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Update Wirtschaft für Gesellschaft: 32 Vordenker:innen aus der Praxis geben Anregungen für besseres Wirtschaften
Update Wirtschaft für Gesellschaft: 32 Vordenker:innen aus der Praxis geben Anregungen für besseres Wirtschaften
Update Wirtschaft für Gesellschaft: 32 Vordenker:innen aus der Praxis geben Anregungen für besseres Wirtschaften
eBook465 Seiten4 Stunden

Update Wirtschaft für Gesellschaft: 32 Vordenker:innen aus der Praxis geben Anregungen für besseres Wirtschaften

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Über dieses E-Book

Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor großen sozial-ökologischen Transformationsaufgaben. Hierzu bündelt die Publikation "Update Wirtschaft" vielfältige Ideen, Beispiele und Forderungen, die aus der betriebswirtschaftlichen Praxis stammen. Sie zeigt, wie ein besseres, nachhaltigeres Wirtschaften zum Wohl der Gesellschaft gelingen kann. 32 Vordenker:innen analysieren in ihren stilistisch unterschiedlichen Beiträgen, was Transformation für Unternehmen bedeutet. Sie entwickeln interdisziplinäre Lösungen für einen gesellschaftlichen Wandel, der in ihren Augen nur gelingen kann, wenn die Politik, die Wirtschaft und die Bürger:innen diesen gemeinsam gestalten.
Zu Wort kommen motivierte junge Führungskräfte aus mittelständischen Betrieben sowie aus der Tech- und Start-up-Szene mit ihren progressiven Positionen. Die Autor:innen sind überwiegend weiblich und divers. Geübt über den Tellerrand des eigenen Betriebs zu schauen eint sie das Ziel, mit ihren Impulsen und gedanklichen Anregungen die Lust auf Veränderung und Vernetzung zu steigern.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Juni 2022
ISBN9783867939607
Update Wirtschaft für Gesellschaft: 32 Vordenker:innen aus der Praxis geben Anregungen für besseres Wirtschaften

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    Buchvorschau

    Update Wirtschaft für Gesellschaft - Verlag Bertelsmann Stiftung

    Einleitung

    Wirtschaft und Gesellschaft sind untrennbar miteinander verflochten. Daher ist es essenziell, wirtschaftliche, soziale und politische Themen ganzheitlich zu denken. Von Unternehmen wird immer stärker erwartet, dass sie zu gesellschaftlichen Herausforderungen eine Haltung einnehmen. Ihre gesellschaftspolitische Verantwortung erschöpft sich allerdings nicht darin, Stellung zu beziehen bzw. sich zu positionieren, während die Verantwortung zum Gestalten an Politik und Zivilgesellschaft delegiert wird. Die Wirtschaft und die Gesellschaft stehen vor großen sozial-ökologischen Transformationsaufgaben. Hierzu können und sollten Unternehmen Ideen entwickeln, mit Maßnahmen vorangehen und zeigen, wie besseres, nachhaltigeres Wirtschaften zum Wohl der Gesellschaft gelingen kann.

    Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einer Wirtschaft, die im Sinne der Gesellschaft handelt. Es versammelt Ideen, Beispiele und Forderungen, die in erster Linie aus den Erfahrungen der betriebswirtschaftlichen Praxis stammen.

    Wie alles begann …

    Die Idee zum Buch hat sich im Austausch diverser Menschen in privaten und beruflichen Netzwerken entwickelt und aus der Überlegung, motivierte junge Leute aus dem Wirtschaftskontext mit progressiven Positionen zu Wort kommen zu lassen. Als selbstorganisierte Gruppe, die sich unabhängig von vorgegebenen Strukturen einbringen und gemeinsam wirken möchte, entstand für das Buchprojekt die Initiative »Voices of Economic Transformation«.

