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Avas letzter Tanz: Ein Ostsee-Krimi
Avas letzter Tanz: Ein Ostsee-Krimi
Avas letzter Tanz: Ein Ostsee-Krimi
eBook302 Seiten4 Stunden

Avas letzter Tanz: Ein Ostsee-Krimi

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Über dieses E-Book

Lisa Liebich hat es nach Berlin verschlagen, wo sie im Landeskriminalamt neue Erfahrungen sammeln kann.
Doch nicht nur beruflich, sondern auch privat wagt sie sich an neue Herausforderungen: einen Tango-Tanzkurs. Als einer der Tänzer zusammenbricht, befindet sie sich plötzlich mitten in ihrem nächsten Fall.

Sie weiß: Das Böse verschanzt sich allzu oft hinter der Maske der Täuschung und gibt sich den Anschein des Guten …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. Feb. 2022
ISBN9783948972639
Avas letzter Tanz: Ein Ostsee-Krimi

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    Buchvorschau

    Avas letzter Tanz - Marion Petznick

    Marion Petznick

    Avas letzter Tanz

    Ostsee-Krimi

    Verlagslogo
    Ostsee-Krimi

    Inhaltsverzeichnis

    Avas letzter Tanz

    Widmung

    Prolog

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    23. Kapitel

    Epilog

    Personen

    Persönliche Worte

    Danksagung

    Die Autorin

    Impressum

    Orientierungsmarken

    Inhaltsverzeichnis

    »Tanze und dein Körper wird die Seele

    vom Geist befreien.«

    Unbekannt

    Alle agierenden Personen, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen ist rein zufällig.

    Prolog

    Beide bewegten sich fast allein auf der großen Tanzfläche im roten Salon der Villa El Gato. Leidenschaftlich und hingebungsvoll wie kaum jemand vor ihnen. Vor wenigen Minuten hatten sie große Mühe, den langen Schritten ihres Tanzes gerecht zu werden, so eng war es auf der Tanzfläche. Tango war beliebt und machte in der Villa am Rande der Stadt nicht halt. Erst nach Mitternacht wurde es ruhiger, wenige Paare blieben und ihre Zeit begann. Sie tanzten durchdrungen von dem Gefühl, sich dem anderen hinzugeben. Selbst der nun ausreichende Platz hielt sie nicht ab, ihre Körper fest aneinander zu schmiegen. Die Musik saugten sie wie im Rausch mit allen Sinnen auf. Die Frau ließ sich fallen, um sich gleich wieder eng an ihn zu schmiegen. Lange, schleichende Gehschritte wechselten sich mit kleinen, zackigen Bewegungen ab. Die waren zwar fließend, doch manche wirkten abgehackt. Das ruhige Dahingleiten ihrer Oberkörper stand im Gegensatz zu den ruckartigen Drehungen der Köpfe, die eine kühle Leidenschaft voller Distanz ausdrückten.

    Wer die Beine des Tanzpaares betrachtete, sah die gleichmäßigen Schritte und würde meinen, dass nicht nur diese Beine eine Einheit zwischen ihnen bildeten. Der Rumpf blieb ruhig, doch ihre Haltung verriet mehr. Der Mann führte seine Partnerin mit dem gesamten Körper. Dabei nutzte er nur den rechten Teil seines Brustkorbes und Beckens. Mit seinen Armen gab er den Rahmen, in dem sich seine Partnerin verlässlich bewegen konnte. Sie blieben ganz bei sich. Zwei Seelen verschmolzen wortlos mit der Musik, zwei Herzen, die synchron schlugen, und die Umgebung existierte für sie nicht mehr. Er hatte mit vielen Frauen, auch Männern getanzt. Bei ihnen waren es immer nur lange Schritte, die sie miteinander tanzten. Mit ihr dagegen erlebte er zum ersten Mal die besondere Erotik des Tangos. Ihm reichten nur wenige Minuten, dann war ihm, als kenne er sie seit vielen Jahren. Nie zuvor hatte er ein so starkes Gefühl erlebt; sich völlig im Tanz zu verlieren. Er nahm ein Gefühlchaos mit nach Hause.

    Anstatt die wertvollen Erlebnisse als Momente des Augenblicks anzunehmen und zu genießen, spürte er die einzigartige Intimität zwischen ihm und dieser Frau.

    Bereits während der ersten Schritte schlangen sich zuerst die Beine umeinander, dann ihre Körper. Das waren schnell keine Anfängerschritte mehr.

