Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Aschermittwoch
Aschermittwoch
Aschermittwoch
eBook306 Seiten4 Stunden

Aschermittwoch

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Nach dem Rosenmontagsball wird die als Marilyn Monroe verkleidete Romy Seifert erstochen aufgefunden.
Kriminalhauptkommissar Kilian Frommelt glaubt, ein Gespenst zu sehen, denn die Tote hatte vor einer Stunde noch quicklebendig vor seinem Haus gestanden.
Nur stockend gehen die Ermittlungen voran und landen immer wieder in einer Sackgasse. Hat die verbitterte Veronika Färber, Romys beste Freundin, aus Eifersucht gemordet? Oder ist etwa Romys Ex Marc Bahrenhoff der Täter, weil Romy ein Kind von ihm erwartete? Doch dann schwebt auch Marc in Todesgefahr.
Und immer wieder taucht eine seltsame Frau mit Kopftuch und Sonnenbrille auf, die Romy einst sehr gut gekannt haben muss.
Kommissar Kilian Frommelt ermittelt wieder mit seinen Kollegen Hannah Seidlitz und Roland Bräuer und gerät in Verstrickungen um Eifersucht, verschmähte Liebe und Verführungen.
SpracheDeutsch
HerausgeberPlattini Verlag
Erscheinungsdatum12. März 2020
ISBN9783947706174
Aschermittwoch

Ähnlich wie Aschermittwoch

Titel in dieser Serie (3)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Aschermittwoch

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Aschermittwoch - Beate Winter

    Aschermittwoch

    Beate Winter

    1. Auflage 2019

    ISBN 978-3-947706-16-7 Taschenbuch

    ISBN 978-3-947706-17-4 E-Book

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de

    © Plattini-Verlag – Alle Rechte vorbehalten.

    https://www.plattini-verlag.de

    Lektorat: Silvia Hildebrandt - Reutlingen

    Umschlaggestaltung: Tom Jay - Gundelsheim

    Layout: Loredana Bursch - Erftstadt

    Konvertierung: Sabine Abels – www.e-book-erstellung.de

    Beate Winter

    Aschermittwoch

    Zum Buch

    Nach dem Rosenmontagsball wird die als Marilyn Monroe verkleidete Romy Seifert erstochen aufgefunden. Kriminalhauptkommissar Kilian Frommelt glaubt, ein Gespenst zu sehen, denn die Tote hatte vor einer Stunde noch quicklebendig vor seinem Haus gestanden.

    Nur stockend gehen die Ermittlungen voran und landen immer wieder in einer Sackgasse. Hat die verbitterte Veronika Färber, Romys beste Freundin, aus Eifersucht gemordet? Oder ist etwa Romys Ex Marc Bahrenhoff der Täter, weil Romy ein Kind von ihm erwartete? Doch dann schwebt auch Marc in Todesgefahr.

    Und immer wieder taucht eine seltsame Frau mit Kopftuch und Sonnenbrille auf, die Romy einst sehr gut gekannt haben muss.

    Kommissar Kilian Frommelt ermittelt wieder mit seinen Kollegen Hannah Seidlitz und Roland Bräuer und gerät in Verstrickungen um Eifersucht, verschmähte Liebe und Verführungen.

    Kapitel 1

    Kilian Frommelt schob die Bettdecke zur Seite und starrte auf den Wecker. Kurz nach sieben. Er hatte verschlafen. Mit einem Satz fuhr er hoch. Im gleichen Moment war es ihm, als ob eine ganze Kolonne Lastwagen unter seiner Schädeldecke entlangfuhr und ihn sofort wieder in die Kissen warf.

    Er kroch vorsichtig aus dem Bett, rückte die ausgelatschten Puschen gerade, schob sie sich umständlich über die Füße und schlappte in die Küche. Hier bereitete er die Kaffeemaschine vor und schlurfte dann ins Bad. Der müde alte Mann, der ihm mürrisch aus dem Spiegel entgegensah, gefiel ihm nicht. Dunkle Schatten unter den Augen, zerknittert und unrasiert. Die Blessuren auf seiner Seele sah man zum Glück im Spiegel nicht. Noch immer war er über die Trennung von Maren nicht hinweg. Obwohl es jetzt Birgit in seinem Leben gab. Er wusste, dass es Birgit gegenüber unfair war, noch immer in Gedanken bei Maren zu sein.

