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Zeit für Sauberkeit: Ein Plädoyer gegen Korruption, für Moral und Anstand
Zeit für Sauberkeit: Ein Plädoyer gegen Korruption, für Moral und Anstand
Zeit für Sauberkeit: Ein Plädoyer gegen Korruption, für Moral und Anstand
eBook248 Seiten4 Stunden

Zeit für Sauberkeit: Ein Plädoyer gegen Korruption, für Moral und Anstand

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Über dieses E-Book

Die Korruption, die Verhaberung, die Freunderlwirtschaft, die gegenseitigen Abhängigkeiten sind ständige Begleiter des politischen und wirtschaftlichen Geschehens der Gegenwart. Dringen Details über die Machenschaften und das pervertierte Moralverständnis scheinheiliger Opportunisten in Amt und Würden an die Öffentlichkeit, ist die Erschütterung beim Bürger groß. Und die Politikverdrossenheit steigt: "Es sind ja eh alle gleich", so lautet der resignierte Kommentar im Volk. Doch wie lange kann ein politisches System ohne Vertrauen stabil bleiben?

Das Jahr 2021 bot nicht nur eine Fortsetzung des Corona-Wahnsinns, sondern auch bestürzende Enthüllungen über die Umtriebe der politischen Klasse im deutschsprachigen Raum. Am Ende stand für Österreich gar ein Dreikanzlerjahr. Für Gerald Grosz ist klar: Der allgegenwärtige Sumpf der Korruption muss endlich ausgetrocknet werden!

Ein von Grund auf politischer Mensch bekennt sich hier zu Anstand und Moral im Hohen Haus – und seine beißende Kritik trifft alle, die das Vertrauen der Bürger zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen.
SpracheDeutsch
HerausgeberAres Verlag
Erscheinungsdatum6. Juli 2022
ISBN9783990810996
Zeit für Sauberkeit: Ein Plädoyer gegen Korruption, für Moral und Anstand

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    Buchvorschau

    Zeit für Sauberkeit - Gerald Grosz

    Zeit für Sauberkeit

    Und führe dich nicht in Versuchung

    Es war einer dieser normalen Tage im Sozialministerium im Jahr 2001, an dessen Ende man angesichts des gebotenen Arbeitsaufwandes im Hamsterrad der Politik zwischen BSE, Maul- und Klauenseuche, Abfertigung Neu und Hauptverbandsreform nicht mehr wusste, ob man – volkstümlich gesagt – „Manderl oder Weiberl ist. Der Arbeitstag zog sich locker über 15 bis 16 Stunden hin, die Arbeitswoche füllte alle sieben Tage. Zudem lagen lange Monate der Verhandlungen um das Kinderbetreuungsgeld hinter uns. Der im Nationalratswahlkampf 1999 von Jörg Haider in Österreich beworbene Kinderscheck wurde als gesetzliche Anspruchsleistung für Familien mit Kindern nach zähen Verhandlungen beider Regierungsparteien ÖVP und FPÖ formell als Kinderbetreuungsgeld beschlossen. Heftig wurde diese Sozialleistung kritisiert, eine sozialdemokratische Frauenvertreterin verstieg sich in ihrer Wortwahl und bezeichnete dieses dann schlussendlich finalisierte Kindergeld als „Wurfprämie. Man kann sich also vorstellen, wie die gesamte politische Debatte über Monate hinweg geführt worden ist.

    Im Rahmen dieses Beschlusses forderte der Nationalrat das für diese familienpolitische Leistung zuständige Sozialministerium auf, eine landesweite Informationskampagne über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme dieses neuen Kinderbetreuungsgeldes durchzuführen. Als Pressesprecher und damit Hauptverantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit des mit der Durchführung beauftragten Regierungsmitgliedes, Sozial- und Familienminister Herbert Haupt, fiel mir die für mich neue Aufgabe zu, eine ordnungsgemäße Ausschreibung über diesen damals 20 Millionen Schilling schweren Werbeetat sicherzustellen. Wissend, dass dieser prall gefüllte Budgettopf auch einige charakterliche Schmeißfliegen der Werbeszene anziehen würde, gab mir Herbert Haupt den Ratschlag mit auf die Reise, vorsorglich gleich von Beginn des Ausschreibungsprozesses an die interne Revision des Ministeriums als eine Art „Kettenhund und Selbstschutz für mich einzubinden. „Du hast mit diesen Werbeanbietern kaum Erfahrung, und glaube mir, man wird versuchen, dich unter Druck zu setzen. Die interne Revision schaut darauf, dass du immer auf der sicheren Seite bist, so Haupt. Und es war ein weiser Rat, wie sich später herausstellte.