    Seit Monaten gelang es ihm nicht mehr, einfach aufzuhören oder nur eine einzige Nacht ausfallen zu lassen. Das wäre weit mehr als nur verlorene Tanzstunden. Ein Tag ohne sie würde in ihm eine Leere zurücklassen, die durch nichts anderes gefüllt werden konnte. Sie ahnte seine aufgewühlten Gefühle, doch es gelang ihr von Mal zu Mal besser, die Gedanken an sein erotisches Verlangen von sich zu weisen. Es gab Nächte, in denen er sie besonders spüren ließ, wie groß seine Sehnsucht war. Dem stillen Beobachter entging kaum der hungrige Blick des Mannes. Sie selbst bekam seine Lust zu spüren. Ihr gelang es, diese Erfahrung gut zu verdrängen, und ihre Befürchtungen wischte sie einfach weg. Sie beruhigte sich damit, dass sein Begehren allein ihren Bewegungen galt.

    Der Mann fühlte anders. Er wollte sie ganz und gar, sein Wunsch, sie zu besitzen, wuchs mit jedem Tanz. Einmal blieb sie für einige Abende weg, doch er fand sie wieder. Sofort spürte er, wie die Musik den gesamten Raum mit ihren melancholischen Klängen übergoss. Ein Zauber, von dem er wusste, dass er nur vom Tango ausging. Dieser Zauber wirkte täglich ein bisschen mehr, sobald sie die Tanzfläche betraten und die rot-bläulichen Lichter mit den Klängen der Musik verschmolzen. Der Rhythmus floss von selbst in ihre Beine. Eine Stimmung, die er früher einmal erlebt hatte, berührte seine Seele. Er wusste, dass nur sie ihn mit ihrer Sinnlichkeit retten konnte.

    Der frühe Morgen brach an, ohne dass die beiden den nahenden Tag überhaupt bemerkten. Erste Lichtstrahlen schimmerten durch die großen Fenster der Villa. Sie ließen das rot-bläuliche Licht im Raum flacher erscheinen. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis der letzte Ton sie beide in den kühlen Morgen entließ. Auch heute verabschiedete sie ihn in den frühen Morgenstunden mit den lapidaren Worten: »Es ist früh, ich muss mich beeilen.« Weg war sie.

    Für sie war es nur ein Spiel, in dem sie und dann wieder er sich fallen ließen. Ein Spiel, in dem es nur Gewinner zu geben schien. Zumindest sah es von außen so aus. Dabei wünschte er sich täglich aufs Neue, ihr gemeinsamer Tanz möge nie zu Ende gehen. Jede Nacht träumte er von der Fortsetzung des Tanzes bei sich zu Hause. In seinen Träumen empfing er sie dort, gierig und immer mit demselben Lied: »Dance me to the End of Love«.

    Die Wahrheit war anders: Er ging jeden Morgen allein nach Hause. Dort hatte er, bevor er ins El Gato gefahren war, allerhand vorbereitet, wie an jedem Abend. Selbst in der Realität lag immer dieser Titel von Leonard Cohen bereit. Er brauchte nur die On-Taste drücken und das Lied ertönte. Sie tanzte besonders gern zu solcher Musik. Das wusste er. Er hatte gespürt, wie leicht sie sich, während das Lied erklang, von ihm führen ließ oder sich selbst traute, zu improvisieren. Das gab ihm Hoffnung, sie einmal bei sich zu Hause zu empfangen. Dort stand Mate-Tee bereit, der anregend wirkte und zugleich beruhigend. Der Tee brauchte nur erwärmt zu werden. Seine Lieblingsvariante war es, ihn mit Milch oder Zimt zu trinken. Für sie beide würde er ihn mit feinstem Rum zubereiten. Sie würde mit einem kleinen Schwips wild und lustvoll mit ihm tanzen. Und vielleicht …?

    Jedenfalls würde er ihr zeigen, dass sein Führungsstil zur Vollendung gebracht werden konnte. Ihre vollkommene Hingabe würde seine Erfüllung bedeuten.

    Erneut blieb er mit seiner Sehnsucht allein. Ging enttäuscht nach Hause, trank seinen Mate-Tee ohne Alkohol, nur mit Milch. Er sinnierte vor sich hin, wie anders alles wäre, wenn …

    Schnell mahnte er sich, beim nächsten Tanz offensiver vorzugehen. Er würde endlich mit ihr sprechen. Nur einige Stunden später lag er noch immer wach in seinem Bett und spürte seinen sehnsuchtsvollen Gefühlen nach. Einerseits hatte der Tanz all seine Sinne beflügelt, andererseits lag er nun da und fand keinen Schlaf. Oh, wäre sie in diesem Moment bei ihm!

