Beklagten nur dann vorgehen, wenn er allein oder in Verbindung mit dem Kläger in der Lage ist, den Beklagten mit ausreichend [institutionellem] Zwang zu drohen, damit Letzterer die Regelbefolgung der Trotzhaltung vorzieht. Darüber hinaus muss der Durchsetzer auch erwarten, dass er selbst besser dran ist, wenn er [den Vertrag] durchsetzt, als wenn er [ihn] nicht durchsetzt.

    Die übliche, wenn auch stillschweigende Annahme, dass der Durchsetzungsagent als programmierter Automat agiert, der keine strategischen Entscheidungen vornimmt, hat keine Grundlage für eine rationale Wahl. Das Ausgehen von dieser Annahme bedeutet, das Prinzipal-Agent-Problem wegzudenken. Die Prinzipale könnten sich wünschen, dass der Agent ihre Verträge durchsetzt (jedenfalls würden die Kläger dies tun; die Beklagten würden dies weniger offensichtlich tun). Aber wird dies eingehalten? Der Agent verfügt über eine Reihe eigener alternativer Strategien, die er nur dann und in dem Maße durchsetzen möchte, wenn und insoweit er die Durchsetzung als auszahlungsmaximierend für sich selbst befindet. Was er erwartet, um die Auszahlung für sich selbst zu maximieren, hängt wiederum ab von der Macht der einzelnen Prinzipale und ihren erwarteten Auszahlungen aus der Leistung oder dem Vertragsausfall, aus der Einhaltung der Durchsetzung oder dem Widerstand dagegen sowie von ihren erwarteten Auszahlungen davon, dass sie den Durchsetzungsagenten dazu bringen, ihre Pflichten zu erfüllen oder sie ausfallen zu lassen. Obendrein hängen sie auch von der gegenseitigen Übereinstimmung oder anderweitig der einzelnen Erwartungen ab, was natürlich im Allgemeinen bei nichtkooperativen Spielen der Fall ist.

    Eingeschlossen in der ersten Ordnung, dem Hauptdilemma, das ihnen das Instrument des Vertrages und damit die Flucht in kooperative Interaktionen verweigert, würden Gesellschaften im Naturzustand nach der herkömmlichen Theorie bei jeder Gelegenheit in der Zwickmühle der abgeleiteten Dilemmata zweiter Ordnung gefangen bleiben, deren individuell rationale Gleichgewichtslösungen kollektiv irrational und pareto-ineffizient wären. Es muss allerdings unzählige solcher interaktiven Situationen geben. In jeder gibt es jedoch vier Arten möglicher Ergebnisse oder Auszahlungen für jeden Spieler, und jeder Spieler ordnet sie in der gleichen absteigenden Präferenzreihenfolge ein: „Trittbrettfahren, „gegenseitige Kooperation, „Nichtkooperation und „Gelackmeierter. Aus bekannten Gründen, die wir hier nicht wiederholen müssen, besteht die dominante Strategie jedes Spielers darin, nicht zu kooperieren, es sei denn, das Vertragsdilemma wird zuerst überwunden, verbindliche gegenseitige Vereinbarungen werden möglich, und das Spiel wird umgewandelt [in ein Kooperationsspiel]. Einige Standardtypen solcher Dilemmata spielen eine besonders große Rolle im öffentlichen Bewusstsein und in der politischen Theorie.

    Das älteste Dilemma ist wahrscheinlich das Dilemma der unzulässigen Handlung. Leib und Leben sind verwundbar, und, wie David Hume es charmant ausdrückte, Eigentum weist die Unannehmlichkeit der „Lockerheit und leichten Übertragbarkeit von einer Person auf die andere"⁴⁸ auf. Wenn die Spieler die körperliche Integrität und das Eigentum des anderen achten und jeder weiß, dass es die anderen tun, sind alle gut dran. Wenn ein Spieler Hausfriedensbruch begeht, während die anderen ihn achten, ist der Hausfriedensbrecher noch besser dran, und derjenige, bei dem Hausfriedensbruch begangen wird, ist am schlechtesten dran. Wenn alle kostspieligen Vorkehrungen gegen Hausfriedensbruch treffen, sind jedoch alle schlechter dran, als sie es sein könnten, wenn sie alle geachtet werden. Dies ist jedoch immer noch das Beste, was jeder Spieler für sich selbst tun kann, da die anderen die gleichen Präferenzen haben wie er und ihnen die gleichen Strategien zur Verfügung stehen.

