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Die Herrlichkeit der Vollkommenheit
Die Herrlichkeit der Vollkommenheit
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eBook293 Seiten4 Stunden

Die Herrlichkeit der Vollkommenheit

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Über dieses E-Book

Wie hoch wäre wohl der Preis, für eine vollkommene Welt?

Die vollkommene Welt. Eine Welt ohne Hunger. Ohne Schmerz. Ohne jedwedes Leid. Ohne Konflikte
Wäre das nicht ein Ideal, nachdem man streben wollen würde?
Der Protagonist lebt in einer solchen Welt. Er trachtet danach dieses Ideal aufrecht zu erhalten.
Er lebt es.
Aber was müsste der Mensch dafür tun, um diese Vollkommenheit letztlich zu erreichen?
Schmerzlich wird der Protagonist den Preis dafür erfahren.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Mai 2022
ISBN9783347648807
Die Herrlichkeit der Vollkommenheit

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    Buchvorschau

    Die Herrlichkeit der Vollkommenheit - Tim Murawski

    Kapitel I

    Makellos

    Die Fenster-Dimmung der Wohnräume lässt allmählich nach, erlaubt es, dass die Strahlen der aufgehenden Sonne die Wohnung erhellen und läuten somit den neuen Tag ein. Nahezu zeitgleich ertönt ein beruhigendes und schonungsvolles Brummen im Schlafgemach. Dieses Brummen ist in seiner Intensität sukzessiv steigend. Fängt es zunächst sehr zurückhaltend an, wird es mit zunehmender Dauer kraftvoller bis geradezu energisch. Alsbald das Brummen ein mittleres Ausmaß erreicht hat, öffnen sich noch eher schwerfällig seine Augen.

    Die Augenlieder öffnen und schließen sich noch mehrmals, in einem gleichmäßigen aber trägen Rhythmus. Die Augen müssen sich zunächst noch an die durch die Fenster eindringende Helligkeit gewöhnen. Nachdem sich nun kurz darauf seine Augen an die Helligkeit der einfallenden Sonnenstrahlen gewöhnt haben, sodass er diese ohne weiteres Blinzeln seiner Lider öffnen konnte, neigte er seinen Kopf sacht zu seiner Rechten, zu seinen großflächigen Fenstern. Er fokussiert seinen Blick auf die Welt, die sich hinter dem Glas erstreckt. Die Sonne sendet kräftige Strahlen aus. Sie wird begleitet von einzelnen, gemach über den strahlendblauen Himmel schwebenden, heiteren Wolken. Das Wetter ist perfekt. Wie immer.

    Er wendet, schon nahezu phlegmatisch, seinen Blick wieder vom Fenster ab. Diese Schönheit ist für ihn ohne jedwede Bedeutung, lässt ihn nichts dabei empfinden. Es ist nur das Produkt der innenliegenden Netzhäute seiner Augen, die ihm dabei helfen seine Umwelt visuell darstellen zu können. Diese Bilder werden ihm jeden Tag präsentiert, er kennt nichts anderes. Schwunglos legt er seine bis eben noch auf ihm liegende, dünne Decke beiseite. Genauso träge nimmt er seine Beine aus dem Bett und richtet sich auf. An der Bettkante sitzend, dabei mit beiden Händen auf den Rand stützend, schaut er sich um. Die Wände sind in einem grellleuchtenden Weiß gehalten, an denen sich die kräftigen Sonnenstrahlen additional reflektieren.

    An den strahlendweißen Wänden sind keine Bilder, keine Fotos.

    Sie sind schlicht weiß. Neben seinem Bett steht nur eine kleine Lampe, die ihm in den Abendstunden noch etwas Licht spendet, bis er sich schlussendlich schlafen legt. Sie hat keinen Schalter zum Betätigen. Die Lampe weiß, wann und wie viel Licht er braucht. Gegenüber von seinem Bett steht sein Kleiderschrank, komplett verspiegelt. Dieser ist nicht von nennenswerter Größe.

