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Klettermedizin: Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie
Klettermedizin: Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie
Klettermedizin: Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie
eBook614 Seiten3 Stunden

Klettermedizin: Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie

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Über dieses E-Book

Der Klettersport erlebt einen rasanten Wandel und entwickelt sich von einer Trendsportart hin zu einem Breitensport. Damit einhergehend steigt die Anzahl klettersportspezifischer Verletzungen. Das Buch widmet sich allen wichtigen medizinischen Aspekten der noch jungen aber aufstrebenden Sportdisziplin, inklusive der Physiologie und Sportmedizin, Biomechanik, Belastungsanpassungen, Verletzungen der oberen und unteren Extremität sowie anderen wichtigen Merkmalen und Kennzeichen dieser Sportart. Häufige Verletzungsmuster werden übersichtlich in Wort und Bild behandelt. Insbesondere zählen Fingerverletzungen im Klettersport zu den spezifischen Verletzungen und stellen eine diagnostische Herausforderung dar. Das Buch bietet eine gute Orientierung für Sportmediziner, Orthopäden, Traumatologen sowie Physiotherapeuten, Trainer und andere Gesundheitsberufe, die mit Klettersport zu tun haben.


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum8. Juli 2020
ISBN9783662610909
Klettermedizin: Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie

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    Buchvorschau

    Klettermedizin - Volker Schöffl

    Hrsg.

    Volker Schöffl, Isabelle Schöffl, Thomas Hochholzer und Christoph Lutter

    Klettermedizin

    Grundlagen, Unfälle, Verletzungen und Therapie

    1. Aufl. 2020

    ../images/488327_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Volker Schöffl

    Zentrum Interdisziplinäre Sportmedizin und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Bamberg, Deutschland

    Isabelle Schöffl

    Abteilung Kinderkardiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland

    Thomas Hochholzer

    Facharzt für Orthopädie, Privatklinik Hochrum/Innsbruck, Innsbruck, Österreich

    Christoph Lutter

    Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland

    ISBN 978-3-662-61089-3e-ISBN 978-3-662-61090-9

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-61090-9

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Planung/Lektorat: Renate Eichhorn // Fotonachweis Cover: © Michael Simon (Symbolbild mit Fotomodell)

    Planung/Lektorat: Renate Eichhorn

    Fotonachweis Cover: © Michael Simon (Symbolbild mit Fotomodell)

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Vorwort

    Der Kletter- und Bouldersport kann in den letzten Jahren einen starken Zustrom an neuen, begeisterten Athleten verzeichnen und hat sich damit innerhalb kürzester Zeit von einer Randsportart hin zu einem Breitensport entwickelt. Insbesondere die künstlichen Kletter- und Boulderhallen sind nicht mehr nur Treffpunkt für leistungsorientierte Sportler, sondern dienen einer Vielzahl an Freizeit- und sogenannten Feierabendsportlern als Bewegungsumfeld. Die Entwicklung im Wettkampfsport gipfelt im Jahr 2020 mit der Aufnahme der Sportart in das Programm der Olympischen Sommerspiele in Tokyo. Schwierigkeitsrekorde werden unterdessen weiterhin an Naturfelsen gebrochen, wo die enorme Leistungsentwicklung und Leistungsdichte der Klettersportelite am deutlichsten nachvollziehbar ist.

    Wissenschaftlich ist der Klettersport mittlerweile eine sehr gut dargestellte und untersuchte Sportart. Viele Studien widmen sich den orthopädischen und sportwissenschaftlichen Aspekten, aber auch psychologische sowie soziologische Auswirkungen sind Gegenstand intensiver Forschung. Das vorliegende Werk widmet sich den wesentlichen medizinischen Aspekten im Klettersport und beschreibt dabei anatomische Gegebenheiten, biomechanische Faktoren, sportorthopädische Grundlagen sowie internistische und pädiatrische Besonderheiten der Sportart. Ziel ist dabei, eine umfassende und praxisorientierte Darstellung aller wesentlichen medizinischen Arbeitsfelder in Bezug auf den Klettersport zu liefern und behandelnden Ärzten eine Orientierungshilfe bei der Behandlung verletzter Athleten zur Verfügung zu stellen. Dabei werden konkrete Diagnose- und Behandlungspfade dargestellt und im Kontext mit der aktuellen Literatur evidenzbasiert aufgearbeitet. Wir wünschen dem Leser genauso viel Freude und Faszination im Umgang mit den medizinischen Aspekten der Sportart im Rahmen der Betreuung aktiver Athleten wie sie den Autoren dieses Buchs bereitet.