    … und wer sich gefunden hat

    In diesem Band wenden sich vielfältige Stimmen aus der Wirtschaft bzw. der betrieblichen Praxis direkt an die Leser:innen. Die Autor:innen sind in erster Linie junge Führungskräfte, wie etwa Direktor:innen oder Abteilungsleiter:innen und Senior Manager:innen aus Großkonzernen, aus mittelständischen Betrieben sowie aus der Tech- und Start-up-Szene. Sie sind jung – an Lebensjahren und vor allem im Denken. Sie sind überwiegend weiblich und divers und sie eint besonders eines: Sie schauen über den Tellerrand des eigenen Betriebes und sie möchten grundsätzliche Veränderungen bewirken.

    Die thematischen Hintergründe

    Eine traditionelle Säule des gesellschaftspolitischen Engagements von Unternehmen sind Spenden und karitative Beiträge oder die Gründung gemeinnütziger Unternehmensstiftungen. Diese Aktivitäten des Unternehmens als »corporate citizen« wurden in der Theorie und Praxis der Unternehmensverantwortung unter dem breiteren Dach der Corporate Social Responsibility (CSR) zusammengeführt. Zu den bisherigen CSR-Aktivitäten in Deutschland gibt es kritische Einschätzungen. Diese besagen, CSR sei in der Vergangenheit von Unternehmen bzw. deren Kommunikationsabteilungen eher als Pflichtaufgabe – bzw. als Berichterstattungsaufgabe – abgehandelt worden, statt sie als vorstandsrelevant oder gar als Teil der strategischen Unternehmenssteuerung zu sehen.

    Doch die Einschätzungen zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen unterliegen neuen Dynamiken – aus diesen Gründen:

    Die Größe und die Dringlichkeit globaler Herausforderungen sind nicht mehr zu übersehen. Ein starkes Wachstum der Weltbevölkerung, begleitet von dem permanenten Anstieg des Ressourcenverbrauchs und der steigenden Nachfrage nach öffentlichen Gütern vor dem Hintergrund planetarer Grenzen, eine immer größere Kluft zwischen Privilegierten und Schlechtergestellten, Populismus, politische Autoritarismen und die Schwächung internationaler Organisationen: All das verstärkt die Problematik des Klimawandels, verschärft die Ungleichheit und erhöht die Gefahren für freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnungen. Diese Herausforderungen sind so gravierend, dass sie ein umfassendes und gemeinschaftliches Handeln dringend erfordern. Die großen Fragen des 21. Jahrhunderts benötigen Antworten aller gesellschaftlichen Sektoren: aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – und Unternehmen sind hier ausdrücklich mitgemeint.

    Die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist mittlerweile politisch gewollt und öffentlich legitimiert. Das Pariser Abkommen, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wurde durch das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung 2021 gesetzlich festgeschrieben. Die Europäische Union will mittels des EU Green Deal der erste klimaneutrale Kontinent werden und unter anderem mit der EU-Taxonomieverordnung die Wirtschaft – und damit jedes einzelne Unternehmen – beeinflussen.

    Viele Firmenlenker:innen haben erkannt, dass die Geschäftstätigkeit ihres Betriebes sich nicht unabhängig von diesen gesellschaftspolitischen Entwicklungen abspielt. Über die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft nachzudenken und unternehmerische Antworten für die Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln, sind daher kein betriebliches »nice to have«, sondern gehören zu einer langfristigen, klugen und verantwortungsbewussten Unternehmensführung. Wenn erreicht werden soll, dass ökonomisches Wachstum sich mit sozialem und ökologischem Nutzen verbindet und das Wohlergehen von Menschen, das gesellschaftliche Zusammenleben und der Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen in das Zentrum von Wirtschaften rücken, dann stehen Unternehmen vor der Aufgabe, ihre Geschäftsmodelle und ihre License to Operate gründlich zu überdenken.

    Gemeinsam vorausdenken

    Dieser Sammelband befasst sich mit den verschiedenen Aspekten verantwortungsvollen Wirtschaftens. Die Beiträge geben Impulse, formulieren mitunter Forderungen und regen an, über notwendige Veränderungen in und für Unternehmen zu diskutieren.