    Der erste Anruf nach europaweiter Anbotsveröffentlichung kam, wie nicht anders zu erwarten, von einem langjährigen Werber aus dem Umfeld der Partei, der wie selbstverständlich erwartete, den Auftrag zugesprochen zu bekommen. Und diese Zusage wollte er umgehend von mir, denn er habe so viel in seinem Leben geleistet und „höchste Entbehrungen erlitten" dafür, dass wir nun dank ihm und wegen seines erfolgreichen Wirkens in der Regierung sitzen dürften. Daher erwarte er sich endlich Dankbarkeit und eine angemessene Gegenleistung, denn die Partei und ihre Minister seien ihm das schlichtweg schuldig. Meine Antwort, dass er sich mit seiner Agentur gern – wie jedes andere Unternehmen – an der offiziellen Ausschreibung beteiligen könne und, wenn er der Bestbieter sei, auch den Auftrag bekommen würde, stellte ihn nur wenig zufrieden, und er beendete das Telefonat mit dem Absingen hässlichster Schimpfwörter, die einer Art von Erpressung nicht unähnlich waren. Als damals doch noch sehr jungem, in die Abläufe eines Ministeriums, wie gesagt, noch nicht vollends eingeweihtem Menschen machten mir dieses Gespräch und die damit verbundenen Drohungen Angst, und ich informierte umgehend sowohl meinen Dienstgeber als auch die Mitglieder der eigens für diesen Kampagnenauftrag eingerichteten Vergabekommission. Mir zur Seite stand in diesem Gremium die Leiterin der ressortinternen Vergabeabteilung, eine langjährige, im Haus wegen ihrer Korrektheit regelrecht gefürchtete und unbestechliche Beamtin. Sofort kamen wir überein, diese Werbeagentur aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Denn dieser – wenngleich auch banale – Versuch, eine öffentliche Ausschreibung zu beeinflussen, war und ist ungesetzlich. Freunde machte ich mir mit dem Ausschluss des Werbeunternehmers zwar keine, aber wenigstens mein Gewissen war beruhigt. Die Sache war für mich nicht nur erledigt, sondern ich war auch etwas stolz darauf, dass ich diesem illegalen Versuch – natürlich mit Rückhalt meines Chefs – tapfer standgehalten hatte.