    Er braucht nicht viel Platz für seine Kleidung. Mehr hat das Zimmer auch nicht zu bieten. Er erhebt sich von seinem Bett und begibt sich geruhsam zu seinem verspiegelten Kleiderschrank. Beeilen muss er sich nicht, er hat ausreichend Zeit zur Verfügung. Wie immer.

    Nach nur wenigen Schritten steht er vor seinem Schrank.

    Starr blickt er auf die verspiegelte Oberfläche, bis diese Oberfläche nach kurzer Zeit des Starrens verschwindet und sich das Innenleben des Kleiderschranks offenbart. Er greift wahllos hinein. Nimmt sich ein langärmliges Shirt und eine Hose. Beides ist aus einfachem, hauchzarten Leinen gefertigt. Sie sind in hellblauen Pastelltönen eingefärbt, wie auch alle anderen Kleidungsstücke in seinem Schrank. Mit frischer Kleidung ausgestattet verlässt er sein Schlafgemach. Die Tür vom Schlafzimmer öffnet sich von allein, sobald er unmittelbar vor dieser steht. Ungehemmt schreitet er durch die, wie von Zauberhand, geöffnete Tür hindurch.

    Als er diese hinter sich gelassen hat, befindet er sich bereits im eigentlichen Wohnraum. Direkt zu seiner Linken befindet sich die Tür zum Badezimmer, welches von ihm direkt angepeilt wird. Auch diese Tür öffnet sich automatisch, als er in ihrer Nähe ankam. Das Badezimmer ist gleichermaßen in schlichte weiße Fliesen gehüllt.

    In diesem befindet sich hauptsächlich ein kleiner Wandschrank auf Augenhöhe, der ebenso eine Verspiegelung aufweist, wie sein Kleiderschrank bereits zuvor. Zum Inventar des Bades gehören ebenso einige elektronische Gerätschaften und sanitäre Anlagen. Als er nun seine Kleidung beiseitegelegt hat und unmittelbar vor dem Spiegelschrank steht, greift er gar unbefangen mit seiner Hand in dessen Richtung. Ebenso verschwindet auch diese verspiegelte Oberfläche, als sich seine Hand nähert.

    In diesem befinden sich nun einige Pflegeprodukte. Er greift nach einer befremdlich wirkenden Apparatur und holt diese heraus.

    Die Verspiegelung präsentiert sich augenblicklich wieder, als sich seine Hand von dieser wieder ein stückweit entfernt. Die eigentümlich wirkende Apparatur ähnelt in seiner Form dem eines Buchstabens. Sie ist u-förmig und ebenso in einem schlichten Weiß gehalten.

    Mit diesem Gerät in der Hand, nähert er sich seinem weitgeöffneten Mund und steckt es hinein. Sobald er seinen Mund, soweit es ihm mit diesem Gerät im Mund möglich war, geschlossen hat, beginnt die Apparatur zu vibrieren und es ertönt ein Piepen. Dieses Piepen scheint im Sekundentakt aufzutreten. Mit dieser Apparatur im Mund, fixiert er seinen Blick auf die verspiegelte Oberfläche und somit auch auf sein Antlitz. Die Haut wirkt gepflegt und rein. Seine Haare erscheinen unscheinbar, sie sind nichts weiter als kurzgeschoren, schwarz.

    Nach nur lediglich zehn Pieptönen schaltet sich das Gerät wieder aus und er entfernt es aus seiner Mundhöhle. Um das Gerät anschließend zu reinigen, hält er es unter eine Art Desinfektionsspender, welcher sich rechts neben dem Spiegelschrank befindet. Zwei automatische Sprühstöße scheinen zur Reinigung zu genügen, sodass er es wieder zurück in den Schrank legt. Nachdem er dies erledigt hat, begibt er sich zu einer, in der Ecke stehenden, Kabine. Sie ist vollständig ringsherum verglast und als er sich ihr nähert, öffnet sich abermals automatisch eine Tür. Alsbald er diese durchtreten hat, schloss sich die Tür hinter ihm wieder. Er steht inmitten dieser Kabine und wartet geduldig. Es dauert auch nicht lange, sodass aus der Decke eine Flüssigkeit auf ihn herunter sprüht. Ähnlich so, wie es der Desinfektionsspender tat, nur das diese Flüssigkeit zusätzlich einen angenehmen Duft an seine Umgebung absondert.