    Die Tage rauschten an ihm vorbei und jeder Tag, der ging, weckte tiefere Begehrlichkeiten in ihm. Bisher hatte er sich nicht getraut, sie direkt auf seine Wünsche anzusprechen. Manchmal dachte er, seine fordernden Worte könnten sie erschrecken. Dann wäre sie vielleicht für immer verloren. Sie war so zart, beinahe zerbrechlich, und stark zugleich. Je öfter sie tanzten, desto abweisender zeigte sie sich ihm hinterher. Ihre Kühle, kaum dass der letzte Ton verklungen war, zerriss ihm fast das Herz.

    Seit einigen Tagen entfernten sich seine Gefühle ihr gegenüber in eine andere, eine fremde Richtung.

    1. Kapitel

    Lisas erster Tag in Berlin

    Die Zeit verging wie im Flug. Obwohl die monotone Landschaft in einem zartweißen Kleid steckte, zeigte sich an manchen Orten bereits der Frühling.

    Gerade mal zwei Stunden hatte der Zug benötigt, um den schmucklosen, dafür aber riesigen Bahnhof zu erreichen. Sie hatte zwar in einem Bericht von seinem Bau und der bemerkenswerten Konstruktion auf verschiedenen Ebenen gehört, doch das gesamte Ausmaß des Bahnhofs in natura zu erleben, hinterließ einen wirklich starken Eindruck. Aber da war auch wieder die Anonymität zu spüren, die riesige Bahnhöfe in fremden Städten meist bei ihr auslösten. Früher war sie in Berlin auf dem Ostbahnhof angekommen, damals war die Stadt noch in Ost- und Westberlin geteilt, und den Hauptbahnhof gab es nicht. Sie erinnerte sich daran, wie lange das schon zurücklag. Es waren über dreißig Jahre.

    Als Lisa auf ihre Uhr sah, stellte sie zu ihrer Freude fest, dass der Zug pünktlich war. Damit konnte sie die Verabredung mit Dr. Walter Althaus von ihrer Seite aus problemlos einhalten. Kaum auf dem Bahnsteig angekommen, lief sie den Bahnsteig entlang und dachte an Max. Eigentlich war er es, der sie abholen wollte!

    Inzwischen am Ausgang angekommen, hatte sich auch ein Bild von Dr. Walter Althaus in ihrer Vorstellung breitgemacht. Einmal hatte sie ihn während einer Besprechung in Rostock gesehen.

    Und jetzt erkannte sie ihn, den großen Mann mit den wenigen Haaren, der genau wie sie nach jemandem Ausschau hielt. Lisa kam näher und erkannte in ihm den Mann vom Landeskriminalamt, der sie abholen wollte. Er lächelte ihr zu, als er merkte, dass sie direkt auf ihn zulief.

    Althaus begrüßte Lisa: »Ich werde Sie am Anfang unter meine Fittiche nehmen. Gewissermaßen bin ich verantwortlich für Sie. Schließlich war ich es, der für die Dienstreise in Ihrem Kriminalkommissariat Rostock geworben hat.« Gut gelaunt fügte er hinzu: »Jemand muss Sie durch den Dschungel der Großstadt führen.«

    Lisa bemühte sich zu lächeln. »Danke, dass Sie sich extra meinetwegen herbemüht haben.«

    »Sie wissen ja, das war anders geplant, der Schlüssel sollte im Nachbarhaus hinterlegt werden, aber ich wollte Sie gleich von Anfang an wissen lassen, dass wir uns auf Sie freuen.«

    Lisa fand das zwar nett, hatte aber bereits am Telefon nur ungern seinem Wunsch nachgegeben, sie abzuholen. Spätestens als sie den Hörer aufgelegt hatte, hatte sie ihre Zusage bereut. Max wollte sie natürlich auch vom Zug abzuholen. Ihre Bekanntschaft von der Graal-Müritzer Seebrücke hatte sie seit dem Kennenlernen nicht wiedergesehen. Ihm hatte sie nun absagen müssen und sich erst für den späten Abend zum Essen mit ihm verabredet. Zwar standen sie im regelmäßigen Kontakt mit allen technischen Hilfsmitteln, die es so gab, aber das konnte in keinem Fall eine persönliche Begegnung ersetzen. Desto mehr freute Lisa sich jetzt, dass sie ihre Dienstreise mit dem Wiedersehen verbinden konnte.