    Wenige Tage darauf informierte mich das Terminsekretariat des Ministerbüros, dass ein gewisser Herr H. vor den Türen des Ministeriums stehe und um einen sofortigen Gesprächstermin mit mir bitte. Es sei dringlich und ein Aufschub nicht möglich. Selbstverständlich wurde er vorgelassen, handelte es sich bei diesem Herrn H. doch um einen sehr einflussreichen und äußerst bekannten Werbemanager aus der Wiener Szene. Wie das Licht die Motten zog ich in diesen Tagen und Wochen die Werbemanager des Landes an. Das Gespräch eröffnete er mit: „Ich habe mich im Rahmen des Vergabeverfahrens beworben, ich gehe davon aus, dass ich den Zuschlag erhalte. Es ist alles mit der Vizekanzlerin und dem Finanzminister ausverhandelt und vereinbart. Und für Sie, Herr Grosz, wird es sicher kein Nachteil sein. So machte mir dieser Herr, wenig verklausuliert, in Wahrheit direkt das unmoralische Angebot, mir für einen gesetzeswidrigen Zuschlag an den Vergaberichtlinien vorbei auch einen finanziellen oder beruflichen Vorteil erhoffen zu können. Regelrecht perplex über diese Szenerie erhob ich mich umgehend von meinem Sessel, beendete das Gespräch und ersuchte genannten Herrn, sofort mein Büro zu verlassen. Wiederum unter Absingen hässlichster Schimpfwörter und garniert mit der Drohung, dass dies für mich als „kleinen Sekretär Konsequenzen haben werde, ich meinen Job verlieren und er schon dafür sorgen werde, verließ der mittlerweile rechtskräftig verurteilte Cheflobbyist im Umfeld von Telekommunikationsunternehmen und Finanzministerium das Feld. Blass im Gesicht und zitternd ging ich umgehend an meinen Schreibtisch zurück, verfasste am Computer einen Aktenvermerk über das gerade Besprochene und informierte wiederum meinen Chef und die Mitglieder der Vergabekommission – mit von Sorgen beschwertem Gemüt, hatte mir doch Herr H. zu verstehen gegeben, dass er dieses schmutzige Arrangement sowohl mit der damaligen amtierenden Parteichefin und Vizekanzlerin als auch mit dem hinsichtlich seines Machteinflusses der Erstgenannten in nichts nachstehenden Finanzminister über den Kopf des Sozialministers und dessen Beamten hinweg vereinbart hätte. Und nachdem ich als 23-jähriger kleiner Ministersekretär nicht einfach die Vizekanzlerin und den Finanzminister am Handy mit diesem Umstand konfrontieren konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als das Drohszenario des Werbers ernst zu nehmen. Man darf nicht vergessen: Ich war sehr jung, hatte durch die Bestellung zum Pressesprecher eines Bundesministeriums eine für mein Alter sehr verantwortungsvolle Aufgabe und wollte diese auch nicht verlieren. Ich war zwar bereits abhängig von meiner beruflichen Tätigkeit, aber zum Glück direkt von einem Menschen, nämlich meinem Chef, der als absolut integer, ehrlich und unbestechlich galt und gilt.

    H.s Unternehmen wurde folgerichtig ausgeschieden, und er selbst bekam noch am selben Tag eine Mitteilung aus unserem Haus, dass wir diese Vorkommnisse bei weiteren Versuchen einer Intervention durch ihn auch der Justiz melden würden. Später am Abend desselben Tages bekam ich dann einen Anruf aus dem Vizekanzleramt, der dem Versuch einer regelrechten Nötigung glich. Die dortige Pressesprecherin ersuchte mich im vorgeblichen Auftrag ihrer Chefin, den zuvor genannten Unternehmer mit dem Werbeauftrag zu bedienen, ansonsten würde mir ihre Chefin „den Kopf abbeißen. Kurz darauf folgte der wütende Protest aus dem Büro des Finanzministers mit einer für mich ähnlich bedrohlichen Botschaft. Beide versuchten unter Androhung des Jobverlustes, mich zu klar Ungesetzlichem zu drängen. Ich habe diese Gespräche als Nötigungen empfunden und informierte umgehend meinen Dienstherrn. Gottlob war Herbert Haupt für „Interventionen solcher Art nicht zugänglich und gab den beiden Regierungskollegen unmittelbar zu verstehen, dass man diesen „Streit" zwischen den Ressorts auch gern am nächsten Tag vor dem Staatsanwalt austragen könne.

    Der erstgenannte Werber ist später wegen Korruption in anderer Sache rechtskräftig zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Der zweitgenannte Werber und Lobbyist gehört auch zu den Stammgästen heimischer Strafvollzugsanstalten. Der laut Eigendefinition „zu schöne und zu reiche" Finanzminister beschäftigt seit bald zwei Jahrzehnten die Justiz, ähnlich erfolgreich wie die beiden ersten. Die restlichen Involvierten der Geschichte waren offenbar geschickter oder ihre Handlungen rechtlich nicht relevant. An ihrer charakterlichen Eignung, ein Amt in dieser Republik ehrenhaft, unbestechlich und unabhängig auszuüben, darf aber leidenschaftlich gezweifelt werden. Dass sie nicht zu den Unberührbaren gezählt werden, liegt offenbar daran, dass sie sich mit dem System, das über gesellschaftlichen wie finanziellen Erfolg oder Misserfolg, also über Leben und Tod entscheidet, arrangiert haben. Für alle Genannten gilt natürlich in der jungfräulichen Republik der systematisierten Unschuld die Unschuldsvermutung, sie sind selbstverständlich hochanständig.

