Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Modernes Krankenhausmanagement: Konzepte und Lösungen
Modernes Krankenhausmanagement: Konzepte und Lösungen
Modernes Krankenhausmanagement: Konzepte und Lösungen
eBook618 Seiten5 Stunden

Modernes Krankenhausmanagement: Konzepte und Lösungen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Dieses Buch zeigt Wege auf, wie jedes Krankenhaus die vermeintliche Quadratur des Kreises lösen kann: zum einen noch bessere medizinische und pflegerische Leistungen zu erbringen, zum andern nachhaltig die Gewinnschwelle zu erreichen. Auch wenn deutsche Krankenhäuser im internationalen Vergleich erstaunlich gut dastehen, so muss sich der gesamte Sektor weiterhin enormen Herausforderungen stellen: Rund die Hälfte der Häuser schreibt rote Zahlen, Wirtschaftlichkeit und finanzielle Basis werden von Jahr zu Jahr schwächer. Die Ideen, Konzepte und Vorschläge der Autoren, um diesen Entwicklungen gegenzusteuern, geben den neuesten Stand der nationalen und internationalen Reformdiskussion wieder. Zugrunde liegen eigene Erfahrungen in der Führung von Krankenhäusern, in Forschung und Lehre sowie in der Beratung von Krankenhäusern und Krankenhausgruppen im In- und Ausland. 

Für die vorliegende 4. Auflage wurden das Kapitel zu dem Leistungsgeschehen auf den Stationen komplett überarbeitet und ein Kapitel zur Wirtschaftlichkeit und dem Controlling des klinischen Betriebs ergänzt.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum14. Aug. 2018
ISBN9783662575406
Modernes Krankenhausmanagement: Konzepte und Lösungen

Ähnlich wie Modernes Krankenhausmanagement

Ähnliche E-Books

Medizin für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Modernes Krankenhausmanagement

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Modernes Krankenhausmanagement - Benjamin I. Behar

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    B. I. Behar et al.Modernes Krankenhausmanagementhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57540-6_1

    1. Die deutschen Krankenhäuser – international nach wie vor auf einem hervorragenden Niveau

    Benjamin I. Behar¹  , Clemens Guth¹   und Rainer Salfeld¹  

    (1)

    Artemed SE, Tutzing, Deutschland

    Benjamin I. Behar (Korrespondenzautor)

    Email: benjamin.behar@artemed.de

    Clemens Guth

    Email: clemens.guth@artemed.de

    Rainer Salfeld

    Email: rainer.salfeld@artemed.de

    An Deutschlands Krankenhäusern scheiden sich die Geister!

    In den Medien sorgen regelmäßig wiederkehrende Horror‐Stories über „viel zu viele Operationen", „Tausende Tote aufgrund von Behandlungsfehlern" oder die „Ausbreitung multiresistenter Killerkeime für hohe Auflagen und Einschaltquoten. Zur gleichen Zeit beklagen Krankenkassen und ‑versicherer die nach wie vor großen Ausgaben für die stationäre Versorgung und fordern mehr Transparenz und Effizienz. Personalvertreter und Gewerkschaften prangern die hohe Leistungsverdichtung für die Mitarbeiter an, es fehle schlichtweg die Zeit für eine humane Medizin im deutschen Krankenhausbetrieb. Vertreter von Ethikräten und Kirchen wiederum hadern mit der fortschreitenden „Ökonomisierung in der Medizin, während in etlichen Kommunen und Landkreisen die lokalen Klinikleitungen für die chronischen Haushaltslöcher verantwortlich gemacht werden.

    Und doch gibt es unter unseren Mitbürgern nur wenige, die im Falle einer Krankheit eine Behandlung außerhalb Deutschlands bevorzugen würden. Mehr als 82 %, so die Ergebnisse einer Umfrage, würden ihre Klinik uneingeschränkt weiterempfehlen – für den Dienstleistungssektor eine ungewöhnlich gute Quote [1]!

    Bei aller öffentlichen Kritik berichten Millionen Bürger immer wieder von unglaublich positiven Erfahrungen in deutschen Krankenhäusern. Menschen werden geheilt, auch in vermeintlich aussichtslosen Situationen. Beistand wird geleistet, auch unter schwierigsten Umständen. Das persönliche Engagement und Können vieler Beteiligter – von Ärzten, OP‐Personal und Stationskräften – wird immer hervorgehoben. Viele verspüren Dankbarkeit und ein hohes Maß an Vertrauen in „ihr" Krankenhaus.

    Was stimmt nun wirklich? Wo stehen die deutschen Krankenhäuser, auch im internationalen Vergleich? Wie wirtschaftlich sind sie? Wie lässt sich eigentlich Produktivität über die Grenzen hinweg vergleichen? Und schließlich, wie gut ist es um die Qualität deutscher Krankenhäuser bestellt? Wo besteht objektiver Verbesserungsbedarf, gerade auch gegenüber den Krankenhaussystemen in anderen OECD‐Ländern?

    Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse eines internationalen Vergleichs lassen die Leistungen des deutschen Krankenhaussektors in einem differenzierten Licht erscheinen. Vergleicht man objektiv die nationalen Krankenhaussysteme hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen, so schneidet das deutsche System in der Summe recht gut ab.

    Bei Wirtschaftlichkeit und Kostengünstigkeit nimmt das deutsche System – selbst wenn es von Haus zu Haus noch erhebliche Unterschiede gibt und nicht wenige Häuser aufgrund des gestiegenen Kostendrucks defizitär arbeiten – einen Spitzenplatz ein. Kein anderes Land arbeitet im stationären Sektor so kostengünstig wie Deutschland. Auch hinsichtlich Angebotsbreite und Zugänglichkeit erzielt das deutsche Krankenhaussystem im Ländervergleich Bestnoten. Kaum ein anderes Land der Welt bietet seinen Bürgern, unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten, einen solch breiten und einfachen Zugang zu stationärer Versorgung. Allein das Urteil über die Qualität fällt weniger eindeutig und positiv aus. Auch wenn die Datenlage international noch schwer zu erheben und wenig transparent ist, so verdichten sich doch Einschätzungen und Evidenz: Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland hier eher mittelmäßig ab. Charakteristisch für Deutschland ist die auffällig hohe Varianz zwischen den einzelnen Leistungserbringern. Während vielerorts, auch im internationalen Vergleich, exzellente Ergebnisse erzielt werden, gibt es doch deutliche Ausreißer nach unten.

