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Die Parteien in Bewegung: Nachbarschaft und Konflikte
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eBook309 Seiten3 Stunden

Die Parteien in Bewegung: Nachbarschaft und Konflikte

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Über dieses E-Book

Seit den 1990er-Jahren schrumpft das Feld der sogenannten Mitteparteien zugunsten einer immer stärker werdenden konservativen Rechten. Durch die Bestätigung der Grünen stellen sich auch für die Linke immer bescheidenere Erfolge ein. Neue Parteien zwingen die traditionellen, ihre Strategien zu überdenken.
Wie erleben sie diese Veränderungen? Welcher Art sind die mehr oder weniger konfliktträchtigen Beziehungen zwischen sich angrenzenden Parteien, sowohl links wie rechts? Welche Allianzen oder Absprachen sind in solchen Nachbarschaftsverhältnissen möglich? Diese und ähnliche Fragen werden in einer Gesamtbetrachtung der jüngeren Entwicklung der Schweizer Parteien unter historischen, soziologischen und politikwissenschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert.

Beiträge von Urs Altermatt, Anne-Vaïa Fouradoulas, Andreas Ladner, Oscar Mazzoleni, Olivier Meuwly, Pascal Sciarini, Werner Seitz und Damir Skenderovic.
SpracheDeutsch
HerausgeberNZZ Libro
Erscheinungsdatum1. Juni 2013
ISBN9783038239871
Die Parteien in Bewegung: Nachbarschaft und Konflikte

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    Buchvorschau

    Die Parteien in Bewegung - NZZ Libro

    [DIE NEUE POLIS]

    Herausgegeben von Astrid Epiney, Dieter Freiburghaus, Kurt Imhof und Georg Kreis

    DIE NEUE POLIS ist Plattform für wichtige staatsrechtliche, politische, ökonomische und zeitgeschichtliche Fragen der Schweiz.

    Eine profilierte Herausgeberschaft versammelt namhafte Autoren aus verschiedenen Disziplinen, die das Für und Wider von Standpunkten zu aktuellen Fragen analysieren, kontrovers diskutieren und in einen grösseren Zusammenhang stellen. Damit leisten sie einen spannenden Beitrag zum gesellschaftspolitischen Diskurs. Vorgesehen sind jährlich zwei bis drei Bände in handlichem Format und wiedererkennbarem Auftritt für ein breites, am aktuellen Zeitgeschehen interessiertes Publikum.

    VERLAG NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

    Die Parteien in Bewegung

    Nachbarschaft und Konflikte

    Herausgegeben von Oscar Mazzoleni und Olivier Meuwly

    Mit Beiträgen von Urs Altermatt, Anne-Vaïa Fouradoulas, Andreas Ladner, Oscar Mazzoleni, Olivier Meuwly, Pascal Sciarini, Werner Seitz, Damir Skenderovic

    Herausgeber und Autoren danken für die freundliche Unterstützung durch

    Cercle démocratique Lausanne

    Loterie Romande

    Observatoire de la vie politique régionale der Universität Lausanne

    Publikationsfonds der Universität Lausanne

    Société académique vaudoise

    Stiftung Chuard-Schmid der Universität Lausanne

    Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche:

    Pia Todorovic Redaelli

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © 2013 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich

    Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2013 (ISBN 978-3-03823-846-1)

    Reihen- und Umschlaggestaltung: unfolded, Zürich

    Datenkonvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

    ISBN E-Book 978-3-03823-987-1

    www.nzz-libro.ch

    NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung

    Einleitung

    Weshalb ein Buch über politische Parteien, die in den westlichen Demokratien oft einen so schlechten Ruf haben? Selten profitieren Parteien von guter Presse, denn sie gelten als Inbegriff aller faulen Kompromisse und Spiegel der Machtperversionen. Die Phasen von Antiparlamentarismus und Misstrauen gegenüber den politischen «Eliten» in der Geschichte der modernen Demokratie haben die Parteien systematisch in Misskredit gebracht. Wenn die Politik zu versagen scheint, wird den politischen Parteien die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, weil sie unfähig sind, für das «Wohl» des Staates zusammenzuarbeiten.