    Das ganze Prozedere nimmt ebenfalls nur wenige Sekunden in Anspruch, womit er die Kabine auf dem gleichen Weg wieder verlässt. Die Flüssigkeit die auf ihn gesprüht wurde, scheint sogleich in seine Haut eingezogen zu sein, da er bereits vollständig getrocknet ist.

    Zielstrebig aber gemächlich läuft er zu seiner abgelegten Kleidung und streift diese über seinen soeben gereinigten Körper. An seinem Leinenshirt erkennt man nun ein weiteres kleines Detail.

    Auf Brusthöhe ist etwas eingenäht, eine Nummer: R930Y659.

    Somit hat er seine morgendliche Körperhygiene abgeschlossen und verlässt ohne weitere Zeit verstreichen zu lassen das Badezimmer.

    Er betritt den Wohnraum und läuft geradewegs auf einen verglasten Schrank zu. In diesem befinden sich unzählige Schalen und Dosen. Sogleich nimmt er jeweils eines davon heraus. Unter diesem Schrank befindet sich ein Gerät mit einer dunklen Scheibe.

    Als er nun mit seiner rechten Hand, worin er ebenso die Schale hält, an diese dunkle Scheibe herantritt, verschwindet nun auch diese. Er stellt somit die Schale hinein und nimmt seine Hand wieder heraus. Nach nur wenigen Sekunden schaltet sich das Gerät ein. Leise brummt es vor sich hin. Duldsam steht er davor und starrt dabei das Gerät an. Ein sachter Piepton erklingt bereits kurze Zeit darauf. Seelenruhig nimmt er das Behältnis wieder aus dem Gerät heraus. Es strahlt eine angenehme Wärme an seine Hand ab. Seine aufgewärmte Schale sowie auch seine Dose stellt er unverzüglich auf einem Tisch, welcher sich hinter ihm befindet, ab. Unmittelbar unter dem Gerät, welches eben noch die Schale erwärmte, scheint sich noch ein weiterer Schrank zu befinden. Sofern man nicht in Kenntnis über seine Existenz ist, würde man diesen wahrscheinlich nicht vermuten. Genauso wie das Gerät, weist auch er eine dunkle Verglasung auf. Darin scheint sich sein Besteck zu befinden.

    Er nimmt sich also aus diesem einen Löffel heraus. Zusätzlich holt er sich aus einem anderen angrenzenden und ebenso verglasten Schrank, einen Becher heraus. Auch diese beiden Utensilien legt er auf den Tisch, wobei er sich zeitgleich auf einen Stuhl setzt. Dem einzigen Stuhl am Tisch. Der Stuhl ist in seiner Form der körperlichen Statur angepasst, was wiederum für eine gewisse Bequemlichkeit sorgen dürfte. Vermutlich ist er zugleich Rückenschonend, um somit vorsorglich zukünftigen Beschwerden und Schmerzen entgegenzutreten. Somit öffnet er nun seine soeben aufgewärmte Schale, die sogleich einen kaum wahrnehmbaren Dampf emporsteigen lässt. In der Schale befindet sich eine Substanz, eine Art dickflüssiger Brei, in einem hellbraunen Farbton gehalten. Der Geruch erscheint neutral, kaum bemerkbar.

    Es ist nicht selektierbar, welche Bestandteile dieser Brei enthält.

    Unbeeindruckt dessen nimmt er diese Mahlzeit prompt ein. Da es nur eine geringe Menge ist benötigt er kaum mehr als wenige Minuten zur Einnahme. Als er nun seine Mahlzeit beendet hat, greift er nach der kleinen Dose und öffnet sie. In dieser befinden sich drei Pillen, welche er auf Anhieb in seine offene Hand streut. Ohne Weiteres nimmt er diese zu sich und greift parallel dazu zu seinem Becher. An diesem Becher ist eine kleine Tülle, aus der er sogleich einen kräftigen Schluck nimmt, um seine soeben eingeworfenen Pillen in Gänze herunterschlucken zu können.