    Sollte er sich krank melden? Am gestrigen Abend mit Richard war mehr Alkohol im Spiel gewesen, als sie es geplant hatten. Seit seinem letzten Fall im vergangenen Jahr war Richard Wehmeier sein bester Freund geworden. Durch eine Verkettung von tragischen Umständen, die dessen Ziehsohn Fabian Hein verursacht hatte, wäre Richard fast wieder im Gefängnis gelandet.

    Normalerweise spielten sie sonntags Schach miteinander, doch Richard hatte an diesem Wochenende Fabian bei seinen Abiturvorbereitungen geholfen. Fabian Hein, der jahrelang glaubte, schuld am Tod seiner Schwester gewesen zu sein und mehrere Jahre in einer psychosomatischen Klinik verbracht hatte, entwickelte sich durch Richards Hilfe und Halt zu einem prächtigen jungen Mann.

    Frommelt versuchte, sich zu erinnern, wie viel Whisky sie getrunken hatten, kam aber zu keinem messbaren Ergebnis.

    Er stellte die Dusche an und zögerte.

    Maren. Sie lebte nun in Berlin. Viel zu weit fort, um sie, wie noch im vergangenen Jahr, hin und wieder zufällig auf der Arbeit zu treffen. Der einzige Vorteil war, dass er auch Staatsanwalt Hausmann, seinen ehemaligen Vorgesetzten, damit losgeworden war. Kurz nachdem sich Maren von ihm getrennt hatte, waren Maren und Hausmann ein Paar geworden. Dass Maren mit seinem Chef, dieser Dumpfbacke, ein Verhältnis begann, konnte er ihr nicht verzeihen. Im vergangenen Herbst war Hausmann zum Oberstaatsanwalt befördert worden und mit Maren nach Berlin gezogen.

    Je mehr Frommelt darüber nachdachte, dass Hausmann weitaus besser mit Maren harmonierte als er selbst, desto wütender wurde er. Champagner und Pellkartoffeln. Das hatte Maren gesagt, als er ihr erklärte, dass sie im Grunde gar nicht zusammenpassten. War alles noch schlimmer geworden, seit Maren fort war, oder hatte sich sein Gefühl für sie nur verlagert?

    Frommelt starrte noch immer auf den Wasserstrahl der Dusche und konnte sich nicht überwinden, hineinzusteigen. Vor seinem inneren Auge sah er Maren in Hausmanns Armen liegen. Zu diesem Zeitpunkt wäre er bereit, einen Mord zu begehen. Er sollte kündigen. Den Job hinschmeißen und Fensterputzer oder Müllmann werden.

    Wie er es fertig gebracht hatte zu duschen, wusste er nicht. Er fand sich vor der Kaffeemaschine mit einer leeren Tasse wieder, goss sich ein und starrte zum Fenster hinaus. Er besaß tatsächlich noch eine dieser altmodischen Filtermaschinen. Dieser Kapselkaffee wollte ihm beim besten Willen nicht schmecken und hatte immer diesen seifigen Nachgeschmack. Zudem ließ es sein Umweltbewusstsein, als ehemaliger Greenpeace-Aktivist, nicht zu. Da führen wir hier in Deutschland als erste Nation das Dosenpfand ein, um kurz darauf Kaffeekapseln zu erfinden, die noch mehr Müll verursachten, dachte er.

    Draußen waberten die Nebelschwaden etwa einen halben Meter über den kalten Boden, zogen über die Felder wie hauchdünne Schleier zarter Seide. Dumpf starrte er in die milchige Morgendämmerung. Der Garten vor seinem Haus war ungepflegt, seit Maren fort war. Er bezeichnete ihn als alternativen Wildgarten. Die Straße, eher ein befestigter Weg, der zu seinem Haus führte, wurde selten befahren. Hin und wieder ein Trecker, der zu den kargen Feldern im Moor unterwegs war, ansonsten verirrte sich kaum jemand hierher. Sein Haus lag als letztes in der Straße, der Nachbar zu seiner Linken war etwa zweihundert Meter entfernt.

    Er rieb sich die Augen. Hinter dem Weg, auf der mit Frost überzogenen Moorlandschaft, inmitten der anmutigen Nebelschleier, stand jemand. Die Gestalt sah irreal aus, wie ein Schemen; weiß gekleidet verschwamm sie fast mit dem Hintergrund.