    Der Kollege vom Landeskriminalamt zeigte sich vom ersten Augenblick an aufmerksam und galant. Das hatte Lisa ihm so gar nicht zugetraut. Als er vor mehreren Wochen bei ihnen im Rostocker Kommissariat zu Besuch war, hatte er sich eher spröde und kurz angebunden gezeigt.

    Walter Althaus brachte sie in die Reichsstraße, dort sollte ihre künftige Bleibe für die nächsten zwei Wochen sein. Bei ihren Recherchen hatte Lisa herausgefunden, dass die Wohnung im Bezirk Charlottenburg liegt.

    Althaus und sie waren vor einem ansehnlichen Bürgerhaus in einer quirligen Einkaufsstraße angekommen, aber ihr zu Hause würde es natürlich keinesfalls ersetzen.

    Großstadt. Das bedeutete Kontrastprogramm zu ihrem beschaulichen und ruhigen Graal-Müritz und sie überlegte, ob sie sich überhaupt in Berlin wohlfühlen würde. Schnell wischte sie den Gedanken weg, schließlich war sie zum Arbeiten hier, um Neues zu erfahren und mal über den Tellerrand zu schauen. Und dann war da vor allem Max, den sie gleichzeitig besser kennenlernen würde. Wohl auch deshalb war ihr die Entscheidung für Berlin relativ leichtgefallen. Nach diesen vierzehn Tagen würde sie garantiert sicherer in ihrer Meinung sein und erfahren, ob der Mann wirklich so gut zu ihr passte, wie es bis jetzt den Anschein hatte.

    Walter Althaus überreichte Lisa einen Stadtplan mitsamt einem bunten Blumenstrauß. Sie war nicht nur überrascht, sondern erkannte darin eine besonders aufmerksame Geste. Demnächst würde sie sich wohl einige plausible Gründe einfallen lassen müssen, falls er weitere Überraschungen bereithielt, die ihre Zeit beanspruchten. Sie wollte ihn aber auf keinen Fall verletzen. Die Einladung für ein Abendessen an diesem ersten Abend konnte sie jedenfalls geschickt abwehren. Falls er wieder eine Einladung aussprechen sollte, musste sie gut vorbereitet sein. Gleich am nächsten Tag wollte sie ihm durch die Blume mitteilen, dass sie nach der Arbeit gern allein blieb, außerdem war sie daran tatsächlich seit Jahren gewöhnt.

    Wenige Minuten später stand Lisa in dem fremden Hausflur, der von innen genau wie von außen bewies, dass er eine Menge Jahrzehnte hinter sich hatte. Eine massive Holztreppe mit gedrechselten Geländestäben, die antiken Säulen nachempfunden waren, hielt sofort ihren Blick gefangen. Der Baustil ließ sich nicht mit dem der Küste vergleichen, der meist sachlich kühl und vor allem zweckmäßig war. Natürlich gab es auch entlang der Ostseeküste Orte im typischen Bäderstil, die mit Jugendstilornamenten versehen waren. Diese Häuser waren mit maritimem oder floralem Muster verziert und die Fassaden meist weiß getüncht. Deshalb wurden diese Kurbäder wie beispielsweise Heiligendamm auch »weiße Perlen« genannt.

    Lisa betrat ab jetzt wohl in jeglicher Hinsicht Neuland. Nachdem sie sich in der kleinen möblierten Zweiraumwohnung umgesehen hatte, stellte sie zufrieden fest, dass diese zweckmäßig und auf dem neuesten Stand eingerichtet war. Die Modernität hatte sie so nicht erwartet. Außerdem gaben die großen Fenster einen grandiosen Blick auf die bunte Geschäftsstraße preis. Hier würde sie alles finden, was sie täglich brauchte. Sie dachte spontan an eine Shoppingtour, die sich garantiert lohnen würde. Wie lange hatte sie das nicht mehr getan?

    Ihre wenigen Sachen waren schnell in der kleinen Wohnung verstaut. Alles war übersichtlich angeordnet und sie fand sich schnell zurecht. In der Küche stand repräsentativ ein Kaffeeautomat bereit, der sie förmlich dazu aufforderte, einen Latte Macchiato auf ein genussvolles Ankommen zu trinken. Eine gute Idee, fand Lisa, und der frisch gebrühte Kaffee brachte auch ihre gewohnte innere Ruhe zurück. Doch auf einmal musste sie an die Rostock-Kollegen denken. Sie hatte versprochen, sich zu melden, sobald sie in Berlin angekommen war.