    Insgesamt lässt sich festhalten: Das deutsche Krankenhaussystem ist, bei aller berechtigten Kritik, im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähig und weitaus besser als sein Ruf! Gerade der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit erweist sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar.

    Gleichwohl stellt sich, wenn jeder dritte stationäre Leistungserbringer ein negatives Jahresergebnis aufweist, die Frage, wie das System zukunftssicher finanziert werden kann [2]. Oder aus der Perspektive der verantwortlichen Krankenhausmanager vor Ort betrachtet: Was muss geschehen, damit das eigene Haus ähnlich erfolgreich zu wirtschaften vermag wie die besten nationalen und internationalen Vergleichskrankenhäuser?

    1.1 Im internationalen Vergleich arbeiten deutsche Krankenhäuser sehr kostengünstig

    Die Gesundheitsausgaben beliefen sich im Jahr 2015 in Deutschland auf 344,2 Mrd. EUR. Das entspricht 4.213 EUR je Einwohner oder einem Anteil von 11,2 % am Bruttoinlandsprodukt, und damit gilt das deutsche Gesundheitssystem nach allgemeiner Einschätzung als teuer und kaum noch finanzierbar (Abb. 1.1). Somit wird in Deutschland mehr als jeder neunte Euro für die Gesundheit ausgegeben. Im Vergleich zum Vorjahr 2014 stiegen damit die Ausgaben um 15 Mrd. EUR oder 4,5 %. Mit dieser Entwicklung nahmen die Gesundheitsausgaben das vierte Jahr in Folge stärker zu als das Wachstum des BIP. Auch für die kommenden Jahre ist von einem überproportionalen Wachstum auszugehen [3]. Nur die USA und die Schweiz liegen mit 16,9 und 12,1 % noch vor Deutschland. Wichtigster Kostenblock innerhalb des deutschen Gesundheitssystems ist der Krankenhaussektor. In 2015 entfielen auf ihn Ausgaben von insgesamt 89,4 Mrd. EUR – oder etwas mehr als ein Viertel aller Gesundheitsausgaben.

    Von diesen Zahlen sollte man sich indes nicht über Gebühr beeindrucken lassen. Denn der prozentuale Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist nicht unbedingt der verlässlichste Indikator: So hat im internationalen Vergleich ein eher niedriges BIP pro Kopf automatisch einen überproportional hohen Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP zur Folge. Das gilt besonders für Deutschland. In 2015, also mehr als fünfundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung, erreichte Deutschland mit 38.429 EUR je Einwohner (Kaufkraft adjustiert) gerade einmal einen mittleren Rang unter den OECD‐Vergleichsländer, und daran hat sich seit einigen Jahren nichts geändert. Nur Kanada, Großbritannien, Japan, Frankreich, Italien und Spanien weisen ein noch geringeres kaufkraft‐adjustiertes Bruttoinlandsprodukt aus.

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Die relativen Gesundheitsausgaben liegen in Deutschland über denen der Vergleichsländer

    Vergleicht man die Gesamtgesundheitsausgaben und Krankenhauskosten je Land auf dieser Basis, so zeigt sich Erstaunliches: Bei den absoluten – und um die Kaufkraftunterschiede in den einzelnen Ländern bereinigten – Leistungsausgaben liegt Deutschland in 2015 mit jährlichen Gesamtgesundheitsausgaben von 4.820 EUR je Einwohner knapp oberhalb des Median der OECD‐Vergleichsländer von 4.555 EUR je Einwohner¹. Anders ausgedrückt, berücksichtigt man die Kaufkraft der einzelnen Bürger, so ist das deutsche System nicht wesentlich teuer als in den Vergleichsländern.

    Infobox: Was bedeutet „Kaufkraft‐Adjustierung"?

    Um die Gesundheitsausgaben im Allgemeinen und die Ausgaben für den stationären Krankenhaussektor im Speziellen auf vergleichbare Art und Weise betrachten zu können, eignen sich die kaufkraft‐adjustierten Gesundheitsausgaben.

    Kaufpreisparitäten (engl. purchasing power parity PPP) stellen Preisrelationen dar, die veranschaulichen, wie hoch die Preisunterschiede in zwei Ländern sind. In der Regel wird als Vergleichswährung der US Dollar und als Bezugsgröße die USA herangezogen (= PPP von 1).

    Dabei werden die PPP für internationale Vergleiche von der OECD in drei Schritten berechnet. In einem ersten Schritt auf der Ebene einzelner konkreter Produkte und Dienstleistungen. Als Nächstes erfolgt eine Berechnung auf Ebene der Produktgruppe, bei der über die einzelnen Preisrelationen der Produkte innerhalb dieser Gruppe ein Durchschnittswert berechnet wird. Im dritten Schritt werden alle Produktgruppen gewichtet und aggregiert, so dass am Ende der Berechnung Kaufkraftparitäten auf der Ebene der Gesamtausgaben vorliegen (Warenkorb).

    Bei internationalen Vergleichen von gesamtwirtschaftlichen Größen treten diese Kaufkraftparitäten an die Stelle von Wechselkursen und ermöglichen einen Vergleich auf nivellierter Basis (horizontaler Vergleich). So spielt es bei einem Vergleich auf Basis der PPP keine Rolle, wie hoch das BIP pro Kopf eines Landes in US Dollar im Vergleich zum BIP pro Kopf der USA ist. Entscheidend ist vielmehr, wie viel der Bürger dieses Landes im Vergleich zu einem US Amerikaner konsumieren kann.