    Die Beiträge sind äußerst vielfältig und unterscheiden sich auch stilistisch. Zum Teil sind sie persönlich, zum Teil eher analytisch formuliert, manche sind starke Aufrufe, andere geben eher Einblicke. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht bei Problembeschreibungen stehen bleiben, sondern immer auch Lösungsideen entwickeln. Es geht nie nur um den Status quo, sondern immer auch um die Zukunft. Und es geht stets um die Frage, was verantwortliches Wirtschaften im Kontext einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung konkret heißen kann.

    Um die Fragen nach notwendigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen beantworten zu können, braucht es Ideen und Austausch. Beides soll dieses Buch anregen – und das nicht nur durch seine Inhalte, sondern auch durch seine Form.

    Wissen teilen und mehren

    Um eigene Gedanken zu entwickeln, lässt das Buch genügend Raum für Notizen: Die Leser:innen sollen ihre guten Ideen sofort notieren können. Auch das Design und die Illustrationen regen, neben dem geschriebenen Wort, zu weiterführenden Ideen an.

    Gegliedert ist der Band in sechs Abschnitte. Diese fassen die 29 Beiträge der 32 Autor:innen unter folgenden Themen zusammen:

    Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

    Geld und Finanzen für eine gerechtere Gesellschaft

    Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels

    Beiträge von Wirtschaft zu Umwelt- und Klimaschutz

    Gleichberechtigung, Vielfalt und Verständigung in Unternehmen

    Die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft und neue Organisationsstrukturen

    Wir möchten wirtschaftspolitisch interessierte Menschen in und außerhalb von Unternehmen erreichen – in der Politik, der Zivilgesellschaft, in Verbänden, der Öffentlichkeit und in den Medien. All diejenigen, denen an interdisziplinären Lösungen für ein besseres Wirtschaften von guten Unternehmen in einer nachhaltigen Gesellschaft liegt, sollen sich angesprochen fühlen.

    Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt. Neue Ideen bilden sich in einem Prozess, in den Anregungen von anderen einfließen, und gute Debatten profitieren von Meinungen, die gehört und diskutiert werden.

    Die Beiträge stehen unter einer Creative Commons Lizenz. Das gibt uns und den Leser:innen die Möglichkeit, sie weiterzugeben, über Social Media zu kommunizieren, für Blogs zu nutzen und Ähnliches. Daher gibt es dieses Buch nicht nur als gedruckte Ausgabe, sondern auch als Online-Veröffentlichung.

    Wie auch immer Sie diesen Band lesen und nutzen: Er regt Sie hoffentlich zu neuen Ideen und Gedanken an und steigert die Lust auf Veränderung und Vernetzung.

    Für die Herausgeber:innen:

    Sven Liebert, Julia Scheerer und Christian Schilcher

    RANA DEEP ISLAM

    SVEN LIEBERT

    JULIA SCHEERER

    CHRISTIAN SCHILCHER

    Plädoyers für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

    Unternehmen bieten Produkte und Dienstleistungen an, die wir für unser Leben benötigen oder die es bequemer gestalten oder uns schlicht erfreuen. Indem Unternehmen diese Produkte und Dienstleistungen anbieten, vermehren sie Geld. Und das ist ihr einziger Zweck. Die dabei entstehenden Kosten werden weitgehend der natürlichen Umgebung oder den Menschen, die für die Erstellung zuständig sind, angelastet – sprich: externalisiert. Stark verkürzt ist das eine gängige Vorstellung dessen, welche Rolle ein Unternehmen in der Gesellschaft spielt. Die Beiträge dieses Kapitels zeigen, wie die gegenteilige Praxis unternehmerischer Aktivitäten aussehen kann, sich mit Gutem für Umwelt und Gemeinschaft Geld verdienen lässt und wie gesellschaftspolitische Positionierung sich auszahlt.

    Eindrucksvoll zeigt Carl, dass nachhaltige Unternehmen heute im Trend sind und warum es sich lohnt, aus persönlicher Überzeugung ein Unternehmen zu gründen, das Nachhaltigkeit und Stil verbindet.

