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Kurzgeschichten für stürmische Zeiten: 3. Sammelband
Kurzgeschichten für stürmische Zeiten: 3. Sammelband
Kurzgeschichten für stürmische Zeiten: 3. Sammelband
eBook256 Seiten3 Stunden

Kurzgeschichten für stürmische Zeiten: 3. Sammelband

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Über dieses E-Book

20 turbulente, grenzenlose und fantasievolle Kurzgeschichten für die neue Epoche -

Genre: Interdimensionale Erzählungen aus den abenteuerlichen Sphären ausserhalb von Raum und Zeit -

3. Sammelband
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum25. Juni 2022
ISBN9783987621697
Kurzgeschichten für stürmische Zeiten: 3. Sammelband
Autor

Roger Kappeler

Roger Kappeler erkannte bereits in der Schulzeit, dass seine blühende Fantasie bisweilen mit ihm durchgeht. Das Schreiben ist ihm nie besonders schwergefallen. Während einer sechsmonatigen Indienreise entstanden erste Ideen, aus denen schliesslich die Starchild-Terry-Geschichten hervorgingen. Wie viele Autoren stand er vor der Wahl, sich anzupassen oder bei dem zu bleiben, was ihn als individuellen Autor auszeichnet. Er entschied sich – sie sollte es anders sein – für die Individualität und riskierte damit, dass manche Leser seine Werke zerreissen würden, hoffte jedoch, dass die auf seine Merkmale abgestimmte Lesegruppe grösser wird und ihm treu bleibt, solange er sich selbst treu bleibt. In seinen Fantasy-Romanen vereinen sich Science-Fiction-Elemente mit philosophischen Fragestellungen. Seine Zeilen sind gepaart mit humoristischem, zuweilen flapsigem, der Alltagssprache entlehntem Stil, welcher das stetige Element aller seiner Geschichten darstellt, aber natürlich auch substanzielle Themen des Lebens und Gedanken enthält.

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    Buchvorschau

    Kurzgeschichten für stürmische Zeiten - Roger Kappeler

    Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Der Zoo

    Erinnerungen an die Vergangenheit

    Der Tag, an dem die Zeit stillstand

    Gespräch im Mutterleib

    Das holografische Universum

    Der zauberhafte Schmetterling

    Die Morgeninsel

    Das Witzfigurenkabinett

    Der himmlische Erdenengel

    Die Seeschlacht von Portugal (Teil 1)

    Die Seeschlacht von Portugal (Teil 2)

    Die weise Maori-Kriegerin

    Der kosmische Liftboy und die atlantische Apothekerin

    Geburtstagsfeier im Elfenparadies

    Ein fiktives Gespräch

    Die kosmische Zauberblume

    Eine fantastische Reise

    Auf der Suche nach Hopfen und Malz

    Die bekloppteste Geschichte aller Zeiten

    Bisher von Roger Kappeler erschienen

    Vorwort

    Freiheit wird aus Mut gemacht, hat mal jemand gesagt. Und das Thema Freiheit zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Geschichten in diesem Buch. Einerseits, weil im aktuellen Weltgeschehen offenbar gerade wieder einmal versucht wird, die Völker der Erde noch mehr auszubeuten und unsere Freiheiten massiv einzuschränken. Andererseits, weil Freiheit in all ihren Facetten auch für mich persönlich das höchste Gut überhaupt ist. Ohne Freiheit ist alles nichts wert, könnte man sagen.

    Vermutlich liegt es auch am momentan herrschenden Zeitgeist, dass die Erzählungen in diesem abschliessenden Band der Kurzgeschichten-Trilogie diesmal nicht so überdreht und witzig wie sonst sind, sondern eher etwas nachdenklicher und manchmal vielleicht auch ein bisschen schnippisch. Einige Geschichten habe ich ursprünglich jedoch ganz privat für bestimmte Personen verfasst. Diese darf ich mit deren Zustimmung freundlicherweise veröffentlichen, meistens sogar ohne Namensänderung.

