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Ich bin ein Wossi: Jede Münze hat zwei Seiten
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Ich bin ein Wossi: Jede Münze hat zwei Seiten
eBook271 Seiten3 Stunden

Ich bin ein Wossi: Jede Münze hat zwei Seiten

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Über dieses E-Book

Diese autobiografische Geschichte handelt von einem Selfmade-Unternehmer, der sich von ganz unten bis an die Spitze hocharbeitete. Udo Brausausky kommt aus armen Verhältnissen. Er wächst in einem Nachkriegsghetto in Essen auf, obwohl zum Zeitpunkt seiner Geburt, in vielen Teilen Deutschland schon das berühmte Wirtschaftswunder eingeläutet wurde. In seiner Familie war das Geld immer knapp und teilweise mangelte es sogar am allernötigsten, an Essen und Obdach. Er schwört sich schon in jungen Jahren, dem »Armutssog« seiner Kindheit zu entkommen und alles daran zu setzen, es im Leben zu schaffen. Er setzt alles auf eine Karte, für ihn gibt es nur Schwarz oder Weiß, entweder ein Leben an der Spitze oder die Endstation Gosse!
Er kämpft sich durch viele Widrigkeiten hindurch. Ihm werden nicht nur in beruflicher Hinsicht große Steine und manchmal sogar Felsen in den Weg gelegt. Auch mit seiner Herkunftsfamilie, vor allem mit manchen seiner Geschwister muss er viele Kämpfe ausfechten, Enttäuschungen und persönlichen Verrat hinnehmen.
Er wächst im Westen auf und geht kurz vor der Wende in den Osten, um dort zu leben und sein Unternehmen aufzubauen. Jahrelang zweifelt er an seiner eigenen Identität und weiß nicht, ob er nun Ossi oder Wessi ist. Schließlich findet er seine Identität, indem er sich als »Wossi« sieht, eine Mischform aus beiden Seiten, die das beste aus Ost und West in sich vereint. Denn Udo Brasausky möchte keine Partei ergreifen, er ist dankbar für die Dinge, die er im Westen lernt und für all jene Geschenke, die ihm der Osten machte.
Er lebt für die Arbeit, seinen großen Lebenstraum immer vor Augen, der ihm den Ausstieg aus der familiären Armut ermöglichen soll.
Schließlich findet er im Gerüstbau seine Leidenschaft und Passion und vor allem seine berufliche Erfüllung. Über viele Jahre hinweg baut er ein Unternehmen auf, begleitet und unterstützt von treuen Weggefährten, wie seinem Bruder Mirko, den besonders loyalen Mitarbeitern im Osten und nicht zuletzt seiner geliebten Ehe-Frau Katrin.
Udo Brasausky erzählt seine Geschichte ungeschminkt und ehrlich. Er beschreibt die vielen Höhen und Tiefen und auch die Extreme, welche sein Leben prägen, auf spannende Weise, die den Leser direkt in seine Lebensgeschichte eintauchen lässt.
Nicht zuletzt möchte er mit seinem Werk einen Beitrag für mehr Toleranz und Offenheit zwischen Ost und West leisten, damit sich die Bürger dieses Landes endlich als einheitliche deutsche Nation begreifen können.
Er beschreibt am Ende seines Buches eine Situation in einem Gasthaus, in der ein Westdeutscher über den Osten lästert und greift beherzt und mutig in die Rede ein:
»Ich bin Deutscher, wir sind Deutsche und ich komme nun hier her und stelle wieder einmal mehr fest, dass die Dummheit und die Arroganz einiger Menschen keine Grenzen kennt. Es gibt genug Idioten auf dieser Welt und es werden täglich mehr.
Wir kochen alle nur mit Wasser und da spielt es keine Rolle ob Ost oder West oder ob wir eine andere Hautfarbe haben. Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren!
Es ist nicht nötig, dass wir uns so wie am Tag des Mauerfalls in den Armen liegen, wir sollten aber zumindest einander respektieren und achten.«
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Juni 2022
ISBN9783347673984
Ich bin ein Wossi: Jede Münze hat zwei Seiten