    Der zweite Kontakt mit der landläufig bekannten Korruption fand nur zwei Jahre später statt. Im Frühjahr 2003 wurde Herbert Haupt, mittlerweile Parteichef, als Nachfolger von Susanne Riess-Passer selbst Vizekanzler und damit oberster Regierungskoordinator neben dem Bundeskanzler. Ich war nach wie vor sein Pressesprecher und persönlicher Sekretär, eine Art Mädchen für alles. Eines schönen Tages meldete sich am Amtssitz des Vizekanzlers im mondänen Wiener Palais Dietrichstein ein alter Bekannter. Kurt L., langjähriger Mitarbeiter in der Presseabteilung der Partei, mittlerweile im Sportmanagement tätig, ersuchte im Auftrag von Vertretern des Bieterkonsortiums für die skandalumwitterte Abfangjägerbeschaffung um einen Termin beim Vizekanzler. Es sollte für den Eurofighter von EADS interveniert werden. Auch mögliche Gegengeschäfte zugunsten der Republik würden Gegenstand des erwünschten Gespräches sein. Und wiederum fiel seitens Kurt L.s mir gegenüber der in diesem Zusammenhang immer wiederkehrende Zaubersatz: „Es soll nicht zu deinem Nachteil sein, wenn ich diesen Termin ermöglichen würde. Dem Terminwunsch wurde natürlich nicht entsprochen, Herbert Haupt, ein grundanständiger und ehrlicher Mensch, hütete sich wie der Teufel vor dem Weihwasser davor, mit Vertretern des milliardenschweren internationalen Waffengeschäftes zusammenzutreffen. „Denn wer sich mit Hunden ins Bett legt, wacht mit Flöhen wieder auf, lautet das in dieser Angelegenheit zutreffende Zitat.

    Die Eurofighter-Beschaffung erschütterte die Republik später in den Grundfesten, sie ist bis heute nicht restlos geklärt, und die wahren Schuldigen wurden noch immer nicht ihrem gerechten Urteil zugeführt. War doch jedem Blinden im Lande klar, dass jene, die schlussendlich auf politische Weisung des Kanzlers und seiner damals noch amtierenden Vizekanzlerin den Zuschlag bekamen, nicht die Bestbieter waren. Innerhalb des Verteidigungsministeriums wurde durch die Beamten ein anderer Bestbieter erarbeitet und für den Beschluss durch den Ministerrat vorbereitet. Aber in Regierungskreisen geisterte die Legende, dass mit dem Eurofighter eben ÖVP und FPÖ „bedient" würden und im Falle einer Saab-Gripen-Anschaffung die SPÖ das Rennen um die Provisionsmillionen mache. Denn der Saab Gripen gelte als Nachfolgegeschäft der Saab-Draken-Beschaffung, jener des Vorgängerflugzeuges des Eurofighters beim Bundesheer, und damit erhielten die in der grauen Vorzeit der 1980er-Jahre für die Regierung hauptverantwortlichen Sozialdemokraten möglicherweise eine illegale Vergünstigung. So hielt man die parteipolitisch Ehrgeizigen wie Skrupellosen bei der Stange, die natürlich glaubten, diesen Deal im Interesse des höheren Wohles ihrer jeweiligen Partei zu unterstützen. Der Eurofighter-Skandal füllt zig Bücher und wahrscheinlich Tonnen an Aktenmaterial bei der heimischen Justiz. Zumindest alle, die im Zuge dieser Bestellung als Intervenienten auffällig wurden, sind nach Beendigung ihrer aktiven politischen Zeit zivilberuflich wie von Zauberhand auf die Butterseite gefallen, in ein gut gefülltes Versorgungsnetz innerhalb jener Bereiche der Privatwirtschaft, die vom Eurofighter-Kauf profitiert haben.