    Dagegen gehen wir vom Prinzip aus, dass politische Parteien in demokratischen Systemen direkt an der Gestaltung der Politik und am Funktionieren des Staates mitwirken. Sie spielen dabei eine aktive Rolle und geniessen eine verhältnismässige Autonomie, da sie Menschen vereinen, die mehr oder weniger die gleiche Meinung vertreten, sich um eine Organisation gruppieren, im Wahlkampf für eine Sache eintreten und manchmal in politische Institutionen gewählt werden, die nach eigenen Regeln funktionieren. Ohne Parteien kann man sich schwerlich Wahlkampagnen vorstellen; ohne Parteien wäre es kaum möglich, den Stimmen der Bürger Rechnung zu tragen; ohne Parteien und ihre Vertreter einzubeziehen wäre es schwierig, die von staatlichen Institutionen getroffenen Entscheide zu verstehen.

    Parteien und Parteiensysteme befinden sich somit im Schnittpunkt der materiellen und ideellen Interessen; sie sind die Bühne, auf der sich die Kämpfe zwischen Interessen und Visionen der Gesellschaft abspielen. In einer Welt, in der die Attribute «rechts» und «links» politisch gesehen nach wie vor von Bedeutung sind und gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Spaltungen nicht nur Reliquien einer längst vergangenen Zeit darstellen, sind es nun genau die politischen Parteien, die diesen Gegensätzen Sinn geben und mit ihnen umgehen. Innerhalb der Parteien werden die privaten Interessen abgewogen, umgestaltet, verwandelt und neu formuliert, bevor sie in die parlamentarische Debatte gelangen, wo sie abgeschliffen und ausgefeilt werden im Hinblick auf die Ziele, über die man sich einigen wird.

    Es versteht sich von selbst, dass «rechts» und «links» keine unwandelbaren Begriffe sind, deren Definition ein für alle Mal feststeht. Die andauernde Opposition «Linke gegen Rechte» erinnert uns aber auch daran, dass es in der Politik keine Einstimmigkeit gibt: Es gibt nur mehr oder weniger solide Abmachungen zwischen den unterschiedlichen Kräften – eben den Parteien –, die sich manchmal mit genau umrissenen Interessen überlagern. In einer Demokratie entstehen diese Übereinkünfte durch Prozeduren, Debatten, Verhandlungen, Verzichte und – manchmal – durch Abstimmungen, aus denen sich wie in einem Schmelztiegel Richtlinien für das öffentliche Handeln entwickeln. Daher auch die Notwendigkeit, die Kämpfe, Konkurrenzsituationen, Bündnisse und Kooperationen, die sich sowohl innerhalb von politischen Parteien wie auch zwischen ihnen anbahnen können, genauer zu untersuchen.

    Die Schweizer Parteien als «Aussenseiter»?

    Auch in der Schweiz sind diese Phänomene wichtig, obwohl die direkte Demokratie, die Rolle der Interessenverbände und die Wählerstabilität nach dem Zweiten Weltkrieg scheinbar dazu beigetragen haben, den Parteien in der politischen Geschichte der Schweiz eine eher marginale Rolle zuzuteilen. Und doch wäre es unmöglich, diese Geschichte zu verstehen, ohne die politischen Parteien und ihre Kämpfe, Meinungsverschiedenheiten, Übereinkommen, Ideale, Strategien und Taktiken einzubeziehen, die organisieren, formen und Interessen sowie Werte einer Gesellschaft und ihrer Institutionen ausdrücken, die in ständiger Entwicklung sind.