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    Buchvorschau

    Ich bin ein Wossi - Udo Brasausky

    Vorwort

    Ich möchte zu Beginn dieses Buches zuerst auf die Unterschiede zwischen Ost und West eingehen, auf die Unterschiede zwischen »Ossis« und »Wessis« und auf die Mentalitäten dieser beiden Welten. Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass es keine Unterschiede zwischen den beiden Welten gibt, wenn diese auch inzwischen nicht mehr so drastisch ausfallen. Seit der Wende hat sich vieles getan. Aber in früheren Zeiten war der Gegensatz zwischen Ost und West, gelinde gesagt, sehr groß. Wie hätte es auch anders sein können, wo doch die Staatsform eine ganz andere, der Bezug zum Geld und zum Geldverdienen unterschiedlich war - auf der einen Seite der freie Markt, der Kapitalismus im Westen und auf der anderen Seite eine kommunistische Planwirtschaft, die viel mehr unter der staatlichen Kontrolle stand, als das beim Markt im Westen der Fall war. Vom unternehmerischen Standpunkt her schätze ich den Kapitalismus, die freie Marktwirtschaft, weil bei ihr alle danach beurteilt und belohnt werden, was sie leisten. Es gibt keine Beliebigkeit, keine Willkür und keinen Zufall. Wer viel leistet, bekommt das meist auch entlohnt. In Bezug auf die Mentalität schätze ich den Zusammenhalt und die Loyalität, die ich vor allem im Osten vorfand. Diesbezüglich kann sich der typische »Wessi« noch eine Scheibe von den Ostdeutschen abschneiden. Aber es gibt noch viel mehr Unterschiede zwischen Ost und West.

    Die deutliche Mehrheit (66 Prozent) der deutschen Bevölkerung begrüßt die Wiedervereinigung. Dennoch stimmen 71 Prozent der Westdeutschen und 83 Prozent der Ostdeutschen der Aussage zu, dass es auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland gibt. Das sind Ergebnisse aus mehr als 80.000 für die deutsche Bevölkerung repräsentativen Interviews, die YouGov zwischen September 2014 und April 2015 mit dem OmnibusDaily für das Buch »Wie wir Deutschen ticken« durchführte.

    Fast die Hälfte der Ostdeutschen (47 Prozent), aber nur ein Drittel (36 Prozent) der Westdeutschen geben an, die von Helmut Kohl versprochenen »blühenden Landschaften« seien weitgehend Realität geworden. Dennoch können sich 41 Prozent der Bundesbürger im Westen vorstellen, im Osten zu leben. Mir ging es genauso. Als Kind des Westens wagte ich den Schritt und zog in den Osten. Allerdings war das zu einer anderen Zeit, in der die Unterschiede zwischen Ost und West noch viel größer waren, als sie es heute sind.

    Umgekehrt kann sich auch mehr als die Hälfte der Ostdeutschen ein Leben im Westen vorstellen. Auch bei der Frage nach der Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist man sich uneins. So sind im Westen 86 Prozent dafür, im Osten dagegen nur 58 Prozent.

    Zudem sind mehr als drei Viertel der Ostdeutschen und 45 Prozent der Westdeutschen davon überzeugt, dass es in der DDR Dinge gab, die besser waren als in der alten Bundesrepublik. Hierzu zählt für die Ostdeutschen beispielsweise die Gleichberechtigung der Frau: Fast zwei Drittel der ostdeutschen Bundesbürger sind der Ansicht, dass diese in der DDR besser verwirklicht war als in Westdeutschland. Im Westen sagen dies umgekehrt lediglich 38 Prozent.

    Annähernd einig ist man sich allerdings beim Thema Mentalität: Hier sagen 79 Prozent im Westen und 86 Prozent im Osten, dass es zwischen Menschen, die in den alten bzw. in den neuen Bundesländern aufgewachsen sind, Unterschiede gibt. Dass diese allerdings immer geringer werden, zeigt sich daran, dass zwar mehr als zwei Drittel der Deutschen über 55 Jahren, aber nur noch 37 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sagen, dass sie schnell merken, ob jemand in ihrem Alter aus Ost- oder aus Westdeutschland kommt.

