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Szenen aus DDR-Gefängnissen
Szenen aus DDR-Gefängnissen
Szenen aus DDR-Gefängnissen
eBook59 Seiten37 Minuten

Szenen aus DDR-Gefängnissen

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Über dieses E-Book

"Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Gefängnisse von innen ansehen", schrieb einmal Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoj. Diesem Diktum folgend, stellt das Buch Szenen aus Gefängnissen der DDR dar, um dem Leser plastisch vors Auge zu führen, wie die Realität jenseits der Berliner Mauer in der Zeit der kommunistischen Gewaltherrschaft über Ostdeutschland ausgesehen hat.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. März 2022
ISBN9783347540712
Szenen aus DDR-Gefängnissen

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    Buchvorschau

    Szenen aus DDR-Gefängnissen - Eugen Wenzel

    SZENEN AUS DDR-GEFÄNGNISSEN

    »Um einen Staat zu beurteilen,

    muss man sich seine Gefängnisse

    von innen ansehen.«

    Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoj

    I ZWEI HÄNDE

    Auf der Bühne ist ein Mann zu sehen, der entweder gerade verhört wird oder sich in einem leicht an Wahnsinn grenzenden Zustand in seiner Gefängniszelle aufhält. Jemand trägt aus dem Hintergrund das Gedicht »Zwei Hände« vor:

    Zwei Hände hat der Mensch von Gott bekommen,

    damit er gut durch dieses Leben kommt,

    doch hat er Gott nicht wirklich ernstgenommen

    und hat die Schöpfung etwas umgeformt.

    Die eine Hand, sie gibt den Kindern Nahrung

    und streichelt liebevoll den alten Hund;

    sie kämpft für Frieden und für dessen Wahrung

    und macht die Welt ganz farbenfroh und bunt.

    Die and’re Hand, sie weiß zu unterwerfen,

    zu nehmen gierig, was ihr nicht gehört;

    sie lehrt bereits die Kleinen Messer schärfen

    und wie man alles Glück der Welt zerstört.

    Der Mensch versteht’s, die Dinge klar zu trennen

    und welche Hand er wann benutzen muss.

    Drum kann er glücklich und zufrieden leben

    bis zu des Daseins allerletztem Schluss.

    Und die Moral von der Geschicht’?

    Der Dichter weiß es selber nicht.

    Wissen Sie, was ein Samowar ist? Nun machen Sie nicht so ein Gesicht, ich will Sie nicht auf den Arm nehmen, denn Sie können es wahrlich nicht wissen. Als einen Samowar bezeichnete man in der Stalin-Zeit einen Menschen, der im Großen Vaterländischen Krieg beide Beine und beide Arme verloren hatte. Solche »halben« Menschen sind in der Regel weggesperrt worden, weil sie nicht wirklich zum heroischen Selbstverständnis eines Siegers passten, und so nimmt es nicht wunder, dass kaum jemand diese Bezeichnung kennt.

    Und nun wollen Sie sicherlich wissen, woher ich sie kenne? Von meinem Großvater. Und von wem hat er sie erfahren? Na, von den Russen natürlich, denn er hat für die Faschisten inStalingrad gekämpft, gekämpft mit seinen starken Händen, als ein Chirurg.

    Wussten Sie, dass das Wort Chirurg von χείρ, dem altgriechischen Ausdruck für Hand abstammt, und finden Sie nicht auch, dass es ein zutiefst symbolisches Ereignis war, als mein Opa bei einer Bombendetonation ausgerechnet seine Hände verlieren musste? Sein großes Glück war es, dass er kurz darauf in russische Gefangenschaft geriet, denn die Deutschen waren zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr dazu in der Lage, ihm angemessen zu helfen. Die Russen taten, was sie konnten, doch es blieb ihnen kaum etwas übrig, als beide Arme komplett zu amputieren. Seit diesem Moment war er für sie ein nicht ganz zu Ende gefertigter, ein halber Samowar und natürlich zu nichts zu gebrauchen. Als einen der ersten schickten sie ihn daher auch wieder zurück nach Deutschland, sobald der Krieg zu Ende war.

    Sie schauen sich so wissbegierig meine Hände an. Die eine ist so unbeschreiblich schön und formvollendet, die andere, wenn Sie diese blutige Binde abnehmen, eine amorphe Fleischmasse, ein ekelerregender Klumpen. Haben Sie keine Sorge, ich werde es Ihnen schon noch verraten, weshalb und warum das Ganze.

    Beantworten Sie mir aber zuvor die Frage: Wissen Sie, was es heißt, ein Samowar zu sein? Mussten Sie jemals Ihrem Großvater das Glied beim Pissen halten? Nein? Ich schon. Ich, meine Brüder, mein Vater, seine Brüder, jeder,

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