    Litt er unter Halluzinationen? Er löschte das Licht in der Küche und trat näher ans Fenster. War es doch ein Whisky zu viel gewesen gestern Abend? Er kniff die Augen zusammen, als ob er so besser sehen könnte.

    Und wirklich, dort stand eine Frau. Die Nebelfetzen umwehten ihre nackten Beine, sodass er nicht erkennen konnte, ob sie Schuhe trug. Die Sonne versuchte gerade, die ersten morgendlichen Strahlen in den Tag zu werfen und das restliche Mondlicht ließ den Schnee silbern glänzen. Beim Anblick dieser bizarren Schönheit dachte Frommelt an eine Silberstatue. Von kaltblauem Licht beleuchtet schien nichts an ihr echt oder wirklich zu sein.

    Sie stand dort und bewegte sich nicht. Etwas an ihr erinnerte ihn an Maren, er konnte es nicht zuordnen. Das Gesicht der Frau erkannte er nicht, dafür stand sie zu weit entfernt. Ihre Haare schimmerten hell. Das Oberteil des Kleides war weit ausgeschnitten und schien im Nacken gebunden zu sein, der Rock war etwa knielang und weit geschwungen. Etwas befand sich unterhalb ihres Busens, es sah aus wie ein großer, dunkler Fleck. Was tat sie da draußen? Mitte Februar lief man bei diesen Temperaturen auf keinen Fall halbnackt herum.

    Er stellte seine Tasse ab, ging eilig auf den Flur und schnappte sich seinen alten Parka, den Maren schon mehr als einmal entsorgen wollte. Kurz vor ihrem Auszug hatte sie ausgemistet und er konnte den Parka gerade noch aus der Altkleidertüte retten. Er verhedderte sich im Ärmel, stellte fest, dass er dringend pinkeln musste und im gleichen Moment klingelte nebenan sein Handy. Halb im Parka steckend, rannte er ins Schlafzimmer, trat auf einen Zipfel der Jacke und wäre fast gestürzt.

    »Kriminalhauptkommissar Kilian Frommelt. Wer stört zu dieser beschissenen Zeit, zu der normale Menschen noch im warmen Bett liegen?«

    »Du mich auch. Einen wunderschönen guten Morgen, wünsche ich dir, lieber Kilian«, meldete sich sein Kollege Roland Bräuer. »Und jetzt schwing deinen Arsch hierher, wir haben eine Leiche.« Dann nannte er ihm den Fundort.

    »Lasset die Toten in Frieden ruhen. Sag mal, Bräuer, wie sprichst du denn mit deinem Vorgesetzten?«

    Bräuer machte eine seiner künstlichen Pausen und Frommelt bekam gerade noch mit, wie er sagte: »Jeder so, wie er es verdient.«

    Frommelt hastete durch den Flur zur Haustür, trat hinaus ins Freie und im gleichen Moment erinnerte ihn jedes einzelne Glas Alkohol vom vergangenen Abend an seine Existenz.

    Die Frau war fort. Frommelt schüttelte den Kopf, sodass ihm augenblicklich schwindelig wurde und ging wieder hinein ins Warme. Alles nur Einbildung, dachte er. Er schnappte sich den Autoschlüssel, rannte zu seinem Wagen und bevor er einstieg, begriff er, dass er unter seinem Parka nackt war.

    Frommelt stapfte den schmalen, schneebedeckten Weg entlang. Seinen Wagen hatte er auf dem Parkplatz in Knesebeck zwischen Schützenhaus und dem ehemaligen Getränkemarkt an der Wittinger Straße geparkt. Von weitem sah er das rotweiße Absperrband im Wind flattern, mit dem auf der anderen Seite des Flüsschens Knesebach ein großzügiges Rechteck abgesperrt worden war. Mittendrin wuselten die in weißen Overalls steckenden Kollegen vom Erkennungsdienst herum. Sie vermittelten einen recht merkwürdigen Eindruck auf dem schneebedeckten Untergrund, fast wie Yetis, die eine Art Tanz um einen lang dahingestreckten Gegenstand aufführten. Es hatte während der Nacht noch einmal geschneit, der Boden war gefroren und der Schnee knirschte unter seinen derben Winterschuhen. Er ging am Spielplatz vorbei und musste über den Bach, um zu seinen Kollegen zu gelangen. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf die mit Raureif überzogene Brücke, bedacht darauf, nicht auszurutschen. Er hatte keine Lust, sich hier nasse Füße zu holen. Wer wusste schon, ob das Geländer der Brücke oder die dünne Eisschicht im Bach seinem Gewicht standhalten würden.