    Volker Schöffl

    Inhaltsverzeichnis

    I Einleitung und Grundlagen

    1 Einleitung 3

    Volker Schöffl und Thomas Hochholzer

    2 Unfallstatistik – Verletzungsgradu​ierung 13

    Volker Schöffl und Christoph Lutter

    3 Spezielle Anatomie und Biomechanik der Hand und des Greifens 27

    Volker Schöffl und Isabelle Schöffl

    4 Bildgebung von Kletterverletzun​gen 39

    Thomas Bayer

    II Obere Extremität

    5 Fingerverletzung​en 55

    Volker Schöffl, Thomas Hochholzer und Christoph Lutter

    6 Handgelenksverle​tzungen 95

    Christoph Lutter, Thomas Hochholzer und Volker Schöffl

    7 Schulterverletzu​ngen 107

    Michael Simon und Volker Schöffl

    8 Ellenbogen- und Unterarmverletzu​ngen 119

    Michael Simon, Christoph Lutter und Volker Schöffl

    III Untere Extremität

    9 Hüft- und Knieverletzungen​ 133

    Christoph Lutter und Volker Schöffl

    10 Fußverletzungen und Überlastungsschä​den 143

    Volker Schöffl und Michael Simon

    IV Merkmale und Besonderheiten im Klettersport

    11 Langzeitfolgen des Kletterns an Hand und Fingern 157

    Thomas Hochholzer und Volker Schöffl

    12 Klettern mit Kindern 169

    Isabelle Schöffl und Volker Schöffl

    13 Chronische Mangelernährung im Klettersport 177

    Isabelle Schöffl und Volker Schöffl

    14 Klettern bei medizinischen Vorerkrankungen 185

    Thomas Küpper

    15 Klettern und Schwangerschaft 205

    Thomas Küpper

    16 Sportmedizinisch​e Betreuung von Leistungskletter​ern – Wettkampfbetreuu​ng 215

    Volker Schöffl und Isabelle Schöffl

    17 Spezielle Tapeverbände im Klettersport 225

    Volker Schöffl und Christoph Lutter

    18 Ausblick – Klettern als Olympische Disziplin 243

    Christoph Lutter und Volker Schöffl

    Stichwortverzeic​hnis 251

    Autorenverzeichnis

    Thomas Bayer

    Institut für Radiologie und Neuroradiologie, Klinikum Fürth, Fürth, Deutschland

    thomas.bayer@uk-erlangen.detombayer77@googlemail.com

    Thomas Hochholzer

    Facharzt für Orthopädie, Privatklinik Hochrum/Innsbruck, Innsbruck, Österreich

    dr.hochholzer@aon.at

    Christoph Lutter

    Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland

    christoph.lutter@googlemail.com

    Volker Schöffl

    Zentrum Interdisziplinäre Sportmedizin und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Bamberg, Deutschland

    volker.schoeffl@me.com

    Isabelle Schöffl

    Abteilung Kinderkardiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland

    isabelle.schoeffl@me.comIsabelle.Schoeffl@uk-erlangen.de

    Michael Simon

    Klinikum Bamberg, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und Zentrum Interdisziplinäre Sportmedizin, Bamberg, Deutschland

    michaelsimon1986@gmx.de

    Thomas Küpper

    Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

    tkuepper@ukaachen.de

    IEinleitung und Grundlagen

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1 Einleitung3

    Volker Schöffl und Thomas Hochholzer

    Kapitel 2 Unfallstatistik – Verletzungsgradu​ierung13

    Volker Schöffl und Christoph Lutter

    Kapitel 3 Spezielle Anatomie und Biomechanik der Hand und des Greifens27

    Volker Schöffl und Isabelle Schöffl

    Kapitel 4 Bildgebung von Kletterverletzun​gen39

    Thomas Bayer

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    V. Schöffl et al. (Hrsg.)Klettermedizinhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61090-9_1

    1. Einleitung

    Volker Schöffl¹   und Thomas Hochholzer²  

    (1)

    Zentrum Interdisziplinäre Sportmedizin und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Bamberg, Deutschland

    (2)

    Facharzt für Orthopädie, Privatklinik Hochrum/Innsbruck, Innsbruck, Österreich

    Volker Schöffl (Korrespondenzautor)