    Das Dilemma der öffentlichen Güter ist das Standard-Dilemma, das die meiste Aufmerksamkeit von Ökonomen und Sozialtheoretikern auf sich gezogen hat. Angenommen, ein Gut soll von einer Öffentlichkeit für sich selbst in einer Weise bereitgestellt werden, das (ganz oder teilweise) das Erlangen des Gutes von der Bezahlung des Gutes trennt. Dies kann vielleicht daran liegen, dass es zu kostspielig ist, das Gut für die Zahler zu reservieren und den Zugang von Nichtzahlern auszuschließen, oder dass es aus politischen Gründen für wünschenswert gehalten wird, keine oder nur eine geringe Zahlung zu verlangen. Es kann dann kollektiv rational, aber individuell irrational sein, freiwillig zu zahlen. Da dies für jedes Mitglied der bestimmten Öffentlichkeit gilt, kann eine aus nur rationalen Individuen bestehende Öffentlichkeit nicht auf freiwilliger Basis das Gut für sich selbst bereitstellen. (Dieses Ergebnis gilt, wenn es gilt, unabhängig von den Eigenschaften des Gutes, d. h. davon, ob es sich um ein „öffentliches Gut im Sinne des Lehrbuchs handelt, mit besonderen Eigenschaften in Bezug auf „Ausschließbarkeit und „Nichtrivalität". Das Ergebnis hängt allein von der Annahme einer vollständigen oder teilweisen Unabhängigkeit des individuellen Beitrags von dem individuellen Vorteil ab.)

    Im Dilemma der Teamarbeit wählen die Mitglieder des Teams zwischen Arbeiten und Drückebergerei. Wenn alle arbeiten, sind alle gut dran, aber solange genug andere arbeiten, ist es besser, wenn sich jedes Mitglied vor der Arbeit drückt. Jeder weiß, dass er von den Drückebergern ausgebeutet wird, wenn er sich dennoch für Arbeit entscheidet. Die Gleichgewichtslösung ist, dass sich alle drücken und es keine Teamarbeit gibt.⁴⁹

    Wenn genügend Soldaten hinter einer Brüstung aufstehen und auf den herannahenden Feind schießen, werden einige wenige erschossen, die meisten nicht, und sie können die Grenze verteidigen. Das nationale Verteidigungsdilemma ergibt sich aus der Tatsache, dass das Aufstehen und das Risiko, verwundet zu werden, für jeden Soldaten inferiore [geringere] Auszahlungen für das Ducken verspricht, unabhängig davon, ob die anderen Soldaten sich entscheiden, zu schießen oder sich zu ducken. Es ist gut, wenn der Feind abgewehrt wird. Noch besser ist es für jeden, wenn man sich duckt, während die anderen den Feind abwehren. Schlechter noch für jeden ist es, wenn der Feind nicht abgewehrt wird, weil zu wenige aufstehen und auf ihn schießen. Aber am schlechtesten ist es für jeden, wenn man bei dem Versuch den Feind abzuwehren vergeblich erschossen wird. Das dominante Gleichgewicht besteht also darin, dass sich alle ducken und der Feind nicht abgewehrt wird.

    Der barmherzige Samariter hält an und hilft dem Opfer, das er am Wegesrand findet, auf eigene Kosten. Der hartherzige Samariter geht am Opfer vorbei und spart die Kosten für dessen Hilfe. Er rechnet damit, dass, wenn ein anderer Samariter vorbeikommt, er ein barmherziger ist, dem Opfer geholfen wird und alles gut wird. Wenn der andere Samariter auch ein hartherziger ist, wird keiner dem Opfer helfen, denn der Gelackmeierte zu sein, der anhält und hilft, während der andere an sein Ziel eilt, ist die schlechteste mögliche Auszahlung. Da jeder Samariter dies von den anderen weiß, wird niemand der einzige Samariter sein wollen, der anhält, und es wird keine barmherzigen samaritanischen Handlungen geben, nur ein Samariterdilemma. Jeder Reisende, der ein Opfer von Unglück wird, bleibt auf der Strecke, obwohl es für alle besser wäre, wenn ihm im Notfall geholfen würde und er sich auf verbindliche Verträge zur gegenseitigen Hilfe verlassen könnte.