    Ryan schreibt aus der Perspektive eines für Nachhaltigkeit verantwortlichen Managers, wie wichtig es ist, dass Unternehmen und Politik die Klimakrise endlich ernst nehmen und die bestehenden Herausforderungen gemeinsam lösen. Er fordert starke Anreizstrukturen für nachhaltiges Handeln und harte Sanktionen bei Zuwiderhandlung.

    Lencke widerspricht den Vorurteilen, die gegenüber Unternehmen bestehen, und argumentiert dafür, insbesondere die meist über Generationen geführten mittelständischen Unternehmen differenzierter zu betrachten. Unternehmensgründungen zu erleichtern und Arbeitskräfte flexibler einzusetzen – auch über die Organisationsgrenzen eines einzelnen Unternehmens hinweg –, sind für sie zentrale Stellhebel, damit Unternehmen entstehen können, die Mehrwert für die Gesellschaft bieten.

    Leser:innen sind nach der Lektüre dieses Kapitels mindestens inspiriert, wenn nicht sogar emotional berührt.

    Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell in der Modeindustrie

    CARL WARKENTIN

    Carl Warkentin betrieb nach dem Studium in Deutschland, den USA und Italien die Digitalisierung eines deutschen Anlagenbauers und unterstützte den Aufbau eines digitalen Konzernbereichs mit 1.600 Mitarbeitenden. Zudem gründete er Unternehmen in Kalifornien und investierte selbst in Technologie-Start-ups. 2017 gründete er das Sneaker-Unternehmen Monaco Ducks, das – in einem der giftigsten Industriezweige – führend im Bereich Kreislaufwirtschaft ist und auch industrieübergreifend Maßstäbe setzt.

    Abstract: Nachhaltiger Konsum, ohne auf die schönen Dinge im Leben zu verzichten. Ob das geht, welche Verantwortung Politik, Unternehmen und Konsument:innen in der heutigen Gesellschaft übernehmen und wie wir unser Verhalten den nächsten Generationen gegenüber rechtfertigen – davon handelt dieser Beitrag.

    Ich kenne viele Menschen, die ihren Hausmüll trennen, bei Inlandsreisen Zug fahren, statt das Auto oder den Flieger zu nehmen, die Bioprodukte im Supermarkt bevorzugen und hochwertige Mode gegenüber Fast Fashion. Auch ich bin überzeugt, sehr nachhaltig zu leben und bewusst mit den Ressourcen unserer Welt umzugehen. Doch wenn man ganz ehrlich ist, muss man sich eingestehen, dass man nicht alles weiß. Konsument:innen können oft nicht wissen, wie etwas hergestellt wurde oder auf welche Faktoren zu achten ist. So bieten etwa Fast-Fashion-Konzerne Produkte aus recycelten Stoffen an, man kann sogar seine Altkleider dort zum Recyceln abgeben und erhält Rabatt auf den nächsten Einkauf. Da muss man sich ja wohlfühlen.

    Gerne greift man auch zu Produkten, die aus recyceltem PET (Polyethylenterephthalat) bestehen. Doch viele wissen gar nicht, dass es mehr solcher Produkte gibt, als es PET gibt. Entsprechend wird extra PET produziert – nur um es anschließend recyceln zu können. Ein anderes Beispiel sind vegane Produkte, wie Sneaker aus veganem Obermaterial. Dabei bedeutet vegan oft auch Rohöl, ist also nicht automatisch besser und nachhaltiger. Wer genau hinsieht, erkennt, wann es sich um einen Marketingtrick handelt und kein nachhaltiges Konzept dahintersteht. Der Begriff »Nachhaltigkeit« wird mittlerweile so inflationär verwendet, dass es für tatsächlich nachhaltige Unternehmen schwer wird, glaubwürdig zu bleiben.

