Weltkriegswahn
Von Hans Schümann
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Buchvorschau
Weltkriegswahn - Hans Schümann
I. VORWORT
Vor einem halben Jahr noch reagierten viele Menschen mit Desinteresse oder Unverständnis, wenn vor einem Nuklearkrieg gewarnt wurde. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist mittlerweile selbst in den Mainstream-Medien von dieser Möglichkeit die Rede.
Die Ukraine erhält ausgefeilte westliche Angriffs- und Raketensysteme und wird auf einen Sieg über Russland eingestimmt; derweil rüstet die deutsche Regierung drastisch auf und schafft neue amerikanische Atombomber an. Die russische Führung schließt im Falle einer existenziellen Bedrohung ihres Landes den Einsatz von Nuklearwaffen nicht aus, die Führung der amerikanischen Streitkräfte und NATO-Generäle erwägen Ähnliches.
Die Gefahr eines nuklearen 3. Weltkrieges wird immer wahrscheinlicher.
Einen ersten Text zu diesem Thema schrieb ich als einen skeptischen Zukunftsentwurf im Sommer 2014 nach dem von der US-Regierung koordinierten Regierungsumsturz in der Ukraine und der bald darauf als Gegenreaktion folgenden Eingliederung der Krim in russisches Staatsgebiet. In Form eines fiktiven Gespräches zwischen Bekannten wurden die Ursachen und Folgen eines Nuklearkrieges zwischen den USA und Russland von einem der Teilnehmer dargelegt, ebenso die globalen Folgen für das 21. Jahrhundert und ein kurzer Ausblick bis ins 24. Jahrhundert. Wie in einem kontroversen Gespräch üblich, machten die anderen Gesprächsteilnehmer Einwendungen oder reagierten mit Spott.
Im Dezember 2014 setzte ich diesen Text auf meiner Webseite www.hanschuemann.de ins Netz und veröffentlichte ihn mit einigen im Jahr 2015 geschriebenen Texten 2018 im Engelsdorfer Verlag in dem Buch „Fortschritt als moderne Ideologie".
Mittlerweile ist in Deutschland eine Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen an der Macht, die sich als Fortschrittskoalition bezeichnet. Sie bedient sich der seit vielen Jahrzehnten allgemein üblichen Fortschrittsvorstellungen, sie stilisiert sich als modern, progressiv, demokratisch, sozial gerecht und friedenssichernd.
Die Mär von laufender Innovation, wachsender Annehmlichkeit, Gerechtigkeit und künftiger Verbesserung hat lange in die Irre geführt. Sie hat viele aus den mittleren und unteren Schichten der sozialen Pyramide zum Einsatz für ein System motiviert, das seit einigen Jahrzehnten überaus deutlich vor allem der kleinen oberen Schicht dient.
Ebenso dürfte sich der naive Glaube an die Fata Morgana des unaufhaltsamen Fortschritts angesichts der massiven Aufrüstung und der Gefahr eines nuklearen Weltkrieges als absurd erweisen. Ein solcher Krieg wäre die bisher größte Vernichtung von Lebewesen und Sachwerten auf diesem Planeten. Wem sollen neue Atombomben und die jetzt georderten amerikanischen Atombomber Nutzen bringen, außer den führenden Personen des militärisch-industriell-politischen Machtapparates, den Großinvestoren und deren Politikern?
Statt zur Deeskalation und zu Friedensverhandlungen wird von führenden Politikern und den „Leitmedien" zu massiven Waffenlieferungen an die korrupte, undemokratische Regierung der Ukraine aufgerufen. Letztlich läuft es auf eine Kriegsbeteiligung gegen Russland hinaus. Die rotgrün-gelbe Regierung führt Deutschland statt in die 2021 verkündeten Verbesserungen in eine Konfrontation, die wie 1914 in einem Weltkrieg enden könnte. Wieder gegen Russland, diesmal allerdings dem US-Imperium hörig und gerüstet mit amerikanischen Atombomben.