    Hastig leert er danach noch seinen Becher. Den benutzten Löffel hält er abermals, wie bereits bei der Apparatur zur Zahnreinigung, unter einen anliegenden Desinfektionsspender. Wieder werden automatisch zwei Sprühstoße auf den Löffel aufgetragen. Letztlich legt er diesen zurück zu seinem anderen Besteck. Die Schale, Dose und auch den Becher nimmt er in die Hand. Er bewegt sich damit auf die Wand neben seiner Wohnungstür zu.

    Auch diesmal nähern sich seine Hände, samt den leeren Behältnissen der Wand, wo sich, wie allem Anschein nach überall in der Wohnung, automatisch eine kleine Tür öffnet. Eine Art Schacht mit einer Ablagefläche offenbart sich. Auf diese legt er bedächtig seine Behälter ab. Er nimmt seine Hände wieder heraus und die Tür schließt sich unmittelbar wieder von selbst. Man hört aus dem Schacht nur ein kurzes Zischen, sodass er sich augenblicklich wieder von ihr entfernt. Er geht indessen zu einem kleinen, offenen Schrank in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnungstür.

    Dort holt er sein Schuhwerk heraus. Auch diese bestehen hauptsächlich aus einem pastellfarbenen, hellblauen Leinenstoff. Eine kräftige Sohle sucht man an diesen vergeblich. Vermutlich ist es aber in dieser Form gesünder für den Fuß, da es somit dem Barfußlaufen ähnelt.

    Über der Wohnungstür erkennt man eine kleine Lampe, die aktuell rot leuchtet. Neben der Tür hängt eine Apparatur, ähnlich wie die Desinfektionsspender. Er zieht sich seinen linken Ärmel so hoch wie möglich, bis zum Oberarm. Die Apparatur weist eine Art Aussparung auf, in welcher er nun seinen Oberarm platziert.

    Man hört ein schnelles, klackendes Geräusch und er verzieht für einen kurzen Augenblick sein Gesicht, so als hätte er einen kurzzeitigen Schmerz erlitten. Im selben Augenblick, wechselt die Lampe über der Wohnungstür ihre Farbe. Sie springt von Rot auf Grün um, zeitgleich nimmt man ein lautes Klacken an der Tür wahr. Die Verriegelung hat sich geöffnet. Augenblicklich krempelt er seinen Ärmel wieder herunter und tritt dichter an die Wohnungstür heran. Sie öffnet sich für ihn und er kann somit seine Wohnung verlassen.

    Wie scheinbar alles, ist auch der Hausflur komplett in Weiß.

    Er führt zu einem Fahrstuhl. Ein Treppenhaus gibt es nicht. Es stehen bereits andere Menschen an dem Fahrstuhl und warten auf diesen. Auch sie sind in Leinenkleidung gehüllt. Lediglich farblich scheinen sie ein wenig zu variieren. Wobei allesamt in besänftigen Pastelltönen gehalten sind. Somit steht er nun vor dem Fahrstuhl.

    Mit einem dezenten Nicken grüßt er die anderen. Sie machen es ihm gleich und nicken ihm zurück. Ihre Gesichter haben dabei keinerlei Mimik. Kein müdes Lächeln ist wahrzunehmen. Nichts. Auch haben sie alle dieselbe Frisur wie er. Allesamt kurzgeschoren, keine Gesichtsbehaarung oder sonstige Accessoires. Alle wie sie dort stehen, fokussieren danach ihren Blick wieder zurück zur Fahrstuhltür. Obwohl sie sich jeden Tag um dieselbe Uhrzeit dort sehen und treffen, schweigen sie. Es macht den Anschein, als hätte sich niemand von ihnen etwas zu sagen. Ein zartes Klingen ertönt und die Fahrstuhltür öffnet sich. Geordnet und bedachtsam betreten sie gemeinsam den Fahrstuhl. Jeder von ihnen schaut dabei akribisch in ein und dieselbe Richtung. Die Blicke sind starr geradeaus gerichtet. Vom fünfzehnten Stock aus fahren sie bis nach unten ins Erdgeschoss.