    Der Teufel steckt im Detail …

    … und irgendwie auch im Menschen. Wir wollen nämlich gerne nachhaltig und bewusst leben, aber verzichten möchten wir eigentlich auf nichts. So kommt es auch, dass wir als reiche Industrieländer die Umwelt viel mehr belasten als arme Schwellenländer – obwohl das nicht direkt ersichtlich ist. Denn wenn man in Entwicklungsländern unterwegs ist, kann man kaum glauben, welche umweltschädlichen Autos auf der Straße fahren, wie klimaschädlich gebaut, geheizt und gekühlt wird oder wie sorglos mit Plastiktüten um sich geworfen wird. Die Sorgen sind dort ganz andere, als den Planeten zu schützen – und dennoch sind wir Industrieländer das eigentliche Problem. Denn in entwickelten Ländern wird deutlich mehr konsumiert. In unserer Gesellschaft ist es beinahe unmöglich, wirklich nachhaltig zu leben, ohne anzuecken.

    Nachhaltige Mode klingt gut, muss aber auch gut aussehen. Lokales Biofleisch klingt gut, muss aber bezahlbar sein. So kommt es, dass wir gerne auf die Marketingtricks der Konzerne reinfallen und darauf bauen, dass in Deutschland und Europa schon alles seine Richtigkeit hat. »Alles andere wäre ja nicht erlaubt.« Doch gibt es viele Unternehmen, die auch hier Produkte vertreiben, welche unter schlimmsten Bedingungen und mithilfe von Kinderarbeit produziert werden. Nur damit wir noch ein T-Shirt für vier Euro im Schrank liegen haben, das wir wahrscheinlich niemals tragen werden. Denn statistisch gesehen tragen die Deutschen einen Großteil ihrer Kleidung nicht ein einziges Mal.

    Spricht man über Nachhaltigkeit, kommen Fast-Fashion-Unternehmen nicht gut weg. Sofort fallen uns die schwarzen Schafe aus der Industrie ein. Dennoch wird die Verantwortung für nachhaltigen Konsum den Konsument:innen zugerechnet. Nach dem Motto, die Nachfrage bestimmt das Angebot. Doch an der Kasse hört die Moral oft auf. Wer ist nun also verantwortlich? Am Ende alle. Doch meiner Meinung nach kann man die alleinige Verantwortung nicht dem Einzelnen übertragen. Ich denke, dass Politik sowie Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen müssen.

    Dabei denke ich nicht daran, dass die Politik zahllose Restriktionen und Steuererhöhungen einführen soll. Dennoch muss Politik lenken.

    Negative Effekte von Produkten müssen steuerlich eingepreist werden, damit die Innovation von nachhaltigen Produkten unterstützt wird. Unternehmen müssen ihre eigenen Leistungskennzahlen überdenken. Statt als einzig relevante Kennzahl den Gewinn zu optimieren, sollte auch der ökologische Fußabdruck eine Rolle spielen. Es muss möglich und unternehmerisch spannend sein, anständige Produkte zu produzieren und allen zugänglich zu machen.

    Alle gängigen Praktiken der Modeindustrie hinterfragen

    Vor fünf Jahren habe ich mit einem Freund ein eigenes Schuh-Modeunternehmen gegründet. Wir kannten uns vorher nicht in der Industrie aus, hatten keine Beziehungen in dem Markt und keine Ahnung, wie man einen Schuh produziert. Uns hat vielmehr die Herausforderung als Unternehmer gereizt, eine Industrie zu innovieren, die jahrzehntelang keine Innovation vorangebracht hat und die der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt ist, direkt nach der Ölindustrie.

    Unser Unternehmen ist intelligent aufgestellt und hinterfragt alle gängigen Praktiken der Modeindustrie. Wichtig ist uns dabei nicht nur, nachhaltige Obermaterialien zu verwenden oder irgendwo einen Prozentsatz recycelte Materialien zu nutzen. All unsere Produkte und unser Unternehmen sind klimaneutral. Das bedeutet, dass wir von allen verwendeten Materialen wissen, woher sie kommen und wie klimaschädlich bzw. -freundlich sie sind. Auch die Produktionsstätten und Lieferwege werden unter die Lupe genommen. Hier gehört auch dazu, wie die Mitarbeiter:innen von uns oder unseren Manufakturen zur Arbeit fahren, welcher Strom verwendet und wie geheizt wird und wie viele Computer im Einsatz sind. Sobald alle Daten erhoben sind, wissen wir genau, wie viele Emissionen wir in Umlauf bringen, und können diese mit Unterstützung klimafreundlicher Projekte neutralisieren.