    Frommelt sah sich um. Hohe Bäume standen am Rande der Wiese, der befestigte Weg führte geradeaus weiter bis zum Schützenhaus, die nächsten Häuser waren gut zweihundert Meter entfernt.

    Er hasste solche Augenblicke, jenen Moment, in dem er diesen toten Menschen zum ersten Mal in Augenschein nahm. Mühsam unterdrückte er ein Würgen und ihm fiel ein, dass er heute Morgen nichts gegessen hatte. Das war vielleicht auch ein Segen, denn den Kaffee allein wieder auszukotzen war wesentlich angenehmer. Er erkannte unter den emsig arbeitenden Personen Karina Wagenfeldt, die stellvertretende Leiterin der Kriminaltechnik. Johann Kramer, ihr Vorgesetzter, befand sich im Urlaub. Frommelt mochte Karina. Sie hatte eine angenehm warme Stimme und bedachte Bewegungen. Hektik schien ihr fremd zu sein. Ihre Gangart erinnerte ihn an die einer Raubkatze. Er ging näher, grüßte in die Runde und erntete allgemeines Kopfnicken. Jeder war in seine Arbeit vertieft und voll konzentriert.

    »Sie wurde erstochen«, sagte Karina und jetzt erst merkte Frommelt, dass er bereits neben ihr stand. Er hatte die ganze Zeit auf die Leiche der zierlichen Frau vor ihm gestarrt. Die blonden, etwa kinnlangen Haare standen wirr vom Kopf der Toten ab. Raureif bedeckte ihre Haut, und da gerade die Sonne durch einen Spalt der dunkelgrauen Wolken lugte, glitzerten die eisigen Kristalle wie Diamanten. Der Rock ihres weißen, dünnen Kleides lag ausgebreitet wie ein Fächer im Schnee, ein blutroter Fleck breitete sich unter ihrem Busen aus. Doch es war nicht der sonderbar bizarr-schöne Anblick dieser Frau, der ihn verwirrte. Genau diese tote Frau hatte gerade eben sehr lebendig bei ihm vor dem Haus gestanden. Doch Frommelt wohnte in Neudorf-Platendorf, knappe zwanzig Kilometer weit entfernt. Das konnte nicht sein. Fing er jetzt an zu spinnen? Sollte er das Saufen lassen, oder die Whiskysorte wechseln?

    »Hörst du mir zu, Kilian?« Das persönliche Du war unter den Kollegen der Polizei durchaus üblich. Nur in Anwesenheit von Außenstehenden siezten sie sich untereinander. Und um das zu bekräftigen, hatte er mit Karina auf der vergangenen Weihnachtsfeier Brüderschaft getrunken.

    »Äh, ja, natürlich, erstochen. Kannst du sagen, wann?« Er konnte sich kaum vom Anblick der Toten losreißen. »Den genauen Todeszeitpunkt muss der Rechtsmediziner feststellen, es sieht aber so aus, als liegt sie hier seit etwa fünf Stunden.«

    »Das kann nicht sein.« Das war ihm so herausgerutscht.

    Karina sah ihn neugierig an. »Kennst du die Tote?«

    Er schüttelte den Kopf. Wie konnte er ihr sagen, dass er sie vor einer knappen Stunde vor seinem Haus gesehen hatte? »Wer hat sie gefunden?«

    »Ein Spaziergänger. Er wohnt gleich dort drüben und ist hier mit seinem Hund unterwegs gewesen.«

    Schon wieder ein Hund, dachte Frommelt. Bei seinem letzten Fall war es auch ein Hundehalter gewesen, der die Leiche gefunden hatte und bei der Befragung hatte eine Stunde lang ein ausgewachsener Bernhardiner auf seinem Schoß gelegen.

    Frommelt hörte leises Knirschen hinter sich.

    »Er hat sofort die Notrufzentrale und den Rettungsdienst informiert. Die Wittinger Kollegen und der Notarzt waren innerhalb von zehn Minuten hier«, fuhr Karina fort.