    Für das Jahr 2015, als das aktuellste verfügbare Betrachtungsjahr², entfallen von den Gesundheitsausgaben in Höhe von 4.820 EUR je Einwohner genau 1.408 EUR auf die Versorgung im Krankenhaus (Abb. 1.2; [4]). Höher sind nur die Kosten für die ambulante Versorgung mit 1.516 EUR; erst mit deutlichem Abstand folgen jeweils die Ausgaben für den Einzelhandel und die Anbieter medizinischer Produkte (Medikamente, Heil‑ und Hilfsmittel). Einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu früheren Datenerhebungen verzeichneten dabei die Ausgaben für Alten‑ und Pflegeheime. Dieser Trend wird sich erwartungsgemäß in den folgenden Jahren weiter fortsetzen.

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Die stationäre Versorgung ist nach der ambulanten Versorgung der zweite große Kostenblock des Gesundheitswesens

    Mit 1.408 EUR je Einwohner ist Deutschland im unteren Drittel der Vergleichsländer zu finden (Abb. 1.3). Nur wenige Länder weisen noch geringere Ausgaben auf: So geben lediglich die Länder Italien (1.372 EUR je Einwohner), Spanien (1.187 EUR je Einwohner) und Kanada (1.017 EUR je Einwohner) weniger für die stationäre Versorgung aus. Allerdings zählt auch Japan mit nur 1.319 EUR je Einwohner zu den hoch industrialisierten Ländern, die weniger als Deutschland für die stationäre Versorgung aufwenden.

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Die geringen Krankenhausausgaben pro Einwohner gehen einher mit einer hohen Inanspruchnahme von Leistungen und sehr geringen Fallkosten

    Besonders erstaunlich sind die geringen Krankenhausausgaben je Einwohner angesichts der starken Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in Deutschland (Abb. 1.3). Kein anderes Land konsumiert ein solch hohes Maß an stationären Leistungen. Mit 25.534 Entlassungen je 100.000 Einwohner (2015) übertrifft die Bundesrepublik den Median der Vergleichsländer um rund 75 %; dieser liegt bei lediglich 14.775 Entlassungen je 100.000 Einwohner. Anders als vielleicht zu erwarten gehen die hohen stationären Fallzahlen nicht einher mit unterdurchschnittlichen Liegedauern. Im Gegenteil: Auch hier lag Deutschland 2015 mit 7,4 Tagen über dem Durchschnitt [5].

    Haben sich in Deutschland die Verweildauern in den letzten Jahren deutlich reduziert und immer mehr den OECD‐Vergleichswerten angepasst, so ist das Gegenteil bei der Entwicklung der Fallzahlen zu beobachten. Entgegen dem OECD‐weiten Trend haben sich die Fallzahlen in Deutschland kontinuierlich weiter erhöht. Erstaunlich ist, dass die überdurchschnittliche Inanspruchnahme stationärer Leistungen einhergeht mit einer im internationalen Vergleich ebenfalls starken Inanspruchnahme ambulanter Leistungen. Deutschland weist laut Studien 14,7 ambulante Arztkontakte pro Jahr aus und liegt damit deutlich über den OECD‐Vergleichsländern [6].

    Augenscheinlich besteht im deutschen System eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage nach Versorgungsleistungen. Was die Gründe dafür sind, ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Je nachdem welche Sichtweise man sich zu Eigen macht, reichen die Argumente von Überversorgung und angebotsinduzierter Nachfrage, über falsche monetäre Anreize, bis hin zum viel zitierten technologischen Fortschritt. Ebenso werden die alternde Bevölkerung oder die hohen Ansprüche der Deutschen an die eigene Gesundheit gerne als Gründe angeführt. Auch wenn eine quantitativ belastbare Aussage noch aussteht, dürften vermutlich alle genannten Einflussfaktoren eine Rolle spielen.

    Ein Umstand ist für Deutschland besonders hervorzuheben: Die niedrigen Krankenhauskosten kompensieren in Teilen sogar die überdurchschnittlichen jährlichen Ausgaben im ambulanten Bereich von 1.516 EUR je Einwohner (Abb. 1.4). Nur die USA und die Schweiz sind mit 2.600 EUR und 2.053 EUR pro Jahr und Einwohner teurer in der ambulanten Versorgung als Deutschland. Der OECD‐Median beträgt lediglich 946 EUR. In Summe betrachtet liegt Deutschland mit jährlichen stationären und ambulanten Kosten in Höhe von 2.923 EUR im oberen Drittel des OECD‐Vergleichs. Der Median liegt hier bei 2.588 EUR je Einwohner [4].

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    Die ärztliche Versorgung ist in Deutschland kostengünstiger als in vielen anderen Ländern

    Was am Beispiel von 2015 dargestellt wurde, ist keineswegs ein Ausnahmefall, vielmehr arbeiten die deutschen Krankenhäuser seit langem schon nachhaltig kosteneffizient. Betrachtet man die Krankenhausausgaben über die Zeit, so haben sie sich in Deutschland während der letzten Jahre gerade mal um 5,7 % erhöht. Im Vergleichszeitraum hat sich kaum ein anderes Land so kostengünstig entwickelt [4].

    1.2 Die Produktivität deutscher Krankenhäuser

    Es ist ungewöhnlich, dass eine im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Inanspruchnahme von stationären Leistungen einhergeht mit unterdurchschnittlichen jährlichen Krankenhausausgaben je Einwohner. Für Deutschland liegt die Erklärung in sehr niedrigen Fallkosten. Kein anderes entwickeltes Land hat so geringe Fallkosten (Abb. 1.3). In Deutschland belaufen sich die durchschnittlichen Krankenhauskosten je Fall in 2015 gerade einmal auf 5.653 EUR. In Australien als zweigünstigstem Land liegen sie bereits bei 8.340 EUR und in Frankreich als weiterem europäischen Land bereits bei 8.992 EUR; der Median der OECD‐Vergleichsländer beträgt 11.175 EUR je Fall [4]. Anders ausgedrückt: Im Durchschnitt sind die Krankenhausfälle in den Vergleichsländern mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland. Ein Zustand der aus Sicht der deutschen Krankenhausbetreiber deutlich zu spüren ist.