    An anderer Stelle wird deutlich, wie stark Ost und West im letzten Vierteljahrhundert zusammengewachsen sind. So meinen 70 Prozent der Westdeutschen und 71 Prozent der Ostdeutschen, man solle mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit langsam Schluss machen und in die Zukunft schauen. Und auch bei der Frage, welche fünf Eigenschaften »typisch Deutsch« sind, ist man sich einig. So ist der typische Deutsche in Ost und West pünktlich, pflichtbewusst, fleißig, ordnungsliebend und Bierliebhaber.

    Den Ost-West-Gegensatz gibt es im 30. Jahr der Einheit so gut wie nicht mehr. »So gut wie«, heißt aber nicht, dass überhaupt keine Unterschiede mehr existieren. Doch Ost und West gleichen sich mehr und mehr aneinander an. Viel entscheidender dafür, ob es einer Region und den Menschen dort gut geht oder nicht, ist inzwischen das Gefälle zwischen Stadt und Land, zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des »Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung«, die kurz vor dem 30. Jahrestag der Einheit am 3. Oktober 1990 in dreißig Kapiteln den Stand der Dinge beleuchtet hat. »Vielfalt der Einheit« ist ihr Titel, und unter anderem untersucht sie Bevölkerungsentwicklung, Gesundheit, Arbeitsmarkt, aber auch die Entwicklung von Einkommen und Vermögen und der Kriminalität in beiden Teilen. Beispielsweise in blühenden Städten wie Leipzig oder Dresden ist die Situation, was Arbeitsmarkt und Zufriedenheit der Bürger angeht, eine ganz andere als auf dem Land. Diese Unterschiede fallen in Westdeutschland wohl weniger gravierend aus.

    »Die Abwanderung aus dem Osten in den Westen ist seit 2015 gestoppt, und auch die Kinderzahlen steigen«, stellt die Studie fest. Es gibt inzwischen etwa ebenso viele Umzüge vom Westen in den Osten. Das mildert freilich kaum die Folgen der beiden Abwanderungswellen - der ersten nach dem Mauerfall, dann der zweiten ein Jahrzehnt später.

    »Die schwach besetzten Jahrgänge der 1990er Jahre führen etwa eine Generation später dazu, dass es weniger potenzielle Eltern gibt.« Außerdem profitierten die fünf östlichen Länder kaum von der Einwanderung aus dem Ausland, könnten also die damals entstandenen Lücken damit nicht auffüllen. Als Grund nannte Manuel Slupina, Leiter des Ressorts Demografie am Institut und einer der Autoren, die mangelnden wirtschaftlichen Chancen im Osten außerhalb der Boom-Regionen.

    Ostdeutschland ist heute so dünn besiedelt wie 1905.

    Während die Bevölkerung im Osten zwischen 1990 und heute auf den Stand von 1905 zurückfiel, leben im Westen heute doppelt so viele Menschen wie zur Jahrhundertwende. Diese Trennlinie zwischen Ost und West werde bleiben, prognostizieren Slupina und seine Kolleginnen: In allen fünf Ländern werde bis 2035 die Bevölkerung weiter schrumpfen, am stärksten in Sachsen-Anhalt, nämlich um 16 Prozent, verglichen mit 2017. Berlin hingegen werde bis dahin um weitere elf Prozent wachsen. Gleichzeitig durften aber auch im Westen fünf Bundesländer schrumpfen, weitere fünf wachsen - am stärksten Hamburg, der Südwesten und Bayern. Im kleinen Saarland werden dagegen fast neun Prozent weniger Menschen leben.

    »Abgelegene Regionen verlieren – in Ost wie West«, heißt es in der Studie. Gewinner gibt es aber ebenfalls in beiden Himmelsrichtungen: »Leipzig kann bis 2035 sogar bundesweit mit dem größten Bevölkerungszuwachs rechnen.« Attraktiv für Neubürgerinnen und -bürger seien auch Weimar, Jena, Halle oder Magdeburg, bemerkte Forscher Slupina bei Vorstellung der Studie. Die Trennlinie verlaufe in ganz Deutschland zunehmend »zwischen den attraktiven Großstädten samt Umland und den ländlichen Regionen fern der Zentren«.