    Diesmal öffnet sich die Tür auf der gegenüberliegenden Seite, dort wo sie alle ihren Blick hin forcieren. Rasch, aber weiterhin geordnet, verlassen sie den Fahrstuhl wieder. Das Gebäude hat mehrere solcher Fahrstühle. Von allen Seiten strömen dort im Erdgeschoss die Menschen aus diesen hinaus. Und somit verlassen sie auch alle gleicherweise das Gebäude.

    Als er aus dem Gebäude tritt, wird er kurzzeitig vom Sonnenlicht geblendet und kneift seine Augen zusammen. Da es in den Hausfluren keine Fenster gibt, ist es dort etwas dunkler, weniger grell, als das Tageslicht selbst. Auf den Gehwegen sieht man all die Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit sind.

    Jeder läuft geordnet und koordiniert in seinen Reihen, sodass niemand von störendem Gegenverkehr behindert wird. Somit schließt auch er sich seiner Reihe an und läuft im selben Schritttempo mit. Die Gehwege und Straßen sind aus einem hellen Beton gegossen, sie sind sauber und sehr reinlich.

    Nirgends sind Straßenschäden zu erkennen. Ebenso sind die Hausfassaden unberührt, unbeschmutzt. Keine Graffitis oder ähnliches. Keine Aufkleber oder Flyer an den Straßenlaternen. Straßenbäume oder Grünflächen sind nirgends ausfindig zu machen. Das Einzige was für etwas farbliche Abwechslung sorgt, sind all die flackernden Bildschirme an den Hausfassaden, an den Haltestellen. Es ist ziemlich laut auf den Straßen, aber nicht wegen der Fahrzeuge oder den sich dort befindenden Menschen.

    All die Autos geben nahezu keine Geräusche an ihre Umwelt ab, so als würden sie gänzlich stillstehen. Genauso sind all die Menschen ausnahmslos ruhig. Niemand der mit irgendjemanden kommuniziert. Alle gehen beharrlich ihres Weges. Auch durch das sehr feine Schuhwerk hört man keine Schritte. Aber all diese Bildschirme. Das chaotisch und schon penetrant wirkende Schwadronieren dieser Bildschirme. Unentwegt hört man wie sie Dinge anzupreisen versuchen, an Regeln und Pflichten erinnern.

    Obwohl niemand der an ihnen vorbeilaufenden Menschen aktiv darauf schaut oder zuhört. Voraussichtlich ist es eher ein unterbewusstes Wahrnehmen dieser Menschen, wenn sie diesem unablässig und rund um die Uhr ausgesetzt sind.

    An einer Haltestelle ankommend setzt er sich geduldig auf eine Bank, die ähnlich wie sein Stuhl zu Haus, sich dem Gesäß anpasst. Im Minutentakt halten dort Fahrzeuge, Autos und Kleinbusse. In diese steigen die Menschen ein. Maximal acht Personen pro Fahrzeug. Er dreht seinen Kopf flüchtig zur Seite, um einen besseren Blick auf die Straße erhaschen zu können. Folglich dauert es auch nicht allzu lange und er erhebt sich wieder von der Bank.

    Ein Fahrzeug hält unmittelbar vor ihm. Es ist etwas kleiner, sodass nur vier Personen hineinpassen. Dort steigt er ein. Abermals grüßt er schweigend die anderen Passagiere mit einem dezenten Nicken. Das Fahrzeug hat keinen Fahrer. Über den Autopiloten fährt es gänzlich selbstständig und hält an den bereits vorprogrammierten Orten. Selbst innerhalb dieses Fahrzeuges befinden sich Monitore, die ebenfalls beharrlich ihre Phrasen dreschen über die neusten Produkte.

    Wie gebannt starren die Passagiere auf die sich vor ihnen befindenden Monitore. Niemand verzieht eine Miene. Es gibt keine Regung in ihren Gesichtern. Keinerlei Muskelaktivitäten. Eher ein monotones Stieren, gar katatonisch anmutend.

    An einem sehr hohen, imposant wirkenden Gebäude angekommen, hält der Wagen. Die Tür neben ihm öffnet sich und er steigt schweigend aus. In das Gebäude strömen durch die große Eingangspforte dutzende Menschen hinein. Ein Fluss aus bunten Pastelltönen. Er fügt sich in diesen Strom mit hinein.