    Bräuer kam mit seinem üblichen, seltsam wippenden Gang dazu. »Saukalt heute.« Dabei schlug er die Arme um seinen Körper. Er sah müde aus, aber sein gequälter Gesichtsausdruck konnte auch an der Kälte liegen. »Ich hab eben mit unserem Zeugen gesprochen, er wohnt hier in der Nähe, hat aber nichts Verdächtiges gehört oder gesehen. Bis auf heute Morgen, als er sie gefunden hat. Aber das ist auch kein Wunder, gestern war hier mächtig was los gewesen. Rosenmontagsball.«

    Frommelt nickte. »Wo ist Hannah?«

    Bräuer deutete mit dem Kinn zu den parkenden Dienstwagen neben dem Schützenhaus. »Die Tote hatte ihre Tasche dabei. Ausweis, Geld, Handy, Haustürschlüssel, alles da. Also kein Raubmord. Hannah überprüft gerade die Personalien. Die Tote heißt Romy Seifert, ist vierundzwanzig Jahre alt und wohnt in Wittingen am Zimmermannsplatz. Über dem alten Mini-Mal-Markt.«

    Karina räusperte sich kurz. »Wie Roland schon gesagt hat, es sieht nicht nach Raubmord aus. Wirklich viele verwertbare Spuren konnten wir noch nicht sichern, es hat in der Nacht geschneit und es sind viele Leute hier herumgelaufen.«

    »Kann ich ihr Handy haben?«

    »Im Moment noch nicht. Wir müssen erst die Spuren darauf sichern und die Daten auswerten. Aber ich habe etwas anderes für dich.« Karina hielt ihm die geöffnete Hand hin. Darauf lag eine silberne Kette in einem Aservatenbeutel.

    »Was ist das?«, fragte Frommelt.

    »Nach was sieht es denn aus? Deine Frage hätte lauten müssen: Woher hast du diese Kette? Aber um deine ungestellte Frage zu beantworten: Es scheint sich um Silber zu handeln und die Tote hatte sie um den Hals. Der Anhänger sieht aus wie eine Doppelaxt. Allerdings war der Verschluss offen, die Kette also nur um den Hals gelegt."

    Karina war ihm heute Morgen viel zu kompliziert. »Und was bedeutet das?«

    »Das bedeutet, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sich unser Opfer diese Kette kurz vor ihrem Tod selbst umgelegt hat.«

    »Also könnte das der Täter gemacht haben?«

    »Möglich wäre es.«

    »Danke, Karina. Du hältst mich auf dem Laufenden?«

    »Aber sicher doch, mein Lieblingskollege.«

    Frommelt nickte und grinste in sich hinein. Er hatte schon des Öfteren gehört, dass Karina ihre Kollegen so betitelte. Und alle fühlten sich geschmeichelt.

    Hannah kam zu ihnen herüber. Sie wirkte frisch und ausgeschlafen, wie immer. Frommelt fragte sich stets, wie sie das fertigbrachte. Selbst nach der Weihnachtsfeier, die bis drei Uhr früh gedauert hatte, war sie morgens um neun Uhr topfit gewesen, während er sich einen starken Espresso nach dem anderen einverleibte und nicht annähernd wach wurde.

    »Hallo, guten Morgen, Kilian. Na, mal wieder durchgemacht?«

    Dass sie ihm seine Sauftouren immer ansehen musste. Hannah senkte den Kopf, trotzdem sah er, dass sie grinste. »Wer bringt eine Marilyn Monroe um?«, fragte sie jetzt erst.

    Das war es also, was ihm so bekannt vorkam und was er mit seiner Exfrau in Verbindung brachte. Maren hatte die Filme mit der Monroe geliebt und tat es wohl noch heute, nur mit dem Unterschied, dass sich jetzt Hausmann diese Schmachtfetzen mit ihr ansehen musste. »Hat jemand die Staatsanwaltschaft informiert?«

    Hannah nickte. »Ich hab Frau Grevenbach eben auf dem Handy erreicht und kurz über den Fall informiert. Sie meinte, wenn sie es schafft, dann kommt sie noch her. Sie hatte sich eigentlich Urlaub genommen, aber Staatsanwalt Karminski, der sie vertreten sollte, hat sich eine heftige Grippe eingefangen.«