    Viel ist in dreißig Jahren offenbar auch im Leben der Einzelnen zusammengewachsen. So hat sich die Lebenserwartung in Ost und West, die seit den 1970er Jahren in den beiden deutschen Staaten auseinanderdriftete, bei den Frauen ganz und gar angeglichen. Sie können statistisch mit 83 Lebensjahren rechnen. Die Männer bleiben etwas zurück, Ostmänner haben zudem immer noch 1,3 Jahre Abstand zu den Geschlechtsgenossen im Westen. Insgesamt, so die Studie, habe der Osten gesundheitlich die »kardiovaskuläre Revolution« im Westen aber nach 1990 rasch nachgeholt.

    Während sich die DDR ab Ende der 1960er Jahre vor allem um die Erhaltung der Arbeitskraft der Werktätigen kümmerte, engagierte sich die Westmedizin gegen den Tod durch Herz-Kreislauf-Krankheiten, die massiv Ältere betreffen. Hinzu kommt, so die Studie, dass man auch im Osten inzwischen gesünder lebt, wo früher mehr geraucht und getrunken wurde. Schon 20 Jahre nach 1990 war man hier wie dort ähnlich gesund, »der Trend hat sich bis heute fortgesetzt«.

    Insgesamt sind die Deutschen so zufrieden mit ihrem Leben wie nie – im Osten fast genauso wie im Westen. Auf der Null-bis-zehn-Skala des Sozio-ökonomischen Panels, das auch diesen Wert jährlich misst, erreichten die Ostdeutschen letztes Jahr ein Allzeithoch von sieben Punkten, nur 0,17 Punkte weniger als der Westen. Der Glücksgraben verläuft eher von Norden nach Süden und unabhängig vom Geld: Am zufriedensten sind, seit etlichen Jahren, die Menschen im vielerorts strukturschwachen Schleswig-Holstein.

    Jenseits der Daten gibt es aber offenbar weiter Gefühle von Zurücksetzung, die wenig mit Arbeitsmarkt, Gesundheit oder Lebenserwartung zu tun haben. Viele Menschen im Osten fühlen sich zu wenig gesehen und repräsentiert im gemeinsamen Deutschland: Unterschiede blieben bestehen, schreibt Catherina Hinz, die Direktorin des Berlin-Instituts im Vorwort zur Studie, »wenn Ostdeutsche sich in Medien oder anderen Bereichen kaum oder hauptsächlich negativ vertreten sehen«. Die Medien schauen vom Westen aus auf Deutschland.

    Die Studie nennt etwa die fehlenden Konzernsitze im Osten, dessen Wirtschaft weiter noch von mittleren Unternehmen geprägt ist, aber auch den Tunnelblick der Medien, die weiter von West nach Ost blickten: »Seit der Wende schaffte es Ostdeutschland vor allem als Problem auf die Titelseiten«, heißt es in der Studie. Seit den 2000er Jahren sei der Osten als angeblich abgehängte Region beschrieben worden.

    Es gebe nach wie vor wenige Köpfe mit ostdeutscher Biografie in den Redaktionen der großen Zeitungen. »Viele Ostdeutsche finden sich somit in den großen Medien kaum wieder, was dazu beitragen könnte, dass die Skepsis gegenüber Rundfunk und Presse höher bleibt.«

    Das Wichtigste sind meiner Ansicht nach aber nicht die Unterschiede zwischen Ost und West, sondern die Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeiten, die uns als deutsche Nation und deren Bürger ausmachen und letztlich, auch über die Nationalität hinaus, unsere Gemeinsamkeit als Menschen. Da ich als »Wossi« aber von beiden Seiten, beiden »Kulturen« und deren Mentalität profitierte, fände ich es schön, wenn Ossis und Wessis noch mehr dazu bereit wären, voneinander zu lernen. Darum geht es doch am Schluss: nicht gegeneinander zu sein und sich anzufeinden, sondern vom »Anderen« zu lernen und sich auszutauschen. Sowohl Ost als auch West haben Gutes zu bieten. Ich weiß das am allerbesten!