    Gedanken an Silke Peters kamen hoch, die auf einmal so präsent wurden, dass Lisa sie nicht mehr loswerden konnte. In der kurzen Zeit bei der Kripo hatte sie eine Menge gelernt. Vor allem wurde ihr dabei oft deutlich vor Augen geführt, dass sich das Böse meist hinter der Maske der Täuschung verschanzte und manchmal sogar den Anschein des Guten gab.

    Lisa zögerte nicht, sie wählte die Nummer des Kommissariats in Rostock. Wenig später ertönte auch schon die Stimme von Jens, dem Technikspezialist in ihrem dortigen Team. Er war so schnell am Telefon, dass Lisa spontan meinte: »He Jens, du hast wohl auf meinen Anruf gewartet?«

    »Lisa, du? Na ja, nicht direkt gewartet. Doch gut, dass du dich meldest. Du weißt, bei uns ist immer eine Menge los. Wir erwarten den Rückruf der schwedischen Kollegen. Silke Peters wurde in einem Ferienhaus in Sundsvall aufgegabelt. Als sie dort ankam, erwartete die schwedische Polizei sie bereits vor der Tür. Sie zeigte sich kooperativ und weigerte sich nicht, mitzukommen. Die Beweise, die in Verbindung mit dem von ihr geplanten und durchgeführten Mord standen, waren zu erdrückend. Wenig später erzählte sie den schwedischen Kollegen die ganze Geschichte. Schonungslos alles, was es zu dem Anschlag zu sagen gab! Ich organisiere gerade ihre Rückführung nach Deutschland.«

    »Das war von dieser Frau kaum zu erwarten gewesen, aber Ausreden und eine weitere Flucht machten wohl keinen Sinn mehr.«

    »Genau. Sowie sie in Deutschland ist, wird sie dem Haftrichter vorgestellt.«

    »Das sind sehr gute Nachrichten und wir können damit den Fall ›Die Last der Lust‹ endgültig zu den Akten legen.«

    »Mich freut vor allem, dass Silke Peters endlich dorthin kommt, wo sie schon längst hingehört.«

    »Mir fällt Lutz Wolf ein. Was ist eigentlich mit ihm? Der ist ja nicht weniger gefährlich und hat mindestens genauso viel kriminelle Energie bewiesen wie die Peters. Konnte ihm neben der Beteiligung bei der Entsorgung der Leiche noch mehr bewiesen werden?«

    »Es hat sich gezeigt, dass der Mann viel mehr auf dem Kerbholz hat als den Missbrauch der Frauen. Enno hatte ja angedeutet, dass erst durch Wolfs kräftigen Würgegriff die Frau zu Tode kam.«

    »Und war das tatsächlich so?«, hakte Lisa nach.

    »Ganz klar sogar. Der erhält genau wie Catrine Schreiber eine gesonderte Einladung vom Gericht, aber er wird nicht so viel Glück haben wie sie. Sie wird mit einer Bewährungsstrafe relativ milde bestraft. Was den Wolf betrifft, dem konnten wir neben Beihilfe einiges mehr nachweisen. Die schwer verletzte Frau aus dem Krankenhaus ist nicht die Einzige, die den Mann klar wiedererkannt hat. Eine weitere Frau hat sich heute gemeldet, die Spitze des Eisberges ist sicher noch nicht erreicht.«

    »Dann hat er mindestens genauso viel, wenn nicht sogar weitaus mehr Schuld am Tod der Frau als die Peters.«

    »So sieht es aus.«

    »Doch ehe die befragt werden, dauert es bestimmt, und ich werde längst zurück sein, um mir das aus der Nähe anzusehen. Jetzt will ich nicht länger die Leitung blockieren und rufe besser morgen an. Bestell den anderen einen lieben Gruß. Bei mir ist alles soweit okay. Bin schon gespannt auf den ersten Tag im LKA.«

    »Das kann ich mir gut vorstellen. Halt uns weiter auf dem Laufenden. Wir sprechen später mehr. Die anderen grüße ich.«

    Lisa legte auf. Es erschien ihr unwirklich, mit dem Kollegen aus der Ferne zu sprechen.