    Frommelts Frage war eine reine Floskel, denn im Grunde war er froh über ihre Abwesenheit. Bislang hatten sie erst in zwei Bagatellfällen miteinander gearbeitet und er konnte nicht begründen, warum er Hausmanns Nachfolgerin, Staatsanwältin Grevenbach, nicht leiden konnte. Hannah unterbrach seine Gedanken: »Sie klang auch nicht so ganz frisch, vielleicht war sie ja auch auf einer dieser Karnevalsfeiern. Zurzeit ist ja Hochsaison.«

    Frommelt fand dieses Karnevalsgehabe ziemlich übertrieben, er feierte viel lieber allein, mit seinem Freund Jack Daniel's. Als Ausnahme kam noch Richard Wehmeier infrage. Er fasste sich an den Kopf, diese verfluchten Schmerzen wollten nicht aufhören. »Was wollte sie von mir und warum liegt sie hier?«

    »Kilian?«

    Er hatte tatsächlich laut gedacht. »Ach, vergiss es. Und die Grevenbach kann gern auf unseren Bericht warten, das tun die sonst auch. Denen von der Staatsanwaltschaft war die Fahrt von Hildesheim bis zu uns in die Provinz doch immer zu weit gewesen.« Er ging einige Schritte weiter.

    Hannah kam ihm nach. »Kilian, was ist los mit dir? Warum bist du so gereizt?«

    Frommelt deutete mit einem Kopfnicken auf die Tote. »Ich hab sie heute Morgen gesehen. Sie stand in genau diesem Kleid auf der Wiese vor meinem Haus. Ich hab sie vom Küchenfenster aus beobachtet.«

    »Wann war das?«

    »Gleich nach dem Aufstehen, so gegen sieben.«

    »Das kann nicht sein, Kilian, sie ist bereits seit fünf Stunden tot.«

    Bräuer, der kurz mit einem Kollegen gesprochen hatte, kam neugierig näher.

    »Ich bilde mir das doch nicht ein. Ich hab sie gesehen, die gleiche Figur, blonde Haare und diesen dunklen Fleck auf dem Kleid auch. Ich wollte gerade raus, um sie zu fragen, was sie von mir will, da hat Roland angerufen und anschließend war sie weg.«

    »Du solltest nicht so viel saufen. Wann hast du das letzte Mal Urlaub gemacht?« Hannah drehte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, um und ging davon.

    Veronika Färber räumte das Geschirr in die Spülmaschine. Marc stand hinter ihr, das wusste sie. Sie fühlte seine Anwesenheit, auch wenn sie ihn nicht sah. Immer noch zögerte sie. Bislang hatten sie kein Wort miteinander gesprochen und sie wollte heute Vormittag nicht den Anfang damit machen, auch wenn es ihr auf der Seele brannte. Müde rieb sie sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. Die vergangene Nacht war viel zu kurz gewesen, erst nach vier hatte sie im Bett gelegen und sich noch lange herumgewälzt, bis sie endlich eingeschlafen war. Zu viele Gedanken über den gestrigen Abend waren ihr durch den Kopf gegangen.

    »Was soll das, Veronika?«

    Sie spürte Marcs Atem in ihrem Nacken und war froh, dass er nachgegeben hatte.

    »Bitte, Vero, ich habe dich nicht betrogen, ich habe sie doch überhaupt nicht gesehen.«

    Veronika drehte sich schwungvoll um. »Ach nein? Und weshalb hast du schon vor der Halle gewartet, kurz nachdem ich dich angerufen habe? Du hättest diese Strecke in der kurzen Zeit niemals schaffen können.«

    Marc stand bereits fertig in Anzug und Mantel in der Küche, sah sie zerknirscht an. »Vero, ich muss zur Arbeit.«

    Sie schmiss die Messer, die sie noch in der Hand hielt, in die Spüle und rannte an Marc vorbei. Er versuchte, sie am Arm festzuhalten, doch sie riss sich los.

    »Warum immer sie? Ich weiß, dass ich nicht besonders gut aussehe, aber habe ich nicht das Recht, dass man fair mit mir umgeht?«

    »Das tue ich doch. Du musst dich mit der Zeit vertan haben. Ich bin wirklich erst kurz vor halb vier angekommen. Ich bin mit dir zusammen, Vero, alles andere ist längst vorbei, ich dachte, du wüsstest das. Vertraust du mir nicht?«

    »Wir waren Freundinnen und die erzählen sich so einiges.«

    »Wieso waren?«

    Veronika drehte sich um, rannte aus der Küche und schmiss die Tür mit einem Knall hinter sich zu.