    Ich glaubte nie an Zufälle. Es liegt der Verdacht nahe, dass Schmiergelder größtenteils eben nicht sofort geflossen sind, sondern Bypasslösungen mit entsprechenden Versorgungsjobs für die Zeit nach der aktiven politischen Zeit gefunden wurden. Bemerkenswert ist aber, dass der gesamte politische Zirkus in der Bundeshauptstadt um die wechselseitigen Abhängigkeiten der Verantwortungsträger gegenüber vom Eurofighter-Deal profitierenden Unternehmern wusste, aber die Justiz über all die Jahre hinweg nicht willens oder in der Lage war, Kickback-Zahlungen in Form von postpolitischen Anstellungen, ausgestattet mit satten Managergehältern und überzahlten Boni, in Betracht zu ziehen. „Derschlogt’s des, war dann nach sehr langen Jahren die entsprechende Weisung eines Justizbeamten, die zugleich lähmenden wie von wenig Erfolg gekrönten Ermittlungen einzustellen. Einige richten es sich halt geschickter, die Ehrlichen sind zwar ökonomisch die Dummen geblieben, können aber wenigstens heute noch in den Spiegel schauen. Jörg Haider hatte übrigens in den Jahren 2000 bis 2002 die damalige Regierungsspitze immer in Verdacht, ihre ursprüngliche unbestechliche Überzeugung, ihre dargestellte Unbestechlichkeit, die Arbeitshalle des kleinen Hacklers gegen die prall gefüllten Schüsseln an den Tischen der Reichen und Schönen und das VIP-Zelt eingetauscht zu haben. Und so sah auch tatsächlich deren Politik aus. Man sah die Führungsmannschaft der Partei des kleinen Mannes eher auf den unzähligen Seitenblicke-Events zwischen Kitzbühel, dem Wörthersee und Wien als im Gespräch mit dem einfachen Volk. Sie ließen sich eben von den Statussymbolen der Macht blenden und von jenen, die einem das ewige Leben ohne Existenzängste versprachen, schlichtweg verführen. Weil sie keine charakterliche Erdung hatten, weil sie zu rasch und ohne nennenswerten Widerstand aufgestiegen und damit abgehoben sind. Ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Vizekanzlerin und der Finanzminister später bei der ÖVP andockten, jener Partei, die der Kurz-Intimus Thomas Schmid in einem der Skandalchats selbst als „Hure der Reichen beschrieb. So schließt sich der Kreis.

    Ich erinnere mich sehr gut an ein Gespräch, das ich im Frühjahr 2002, wenige Monate vor dem durch das Delegiertentreffen von Knittelfeld erzwungenen Ende der Regierungszusammenarbeit, im Büro des Landeshauptmannes von Kärnten in Klagenfurt mit Jörg Haider hatte. „Man kann der Vizekanzlerin und dem Finanzminister nicht vertrauen. Sie verkaufen die Seele der Partei für ihre Geschäfte, waren die noch weniger klagbaren Vorwürfe, die der Übervater der FPÖ mir gegenüber an seine Nachfolger formulierte. „Eine abgehobene Bagage, die sich von Schüssel einkochen hat lassen, ärgerte sich Jörg Haider über einstige Mitstreiter, die das Geld der Bürger lieber in der Abfangjägerbeschaffung als in einer Steuerreform sahen. Es kam, wie es kommen musste: zum Bruch und zum berühmten „Knittelfeld". Die Basis rebellierte, verstand es nicht, dass die eigene Parteispitze all ihre Grundsätze mit dem Jahrhunderthochwasser in Österreich 2002 die Donau hinunterspülte. Verabschiedet in die wohldotierte Privatwirtschaft hat sich die Vizekanzlerin, die ins Versicherungsgeschäft eines SP-nahen Konzernes – und angesichts ihres Werdeganges überraschend gleich an der Spitze – einstieg. Den Finanzminister verschlug es in windige Investmentgeschäfte. Seiner ist die Justiz, wenngleich auch nicht rechtskräftig, schließlich habhaft geworden. Am Ende erweist sich, dass Jörg Haider mit seinen Thesen recht behalten hat und das als zerstörerisch gebrandmarkte Delegiertentreffen von Knittelfeld seine moralische Berechtigung hatte. Denn es ging um nicht weniger als darum, die sich im Glanz ihrer Ämter verselbstständigende Partei- und Regierungsspitze auf die eigentliche Sinnstiftung einer ehrlichen Volksvertretung zurückzuzwingen. Haider wurde in den Medien, deren inseratenspendable Stars die Illoyalen waren, als Spalter, als verrückter Egomane dargestellt, dessen Charakter es nicht zulasse, dass Mitstreiter wichtiger würden als er. So wurde eine Legende gezimmert, in der die in Wahrheit Gefallenen zu Helden mutierten und der eigentliche Aufdecker zum egoistischen Verrückten abgestempelt wurde.