    Die Flucht aus jedem dieser Dilemmata ist stillschweigend oder ausdrücklich vertraglich geregelt. Es führt durch die Flucht aus dem Vertragsdilemma, das wiederum zur Vertragsdurchsetzung durch einen anderen Agenten als die Parteien selbst führt. Der Agent selbst kann nicht vertraglich an die Parteien als seine Prinzipale gebunden sein, wenn es wahr ist, dass verbindliche Verträge einen Agenten für die Durchsetzung erfordern, da die Annahme eines [vertrags-]durchsetzenden Metaagenten, um den Agenten zur Erfüllung seines Vertrages zu bewegen, auf dem berüchtigten infiniten Regress beruhen müsste. Eine vorgeschlagene und meiner Meinung nach erfolglose Lösung für diese Sackgasse wird im Folgenden behandelt. Wenn es sich um eine echte Sackgasse handelt, ist das Zusammenspiel der Vertragsparteien und des Agenten ein nichtkooperatives Spiel, bei dem jeder Spieler in dem Glauben handelt, dass es in seinem besten Interesse ist, sofern jeder andere Spieler in seinem besten Interesse handelt.

    Stark vereinfacht, würde das Spiel etwa dem folgenden Schema folgen: Es gibt n Spieler – n-1 Bürger, die die Vertragsparteien sind, und einen Staat, den die Bürger im Vorspiel geschaffen haben, um ihre Verträge durchzusetzen. Um es kurz zu machen, werden erstere Prinzipale genannt, letzterer der Agent. In erweiterter Form treffen die Spieler an jedem Knoten des Spielbaums Strategieentscheidungen und fahren entsprechend mit dem nächsten Knoten fort. Beim ersten Knotenpunkt wählen die Prinzipale zwischen der Übertragung der Macht an den Agenten (Übergabe ihrer Waffen an ihn, Zugang zu ihren anderen Ressourcen) oder der Beibehaltung der Macht. Die erwarteten Auszahlungen hängen davon ab, wie viele andere Prinzipale sich für die Übertragung entscheiden. Wenn sich genug für das Übertragen entscheiden, und der Agent stark gemacht wird, ist „behalten schwach superior, denn die Prinzipale, die die Macht behalten haben, profitieren von der Durchsetzung an zukünftigen Knotenpunkten des Spiels genauso wie diejenigen, die [die Macht] übertragen haben, können sich aber der Durchsetzung gegen sich selbst besser widersetzen. Andererseits, wenn nicht genügend Prinzipale [die Macht] übertragen und dem Agenten Macht fehlt, ist „übertragen schwach superior, da diese Strategie bestenfalls die Befugnis des Agenten stärkt und somit für eine zukünftige Durchsetzung sorgt. Wenn dies nicht der Fall ist, weil zu wenig [Macht] übertragen wird, können sich die Prinzipale im schlimmsten Fall von dem schwachen Agenten das bisschen, was sie übertragen haben, wiedererlangen. Unter diesen Voraussetzungen würde der erste Knoten eine gemischte Strategie ergeben, bei der einige Prinzipale die Macht übertragen und andere sie behalten würden (oder bei der alle einen Teil ihrer Macht übertragen würden), wodurch der Agenten stark genug wäre, aber alle oder einige Prinzipale mit einigen Mitteln des Widerstands zurücklässt.⁵⁰ (Wie die Machterhaltung erreicht wird, muss nicht spezifiziert werden, aber es scheint eine Reihe möglicher Praktiken zu geben, von der Verheimlichung von Waffen bis zur Steuerhinterziehung – oder zumindest „Steuerplanung").

    Der Agent selbst kann nicht vertraglich an die Parteien gebunden sein, die seine Prinzipale sind, wenn es wahr ist, dass verbindliche Verträge die Durchsetzung durch einen Agenten erfordern, der nicht Vertragspartei ist. Wenn der Agent Vertragspartei wäre, könnte er nicht darauf vertrauen, dass er ihn gegen sich selbst durchsetzt. Wie ich bereits früher in diesem Kapitel dargelegt habe,⁵¹ setzt die Annahme eines verbindlichen Vertrages zwischen den Vertragsparteien und einem Vertragsdurchsetzer die Annahme eines infiniten Regresses der Vertragsdurchsetzer voraus (im Grunde genommen drückt sich die gleiche Wahrheit in der alten rhetorischen und eitlen Frage der quis custodiet ipsos custodes? aus – wer wird die Wächter selbst bewachen?).