    Bräuer saß schon an seinem Schreibtisch, als Frommelt im Büro eintraf. Am Fundort der Leiche hatten sie sich umgesehen und wurden dort nicht weiter gebraucht. Den Bericht der Technik würden sie schnellstmöglich erhalten, dessen war er sich sicher. Und die Wohnung von Romy Seifert würden sie sich ansehen, sobald die Kollegen des Erkennungsdienstes dort fertig waren, denen wollten sie nicht vor den Füßen herumlaufen. Wenn sie überhaupt so nahe kämen. Die uniformierten Kollegen aus Wittingen befragten weiter die Bewohner der umliegenden Häuser in Knesebeck und suchten mögliche Zeugen.

    Bräuer wühlte sich stets mit Akribie in den jeweiligen Fall hinein. Davor hatte Frommelt größten Respekt. Es hatte sich im Laufe der Jahre, in denen sie im Team zusammenarbeiteten, erwiesen, dass Frommelt sich hin und wieder verrannte und Bräuer derjenige war, der den Überblick behielt. Und auch wenn sein Kollege manchmal mit seiner besserwisserischen Art nervte, Frommelt mochte ihn. Er war stets bereit, anderen Kollegen zu helfen und murrte nie, wenn Überstunden anstanden. Roland war ihm ans Herz gewachsen, obwohl er ihm das niemals erzählen würde.

    »Na, habt ihr ein neues Auto gefunden? Ihr wolltet doch gestern noch mal los?«, fragte Frommelt. Seit über einem Jahr suchten Bräuer und seine Frau Silke nach einem neuen Familienauto, weil ihr alter Passat in die Jahre gekommen war und unter massiven Altersbeschwerden litt.

    »Hör bloß damit auf, Kilian. Ich werde noch wahnsinnig. Wir kennen mittlerweile alle Autohäuser und Gebrauchtwagenhändler im Umkreis von zweihundert Kilometern. Und nirgendwo ist auch nur annähernd ein Wagen dabei, der der Gnädigsten gefallen könnte und den ich auch bezahlen kann. Am Samstag ist sie die ganze Zeit um einen einjährigen Touran herumgeschlichen. Ich musste fast Gewalt anwenden, um sie davon wegzukriegen. Wie soll ich den denn bezahlen und wie viele Überstunden müsste ich dafür machen? Und Marvin hat nur gequengelt. Der ist schon wieder erkältet. Ich hab ihn die ganze Zeit auf dem Arm getragen. Weißt du eigentlich, wie schwer so ein vierjähriger Junge sein kann? Ich hoffe nur, dass Silke die Rotzflecken aus meiner Jacke wieder rauskriegt.« Es war selten, dass Roland Bräuer so viel Privates über sich erzählte. Es musste sich ziemlich viel in ihm angestaut haben. Da verzieh ihm Frommelt gerne den schnodderigen Ton bei dem Anruf frühmorgens. »Und was ist mit dir? Du siehst auch nicht gerade aus, als hättest du in Jungbrunnenelixier gebadet. Was meintest du vorhin eigentlich damit, dass du die Tote heute Morgen vor deinem Haus gesehen hast?«

    »Das ist wirklich seltsam. Ich hab grad Kaffee gekocht und aus dem Küchenfenster geschaut, weil ich wissen wollte, ob es wieder geschneit hat. Und genau gegenüber auf der Wiese sehe ich jemanden. Die Frau hatte das gleiche weiße Kleid an, mit dem dunklen Fleck an genau der gleichen Stelle. Wie unsere Leiche. Kurz bevor du mich angerufen hast, wollte ich rausgehen und nachsehen. Anschließend war sie verschwunden.« Frommelt wühlte in den Schubladen seines Schreibtisches herum und tatsächlich fand er ein Aspirin.

    »Kilian?«

    »Hm?«

    »Du solltest nicht so viel saufen.«

    »Japp. Ich merke, wir sind ein perfektes Team. Hannah sagte vorhin das Gleiche.«

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1