    Nichtsdestotrotz denke ich, dass die überschäumende Fantasie auch dieses Mal nicht zu kurz gekommen ist, obwohl ich die Fiktion teilweise wie gesagt vermehrt mit einigen etwas ernsthafteren Themen verknüpft habe. Nun wünsche ich gute Unterhaltung und empfehle, den Kopf auszuschalten und dafür das Herz einzuschalten, denn wie heisst es so schön:

    In der Multidimensionalität werden sogenannte Märchen zu Realitäten!

    Embrach, 5. Juni 2022

    Lieber ein Jahr lang wie ein Tiger leben

    als hundert Jahre wie ein Schaf.

    (Tibetisches Sprichwort)

    Der Zoo

    In einem grossen Zoo lebten – wie es an solchen Orten nun einmal üblich ist – viele eingesperrte Tiere. Laut den Verantwortlichen diente dieser, gemäss gesetzlichen Vorschriften vorbildliche Tierpark, dem Artenschutz sowie der Bildung von Menschen durch Anschauungsunterricht. Ausserdem wurden einige Tiere manchmal für Forschungszwecke benutzt, denn man wollte das Verhalten von Wildtieren noch weiter erforschen. Ein Unterfangen, welches in Wirklichkeit natürlich völlig zwecklos war. Denn wie soll man das Verhalten von jämmerlich eingesperrten Tieren studieren, die aus ihrem ursprünglichen Lebensraum gerissen worden sind und ihre natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben können? Ganz zu schweigen von all den Tieren, die bereits in Gefangenschaft das Licht der Welt erblickt hatten und nie in ihrem Leben die grenzenlose Freiheit der endlos weiten Prärie erleben durften. Oder den kühlen Wind spüren, der majestätisch durch wilde Berglandschaften fegt. Oder den würzigen Duft nördlicher Wälder riechen, der Heimat vieler Bären. Oder … die Tiefen der Ozeane, von Menschenhand unberührte Dschungel, das ewige Eis der arktischen Gebiete, und so weiter.

    Was hatten all diese armen Tiere eigentlich verbrochen, dass sie eine jahrzehntelange Haftstrafe in einem engen Käfig, Gehege oder Aquarium absitzen mussten? Als wäre dies nicht schon Strafe genug, hatten die meisten Bewohner von diesem Zoo viel zu wenig Rückzugsmöglichkeiten. Denn schliesslich wollte man den vielen menschlichen Besuchern ja etwas bieten für ihr Eintrittsgeld. Diese kamen ja genau deshalb, um allerlei exotische Tiere zu begaffen und ein paar Fotos zu schiessen. Im Durchschnitt verweilten die Besucher weniger als eine Minute pro Gehege, dann wurde es ihnen meistens schon langweilig. Dass diese eingesperrten Geschöpfe zu alldem unter völlig unnatürlichen klimatischen Bedingungen vor sich hinvegetierten, interessierte sowieso niemanden. Den meisten Besuchern war es nicht einmal bewusst, dass die tierischen Gefängnisinsassen enorm in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren.

    Hauptsache, diese vermeintlichen Tierfreunde konnten sich im Restaurant des Zoos den Bauch vollschlagen mit Schnitzel, Bratwurst oder gegrillten Fischen. Selbstverständlich, ohne über irgendwelche Zusammenhänge nachzudenken. Gutmeinende Mütter und Väter besuchten mit ihren Kleinkindern zuerst die Streichelzoo-Ecke mit all den niedlichen Hoftieren. Nachdem sie die Schweinchen gestreichelt und die Hühner gefüttert hatten, ging es schnurstracks zum Imbissstand nebenan. Dort kauften die gedankenlosen Eltern dem hungrigen Nachwuchs lächelnd verwurstete Schweine in Form von Hot Dogs oder gegrillte Leichenteile von ermordeten Hühnern. Mundgerechte Portionen, verpackt in hübsche, bunte Kartonschachteln. Anschliessend durften die Kinder dann nochmals für ein Erinnerungsfoto mit einem lebendigen Tier posieren. 