    Die vergleichsweise niedrigen Fallkosten beruhen insbesondere auf einer sehr hohen Produktivität in der Leistungserbringung (Abb. 1.5). Kaum ein anderes Land behandelt so viele Patienten mit einer solch dünnen Personaldecke. Wenn der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten des Krankenhauses bei 61,8 % liegt, schafft dies auf Seiten der Krankenhausträger natürlich die denkbar stärksten Anreize, alles zu tun, um so personaleffizient wie möglich zu arbeiten [4]. Ob hier das Maximum an Effizienz bereits erreicht oder in Teilbereichen sogar schon in Überforderung umgeschlagen ist, darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Angesichts der fortbestehenden Finanzierungs‑ und Wettbewerbszwänge bleibt dem einzelnen Krankenhaus indes kaum eine andere Wahl, als konsequent weiter zu rationalisieren. Allerdings wurde es bereits in den vergangenen Jahren immer schwieriger, selbst die Planstellen, die nach der Rationalisierung übrig geblieben sind, noch mit adäquatem und qualifiziertem Personal zu besetzen.

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig5_HTML.png

    Abb. 1.5

    Die deutschen Krankenhäuser arbeiten vergleichsweise produktiv

    Betrachtet man die Personalproduktivität in deutschen Krankenhäusern im Detail, so zeigt sich, dass Deutschland bei den Entlassungskennziffern für die klinischen wie die nicht‐klinischen Dienste durchweg Spitzenpositionen, d. h. erste und zweite Plätze, im OECD‐Ländervergleich belegt. Und dies gilt bereits seit einigen Jahren unverändert:

    Im ärztlichen Dienst kommen auf jeden Krankenhausarzt in Deutschland im Durchschnitt 128 Entlassungen; der Median (Frankreich) der Vergleichsländer liegt bei 98. Nur Belgien und Chile schneiden noch besser ab.

    Beim Pflegepersonal weist Deutschland mit 50 Entlassungen je Pfleger/Schwester die höchste Personalproduktivität auf.

    Über den gesamten „weißen Bereich" kommt Deutschland auf beeindruckende 28 Entlassungen je klinischem Mitarbeiter [4].

    In den nicht‐klinischen Bereichen der Serviceleistungen, z. B. Speiseversorgung, Reinigung und Wäsche, sowie in der Verwaltung sind die deutschen Krankenhäuser sogar auffallend produktiv: Bei gleichem Personalstand ist ihre Produktivität um mindestens 70 % höher als im OECD‐Durchschnitt. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass in deutschen Krankenhäusern viele Serviceleistungen fremdvergeben sind, während sie in anderen Ländern (noch) durch eigene Mitarbeiter erbracht werden. Statistisch lässt sich dieser Effekt nicht befriedigend eliminieren. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass im internationalen Vergleich insgesamt ein ordentliches Produktivitätsniveau erreicht wird – auch wenn die Zahlen selbst mit einem gewissen Maß an Vorsicht zu betrachten sind.

    Wenngleich die Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern sehr viel leisten, verdienen sie keineswegs mehr als ihre Kollegen im Ausland. Im Gegenteil: Erst in den letzten Jahren hat sich das deutsche Gehaltsgefüge in etwa dem europäischen Durchschnittsniveau angepasst [7]. Einschränkend ist zu bemerken, dass bislang leider nur wenige umfassende Analysen zu diesem Themenbereich veröffentlicht vorliegen.

    1.3 Uneingeschränkter Zugang und große Angebotsbreite sind die großen Stärken des deutschen Krankenhaussektors

    Beeindruckend ist, dass die geringen Behandlungskosten für einen Patienten in Deutschland nicht zu Lasten der Zugänglichkeit oder des Angebots gehen. Aus Sicht der Patienten bietet das deutsche Krankenhaussystem unabhängig vom eigenen Einkommen vielmehr Zugänglichkeit für alle, ein breites Angebot an diagnostischen und therapeutischen Leistungen sowie insgesamt ein zumindest angemessenes Qualitätsniveau (Abb. 1.6). Dies ist im internationalen Vergleich eine beachtliche Leistung.

    ../images/150271_4_De_1_Chapter/150271_4_De_1_Fig6_HTML.png

    Abb. 1.6

    Ansprüche an das Gesundheitssystem

    Deutsche Versicherte haben Wahlfreiheit bei ihrem Krankenhaus. Anders als im Ausland, wo vielfach nur ausgewählte Krankenhäuser von Versicherten in Anspruch genommen werden können, z. B. in den USA oder in Spanien, können Patienten in Deutschland frei unter knapp 2.000 Krankenhäusern auswählen. Die Wahlfreiheit ist nicht durch finanzielle Bedingungen eingeschränkt. Leitvorstellung der gesetzlichen Gesundheitsversorgung – in ihrer Form als Solidargemeinschaft – ist der freie, einkommensunabhängige Zugang aller zu medizinischen Leistungen. Bei stationären Aufenthalten werden lediglich moderate Zuzahlungen fällig. Bei 10 EUR pro Tag stationärem Aufenthalts ist die Zuzahlung auf maximal 280 EUR pro Jahr begrenzt. Überdies gibt es zahlreiche Ausnahmeregelungen, z. B. für Chroniker, um eine finanzielle Überbelastung zu vermeiden.

    International liegt Deutschland mit den Zuzahlungen für den stationären Sektor im Mittelfeld. Während es in Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden bislang keinerlei Zuzahlungen gab, liegen die Zuzahlungen in Österreich und Frankreich jeweils über dem deutschen Niveau [8].