    Das ist aber nur der erste Schritt, denn dieser Prozess zeigt uns, wo die meisten Schadstoffe entstehen, beispielsweise auf langen Transportwegen oder beim Sohlenmaterial für Sneaker. Im nächsten Schritt können wir diese Bereiche angehen und nachhaltigere Lösungen finden. So sind wir etwa dabei, mit Partnerfirmen komplett nachhaltige, biologisch abbaubare Sohlen zu entwickeln oder vegane Stoffe, für die man kein Rohöl verwenden muss. Denn auch hier wissen viele Konsument:innen nicht, dass vegan nicht immer nachhaltiger ist.

    Unser Unternehmen denkt aber auch hier noch weiter. Viele einzelne Komponenten von Schuhen können zwar so produziert werden, dass sie biologisch abbaubar sind, doch der Schuh müsste dann aufwendig auseinandergenommen und in die einzelnen Bestandteile zerlegt werden. Daher arbeiten wir an Konzepten wie dem modularen Schuh, sodass die Sohle sich beispielsweise leicht vom Obermaterial lösen lässt. Somit können die Kund:innen einzelne Komponenten austauschen. Am Ende seines Lebenszyklus kann der Schuh einfach in alle Komponenten zerlegt und jede Komponente kann recycelt oder abgebaut werden. Aktuell arbeiten wir an einem Konzept inklusive des sogenannten Take-Back-Service und treiben das Thema »Kreislaufwirtschaft« (Circular Economy) in der Modeindustrie voran. Hier arbeiten wir mittlerweile auch industrieübergreifend mit anderen großen Unternehmen aus verschiedenen Bereichen zusammen, wie etwa der Automobilindustrie.

    Wichtig ist, dass nicht nur das Produkt, sondern auch das Geschäftsmodell nachhaltig ist. So trägt die Überproduktion einen erheblichen Teil zur Umweltbelastung bei. Luxusunternehmen verbrennen häufig ihre Produkte, damit diese nicht im Schlussverkauf landen. Andere Unternehmen produzieren eigens für den Schlussverkauf Ware – oft in verminderter Qualität. So wird das Produkt dann indirekt vom Kunden entsorgt, indem er es nie oder nur für kurze Zeit trägt. In unserem Unternehmen können wir dank kurzer Produktionszyklen on demand, also auf Nachfrage, nachproduzieren. Das bedeutet einen positiven Cashflow fürs Unternehmen und belastet nicht die Umwelt.

    In diesem Sinne hinterfragen wir alle gängigen Prinzipien der Modeindustrie. Der Grundstein für unseren Erfolg und die Voraussetzung für unser nachhaltiges Geschäftsmodell ist, ebenso ressourcen- wie kosteneffizient zu arbeiten.

    Mit dem eigenen Unternehmen ein Zeichen setzen

    Als Unternehmer, aber auch mit unserer Schuhmarke möchten wir keinesfalls belehrend wirken. Vielmehr möchten wir Gutes tun, ein anständiges Produkt anbieten, das wirklich nachhaltig ist, fair und hochwertig produziert wird, kompromisslos gut aussieht sowie den Kund:innen einen Mehrwert bietet. Genau danach streben wir mit unserer klimaneutralen Designermarke Monaco Ducks. Das Beste dabei ist, dass es ganz viele Märkte und Produkte gibt, bei denen die gleichen Eigenschaften zum Tragen kommen (sollten).