    Die Entstehung der Parteien in der Schweiz zeigt, dass ihre vermeintliche Randständigkeit alles andere als selbstverständlich ist. Die Anfänge des Bundesstaates sind von heftigen Konflikten zwischen einzelnen politischen Formationen geprägt, die sich gerade erst zu organisieren beginnen. Den Katholisch-Konservativen, die in den alten Kantonen des Sonderbunds stark sind, stehen die Radikalen gegenüber, die aber selber in zahlreiche Gruppen zerfallen: Von den manchestergläubigen Liberalen um Alfred Escher, die im riesigen Unternehmen des Eisenbahnbaus engagiert sind, über die etatistisch-zentralistischen Deutschschweizer mit ihrer Galionsfigur, dem Berner Jakob Stämpfli, bis hin zu den Radikalen der Westschweiz, die bei sich zu Hause etatistisch, auf nationaler Ebene aber föderalistisch denken. Die Radikalen werden allerdings mit der Entwicklung der Industriegesellschaft nicht mithalten können und es wird ihnen nicht mehr gelingen, ihr stark auseinanderstrebendes Gespann zusammenzuhalten. Ihr linker Flügel spaltet sich nach und nach ab und gründet 1888 die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS). Um die von links kommende Bedrohung abzuwenden, überlassen die Radikalen den Katholisch-Konservativen 1891 einen Bundesratssitz (Meuwly 2007). Diese versuchen ihrerseits, sich als Partei zu organisieren, nachdem sich ihre Macht 1874 durch die Einführung des Gesetzesreferendums vervielfacht hat. Dies wird ihnen aber erst 1912 gelingen. Erst das Referendum und dann die 1891 geschaffene Volksinitiative zwingen die politischen Kräfte zum Überdenken ihrer Art, Politik zu machen und umzusetzen. Um eine Disziplin wiederherzustellen, die kontinuierlich zerbröckelt war, gründen die Radikalen 1894 die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP). Doch die Verstimmung im rechten Flügel wächst: Man protestiert dagegen, dass sich die Partei vermeintlich immer mehr in Abhängigkeit von der Zürcher Hochfinanz bringt und zugleich den Forderungen der Arbeiterbewegung entgegenkommt. Mit dieser wird ein Abkommen ausgehandelt, das einen verhältnismässigen Frieden in den Unternehmen sichern soll, denn seit den 1860er-Jahren haben sich die Streiks gemehrt. Dieser rechte Flügel, dem vor allem bäuerliche Kreise angehören, nähert sich dem konservativen Milieu an, das einen grossen Aufschwung erlebt. Die Westschweizer, Basler, Zürcher und Berner Liberal-Konservativen schliessen sich 1875 im Eidgenössischen Verein zusammen, bevor sie 1913 mit dem alten rechten Flügel der FDP die Liberale Partei der Schweiz (LPS) gründen.

    Die Einführung des Proporzes bei den Nationalratswahlen von 1919, die auf den Generalstreik von 1918 folgen, stellt die freisinnige Vormachtstellung aber wieder infrage: Die Sozialisten und die während des Krieges in den Kantonen Bern und Zürich entstandene Bauernpartei sind die grossen Gewinner, während die Katholisch-Konservativen ihre Positionen halten können. 1936 wird die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und 1919 die Evangelische Partei der Schweiz (EVP) gegründet. Das neue Wahlsystem stärkt die politischen Parteien in der Schweiz, die sich, trotz direkter Demokratie, immer mehr verfestigt; es fördert aber auch deren Zersplitterung. Die Sozialdemokraten müssen 1921 ebenfalls eine schmerzliche Abspaltung, jene der Kommunisten, miterleben. In der Zwischenkriegszeit nimmt die Bedeutung der Parteien zu, während die Unrast links wie rechts wächst und nur die direkte Demokratie Auswüchse verhindert. 1935 wird eine Partei gegründet, die später zur grössten Nichtregierungspartei avanciert: der Landesring der Unabhängigen (LdU). Der Druck der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände, die ihrerseits den Bundesrat bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre unterstützen, bewirkt, dass die Freisinnigen sich 1924 einverstanden erklären, einen Sozialdemokraten in den Bundesrat aufzunehmen, auch weil die SPS sich inzwischen mit der Landesverteidigung weitgehend versöhnt hat.