    Trotz des sehr großzügig geregelten Zugangs gibt es kaum Wartezeiten in deutschen Kliniken. In einer Commonwealth Studie über elf Länder schneidet kein Land so gut ab wie Deutschland. Während in anderen Ländern nicht wenige Patienten, z. B. in Norwegen 22 % und in Kanada 18 %, länger als vier Monate für elektive Eingriffe warten mussten, waren es in Deutschland nur drei Prozent [9].

    Dass ein breiter, einkommensunabhängiger Zugang zur Krankenhausversorgung nicht geknüpft ist an starke Einschränkungen beim Leistungsangebot, ist eine weitere Stärke des deutschen Sektors. Tatsächlich haben deutsche Patienten Zugang zu einem sehr umfassenden Leistungsspektrum. Ausgeschlossen sind nur wenige kosmetische Operationen – gemessen an der Gesamtversorgung mit stationären Leistungen ein vernachlässigbarer Anteil. Rationierungsdiskussionen, ob nun unter Verweis auf das Alter oder den Versicherungsstatus von Patienten, treten in Deutschland, wenn überhaupt, nur sehr selten und sporadisch auf, was im internationalen Vergleich eine große Ausnahme ist. Ganz anders ist die Situation in den USA oder auch Frankreich. In den USA gibt es Leistungsrationierungen für etwa 28 % aller Versicherten, aufgrund von Einschränkungen im verfügbaren Versicherungsschutz. In Frankreich sind rund 17 % davon betroffen [9].

    Sehr vorteilhaft ist für Deutschland auch die in der Regel zeitnahe, sektorweite Anpassung des Behandlungsangebots an den medizinischen Fortschritt und neuere medizinische Standards. Dazu tragen vor allem zwei Umstände bei: die Wettbewerbssituation im stationären Sektor und der sogenannte „Verbotsvorbehalt". Der intensive Wettbewerb hat zur Folge, dass in vielen Krankenhäusern Versorgungsleistungen auf dem neuesten Stand von medizinischer Wissenschaft und Technik angeboten wurden. Innovative Verfahren werden oftmals gezielt zur Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern genutzt. Der Verbotsvorbehalt wiederum ermöglicht den raschen klinischen Einsatz neuer Methoden. Anders als im ambulanten Sektor – dort bedürfen neue Methoden erst der recht zeitaufwendigen Freigabe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss („Genehmigungsvorbehalt") – können im stationären Sektor neue Verfahren und Technologien jeweils kurzfristig eingesetzt werden, solange es kein explizites Verbot gibt. Gerade innovative Kliniken und Ärzteteams haben damit die Möglichkeit, neue, Erfolg versprechende Behandlungsansätze ohne Zeitverzug zu implementieren.

    Dieses insgesamt hohe Versorgungsniveau lässt sich jedoch nur aufrechterhalten, wenn die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine breitere Basis gestellt wird, zumindest mittelfristig. Bislang finanzieren sich die Krankenkassen fast ausschließlich aus dem Lohneinkommen der deutschen Arbeitnehmer. Auf Dauer wird das nicht ausreichen, um dem Gesundheitssystem genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. In den letzten zwanzig Jahren sind – als Folge des auch international zu beobachtenden, langjährigen Rückgangs der volkswirtschaftlichen Lohnquote – die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils deutlich langsamer gewachsen als das BIP. Alles spricht dafür, dass sich dieser säkulare Trend weiter fortsetzen wird [10]. Daher ist es unabdingbar, die Finanzierungsbasis nachhaltig zu erweitern. Dies wird eine große Herausforderung für die zukünftige Versorgungssicherheit auf breiter Basis sein.

    1.4 Auch die Behandlungsqualität ist im Durchschnitt gut, bei hoher Varianz zwischen den Leistungserbringern

    Zugang zur medizinischen Versorgung ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Für Patient und Einweiser ist die medizinische Qualität der Versorgung mindestens genauso relevant. Unter „Qualität der Versorgung" firmiert eine ganze Reihe von Aspekten, die je nach Blickpunkt der Betrachter erheblich variieren. Die einen unterscheiden zwischen Struktur‑, Prozess‑ und Ergebnisqualität, andere wiederum fokussieren sich auf Patientenzufriedenheit. Mancherorts gelten auch krankenhaushygienische Kennzahlen als die wesentlichen Qualitätskriterien.

    So unterschiedlich die Definitionen von „medizinischer Qualität" auch sein mögen, im Rahmen eines Leistungsvergleichs zwischen nationalen Krankenhaussystemen kommt der Ergebnisqualität sicherlich eine herausragende Bedeutung zu. Mit dem Begriff „Ergebnisqualität" wird das Gesamtresultat aller diagnostischen und therapeutischen Bemühungen bei der Behandlung eines Patienten bezeichnet. Gemessen wird die Ergebnisqualität auf Basis eines einzelnen Krankheitsbildes. Jedes Krankheitsbild weist dabei mehr als einen Ergebnisindikator auf³. Beispiele für Indikatoren sind Krankenhaussterblichkeitsrate, Infektionsrate, sowie Revisionen und ungeplante Wiederaufnahmen. Hinzu kommt eine Reihe indikationsspezifischer Ergebnisqualitätsparameter, z. B. die schmerzfreie Gehstrecke nach Hüftersatz oder die Inkontinenzrate nach Prostataresektion.

    Auf internationaler Ebene gibt es bisher kaum Vergleiche der Ergebnisqualität zwischen den verschiedenen Krankenhaus‑ bzw. Gesundheitssystemen. Oftmals existieren nicht einmal die erforderlichen Daten auf nationaler Ebene. Dass solche Informationslücken bestehen können, sind Indikatoren für die eher geringe Relevanz von Ergebnisdaten in der Vergangenheit.