    Email: volker.schoeffl@me.com

    Thomas Hochholzer

    Email: dr.hochholzer@aon.at

    1.1 Historie

    1.2 Grundlagen

    1.3 Ausrüstung

    1.4 Kletterwettkämpfe

    1.5 Disziplinen

    1.6 Lead-Klettern (On-sight)

    1.7 Bouldern

    1.8 Speed

    1.9 Ausblick

    Literatur

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    Foto: Volker Schöffl klettert „El Dolphin", in Rodellar, Spanien, Bild Kilian Reil

    In einer noch vor Kurzem unvorstellbaren Art und Weise durchlebt der Klettersport aktuell einen Höhenflug, der ihn in kürzester Zeit von einer Randsportart hin zu einem Breitensport befördert hat. Maßgeblichen Anteil daran hat aktuell der weltweite Boom der populären Subdisziplin Bouldern (Klettern ohne Seil in Absprunghöhe). Regelmäßige Weltcup-Livestreams, die Teilnahme an den World Games in Breslau (Polen) sowie die Aufnahme in das Programm der Olympischen Spiele im Jahr 2020 in Tokio unterstreichen das große öffentliche Interesse. Die künstlichen Kletteranlagen und Boulderhallen sind mittlerweile nicht mehr nur Treffpunkt für leistungsorientierte Sportler, sondern auch für Freizeit- und Feierabendsportler. Immer mehr Sportler zieht es in die Vertikale – sowohl in- als auch outdoor –, und der Trend ist ungebrochen. Mittlerweile klettern in Europa über 2 Millionen Menschen, in Deutschland über 300.000 (DAV 2011).

    Zu den traditionellen Felsklettergebieten, wie zum Beispiel der Fränkischen Schweiz, kamen über die Jahre neue hinzu; Routen in den verschiedensten Schwierigkeitsgraden wurden und werden erschlossen. Durch die vielen Indooranlagen konnte sich der Wettkampfsport auch auf kommunaler und regionaler Ebene fest etablieren. In seinem Spitzenbereich wird allerdings die Trainings- und Wettkampfintensität immer größer, sodass hier für den „Nichtprofi" Platzierungen in den oberen Rängen kaum mehr erreichbar sind. Während diese Entwicklung in der westlich geprägten Welt mit einer gesicherten finanziellen Basis nachvollziehbar erscheint, überrascht und erfreut es, dass sich der Kletterboom auch auf Schwellenländer ausweitet. So gibt es inzwischen zum Beispiel eine indische Kletterszene, in China erlebt dieser Sport einen großen Aufschwung, einheimische Kletterer trifft man in Laos oder auf den Philippinen. Allen gemeinsam ist die Freude an der Bewegung, eine gewisse Abenteuerlust und der Drang, sich einer Herausforderung zu stellen. Das Besondere und Schöne dabei ist die gemeinsame Kommunikationsebene, die sich schnell und unkompliziert zwischen verschiedenen Völkern und Generationen ergibt.

    Für den Sportmediziner bringt der Klettersport mit seinen zahlreichen sportartspezifischen Verletzungen große fachliche Herausforderungen mit sich. Während beispielsweise die Diagnose und Therapie einer Sprunggelenksfraktur in allen Sportarten gleich ist, stellt sich die Frage einer geschlossenen Ringbandverletzung fast ausschließlich beim Kletterer. Dies macht die Sache schwieriger, aber eben interessanter. Auch die Tatsache, dass der Klettersport als Leistungssport erst seit 30 Jahren ausgeübt wird, lässt noch viele Fragen über Langzeitentwicklungen offen.

    Die zunehmende Professionalisierung der nun olympischen Sportart führt dabei zu einer immensen Steigerung der Trainingsvolumina und -intensitäten bei Wettkampfathleten (Lutter et al. 2017). Damit wird konsequenterweise auch die Verletzungsinzidenz (insbesondere Überlastungsschäden) in dieser Gruppe zunehmen. Durch eine Veränderung des aktuellen Routenprofils im Wettkampfsport (olympisches Format) ändern sich auch die Anforderungen an die Athleten und neue Verletzungen, wie zum Beispiel dass Verletzungen der ischiocruralen Muskulatur oder Frakturen der Handwurzel häufiger werden (Schöffl et al. 2016; Lutter et al. 2016). Andererseits zeigen sich insbesondere bei Anfängern neuerdings teils höherwertige Verletzungsmuster. So werden unter dem Begriff des „Newbie"-Syndrom s schwerere Verletzungen, wie zum Beispiel Wirbelkörperfrakturen, geführt, die bei vergleichsweise geringen Traumata (zum Beispiel Sturz auf die Matte aus einer Höhe von 0,5 m) bei sportlichen Anfängern auftreten. Letztlich sind diese Verletzungen als Ausdruck einer abgeschwächten Ganzkörpermuskulatur in Verbindung mit einem Koordinationsdefizit und motorischen Schwächen zu werten. Dabei führt ein geringes Trauma, das beim Leistungs- oder Freizeitathleten eine normale Trainingsbelastung darstellt, bereits zu teils schweren Verletzungen (Schöffl und Lutter 2017). Ziel des vorliegenden Werkes ist es, die speziellen Verletzungen und Überlastungen sowie internistische und pädiatrische Aspekte der Sportart Klettern darzulegen und Therapiekonzepte aufzuzeigen.