Das in Kapitel II. Weltkriegs-Wahn von Februar bis Juni 2022 Geschriebene thematisiert zwar eingehend Ursachen und Verlauf des Ukraine-Krieges, dieser ist aber eingebettet in grundlegende Gedanken zum menschlichen Verhalten. Im mittleren Teil des Textes kommt der Krieg in der Ukraine zur Sprache, abschließend richte ich meine Aufmerksamkeit wie zu Beginn nochmals auf die mir wichtigeren Anliegen:
Warum Krieg, warum die Bereitschaft mitzumachen? Warum Unterordnung und die Bereitschaft, den Medien und der Regierung Glauben zu schenken? Welche tief liegenden Ängste liegen unserem Handeln zugrunde? Was motiviert die Bereitschaft, Autoritäten, mächtigen und einflussreichen Gestalten, insgesamt den Herrschenden Glauben zu schenken, ihnen gar in die Katastrophe zu folgen? Warum folgen viele der Mehrheitsgesinnung?
Offensichtlich werden tiefe, frühe Emotionen und Bindungsmuster wachgerufen, die zu Gefolgschaft verleiten unter den Begriffen „Wir, „unsere Gemeinschaft
, „unser Staat, „unsere Regierung
, „Wir gegen Putin". Es entstehen illusorische Gemeinsamkeiten, Bereitschaft zur Hingabe und auch Feindbilder. Letztlich liegen auch frühe evolutionäre Muster des Herdenverhaltens zugrunde.
Bei der Umkreisung dieser Fragen taucht der Begriff „Individuation auf. Eine nicht gelungene Individuation wird hier verstanden als eine nicht entfaltete, verkümmerte Eigenständigkeit und Unabhängigkeit – im Unterschied zu einer gelungenen Individuation unabhängiger, eigenständiger Einzelner. Letztere leben in herzlicher Verbundenheit, Nähe, Vertrauen und partnerschaftlicher Liebe mit anderen unabhängigen Einzelnen. Obgleich keinesfalls Gegner von Gemeinschaft, sind sie keinen kollektiven Gespinsten, keiner staatlichen „Wir-Illusion
und keiner Propaganda erlegen.
Kapitel III. gibt eine kurze Zusammenfassung meines 2014 geschriebenen skeptischen Zukunftsentwurfes. Da im Text unter Kapitel II. über Ursachen und Entwicklung des Ukraine-Krieges bereits etliches ausgebreitet wurde, geht es in diesem
Text nur mehr um die Zeit nach einem Nuklearkrieg und um einen Blick auf kommende Jahrhunderte.
II. WELTKRIEGSWAHN
Juni 2022
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 fragen sich besorgte Beobachter, ob ein atomarer Weltkrieg zwischen der US-geführten NATO und Russland daraus entstehen kann. Die Nuklearwaffen liegen bereit, sie sind modernisiert und verfeinert worden, allerdings wirkten in den ersten 50 Jahren nach dem Vernichtungswahn des 2. Weltkriegs im kollektiven Bewusstsein noch Kriegstraumata und Skrupel vor dem Einsatz solcher Waffen nach. Die beiden Weltmächte Sowjetunion und USA befanden sich in einem Gleichgewicht der Macht und der Zerstörungskapazitäten, sie ließen es bei Drohgebärden und lenkten bei der Türkei-Kuba-Krise 1962 ein.
Seit dem Ende der Sowjetunion und des Warschauer Paktes in den Jahren 1990/91 ist dieses Gleichgewicht der Macht nicht mehr gegeben, die erdrückende Vormacht der USA und ihrer NATO-Verbündeten wurde immer deutlicher. Statt die von Michael Gorbatschow und seinen Nachfolgern von russischer Seite angebotenen Beziehungen friedlicher Partnerschaft anzunehmen und eine europäische Friedensordnung in die Praxis umzusetzen, somit auch die NATO umzugestalten, wurde von der US-Regierung und ihren Verbündeten das genaue Gegenteil praktiziert. Es kam nicht nur zur Erweiterung