    Wenn Tiere sprechen könnten

    «In der freien Wildbahn wäre mein Revier etwa tausendmal grösser als hier in diesem Zoo», sagte der Löwe zu seinem Jungtier. «Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es damals in der afrikanischen Savanne war.»

    «Wie hat es dort denn ausgesehen, Papa?», fragte der junge Löwe neugierig.

    «Ach, es war einfach herrlich», seufzte der einst stolze und würdevolle Löwe traurig, «wie im Paradies. Wir Löwen konnten nach Herzenslust durch die unberührte Wildnis streifen, oder einfach nur im Schatten eines Baumes liegen und faulenzen. Gefressen haben wir dann, wenn wir Hunger hatten. Nicht wie hier, nach strikten Regeln und Zeitplänen. Ausserdem wurden wir auch nicht ständig von irgendwelchen Menschen beobachtet, sondern wir hatten unsere Ruhe und unseren Frieden. Alle Tiere waren einfach nur glücklich, weil wir im Einklang mit der Natur lebten. Aber jetzt bin ich nur noch ein alter, schwacher Löwe, der seine Tage damit verbringen muss, apathisch in einem winzigen Gehege herumzusitzen. Obwohl wir Löwen – genauso wie alle anderen Tiere – die Freiheit über alles lieben.»

    Der junge Löwe, der trotz allem noch voller Neugier und Lebenslust war, schmiegte sich eng an seinen Papa. Obschon er all diese aufregenden Dinge, von denen ihm sein Vater oft erzählte, selber gar nie gekannt hatte, konnte er das gut nachfühlen. Denn der angeborene Drang nach freier Natur, Jagd, Spiel und sozialen Kontakten war natürlich auch in seinen Genen einkodiert. Bei vielen älteren Tieren waren diese natürlichen Triebe mit der Zeit jedoch abgeklungen. Das lag unter anderem auch daran, dass sie wegen den eingepflanzten Hormonimplantaten von der göttlichen Ordnung ihrer eigenen Urinstinkte abgetrennt worden waren. Solche Implantate sollen verhindern, dass es unkontrolliert Nachwuchs gibt. Denn kein Zoo auf dieser Welt hat die nötigen Ressourcen oder den Platz, um mit einem Überschuss an Jungtieren fertigzuwerden.

    Im Gehege nebenan trampelte unterdessen ein ausgewachsener Elefant lustlos zwischen den paar wenigen Bäumen und einem künstlichen Wasserbecken umher. Am liebsten hätte er den Menschen, die ihn aus sicherer Distanz anstarrten und pausenlos fotografierten, laut zugerufen:

    «In meiner Heimat würde ich jeden Tag ungefähr 25 Kilometer durch herrliche Landschaften wandern. Zwischendurch könnte ich mich in einem Fluss oder See abkühlen, oder saftige Blätter von den Bäumen zupfen. In diesem Zoo bin ich jedoch gezwungen, ständig dieselbe Runde innerhalb des eingezäunten Bereiches zu drehen. Wieso begreift ihr Menschen nicht, dass wir Tiere die freie, wilde Natur brauchen? Genauso, wie ihr saubere Luft zum Atmen braucht.»

    Aber der überaus intelligente Elefant wusste natürlich ganz genau, dass ihn die Menschen da draussen sowieso nicht verstanden. Und selbst wenn sie es könnten, wäre den meisten von ihnen sein stummes Leiden sowieso ziemlich egal gewesen. Mit Ausnahme von einigen Kindern vielleicht, die ihm manchmal mit tiefem Mitgefühl aufmunternde Blicke zuwarfen.