    Keine der beteiligten Interessensgruppen hat bisher vollständige Transparenz bei den Daten zur Output‐Qualität gefordert, geschweige denn ihr Verhalten auf Grund dieser Daten geändert. Die Krankenkassen haben primär die Kosten als Steuerungsgröße verwendet. Die Einweiser basieren ihre Entscheidungen im Wesentlichen auf persönlichen Kontakten sowie historischen Erfahrungen. Im Regelfall folgen die Patienten noch immer den Empfehlungen ihres Arztes oder ihrer Angehörigen. Diese Verhaltensmuster beginnen gerade erst sich langsam zu ändern. Besonders dort, wo erhebliche Qualitätsunterschiede öffentlich werden. Dies gilt vorwiegend für Deutschland. Hier hat der Glaube, dass alle medizinischen Leistungen im Prinzip gleich gut seien, inzwischen deutliche Risse bekommen.

    Zwar gibt es kaum exklusiv auf den Krankenhaussektor bezogene internationale Studien zum Vergleich der Ergebnisqualität, gleichwohl lassen sich aus den existierenden Gesamtvergleichen wichtige Aufschlüsse gewinnen. Ohne Zweifel steht bei vielen Krankheitsbildern die stationäre Versorgung im Vordergrund. So veröffentlichte die OECD im Jahr 2013 eine Länderstudie zum Überleben bei Krebs. Danach nimmt Deutschland, über alle Krebsarten betrachtet, nur Platz 15 unter 34 Staaten ein – trotz vergleichsweise hoher Ausgaben. Gemessen an den Mortalitätsraten lag Deutschland bei Darmkrebs über, bei Brustkrebs etwa im OECD‐Durchschnitt. Bei Gebärmutterhalskrebs waren die Überlebenschancen sogar niedriger als im OECD‐Durchschnitt [11]. Einer weiteren OECD‐Studie zufolge liegt Deutschland nur auf Platz 12 unter 19 Vergleichsländern, was die Sterblichkeit von Patienten unter 75 Jahren anbelangt. Erfolgsentscheidend ist hier die rechtzeitige und wirksame Behandlung von Krankheitsbildern, wie namentlich Diabetes, Asthma, ischämische Herzkrankheiten, Hirnschlag oder Infektionen. Aber auch Krebsarten, die im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen erkennbar sind, kommt eine besondere Bedeutung zu [12].

    Ein weiteres oft zitiertes und sehr illustratives Beispiel ist die Sterblichkeit bei ischämischen Herzerkrankungen. Hier liegt die altersstandardisierte Mortalitätsrate für Deutschland nur knapp auf OECD‐Durchschnittsniveau: Bundesweit sterben an ischämischen Herzerkrankungen jedes Jahr 127 von 100.000 Bürgern, im OECD‐Durchschnitt sind es 126 [13]. Dieses Ergebnis kann nicht befriedigen, hält man sich das hierzulande ungleich dichte Netzwerk von Herzkatheter‐Einrichtungen vor Augen. Behandlungskapazitäten und hohe Interventionszahlen allein garantieren offenbar noch keine bessere Ergebnisqualität.

    Was an Deutschland besonders auffällt: Mittelmäßiges Abschneiden in Ländervergleichen geht einher mit signifikanter Heterogenität der Ergebnisqualität auf Ebene der einzelnen Krankenhäuser. Einerseits gibt es viele exzellente Leistungserbringer, andererseits bestehen, den Daten zufolge, zum Teil deutliche Verbesserungsmöglichkeiten bei den weniger exzellenten. Welche Probleme in der stationären Versorgung sich hinter dieser Datenlage verbergen, soll in den Folgekapiteln an einer Vielzahl von Beispielen veranschaulicht und analysiert werden.

    Ein mögliches Missverständnis gilt es allerdings im Vorhinein auszuräumen: Die Mängel bei der Ergebnisqualität beschränken sich weder auf seltene Krankheiten noch auf kleine, ländliche Krankenhäuser! Vielmehr treten sie oft genug gerade bei bekannten Krankheitsbildern mit klar definierten Leitlinien auf – wenn es den Anbietern nicht gelingt, eine Behandlungsleistung auf dem inzwischen gesicherten Stand von medizinischer Wissenschaft und Technik zu erbringen. Nach Expertenschätzungen könnten jedes Jahr in deutschen Krankenhäusern über 40.000 Menschenleben gerettet werden [14]. Einer anderen Studie zufolge werden, konservativ geschätzt, 17.000 Todesfälle allein durch vermeidbare Fehler verursacht [15]. Ganz zu schweigen davon, was möglich wäre, wenn man alle Anbieter auf das Niveau der Besten bringen könnte! Zum Vergleich: Bei Verkehrsunfällen kamen in Deutschland 2016 lediglich 3.206 Menschen ums Leben [16].

    In Detailbereichen mag es durchaus noch berechtigte Zweifel an der Validität einzelner internationaler Vergleichsstudien geben. Betrachtet man die vorliegenden Ergebnisse in ihre Summe, so lässt sich nur ein Schluss ziehen: In deutschen Krankenhäuser gibt es, was die Ergebnisqualität anbelangt, noch erhebliche Verbesserungspotentiale zu erschließen. Jedes einzelne Haus, oder genauer noch, jede einzelne Abteilung, kann und muss sich den zunehmend valideren Qualitätsvergleichen stellen. Nur so lassen sich bestehende Verbesserungspotenziale identifizieren und Best‐Practice‐Standards über den gesamten Sektor durchsetzen.

    Fazit: Der deutsche Krankenhaussektor ist nach wie vor besser als sein Ruf!

    Nach wie vor beruhen die hohe Leistungsfähigkeit und die an vielen Orten vertretene exzellente Qualität des deutschen Krankenhaussystems auf dem großen Engagement und der harten und intensiven Arbeit der Beschäftigten in diesem Sektor. Oftmals ist der hohe Einsatz nicht durch die Verdienstmöglichkeiten und den sozialen Status – abgesehen von denen der Ärzte – bedingt, sondern vielmehr aus einer tiefen Eigenmotivation der Mitarbeiter, die am und mit dem Menschen arbeiten möchten. Kein anderes Land weist im Vergleich eine derart hohe Personalproduktivität auf. Leider ist diese aber nicht nur ein Ausdruck für die optimale Leistungsfähigkeit des Systems, sondern sie verdeckt oftmals – nur durch immensen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter – suboptimale Leistungsstrukturen und das Fehlen von ausreichendem qualifizierten Personal. Waren es in den vergangenen Jahren oftmals die knapp vorhandenen finanziellen Mittel, die die Leistungsfähigkeit der deutschen Krankenhäuser vor enorme Herausforderungen stellten, so kommt auch immer mehr die Frage des qualifizierten Personals hinzu. Oftmals stellt sich für Krankenhausmanager nicht mehr nur die Frage, ob eine zusätzliche Stelle geschaffen werden soll, sondern vielmehr noch die Frage, wie diese adäquat besetzt werden kann.