    Ich bin leidenschaftlicher Unternehmer und möchte mit meinem Unternehmen ein Zeichen setzen, zeigen, dass sich Erfolg und echte Nachhaltigkeit nicht ausschließen. Egal, wie klein oder groß, wie jung oder alt und in welcher Industrie: Jede:r kann einen Unterschied machen. Es ist wichtig, dass wir konsequent und mutig vorangehen, mehr machen, als nur darüber zu reden und es toll zu vermarkten. Wir Unternehmer sind auch gleichzeitig Konsumenten und was wir als Konsumenten schon denken, müssen wir auch als Unternehmer verinnerlichen. Konsument:innen verlangen immer mehr Transparenz und Verantwortungsbewusstsein von den Unternehmen. Sie erwarten, dass Unternehmen faire, nachhaltige, also einfach anständige Produkte produzieren. Nachhaltigkeit wird irgendwann gar kein Begriff mehr sein, mit dem man Kundschaft anlockt. Es wird die Norm sein. Und das ist gut! Die Idee ist also, nicht zu belehren, sondern zu begeistern, zu inspirieren, einen Unterschied zu machen, zu zeigen, dass es geht.

    Der Stakeholder Value liegt nicht mehr darin, den maximalen Profit aus dem Geschäft zu ziehen, sondern beinhaltet heute und in der Zukunft weitere Faktoren wie Fairness, Nachhaltigkeit und Aufrichtigkeit. Die Art des Arbeitens verändert sich. So suchen auch wir nach neuen Lösungen gemeinsam mit Partnern und sogar mit Wettbewerbern. Ziel ist für uns nicht nur, nachhaltige Schuhe zu verkaufen, sondern den gesamten Markt nachhaltiger zu gestalten. Nur wenn man auch eigene Konzepte teilt, wird einem an anderer Stelle weitergeholfen. Ich glaube, ein Miteinander funktioniert auch in der Wirtschaft besser als ein Gegeneinander – und das merken wir bereits heute.

    Wirtschaft und Politik müssen nun vorangehen, um Verantwortung und eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Frühere Generationen mussten sich immer wieder den jungen Generationen gegenüber verantworten. Ich sehe die bedeutendste Herausforderung darin, dass wir uns einmal unseren Enkelkindern gegenüber verantworten können mit dem Leben, wie wir es heute führen.

    Wir müssen Verantwortung übernehmen – für uns und andere!

    RYAN HOLOWKA

    Ryan Holowka durfte bereits früh in seiner Karriere Verantwortung übernehmen. Im Alter von 28 Jahren wurde ihm die Leitung der nachhaltigen Transformation von Vodafone Deutschland anvertraut. Er baute hierfür ein neues Team auf und entwickelte die Nachhaltigkeits- und Purposestrategie des Konzerns. Seit 2021 leitet er als erster Sustainability Manager in der 120-jährigen Unternehmensgeschichte die Nachhaltigkeitsbemühungen von Peek & Cloppenburg Düsseldorf.

    Abstract: Dies ist ein Plädoyer für mehr Verantwortung. Für mehr Verantwortung von Politik und Wirtschaft im Umgang mit unserem Planeten. Der Schutz des Planeten muss wichtiger sein als die Gewinnmaximierung der Unternehmen und wichtiger als parteipolitische Interessen. Wir können die Klimakrise noch stoppen, aber nur, wenn wir uns solidarisch verhalten und Verantwortung übernehmen: für uns und für andere.

    Der Irrglaube: Privatpersonen sind für den Klimaschutz verantwortlich

    Das gängige Narrativ von Politik und Wirtschaft lautete lange: Klimaschutz ist Aufgabe von Privatpersonen. Sie könnten, etwa durch den Umstieg auf Grünstrom oder die Reduzierung von Autofahrten, die Klimakrise aufhalten. Ein geschickter Schachzug, mit dem Politiker:innen und Wirtschaftslenker:innen versuchen, sich ihrer Verantwortung für den Klimaschutz zu entledigen. Selbstverständlich ist jede:r Einzelne dazu angehalten, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten. Alles, was wir kaufen, alles, was wir konsumieren, alles, was wir unternehmen, hat einen ökologischen Fußabdruck. Jede:r Einzelne sollte daher bewusst konsumieren und den persönlichen Beitrag leisten.