    Umgehend nach Durchschreiten der Pforte bilden sich mehrere Reihen aus Menschen. Sie stehen an Schaltern mit Gerätschaften, mit einer Höhe bis zur Hüfte und einer anliegenden Schranke. Auf den Maschinen ist eine glasige Auflagefläche, wo er seinen Handrücken für einige Sekunden auflegt. Dieses Gerät erzeugt kurz darauf einen schrill klingenden Piepton und die Schranke verschwindet scheinbar im Nichts. Damit darf er passieren.

    Er befindet sich in einer riesigen, lichtdurchfluteten Empfangshalle und bewegt sich unbeirrt, ohne von seiner Blickrichtung abzuweichen, auf einen der vielen Fahrstühle zu. Mit diesem fährt er hoch bis in die fünfundzwanzigste Etage. Dort angekommen präsentiert sich ihm derweil ein eher dunkel gehaltenes Großraumbüro, ohne Fenster, ohne Sicht zur Außenwelt. Fenster würden den Arbeitern ihren Fokus vom Wesentlichen entziehen. Hunderte offene Schreibtische mit Monitoren. An jedem Einzelnen dieser sitzen die Menschen und starren auf ihre Bildschirme.

    Das grelle Licht der Bildschirme spiegelt sich auf ihren stierenden Gesichtern wieder. Er bewegt sich bedächtig durch die Reihen und Gänge, bis er schlussendlich seinen Platz erreicht hat. Sogleich hält er sein Gesicht dicht an den Bildschirm. Zur Freigabe dessen wird sein Gesicht abgescannt und abgeglichen. Einen Augenblick später schaltet sich der Bildschirm ein und er lehnt sich zurück in eine entspannende Position.

    Während er nun einige Zeit auf seinen Bildschirm herumtippt und konzentriert seiner Arbeit nachgeht, nähert sich jemand seinem Schreibtisch. Direkt vor ihm macht diese Person halt und wendet einen gleichermaßen nichtssagenden Blick auf ihn.

    „Sei gegrüßt, Nummer R930Y659.", begrüßt er ihn in einer eintönigen Stimmlage, ohne jedwede Regung in seinem Gesicht.

    Nummer R930Y659 erhebt sein grell erleuchtetes Gesicht von seinem Monitor, „Sei auch du gegrüßt, Projektleiter F021B084.", kommt es ebenso gleichförmig von ihm.

    Sein Projektleiter hält eine Mappe in der Hand mit einigen Unterlagen und legt diese vor ihm auf den Schreibtisch, „Das sind die Pläne für das kürzlich erwähnte Projekt aus Sektor-G. Diese haben oberste Priorität und müssen noch diese Woche abgearbeitet werden. Kümmern Sie sich darum, Nummer R930Y659.".

    Er nickte seinem Projektleiter unterwürfig zu und nahm die Papiere an sich. Ohne weitere unnötige Worte zu verlieren wendet sich der Projektleiter von ihm ab und geht seiner Wege.

    Nummer R930Y659 wirft umgehend einen Blick in die Mappe, um den Arbeitsaufwand einkalkulieren zu können. Darin sind viele Grundrisse von geplanten Gebäuden enthalten, viele Zahlen und Berechnungen. Ohne dass er detailliert auf jedes einzelne Blatt eingeht, erkennt er, dass es einiges an Zeit in Anspruch nehmen würde. Ziemlich hohes Pensum, welches er erfüllen soll.

    Es nützt allerdings nichts darüber nachzudenken, wie viel Zeit er dafür opfern müsste, das wäre definitiv nicht zielführend, es wäre schlicht ineffizient. Das würde nicht dem entsprechen, was all die Unternehmen und Staatsorgane von ihren Arbeitern verlangen. Höchstleistungen und eklatante Effektivität in der Produktivität ist das Gebot, nach dem alle Menschen streben. Sollte er dabei versagen, der Anordnung seines Projektleiters nicht entsprechen können, hätte das gravierende Konsequenzen für ihn.