    Seelenlicht-Magie

    Eines dieser aufgeweckten Kinder war ein achtjähriges Mädchen namens Jessica. Mit staunenden Augen schlenderte sie an diesem sonnigen Morgen neben ihrer Mutter durch den gepflegten Tierpark. Im Gegensatz zu den meisten anderen Besuchern betrachtete Jessica all die eingesperrten Tiere aus einem etwas anderen Blickwinkel. Sie besass nämlich von Natur aus die seltene Gabe der Seelenlicht-Magie. Das heisst, das für Aussenstehende etwas verträumte Mädchen nahm die Welt auf völlig andere Weise wahr als sogenannt normale Menschen. Mit ihren geistigen Augen konnte sie sozusagen durch die dreidimensionale Realität hindurchschauen und hinter die Fassade der materiellen Scheinwelt von Lug und Trug blicken.

    Ein Aspekt dieser angeborenen Seelenlicht-Magie war, dass Jessica auf der Seelenebene mit Tieren und Pflanzen kommunizieren konnte. Selbst die Tatsache, dass sie, wie hier in diesem Zoo, durch Gitter und Zäune von den Tieren getrennt war, konnte diese aussergewöhnliche Fähigkeit nicht beeinträchtigen. Während Jessica still den einsamen Gepard im Gehege anschaute, stellte sie sich mental auf seine energetische Schwingungsfrequenz ein. Es dauerte nicht lange, bis sie subtile Impulse erhielt, die sich in ihrem empfänglichen Geist sogleich zu menschlichen Worten umformten.

    «Ich bin das schnellste Tier der Welt», vernahm Jessica in ihrem reinen Herzen die Worte der Raubkatze. «In freier Natur erreiche ich eine Geschwindigkeit von bis zu 130 Stundenkilometern. Aber seitdem ich hier hilflos gefangen bin, ist die Begabung des schnellen Rennens leider fast vollständig verkümmert. Das liegt vermutlich auch daran, dass mir die Zoowärter ab und zu Beruhigungsmittel ins Fressen mischen, um meinen natürlichen Bewegungsdrang zu unterdrücken. Deshalb fühle ich mich nicht nur körperlich schlapp, sondern auch meine unter normalen Umständen hellwachen Instinkte sind ständig benebelt. Aber was bleibt mir schon anderes übrig, als in diesem Wartesaal hier, wo ich täglich zur Schau gestellt werde, auszuharren und auf Erlösung zu warten? Zum Glück gibt es Menschen wie dich, die mich verstehen. Das gibt mir wenigstens ein bisschen Hoffnung.»

    Jessica schaute dem mitteilungsbedürftigen Gepard direkt in die Augen, während sie ihm gedanklich ihr Mitgefühl ausdrückte und ihm Mut zusprach. Darauf trottete die Wildkatze erleichtert davon, und das sensitive Mädchen folgte ihrer Mutter zur nächsten Attraktion. Auch die Kaiserpinguine sahen nicht viel glücklicher aus als all die anderen tierischen Gefängnisinsassen. Lustlos watschelte eine kleine Gruppe von Pinguinen in ihrem zwar hübsch eingerichteten, aber dafür komplett unnatürlichen Territorium umher. Intuitiv richtete Jessica ihre Aufmerksamkeit auf denjenigen Pinguin, der sich etwas abseits der Gruppe aufhielt. Kaum hatte sie auf der Herzensebene eine Verbindung mit dem Grosspinguin hergestellt, sprudelten die unerwartet quirligen Energieimpulse nur so aus ihm heraus. Wiederum wurde diese Gedankenenergie von Jessicas innerem Übersetzer telepathisch in für sie verständliche Worte transformiert.

    «Hallo, liebes Menschenkind», sprach der würdevolle Kaiserpinguin. «Es freut mich sehr, dass du uns Tiere als vollwertige Lebewesen wahrnimmst. Ich bin übrigens eine Pinguindame, wie ihr Menschen sagen würdet.»

    «Oh, tut mir leid. Das habe ich gar nicht bemerkt», übermittelte Jessica ihre gedankliche Antwort. «Darf ich dich die liebenswürdige Kaiserin nennen? Dieser Name würde perfekt zu dir passen, finde ich. Denn du hast so eine spezielle, irgendwie majestätische und zugleich gütige Ausstrahlung.»