    Inzwischen war es kurz vor 17 Uhr. Beim ersten Date mit Max in seiner Stadt wollte sie ihn auf keinen Fall warten lassen. Er hatte für 18.30 im Ristorante Piccolo Mondo einen Tisch reserviert. Bei ihrem letzten Telefonat hatte Max gemeint, dass das der beste Italiener weit und breit sei und es mehr als ein Zufall sein müsse, dass sie ausgerechnet in der Nähe seines Lieblingsrestaurants ihre Wohnung bezogen hatte.

    »Das kann nur ein gutes Omen für uns beide bedeuten«, hatte er hinzugefügt. Er selbst lebte im Westend, das ein paar Querstraßen von der Reichsstraße entfernt lag.

    Gewissermaßen fügte sich alles zum Besten. Lisa wollte nur rasch duschen und überlegte, was sie anziehen sollte. Sie wusste, was sie nicht wollte: Sich zu sehr aufbrezeln. Das war überhaupt nicht ihr Stil. Sie kleidete sich meist sportlich-salopp, und so sollte auch Max sie heute sehen. Dann ging alles relativ schnell.

    Zehn Minuten vor der Verabredung stand sie auf der Straße. Die wenigen Schritte bis zum Restaurant brachte sie schnell hinter sich, ging gleich hinein und …

    … sah ihn an einem der hinteren Tische sitzen. Er musste die ganze Zeit seinen Blick direkt auf die Tür gerichtet haben, denn kaum dass sie am Eingang war, stand er auf und kam ihr strahlend entgegen.

    Lisa war aufgeregt und Max umarmte sie herzlich, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen. Dabei sah er ihr tief in die Augen und meinte: »Es wird Zeit, dass wir uns endlich wiedersehen und du in Berlin bist.«

    »Es ist wirklich schon etwas Zeit vergangen, seit du Graal-Müritz verlassen hast. Du warst mir aber immer ganz nah.« Lisa schaute Max verlegen an. In seiner Nähe fühlte sie sich entspannt und locker.

    Max lächelte und nahm Lisas Hand. »Komm erst einmal mit. Wir haben da drüben einen schönen Platz.«

    Nachdem er sie erneut fest umarmt hatte, führte er sie nach hinten.

    Lisa merkte gleich, dass ihre anfängliche Aufregung völlig unnötig war. Max begegnete ihr ausgeglichen und mit großer Herzlichkeit, die sofort übersprang und sie weich und sanft werden ließ. Kaum dass sie saßen, gab Lisa die Antwort auf die Frage nach der Fahrt.

    »Alles hat prima geklappt. Die Bahnfahrt war kurzweilig, mein Kollege pünktlich und er hatte sogar einen Stadtplan für mich dabei. Ich habe höflich seine Bitte nach einem gemeinsamen Abendessen abgelehnt.«

    Max verfolgte aufmerksam Lisas Worte und fragte schmunzelnd: »Das ist dir hoffentlich nicht schwergefallen?«

    »Ich denke, dass ich einen sehr guten Grund hatte, ihm abzusagen. Jedenfalls freue ich mich auf das, was mich in deiner Stadt erwartet.« Dann schaute sie ihn direkt an und lächelte. »Und natürlich auf dich.«

    »Alles andere hätte mich jetzt auch gewundert«, meinte Max mit gespielter Verwunderung.

    »Gut, dass ich auf dich gehört habe und mein Auto zu Hause stehenlassen habe. Das U- und S-Bahn-Netz ist perfekt und sogar gleich in der Nähe der Wohnung. Damit komme ich ohne viel Stress zur Arbeit.«

    »Genau, erst die U-Bahn und dann ein paar Stationen mit der S-Bahn. Du hast ja den Plan. Mehr als eine halbe Stunde dürfte deine Fahrzeit nicht dauern, und das ist für Berliner Verhältnisse ziemlich gut. Aber jetzt bist du erst mal bei mir. Ehrlich, ich habe nicht damit gerechnet, dass wir uns so schnell wiedersehen.«

    »Stimmt, ich auch nicht«, erwiderte Lisa gut gelaunt. »Das haben wir meinem gut eingespielten Rostocker Team zu verdanken. Etwas Glück gehörte wohl auch dazu.«

    »Glück?«

    »Ja, unseren aktuellen Fall konnten wir recht zügig abschließen. Die Täterin hatte sich nach Schweden abgesetzt. Vorhin habe ich erfahren, dass sie in Sundsvall festgenommen werden konnte. Vielleicht sollte

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