    Einschneidende Sanktionierungen wären die Folgen für seine infame Unfähigkeit. Sanktionierung in Form von erheblichen finanziellen Einbußen oder aber strenge Rationierung seiner Mahlzeiten. Bisher hat er immer alle Herausforderungen bewältigen können. Noch nie hat er versagt, bei dem was er tut.

    Seit nunmehr beinahe zwanzig Jahren, an denen er exakt an diesem Schreibtisch sitzt, hat er alle Aufgaben, irrelevant wie hoch der Aufwand auch war, bewältigen können. Es ist buchstäblich seine Berufung. Diese Tätigkeit wurde ihm damals zugewiesen, als er seine schulische Laufbahn äußerst erfolgreich abgeschlossen hat. Allein schon aus diesem Grund fühlt er sich moralisch dazu verpflichtet, allen Widrigkeiten erfolgreich entgegenzutreten, um seinen damaligen Beschäftigungskoordinator in Ehre zu halten.

    Das Vertrauen, welches er ihm entgegenbrachte, als er ihm diese Lebensaufgabe zugewiesen hat. Ihn dafür bestimmte, förmlich auserwählte. Er ist ihm gegenüber zu lebenslangem Dank verpflichtet, zu Ehrfurcht.

    Die Beschäftigungskoordinatoren in den Erziehungsanstalten haben einen äußerst wichtigen und anspruchsvollen Beruf. Sie sind dafür zuständig, die Schulabgänger in ihre wahrlichen Berufungen einzuteilen. Nur durch die korrekte Bewertung und Einschätzung der Koordinatoren, kann die allgemeine Gesellschaft tatsächlich ein hohes Maß an Effizienz aufweisen und somit weitergedeihen.

    Wenn die Koordinatoren versagen, hätte das erhebliche Auswirkung auf das gesellschaftliche Leben. Wenn fehlbesetzte Menschen ihre Aufgaben nicht in dem Maß erfüllen können, wie es nötig und gefordert wird, stürzt alles ins Chaos. Daher verdienen die Koordinatoren höchstes Maß an Respekt. Um gar selbst ein Beschäftigungskoordinator zu werden muss man nicht nur selbst von einem dazu berufen werden. Ein weiterer sehr langwieriger und harter Bildungsweg steht ihnen anschließend noch bevor. Nur wenigen gelingt tatsächlich ein erfolgreicher Abschluss.

    Umgehend macht sich Nummer R930Y659 an die ihm zugetragene Arbeit. Sein verfügbares Zeitfenster ist gering, auch wenn er selbst entscheiden kann, wann er seinen Dienst beendet.

    Selten nur kann er vor Beginn der Abendstunden sein Büro verlassen, um sein Pensum auch wirklich zu erreichen. Prinzipiell könnte er, wenn er denn wollte, auch die gesamte Nacht über durcharbeiten. Allerdings gelangt er dann nicht mehr in seine Wohnung, was wiederum signifikante Konsequenzen für ihn hätte.

    Die Verriegelung der Tür bleibt nur für einen gewissen Zeitraum geöffnet. Exakt zwölf Stunden. Danach verschließt sie sich wieder bis zur nächsten Injektion. Welche über die Apparatur neben der Tür, die ihm nur einmalig am Tag zur Verfügung steht, injiziert wird.

    Jeder Bürger ist dazu gesetzlich verpflichtet seine tägliche Dosis injizieren zu lassen. Über automatisierte Systeme wird jeder Haushalt damit täglich neu versorgt. Über die installierten Leitungen in allen Gebäuden der Großstadt, fließt der medikamentöse Wirkstoff und füllt somit die Bestände der Haushalte auf. Er ist ein elementarer Bestandteil, der zur Gesundheit der Bürger beiträgt. Bürger die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, drohen außerordentliche Strafen.

    Es wurden vor langer Zeit, noch lange bevor Nummer R930Y659 zur Welt kam, sehr viele Gesetze erlassen, die für das friedliche Zusammenleben der Menschen gesorgt haben. Ausnahmslos jeder muss sich an diese halten. Fehler

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