    Inzwischen stehe ich auch zu meiner Identität als »Wossi«. Ich stehe dazu, dass ich ursprünglich aus dem Westen komme und nun im Osten lebe. Heutzutage ist die Toleranz beider Seiten auch viel größer. Das Verständnis einer gesamtdeutschen Nation ist seit der Wende beträchtlich gewachsen, wenn wohl auch noch einige Jahre ins Land ziehen müssen, um die Vergangenheit der Spaltung restlos aufzuarbeiten. Früher war ich vorsichtiger mit meiner Herkunft bzw. mit meinem Wohnsitz. Wenn ich mit Wessis zusammensaß, verschwieg ich, dass ich im Osten lebe und arbeite und umgekehrt; wenn ich mit Ossis verkehrte, sagte ich nichts davon, dass ich im Westen aufgewachsen war.

    30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind die Gräben zwischen Ost und West so tief wie eh und je. Im Westen heißt es, die im Osten seien bestenfalls naiv und hingen einer wie auch immer gearteten »Ostalgie« an, in der sie glaubten, früher sei alles besser gewesen; im Osten hingegen hat sich das Misstrauen gegenüber den »Wessis« aufgrund vieler negativer Erfahrungen verfestigt. Die Menschen fühlen sich abgehängt und ausgenutzt, den »Ossis« hingegen wird unterstellt, die ewig Gestrigen zu sein und zu politischem Radikalismus zu neigen.

    Ich kenne beide Welten. Als Unternehmer ging ich kurz nach der Wende in den Osten und baute dort ein erfolgreiches Unternehmen auf, das ich vor knapp zwei Jahren verkaufte und seither mein Leben als Privatier genieße. Ich bin »Wahlossi« und stolz darauf, denn ich fand im Osten loyale und fleißige Arbeitnehmer und ein Umfeld, in dem ich heute gerne und gut lebe. Mehr noch: Ich fand hier die Liebe meines Lebens und die Frau, mit der ich heute noch glücklich verheiratet bin. Der Osten hat mir also viel geschenkt.

    Doch ohne den Westen, ohne das Ruhrgebiet, ohne die Erfahrungen meiner Kindheit, wäre ich nicht, wer ich heute bin. Sie haben mich tief geprägt, sie waren die Motivation für meinen Erfolg, und deshalb bin ich auch dem Westen zu tiefem Dank verpflichtet. Hier habe ich gelernt, wie hart Erfolg erarbeitet werden muss und dass unternehmerischer Erfolg eben auch bedeutet, mit dem Auf und Ab des Geschäfts fertig zu werden.

    Ich habe mein Glück im Baugewerbe, konkret mit dem Gerüstbau gemacht. Das Baugewerbe ist ein hartes Pflaster, hier wird mit harten Bandagen gekämpft und gearbeitet. Mir machte das nie etwas aus, auch wenn ich die eine oder andere Blessur davontrug.

    Das vorliegende Buch ist die Geschichte meines Unternehmens ebenso wie meine Lebensgeschichte. Es ist auch die Geschichte meiner Familie, meiner Brüder, meiner Schwester und mir, die wir aus kleinen Verhältnissen kommen, die wir alle auf die eine oder andere Weise zumindest im Außen überwunden haben, im Inneren aber noch immer mit uns herumschleppen.

    Mit diesem Buch schreibe ich mich frei von all dem, was zu lange nicht gesagt wurde, von den Erinnerungen, von den Gefühlen, von den Gespenstern der Vergangenheit, und zugleich schreibe ich auch gegen die unsichtbare Mauer an, die Ost und West bis heute trennt.

    Ich bin ein Wossi und wünsche mir, dass es da draußen viel mehr Menschen gäbe, die das von sich behaupten. Erst dann ist die deutsche Teilung endgültig überwunden.

    Udo Brasausky, im Frühjahr 2022

    Kapitel 1: Harte Zeiten - Kindheit im Ghetto

    Mein Name ist Udo Brasausky. Ich wurde im Jahr 1960 in Essen geboren. Wir lebten damals in einer der typischen Nachkriegssiedlungen, wie man sie eben kennt: langgezogene Holzbaracken, eine Baracke neben der anderen - eigentlich ein richtiges Ghetto. Obwohl in Deutschland zum Zeitpunkt meiner Geburt schon wieder Aufbruchsstimmung herrschte, waren wir bitterarm. Meine Familie hatte den Anschluss, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht, verpasst.