    «Kein Problem, kleine Seelenlicht-Magierin», erwiderte die liebenswürdige Kaiserin geschmeichelt, wobei die humorvolle und zugleich herzensgute Eigenschwingung ihres Wesens direkt in Jessicas Seele übertragen wurde. «Obwohl Namen für uns Bewohner des Tierreichs keine Rolle spielen. Aber das ist für dich natürlich nichts Neues, denn du bist in Wirklichkeit eine uralte, weise Seele.»

    «Du bist wirklich eine sehr intelligente und knuddelige Kaiserin», lächelte Jessica still vor sich hin. «Aber sag, bist du auch glücklich?»

    «Ach, weisst du, genauso wie ihr Menschen sind wir Tiere sehr anpassungsfähig und gewöhnen uns mit der Zeit an die gegebenen Umstände», entgegnete die liebenswürdige Kaiserin mit einer Mischung aus Resignation und Galgenhumor. «Trotzdem vermissen wir Pinguine natürlich schrecklich unsere Heimat, die Antarktis. Dort leben wir normalerweise in Kolonien von bis zu zehntausend Artgenossen, da wir sehr gesellige Geschöpfe sind. In diesem Zoo herrschen weder antarktische Temperaturen noch gibt es Eisschollen oder ein Meer, wo wir Fische jagen oder uns austoben könnten.» Dann machte die Pinguindame mit der Energieübertragung eine kurze Pause und blickte wehmütig in die milde Morgensonne, ehe sie nachdenklich fortfuhr.

    «In einem zoologischen Garten können natürlich nicht Tausende von Pinguinen gehalten werden, deshalb sind wir hier lediglich ein kleines Grüppchen von acht bunt zusammengewürfelten Individuen. Manchmal stirbt einer von uns einfach weg vor lauter Kummer, Heimweh oder Verbitterung über sein Schicksal. In so einem Fall kaufen die Zoo-Verantwortlichen kurzerhand Ersatz, denn irgendwo in einem anderen Tierpark gibt es bestimmt einen Überschuss an Pinguinküken. Trotz allem muss ich aber auch sagen, dass die Tierpfleger hier wirklich alle sehr nett sind und jeden Tag ihr Bestes geben, um uns so gut wie möglich bei Laune zu halten.»

    «Über solche Dinge habe ich bisher noch nie nachgedacht», antwortete Jessica etwas beschämt. Sie schämte sich für die Unverfrorenheit ihrer eigenen Artgenossen – den ach so geschäftstüchtigen Menschen. «Das ist ungefähr so, wie wenn man bei uns einfach Familien auseinanderreissen und die Kinder an eine fremde Gemeinschaft verkaufen würde, oder?»

    «Ja, in etwa», meinte die clevere Pinguindame. «Aber zumindest brauchst du keine Angst zu haben, denn du bist ja gut behütet. Es sieht so aus, als ob deine Mutter weiterziehen möchte. Mach’s gut, Jessica. Ich hoffe, du kommst uns wieder einmal besuchen. Das würde mich wirklich sehr freuen.»

    «Versprochen, liebe Kaiserin», winkte ihr Jessica zum Abschied zu. «Und bitte vergiss nie: Nicht alle Menschen sind schlecht oder böse. Die meisten von uns sind schlicht und einfach dermassen unbewusst, dass sie gar nicht merken, was sie in diesem passiven Geisteszustand der Gedankenlosigkeit und Unbewusstheit alles anrichten. Aber das wird sich zum Glück ja schon bald ändern. Bis dahin braucht es halt noch ein kleines bisschen Seelenlicht-Magie.»