    Ich war übrigens nicht in Knittelfeld, sondern saß in meinem Büro in Wien und beobachtete das muntere Treiben der reinigenden Selbstzerstörung aus sicherer Distanz. Aber immer mehr reifte in mir mit dem Wissen um die handelnden Personen die Überzeugung, dass zumindest ein Großteil der Delegierten, die gegen die damalige Regierungs- und Parteiführung agitierten, aus einem hehren Motiv heraus handelten. Man kann Jörg Haider viel vorwerfen. Man kann ihm schlechte Menschenkenntnis attestieren. Man kann ihn dafür kritisieren, dass er seiner Umgebung zu viel Freiraum gab und das Risiko groß war, dass sich so junge und doch unterschiedliche Charaktere in eine grundfalsche Richtung entwickelten, da er als Autoritätsperson sein Umfeld nicht lenkte und erzog, wie es beispielsweise ein Herbert Haupt als moralische Instanz mit mir tat. Man kann aber Jörg Haider tatsächlich nicht vorwerfen, sich jemals persönlich an seiner politischen Tätigkeit bereichert zu haben. Er war Zeit seines Lebens sehr bescheiden, und die wenigen Luxusgegenstände seines Lebens finanzierte er sich selbst und nicht über die Politik. Jörg Haider und seine Ehefrau waren Besitzer des millionenschweren Bärentals in Kärnten, seine wenigen Luxusgegenstände ließen sich aus der Portokasse eines solchen großen Forstbetriebes zahlen. Die große Gefahr, die für das etablierte, in sich korrumpierte System von Jörg Haider ausging, war eben seine Unabhängigkeit und persönliche Unbestechlichkeit. War er es doch, der mich 1993 begeistert hatte, weil er der unbestechliche Hecht im Teich der korrupten Karpfen von SPÖ und ÖVP war.

    Im Jahr 1993 war ich 15 Jahre alt und wurde recht rasch Jugendfunktionär des Ringes Freiheitlicher Jugend, der Vorfeldorganisation von Haiders FPÖ. Ansässig im weststeirischen Deutschlandsberg, wurde ich auch dort Zeuge ungestrafter und ungesühnter politischer Korruption. Wir kennen doch alle die Legenden von Kommunalpolitikern und ihren Mitarbeitern, die billige Grundstücke über Strohmänner einkaufen lassen, um sie dann selbst in teure Grundstücke umzuwidmen. Das sind keine Legenden; die sogenannten Fachmarktzentren an den Einfahrtstraßen mittelgroßer Städte, gebaut auf landwirtschaftlichen Gründen, die über Nacht zu Gewerbegebiet umgewidmet wurden, sind im gesamten Land sichtbar. Der Bürgermeister durfte das rote Band zur Eröffnung durchschneiden, sich über die Gewerbeansiedelung freuen, der Grundstücksbesitzer wurde über Nacht reich und jene Beamten und Kommunalpolitiker, die dies gewährleisteten, ebenso. Die Zentren der jeweiligen Innenstädte sterben naturgemäß aus und müssen mit bezahlten Förderungen des Steuerzahlers erhalten werden. Es ist diese gelebte

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