    Die Schweiz tritt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein, ohne ihre institutionelle Architektur zu verändern. Das Proporzsystem erlaubt eine sehr breite Beteiligung der politischen Kräfte – als natürliches Gegenstück zu einer grosszügig ausgestalteten direkten Demokratie. Die grossen Parteien garantieren die «Verwaltung» des Systems; Konflikte unter ihnen führen nicht zu unüberwindlichen Spannungen. Alle grossen Parteien erkennen die Umverteilung der Kräfte, die auch eine Folge des Antikommunismus ist, der Bürgerliche und Sozialdemokraten vereint. Die Nachkriegsjahre – verbunden mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der «glorreichen 1930er-Jahre», Demokratie, Marktwirtschaft, Wohlfahrtsstaat und einem gemeinsamen Kampf gegen die Ideologien des Stalinismus und des Nazismus – nähren stärker noch als im übrigen Europa die Phantasievorstellung eines politischen Universums, das keine scharfen Kanten innerhalb des politischen Lagers kennt und wo «Konkordanz» und «Zauberformel» ohne grössere Kontraste herrschen. Zusammen mit den Katholisch-Konservativen, die sich nach dem Krieg stark auf sich selber konzentrieren, gelingt es der SPS 1959, im Bundesrat eine ihrer Wählerstärke entsprechende Vertretung durchzusetzen. Die in Wirklichkeit höchst ausgefeilte «Zauberformel» wird damit zur Grundlage der erfolgreichen Parteiarbeit (Burgos, Mazzoleni und Rayner 2011). Obwohl allerdings die Institutionalisierung der Zauberformel in den 1960er- und 1970er-Jahren Wirkungen entfaltet, die zum Teil auch heute noch spürbar sind, hat das Parteiensystem nicht einfach aufgehört, sich weiterzuentwickeln – allem äusseren Anschein zum Trotz.

    Das scheinbar unwandelbare Schweizer Parteiensystem lässt den sozialen Bewegungen, die in den 1970er-Jahren aufkommen, in der Tat wenig Raum – zumindest, was die institutionelle Ebene betrifft. Die Linke wandelt sich jedoch und gibt nach und nach jene Schemata auf, die das grosse Bündnis zwischen der Rechten und der Linken seit der unmittelbaren Nachkriegszeit zusammengehalten haben. Unter dem Einfluss der «Neuen Linken» beginnt die SPS ab den 1960er-Jahren wieder einen Dialog mit der kommunistischen Partei der Arbeit (PdA). Doch die Linke zerfällt in verschiedene Gruppierungen: Die Grünen, entstanden aus dem Zusammenschluss der Umweltbewegung mit einer geschwächten extremen, nicht kommunistischen Linken, überflügeln die Sozialdemokraten und sichern sich sehr rasch einen Platz auf der linken Seite des politischen Spektrums, bevor sie in einen harten Konkurrenzkampf mit derselben SPS treten.

    Die Umstrukturierung der Rechten verläuft langsamer. Die Freisinnigen und die Katholisch-Konservativen (ab 1973 als CVP organisiert) teilen sich das rechte Zentrum und die Mehrheit in den Institutionen, mit Unterstützung des BGB (ab 1971: SVP). Doch schon in den 1970er-Jahren zeigen sich Risse, und neue Kräfte besetzen das Lager der extremen, fremdenfeindlichen Rechten, das im Klima des in der Schweiz und in Europa herrschenden «grossen Kompromisses» brachliegt. In den 1980er-Jahren beginnt der Aufschwung der Autopartei, die sich gegen die erstarkende politische Ökologie richtet. Bald schreibt auch sie sich die Themen der extremen Rechten auf ihre Fahne. Eine eher konservative, wachsende Randgruppe von FDP-, LPS- (in der Westschweiz und in Basel-Stadt) und CVP-Parteigängern meldet ihre Opposition zu dem in der Schweiz vorherrschenden Konsensus an, der ihrer Meinung nach die Linken allzu stark favorisiert. Die UNO-Frage beunruhigt die Rechte, bevor die Europafrage sie zum Explodieren bringt und das Ende des Kalten Krieges den traditionellen Rahmen der Schweizer Politik gänzlich sprengt.