    Vor diesem Hintergrund sollten all jene, die Verantwortung für unsere Gesundheitsversorgung tragen und mit ihrem Einfluss die Reformdebatten bestimmen, zuallererst anerkennen, dass die Leistungsfähigkeit des deutschen Krankenhaussystems ganz wesentlich auf dem großen Engagement und der harten Arbeit aller in diesem Sektor Beschäftigten beruht.

    Die Optimierung der Angebotsverteilung über den gesamten Sektor dürfte dann auch weiterhin eine der wichtigsten Gestaltungsaufgaben der stationären Versorgung in Deutschland sein. Wenngleich die Bewertungsergebnisse im internationalen Vergleich relativ gut ausfallen, sollten sich die Träger und das Management der deutschen Krankenhäuser nicht in der trügerischen Sicherheit wiegen, die größten Anpassungsprobleme seien bereits bewältigt.

    Im Gegenteil, die Herausforderungen für den Sektor werden nochmals deutlich zunehmen: Aller Voraussicht nach dürften die Leistungserwartungen der Patienten in Sachen Struktur‑, Prozess‑ und Ergebnisqualität weiterhin stark ansteigen. Gleichzeitig wird sich der Wettstreit der Krankenhäuser um das gut qualifizierte Personal und die begrenzten öffentlichen Finanzierungsmittel weiter verschärfen. Letzteres umso mehr, als künftig auch objektive Qualitätskriterien bei Entscheidungen über die finanzielle Ausstattung und das Leistungsangebot der Krankenhäuser Eingang finden werden.

    Literatur

    1.

    Weiße Liste, Ergebnisse aus der Befragung zum Krankenhausaufenthalt, Stand Dezember 2012; siehe http://​www.​bertelsmann-stiftung.​de/​cps/​rde/​xchg/​bst/​hs.​xsl/​nachrichten_​114671.​htm. Zugegriffen: 13.04.2018

    2.

    DKI, Krankenhaus-Barometer 2017, S. 6

    3.

    https://​www.​destatis.​de/​DE/​PresseService/​Presse/​Pressemitteilung​en/​2017/​02/​PD17_​061_​23611.​html. Zugegriffen: 13.04.2018

    4.

    OECD Health Data 2015, eigene Berechnungen

    5.

    https://​www.​destatis.​de/​DE/​PresseService/​Presse/​Pressemitteilung​en/​2016/​08/​PD16_​283_​231.​html. Zugegriffen: 13.04.2018

    6.

    https://​www.​aerztezeitung.​de/​politik_​gesellschaft/​versorgungsforsc​hung/​article/​930305/​aktueller-report-milliarde-arztbesuche-deutschland.​html. Zugegriffen: 13.04.2018

    7.

    Squires D, Multinational comparisons of health systems data, Commonwealth Fund, 2013

    8.

    Schölkopf, M., Pressel H. (2017): Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich – Gesundheitssystemvergleich und die europäische Gesundheitspolitik, 3. Auflage, S. 122 ff.

    9.

    Davis K et al, Mirror, Mirror on the wall – how the performance of the US health care system compares internationally; Commonwealth Fund, June 2014

    10.

    Porter, Guth, Chancen für das deutsche Gesundheitssystem, Springer Verlag 2012

    11.

    OECD Health Statistics 2013, Zugriff unter http://​www.​oecd.​org/​els/​health-systems/​Cancer-Care-Germany-2013.​pdf. Zugegriffen: 13.04.2018

    12.

    Schoen, C.et al.: Harnessing Health Care Markets for the Public Interest: Insights for US Health Reform from the German and Dutch Multiplayer Systems, 2009

    13.

    Deutsche Herzstiftung: Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Europa: Deutschland nicht in einer Spitzenstellung, 2017

    14.

    Müller von der Grün, C. P.: Amerikas Kliniken starten neue Qualitätsoffensive, 2007, Mansky fordert 40000-Leben-Kampagne für Deutschland. F&W, Jan/Feb 2007

    15.

    Voigt, G.: Ärztliches Fehlermanagement, Veranstaltung Patientensicherheit in Niedersachsen, Patientenuniversität MHH, Ärztekammer Niedersachsen, 2008

    16.

    https://​www.​destatis.​de/​DE/​ZahlenFakten/​Wirtschaftsberei​che/​TransportVerkehr​/​Verkehrsunfaelle​/​Verkehrsunfaelle​.​html. Zugegriffen: 13.04.2018

    Fußnoten

    1

    Eigene Berechnung OECD‐Daten nach Kaufkraft‐Adjustierung und Umrechnung mit durchschnittlichem Wechselkurs EUR/US Dollar des Jahres 2015.

    2

    Im Vergleich zu den Betrachtungen der vorangegangenen Auflagen berücksichtigt die OECD seit 2013 bei diesen Berechnungen nicht mehr die Investitionsausgaben, da diese über die OECD‐Länder sehr unterschiedlich und damit nicht mehr vergleichbar mit einbezogen werden können.