    Wie zu erwarten ist, wiederholt sich das gleiche Paradoxon auf der Ebene jedes abgeleiteten gesellschaftlichen Dilemmas, sei es durch unzulässige Handlung, öffentliche Güter, Teamarbeit, Verteidigung oder samaritanische Art. Ein anschauliches Beispiel ist Leslie Greens pointierte Erklärung über das Paradoxon in Bezug auf öffentliche Güter.⁵² Anstatt sich mit der Durchsetzung von Verträgen als Voraussetzung von Kooperation zu befassen und umgekehrt, beschäftigt er sich mit Autorität als Voraussetzung für die Fähigkeit, öffentliche Güter herzustellen und umgekehrt. Autorität, die Gehorsam befiehlt, die das Eigeninteresse außer Kraft setzt, ist ein (höhergeordnetes) öffentliches Gut. Sie muss zunächst in der Anarchie erzeugt werden. Anarchie kann entweder öffentliche Güter erzeugen oder sie kann es nicht. Wenn sie es kann, welches Bedürfnis gibt es dann für Autorität? Wenn sie es nicht kann, wie kann dann überhaupt erst Autorität erzeugt werden? Green argumentiert weiter, ich meine plausibel, dass das, was er öffentliche Güter erster Ordnung nennt, in Anarchie wahrscheinlicher sind, weil sie weniger schwierig produziert werden können, als es bei der Autorität der Fall ist, die angeblich verpflichtet ist, das Dilemma der öffentlichen Güter zu überwinden und ihre Produktion sicherzustellen. Es gibt also keinen vertraglichen Ausgang aus dem Naturzustand: Wenn der Staat durch Vertrag geschaffen werden soll, kann er nicht geschaffen werden, da er seine eigene Vorbedingung ist.

    Es ist leider ein Fehler, den Befund über den Vertrag als einen Fehler abzutun. Jean Hampton beurteilt ihn als einen solchen und kündigt ihn, indem sie eine „Ermächtigungs-Konvention aufstellt, die die gleichen Leistungen erbringt, wie es der Gesellschaftsvertrag würde, wenn er existierte und durchgesetzt werden könnte.⁵³ Nach der Konvention gehorchen die meisten Menschen dem Herrscher und machen ihn zu ihrem Agenten. Einige Menschen (die Agenten des Agenten) bestrafen Übertreter der Konvention. Wenn die Menschen von der Konvention profitieren, wird sie sich nicht auflösen. Da es im Interesse des Agenten liegt, dass es nicht so ist, wird er seine Macht in einer Art und Weise ausüben, die für die Menschen vorteilhaft ist.⁵⁴ Sobald die Menschen die Agenturbeziehung entdecken, „werden sie in der Lage sein, ihre eigentliche Rolle als Prinzipal zu spielen⁵⁵. Dies ist eine rätselhafte Behauptung: Hampton scheint das Prinzipal-Agent-Problem zu lösen, indem sie davon ausgeht, dass es gelöst wurde – aber das wurde es nicht. Denn „ihre eigentliche Rolle als Prinzipal zu spielen soll zweifellos vermitteln, dass sie den Agenten vollständig steuern, als ob er keine eigenen Ziele oder keinen Ermessensspielraum zur Verfolgung seiner Ziele hätte; aber wenn dies der Fall ist, welches mögliche Interesse kann er am Überleben der Konvention haben, die ihn ermächtigt hat? Wenn dies nicht der Fall ist, bleibt das Prinzipal-Agent-Problem bestehen. Der Agent, sobald er ermächtigt ist, muss etwas Ermessensspielraum bei der Nutzung seiner Macht haben, und das Problem der Durchsetzung der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Seite des impliziten Abkommens mit den Menschen ist logischerweise dasselbe wie im vermeintlichen Gesellschaftsvertrag. Die Menschen haben durch die Übertragung ihrer eigenen Macht auf ihn die Rolle des „ersten Leistenden angenommen, der Herrscher bleibt in der Rolle des zweiten, und ob wir diese Spielstruktur einen Vertrag oder eine Konvention nennen, ändert nichts daran. Wenn es sich um eine Konvention handelt, handelt es sich um eine konfliktreiche

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