    Die Parteien und ihre Auseinandersetzungen im Mittelpunkt der Besorgnis … endlich?

    Globalisierung, Europa, Migration und Bankgeheimnis lauten einige der Kernthemen der 1990er- und der 2000er-Jahre. In allen grösseren Themata, die entscheidend sind für die Zukunft der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Schweiz, kommt den politischen Parteien, ob sie nun «rechts» oder «links» stehen, bei Wahlen und Abstimmungen eine Schlüsselrolle zu. Die wichtigsten Parteien der Schweiz befassen sich, abgesehen von ihrer eigenen Position oder ihrem inneren Zusammenhalt, mit all diesen Problemen und versuchen, sie zu lösen. Sie spielen dabei die Hauptrolle in einer Zeit der Umwälzungen, die gekennzeichnet ist durch eine grössere Volatilität der Wählerschaft, einer «Modernisierung» der Wahlkampagnen, einer Umstrukturierung des Parteiensystems mit weitaus heftigerer Konkurrenz sowie neuen Verhaltensweisen in Parlament und Regierung, die sogar einige der seit Langem geltenden Regeln infrage stellen. Dazu kommt noch der Einfluss der Mediatisierung, die die Handlungsstrategien der Parteien und ihrer Anführer ebenfalls stark verändert hat. Das «Ende» der «Zauberformel» wirkt sich gleichzeitig in einer gesteigerten Politisierung und Neupositionierung der Parteien aus. Die Schweizer Parteienlandschaft erscheint nun als ein Bauplatz – nach einer langen Zeit der Kristallisierung der Kräfteverhältnisse und der politischen Stabilität.

    Eine Folge dieser Veränderungen ist das Aufkommen eines bisher noch nie beobachteten Interesses für das Phänomen der Parteien in der Schweiz. Während langer Zeit waren Studien über die politischen – und vor allem die Schweizer – Parteien sowohl in der Geschichte als auch in der Politikwissenschaft und der Soziologie äusserst rar. Nach den Beiträgen von Erich Gruner (1977²) und seinen Schülern in den 1960er- und 1970er-Jahren und jenen von Urs Altermatt (1989) waren Versuche, auf die Rolle der politischen Parteien zurückzukommen, bis in die 1990er-Jahre hinein selten (David und Müller 2007). Seit ungefähr 15 Jahren haben jedoch Studien in Geschichte, Politologie und politischer Soziologie neue Reflexionen und Analysen ermöglicht (Gehrken 2002; Jeanneret 2002; Ladner 2004; Zurbriggen 2004; Kriesi et al. 2005; Mazzoleni, Gottraux und Pechu 2007; Mazzoleni und Rayner 2009; Skenderovic 2009; Meuwly 2010; Nicolet und Sciarini 2010).

    Auch die vorliegende Arbeit profitiert von der Wiederbelebung dieses wissenschaftlichen Interesses. Ihre Originalität besteht vor allem darin, dass sie Beiträge vereint, die, jeder auf seine Art, Ansätze verwenden, die die Beziehungen zwischen den politischen Parteien aufzeigen sowie ihre Strategien, Ideologien, die Parteiarbeit oder die Zusammensetzung ihrer Wähler beleuchten. Einer linearen Lesart – eine Partei nach der anderen –, wie sie die meisten mehr oder weniger neuen Publikationen über die Schweizer Parteien bieten, haben wir einen originelleren Ansatz vorgezogen, welcher der Realität sicherlich besser gerecht wird. Dieser Ansatz besteht darin, Verbindungen aufzuzeigen, die jede grosse Partei mit ihren mehr oder weniger unmittelbaren, mit ihren kleineren und grösseren «Nachbarn» unterhält. In acht Beiträgen verschiedener Autoren finden sich vielfältige Ansätze (politologische, soziologische, historische usw.), Quellen und Analysemethoden.