    Die kluge Blaumeise

    Anschliessend setzten sich Jessica und ihre Mutter auf die einladende Wiese beim Rastplatz, wo sie gemeinsam ihr mitgebrachtes Picknick assen. Die Sonne lachte und in den schattenspendenden Bäumen zwitscherten fröhlich allerlei Vögel. Die Amseln, Elstern, Buchfinken und all die anderen Singvögel hatten auch allen Grund, um voller Lebensfreude die zauberhafte Melodie der blühenden Natur zu singen. Denn im Gegensatz zu den offiziellen Zootieren konnten sie sich frei bewegen und nach Herzenslust von Baum zu Baum fliegen. Plötzlich flatterte eine aufgeweckte Blaumeise herbei und liess sich direkt neben Jessica auf der Parkbank nieder. Neugierig betrachtete sie den kleinen Gast, während sie ihm ein paar Brotkrummen hinlegte, die er dankbar aufpickte. Das wirre Gezwitscher des winzigen Vogels verstand Jessica zwar nicht direkt. Doch die von ihm ausgehenden Lichtvibrationen flossen auf sanft kribbelnde Weise ihren Wirbelsäulenkanal empor und entschlüsselten sich auf der Herzensebene wie folgt:

    «Wir Blaumeisen haben es zwar gut, denn weil wir so unscheinbar sind, interessiert sich niemand für uns. Aber was ist mit all den anderen Tieren, die ihr Leben in Gefangenschaft verbringen und jeden Tag wie seelenlose Gegenstände zur Schau gestellt werden? Ist es im 21. Jahrhundert nicht langsam an der Zeit, solche rückständigen Einrichtungen wie Zoos durch virtuelle Dokumentationen zu ersetzen? Das Geld, das momentan in die Infrastruktur von Tierpärken fliesst, könnte man stattdessen für den Erhalt der natürlichen Lebensräume der Tiere verwenden. Dadurch könnte man den Artenschutz der Wildtiere auf sinnvolle Weise mit wirklichen Umweltschutzprojekten verbinden.»

    Die kluge Blaumeise blickte das unschuldige Menschenkind nochmals keck an, dann flatterte sie zwitschernd davon. Von diesem Tag an wusste Jessica ganz genau, was sie in ihrem Leben einmal machen wollte. Denn durch die Begegnungen mit all den Tieren war ihr klar geworden, dass es noch viel mehr Menschen braucht, die sich für die Gerechtigkeit auf diesem Planeten einsetzen. Und Jessica wollte definitiv einer von diesen lichtvollen Menschen sein.

    Erinnerungen an die Vergangenheit

    An einem kalten Wintertag im Dezember des Jahres 2022 sass Archibald, ein Mann Mitte fünfzig, in der Bibliothek in Chicago, in welcher er schon seit vielen Jahren als Bibliothekar arbeitete. Doch an diesem eisigen Morgen schlug sein Herz wie wild vor Aufregung, denn er hatte im Archiv rein zufällig ein uraltes, hochbrisantes Dokument gefunden. Irgendjemand musste diesen Papierstapel dort vor langer Zeit ziemlich gut versteckt haben. Archibald wusste, dass die Behörden diesen wertvollen Schatz sofort beschlagnahmen würden, wenn sie davon erfuhren. Deshalb wollte der passionierte Wahrheitssucher und Hobby-Historiker diese geheimen Schriften zunächst selbst inspizieren.

    Mit einem freudigen Kribbeln im Bauch zog sich Archibald in eine versteckte Nische in der grossen Stadtbibliothek zurück und begann hochkonzentriert, den Inhalt von diesem leicht vergilbten Blätterstapel zu überfliegen. Die Überschrift dieses geheimnisvollen Zeitzeugenberichtes lautete: Die wahren Hintergründe der Weltausstellungen. Und als Untertitel stand, etwas kleiner gedruckt: Von der ersten Ausstellung in London im Jahr 1851 bis zu derjenigen in San Francisco im Jahr 1915. Als Verfasser dieses Dokuments waren lediglich die Initialen M. K. angegeben.

    Schon beim blossen Lesen dieses vielversprechenden Titels liefen Archibald abwechslungsweise kalte und heisse Schauer den Rücken hinunter. Denn vor nicht allzu langer Zeit hatte er sich im Internet eine Dokumentation über genau dieses Thema angeschaut. Anscheinend verfolgten all diese mysteriösen Weltausstellungen, die damals

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