    3

    Siehe dazu Kap. 7.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    B. I. Behar et al.Modernes Krankenhausmanagementhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57540-6_2

    2. Herausforderungen und Handlungsfelder für die Krankenhausführung

    Benjamin I. Behar¹  , Clemens Guth¹   und Rainer Salfeld¹  

    (1)

    Artemed SE, Tutzing, Deutschland

    Benjamin I. Behar (Korrespondenzautor)

    Email: benjamin.behar@artemed.de

    Clemens Guth

    Email: clemens.guth@artemed.de

    Rainer Salfeld

    Email: rainer.salfeld@artemed.de

    Mit der Einführung des DRG‐Vergütungssystems – schrittweise, über den Zeitraum 2003 bis 2014¹ – wurde die Finanzierung des Krankenhausbetriebs in Deutschland von Grund auf neu geregelt. An die Stelle der traditionellen Kostenerstattung nach Einzelleistungen und tagesgleichen Pflegesätzen trat eine auf Pauschalen beruhende Vergütung je Behandlungsfall. Als Folge des Systemwechsels wandelte sich das deutsche Krankenhaus typischerweise von einem Kosten‑ zu einem Profitzentrum: Liegen seine Betriebskosten unter den von InEK ermittelten Norm‐Aufwendungen deutscher Krankenhäuser, so erzielt es einen Gewinn. Liegen seine Kosten darüber, so entsteht ein Verlust, für den der Krankenhausträger aufkommen muss. Tut er es nicht, drohen Illiquidität oder Überschuldung des Hauses, was zwangsläufig die Insolvenz nach sich zieht.

    Die Wirtschaftlichkeit des eigenen Hauses zu sichern, ist mithin zur zentralen Herausforderung der Krankenhausführung geworden. Waren früher bei einer Kostenüberschreitung im schlimmsten Fall harte Verhandlungen mit den Krankenkassen zu erwarten, steht heute das Insolvenzverfahren an. Reichte es früher aus, die für das eigene Haus individuell und aus der Historie abgeleiteten Kosten unter Kontrolle zu haben, muss heute jedes Krankenhaus die Durchschnittskosten der übrigen Krankenhäuser unterbieten, wenn es dauerhaft sein Auskommen finden will.

    Schon bevor die Entscheidung fiel, den gesamten Krankenhaussektor in den Wettbewerb zu entlassen, war klar, dass sich dies nur etappenweise in einem längeren Übergangsprozess bewerkstelligen ließ. Der Gesetzgeber hatte deshalb mehrere Konvergenzphasen vorgesehen. Von 2005 bis 2009 wurden die individuellen Basisfallwerte der einzelnen Krankenhäuser an den jeweiligen Landesbasisfallwert angepasst. Von 2010 bis 2017 wurden dann die Landesbasisfallwerte stufenweise an einen bundesweit einheitlichen Basisfallwertkorridor angeglichen. Anfang 2017 bewegten sich die meisten Landesbasisfallwerte – auch nach Ausgleichen – bereits dicht am durchschnittlichen Bundesbasisfallwert von 3.376,11 EUR. Niedersachsen, Sachsen und Thüringen liegen mit 3.341,67 EUR am weitesten darunter (−1,03 %), Rheinland‐Pfalz mit 3.530,50 EUR am weitesten darüber (+4,57 %) [1].

    Trotz der mehr als 10‐jährigen Übergangszeit haben nicht alle Krankenhäuser den Systemwechsel mit gleichem Erfolg gemeistert. Im Gegenteil: Eine wachsende Anzahl von Krankenhäusern hat gravierende Kosten‑ und Wettbewerbsprobleme, wie die jährliche Umfrage des Krankenhaus‐Barometers verdeutlicht. In den letzten Jahren zeichnet sich hier sogar tendenziell eine Wende zum (noch) Schlechteren ab!

    Bei den Krankenhäusern mit über 50 Betten lag der Anteil derer, die ein negatives Betriebsergebnis aufweisen, 2010 noch bei 21 %. 2011 waren es bereits 30,6 % [2]. Ein neuer Tiefstand wurde dann 2013 erreicht: Nur noch 12 % der Häuser erwirtschafteten ein ausgeglichenes Ergebnis, 51 % schrieben dagegen Verluste. Für 2016 ist eine Verbesserung zu erkennen: 10 % der Häuser erzielen ein ausgeglichenes Ergebnis, 29 % hingegen Verluste (Abb. 2.1; [3]).

    ../images/150271_4_De_2_Chapter/150271_4_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    2016 verzeichnete fast 1/3 aller deutschen Krankenhäuser einen Verlust

    Auch wenn die Zahlen für das Jahr 2016 eine leichte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit darstellen, so deutet wenig auf eine Entspannung hin. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Krankenhaussektor anhalten.

    Wesentlicher Grund für die unzureichende Wirtschaftlichkeit des Sektors ist, dass die Krankenhäuser zunehmend weniger imstande sind, die Differenz zwischen Kosten‑ und Erlössteigerungen auszugleichen. Seit Jahren schon bleibt die Einnahmenentwicklung, die im Wesentlichen von Anpassungen des jeweiligen Landesbasisfallwertes bestimmt wird, weit hinter dem Anstieg der Personal‑ und Sachkosten zurück (Abb. 2.2).

    ../images/150271_4_De_2_Chapter/150271_4_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Seit Jahren steigen die Kosten im Krankenhaussektor schneller als die Erlöse

    Über alle Bundesländer betrachtet, ist der durchschnittliche Bundesbasisfallwert zwischen 2010 und 2016 gerade mal von 2.935,78 EUR auf 3.311,98 EUR oder um 13 % gestiegen (vgl. [4]). Ungleich stärker haben sich jedoch im gleichen Zeitraum die Personalkosten um durchschnittlich 29 % und die Sachkosten um durchschnittlich 25 % erhöht (vgl. Statistisches Bundesamt: Kostennachweis der Krankenhäuser, Fachserie 12, Reihe 6.3. 2010 und 2016). Aus Krankenhaussicht ist es damit nicht möglich, den Anstieg der laufenden Kosten für Personal und Sachmittel über den Anstieg des Basisfallwerts zu kompensieren. Im Gegenteil, die „Kosten‐Erlös‐Schere" öffnet sich tendenziell immer weiter.

    Auf diese Entwicklung haben die deutschen Krankenhäuser bislang vor allem

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1