    An dieser Stelle ist es auch wichtig, etwas über die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebiets von der Nachkriegszeit bis heute zu sagen. Aber ich möchte damit beginnen, wie alles, noch viel früher, anfing:

    Die wichtigste Voraussetzung zur schwerindustriellen Entwicklung des Ruhrgebietes lag in der Zeit des Devons vor etwa 350 Millionen Jahren, in der der lange Entstehungsweg der Kohle begann. Nur diese erdgeschichtlichen Bedingungen machten später die Förderung von Kohle möglich, um damit – letztendlich - »Kohle« zu machen. Die wirtschaftliche Basis des Ruhrgebiets fußte auf den in der Erde verborgenen fossilen Energien. Ab dem 14. Jahrhundert wurde im Ruhrtal Steinkohle gewonnen. Mit der Förderung des neu entdeckten Rohstoffes ging die Bevölkerungsentwicklung immer mehr nach oben. Denn das Ruhrgebiet entpuppte sich als attraktiver Standort, der vor allem eine sichere Arbeit und damit ein Einkommen für die Bevölkerung versprach. Um 1840, bereits vor Beginn der Industrialisierung, lebten im Ruhrgebiet etwa 230.000 Menschen hauptsächlich von der Landwirtschaft, in der Nähe der fruchtbaren Hellwegbörden.

    In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die Nordwärtswanderung ein, die von zwei wichtigen Ereignissen ausgelöst wurde: dem Einsatz der Dampfmaschine und der Erweiterung des Eisenbahnnetzes. Von nun an waren auch die tiefer liegenden, wertvollen Ess- und Fettkohlen zu erreichen, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Eisen- und Stahlindustrie waren, da sie gut verkoksbar waren. Entlang des Hellwegs entstanden nun viele große Eisen- und Stahlwerke auf riesigen Arealen. Die eisenschaffende Industrie verflocht sich Ende des 19. Jahrhunderts immer stärker mit dem Bergbau, indem sie Zechen und Koksereien kaufte, um eine feste und sichere Koksbasis zu haben. Die Eisen- und Stahlindustrie blieb an ihren Standpunkten und wanderte nicht mit dem Bergbau Richtung Norden.

    Die Förderanlagen der Zechen blieben im Krieg so gut wie vollständig erhalten und konnten daher schnell wieder die Förderung aufnehmen. In der Wiederaufbauphase der Nachkriegszeit galt das Ruhrgebiet noch als das Zugpferd des Wirtschaftswunders in Westdeutschland, legten doch Bergbau und eisenschaffende Industrie die Grundlage für eine rasche Beseitigung der Kriegsschäden. In der Folge stieg die Zahl der Bevölkerung von 4 Millionen im Jahre 1940 wieder auf über 5 Millionen in den 60er Jahren.

    Die alten, schon überholten Strukturen wurden wiederhergestellt, was sich später als Problem darstellte. Trotz großer Investitionen und Erweiterungen der Kapazität konnte jedoch keine Steigerung der Produktivität erreicht werden - nicht einmal die Produktivität der Vorkriegszeit. Allerdings gab es kaum noch Arbeitslosigkeit und einen sehr guten Lohn, weshalb die Arbeiter die weniger guten Wohnverhältnisse in Kauf nahmen.

    Das Land Nordrhein-Westfalen wurde 1946 aus den ehemaligen preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen gegründet, in denen das Ruhrgebiet lag. In den Jahren 1957/58 begann im Ruhrgebiet die Bergbaukrise, denn anstelle von Kohle wurde nun vermehrt Erdöl und Erdgas verwendet, auch Schiffe und Eisenbahnen brauchten immer weniger Kohle, weshalb die Steinkohle Absatzschwierigkeiten bekam, was in der darauffolgenden Zeit zu starken sozioökonomischen Veränderungen führte. Viele Zechen mussten deshalb ihre Produktion aufgeben und wurden geschlossen. Von 1955 bis 1970 sank der Anteil der Steinkohle von 70 auf 28,9 Prozent.