    Aber zu behaupten, Einzelpersonen seien maßgeblich für die Bewältigung der Klimakrise verantwortlich, ist falsch. Wir alle müssen unseren Beitrag leisten, doch es ist vor allem die Aufgabe von Politik und Wirtschaft, die Klimakrise zu stoppen. Die Wirtschaft muss nachhaltige Angebote schaffen und die Politik hierfür die richtigen Rahmenbedingungen. In der Vergangenheit haben Unternehmen zu oft auf die Nachfrage am Markt gewartet, um nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Hat sich die entsprechende Nachfrage nicht eingestellt, wurde die Entwicklung nachhaltiger Angebote depriorisiert. Das können wir uns heute nicht mehr leisten. Die Zuspitzung der globalen Klimakrise erfordert den sofortigen Umstieg auf eine nachhaltige und soziale Marktwirtschaft. Dies bedeutet, dass wir bestehende Produkte nicht einfach grün anmalen können, sondern sie von Anfang bis Ende nachhaltig denken müssen. Wir brauchen ein neues, zirkuläres Design von Produkten, mit nachhaltigeren Materialien und nachhaltigeren Herstellungsprozessen, die am Ende nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als dem Kreislauf wieder zugeführt werden.

    Die Verantwortung hierfür tragen die Führungsetagen unserer Wirtschaft. Sie, die Topmanager:innen und Wirtschaftsbosse, müssen Sorge dafür tragen, dass nachhaltige Produkte in den Markt gelangen und Kennzahlen der Nachhaltigkeit mindestens genauso wichtig sind wie Finanzkennzahlen. Ein besonders wichtiges Ziel muss der Abbau von Barrieren zur Nutzung nachhaltiger Produkte sein. Nachhaltiger Konsum muss für die Verbraucher:innen genauso einfach oder sogar einfacher sein als nicht nachhaltiger Konsum.

    Die Aufgabe der Politik ist hierbei, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Dies geschieht idealerweise durch Anreize – Anreize, die sowohl die Unternehmen als auch die Bürger:innen anspornen, nachhaltiger zu werden. Wo Anreize nicht funktionieren, muss der Staat durch Verbote und Beschränkungen korrektiv eingreifen – so wie in vielen anderen Bereichen auch. Gleichzeitig muss die Politik mit positivem Beispiel vorangehen, muss ambitionierte, wissenschaftlich fundierte Ziele definieren und ihre eigenen Prozesse radikal auf Nachhaltigkeit umstellen.

    Die Lüge: Durch Greenwashing wird aus Grau Grün

    Auf dem Papier sind sowohl Politik als auch Wirtschaft bereits heute nachhaltig. Gewaltige Anstrengungen werden unternommen, um nachhaltig zu wirken. Nicht unbedingt, um nachhaltig zu sein, aber um den Anschein zu erwecken. Es gibt groß angekündigte Ziele, begleitet von einem regelrechten Kommunikationsfeuerwerk. Politiker:innen und Topmanager:innen lassen keine Chance ungenutzt, über die Bedeutung des Themas »Nachhaltigkeit« für ihr Land, ihr Unternehmen und sie persönlich zu sprechen. Man habe verstanden, wie wichtig das Thema sei, und scheue keine Kosten und Mühen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen.

    Zwischen Realität und Versprochenem klaffen jedoch gravierende Lücken – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. So große Lücken, dass das Bundesverfassungsgericht das erste Klimagesetz der Bundesregierung in Teilen für verfassungswidrig hält. Dieses Gerichtsurteil verdeutlicht das fundamentale Versagen der Politik im Bereich Klimaschutz. Eine vergleichbare Situation erleben wir in der Wirtschaft, in der die Ziele zur Rettung unserer Erde mit konträren Zielsetzungen konkurrieren. Während die Wirtschaft sich als geläutert verkauft und den Wandel hin zum Stakeholder Value propagiert, regiert in den Führungsetagen der Konzerne weiterhin das Mantra der Shareholder-Value-Maximierung. Der Ertrag der Investor:innen wird also über alle anderen Interessen gestellt. Es drängt sich der Eindruck auf, die Welt müsse zwar gerettet werden, aber eben nicht um jeden Preis.

    Das Verhalten von Politik und Wirtschaft macht deutlich: Der Ernst der Lage wird noch immer verkannt. Dabei ist das Thema »Nachhaltigkeit« keinesfalls

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