    Diese Ansätze scheinen die Homogenität zu opfern, die eine monografische Analyse bieten würde. Doch diese von uns bevorzugte Heterogenität hat den Vorteil, den komplizierten Dynamiken eines Mehrparteiensystems wie dem der Schweiz besser Rechnung zu tragen – ein System, das von Koalitionen und unterschiedlichen Parteiorganisationen geprägt ist, die wiederum vor allem von kantonalen Besonderheiten abhängen. Wenn die Stabilität der Schweiz zu einem grossen Teil auf den verschiedenen Arten von Kooperation zwischen den wichtigsten Parteien beruht, kann man sich fragen, inwieweit diese Zusammenarbeit in der jetzigen Lage, in der Konkurrenz vorzuherrschen scheint, noch möglich ist.

    Was soll man über die Sozialdemokraten und die Grünen sagen, die sich «linke» Wähler streitig machen, oder über die FDP und die CVP, die Mühe bekunden, dem Erfolg der SVP ein Gegengewicht entgegenzusetzen? Die SVP ist heute der gefährlichste Rivale und rekrutiert ihre Wähler in den am stärksten rechts stehenden Kreisen dieser beiden Parteien. Wie soll man die zwei neuen Parteien, die BDP und die GLP, einschätzen, die für sich beanspruchen, die wirklichen Erben eines «Zentrums» zu sein, das ihrer Meinung nach gegen die beiden «historischen» Parteien, die CVP und die FDP, neu aufzubauen ist? Die Erstarkung des «rot-grünen» Feldes und seine innere Konkurrenz, der Aufstieg der SVP und ihre in letzter Zeit kritische Situation sowie die «Fragmentierung des Zentrums» sind nur einige Elemente aus der ganzen Bandbreite und vor allem der Komplexität gegenwärtiger Veränderungen. Diese Phänomene provozieren Fragen über die Beziehungen, die sich zwischen den politischen Parteien ergeben oder sich erneuern, über ihre Konkurrenz, über Kämpfe und über Formen der Zusammenarbeit. Die acht Beiträge dieses Buches erlauben uns festzustellen, wie es um genau diese Beziehungen im Innern und zwischen den verschiedenen Parteien bestellt ist.

    Acht komplementäre Blicke

    In seinem Beitrag, der dem «C» gewidmet ist, das innerhalb der CVP für ständigen Gesprächsstoff sorgt, legt Urs Altermatt dar, dass sich die Erosion dieser Partei nicht nur mit der Säkularisation der Gesellschaft erklären lässt. Sie steht im Zusammenhang mit der grundlegenden Neuzusammensetzung der Parteienlandschaft der Schweiz seit den 1990er-Jahren. Infolge einer Neupositionierung der CVP in der Mitte ist der konservative Flügel zur SVP abgewandert, die von Christoph Blocher in eine national-konservative Rechtspartei umgewandelt wurde. Dadurch sieht sich die CVP mit neuen Herausforderungen konfrontiert, vor allem was mögliche Allianzen angeht.

    Damir Skenderovic untersucht die Jahre 1991 und 1992, als die SVP die Weichen neu stellte und von einer zentristischen, konservativen Rechtspartei zu einer populistischen Partei wurde. Dieses neue Profil ist das Ergebnis einer langen Vorbereitungsarbeit, die in den 1970er-Jahren im Kanton Zürich begann. Trotzdem stellen gemäss dem Verfasser diese Veränderungen alles andere als ein Bruch mit den ideologischen Werten der «alten» SVP dar; entgegen einer verbreiteten Annahme unterhalten Vergangenheit und Gegenwart im Innern der SVP vielmehr eine sehr enge Beziehung.

    Olivier Meuwly zeigt die Ursprünge der freisinnigen Bewegung auf und zeichnet deren Entwicklung nach. Die FDP wurde 1894 gegründet und spielte eine zentrale Rolle im politischen System der Schweiz, obgleich sie sowohl ihren linken Flügel,

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