    Der Strukturwandel im Ruhrgebiet mit seinen neuen ökonomischen und technischen Rahmenbedingungen veränderte das bis dahin bestehende Wirtschaftssystem. So entwickelte sich das Revier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einer Montanindustrie – Kohlenbergbau und Stahlindustrie – zu einer Dienstleistungsregion und einem Standort für Bildung und Kultur.

    Wegen der hohen Preise für Ruhrkohle sank Ende der 1950er Jahre die Nachfrage, was die Industrie in eine Krise stürzte, von der sie sich nicht mehr erholte. Da das Ruhrgebiet in seiner Monostruktur allein auf die Kohleförderung und die vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweige ausgerichtet war, traf diese Krise die gesamte Region, und ein Wandel gestaltete sich zunächst schwer. Vorerst wurde an alten Strukturen festgehalten, denn schließlich hatte die Region 150 Jahre lang von der Kohle gelebt und zuvor schon andere Krisen überstanden. In den 1960er Jahren setzte man sich langsam mit der neuen Situation auseinander, sodass ein Strukturwandel möglich wurde.

    Während der Zeit der Montanindustrie waren Bildung, Kultur, Landschaftspflege und Angebote zur Naherholung im Ruhrgebiet vernachlässigt worden. Es gab keine Universität, und die meisten Menschen hatten weder einen hohen Bildungsabschluss noch eine gute Ausbildung, da dies bisher nicht nötig gewesen war. Die Natur wurde zersiedelt und zerstört. Das musste sich ändern! Ein erster Schritt in Richtung Strukturwandel war das »Entwicklungsprogramm Ruhr 1968 - 1973«, das am 5. März 1968 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen veröffentlicht wurde. In diesem mittelfristigen Handlungsplan war eine Umgestaltung des Ruhrgebiets festgelegt. So beinhaltete das Programm zum Beispiel den Ausbau des S-Bahn- und des Straßennetzes, und es waren Knotenpunkte der Schnellbahn in dicht besiedelten Gegenden und der Bau von ca. 500 km »vierspuriger autobahnähnlicher Straßen« geplant. Wer jedoch regelmäßig auf den Autobahnen oder mit der Bahn im Ruhrgebiet unterwegs war, mochte sich hingegen fragen, ob hier nicht ein weiterer Strukturwandel nötig gewesen wäre, bei dem nicht nur autobahnähnliche Straßen errichtet würden. Dann wäre die A40 vielleicht auch wieder ihren Beinamen »Ruhrschleichweg« losgeworden.

    Ein weiteres Ziel des Entwicklungsprogramms war die Schaffung eines insgesamt »höheren Wohnwertes« im Ruhrgebiet. Dies sollte mit der Entwicklung neuer regionaler Erholungsräume wie zum Beispiel dem Ausbau des Kemnader Stausees und der Errichtung mehrerer Freizeitparks und der Verbesserung der Luft erreicht werden. Die »schwarze Lunge« sollte wieder atmen können. Zum anderen sollten diese Projekte Arbeitsplätze schaffen, denn besonders diese fehlten nach der Kohlekrise. Was in der Planung so einfach klingt, sollte in der Umsetzung jedoch mehrere Jahrzehnte brauchen.

    Die Bergbau-Hochburg Ruhrgebiet hatte während der Industrialisierung viele Menschen angezogen. Doch genau diese traditionellen Industriesektoren mussten aufgrund der Krise zahlreiche Arbeiter entlassen. Sowohl der Kohlebergbau als auch der Bereich für Eisen und Stahl verzeichneten zwischen 1976 und 1998 jeweils Rückgänge der Beschäftigten um weit über 60 Prozent. Staatliche Subventionen sollten den finanziellen Schaden, der mit der rückläufigen Steinkohleförderung und der Stahlindustrie entstanden war, begrenzen.

    Ein Blitz entflammte 1962 wieder neue Hoffnung in Bochum: Der Autohersteller Opel errichtete drei Automobilwerke in der Stadt und schuf damit zahlreiche neue Arbeitsplätze. Des Deutschen liebstes Kind erweckte die

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