    1.1 Historie

    Das extreme und alpine Klettern fand Anfang der 1970er-Jahre eine radikale Wende. War oft „nur" der Gipfel und nicht der Weg dahin das Ziel, so wurde nun die Idee des freien Kletterns geboren. Hierunter versteht man die Bewältigung einer Kletterroute ohne Zuhilfenahme künstlicher Hilfsmittel zur Fortbewegung; Seil und Haken dienen nur der Sicherung des Kletterers und werden nicht zur Fortbewegung selbst eingesetzt (Hochholzer und Schöffl 2014).

    Die Idee des „freien Steigens wurde allerdings schon vor über 100 Jahren im Elbsandsteingebirge praktiziert: Emanuel Strubich kletterte mit der „Westkante am Wilden Kopf bereits 1918 die weltweit erste Route im VII. Schwierigkeitsgrad. Doch erst Mitte der 1970er-Jahre erlebte das Freiklettern seinen rasanten Aufschwung, als die Idee des „freien Steigens unter anderem von den Kletterern der Hippiegeneration im Yosemite Valley wieder aufgegriffen wurde und sich dann auch in Europa verbreitete. 1965 wurden die ersten Routen im unteren VIII. Schwierigkeitsgrad geklettert („Crack of Doom, City of Rocks, USA [Erstbegeher unbekannt]; „Königshangel, Freistein, Elbsandstein durch Fritz Eske). Die offizielle, jahrzehntelang nach oben geschlossene Schwierigkeitsskala der UIAA (Union Internationale des Associations d’Alpinisme) wurde offiziell erstmals durch die Begehung der „Pumprisse (Fleischbankpfeiler, Wilder Kaiser, Reinhard Karl und Helmut Kiene, 1977) gesprengt, der VII. Schwierigkeitsgrad war nun auch im alpinen Bereich erreicht. Seither wurde die Skala rasant nach oben erweitert, 1974 kletterte Steve Wunsch mit „Supercrack in den Shawangunks, USA, den ersten IXer. Die magische Grenze zum unteren X. Schwierigkeitsgrad wurde erstmals von Jerry Moffat mit der Begehung von „The Face (X-, 1983, Altmühltal) durchbrochen. Einige deutsche Kletterer waren maßgeblich an der weiteren Entwicklung beteiligt: So schaffte es beispielsweise Wolfgang Güllich immer wieder, neue Schwierigkeitsgrade zu etablieren (zum Beispiel 1987 „Wallstreet mit XI- oder 1991 „Aktion direkt mit XI, beide Frankenjura). Markus Bock eröffnete 2007 mit „Corona die erste Route in Deutschland, die den Schwierigkeitsgrad XI+ trägt. Auf internationaler Ebene konnte Adam Ondra mit „Silence 2017 die aktuell schwerste Route weltweit (UIAA-Grad XII) klettern.

    1.2 Grundlagen

    In der Terminologie des Sport- bzw. Freikletterns wird eine Vielzahl von Begriffen verwendet, die der näheren Definition bedürfen, da sie oft falsch angewendet werden und damit Verwirrung stiften (Hochholzer und Schöffl 2014; Schöffl und Morrison 2009). Freiklettern bezieht sich auf die freie Durchsteigung einer Klettertour, das heißt, das Seil und die Sicherungsmittel dienen nur der Absicherung des Kletterers und nicht als Fortbewegungsmittel oder Rastpunkt. Eine so in einem Stück im Vorstieg durchstiegene Route wird als Rotpunk t bezeichnet (◘ Abb. 1.1). Bei der On-sight -Begehung ist die Route dem Kletterer mit Ausnahme der Rotpunkt-Kriterien unbekannt. Der Alleingang mit Seilsicherung wird als Solo-Begehung bezeichnet, der ungesicherte Alleingang als „Free Solo ". Allerdings sind wirkliche Free-Solo-Begehungen entgegen der Darstellung in den Medien äußerst selten. Eine Routenbegehung unter Seilsicherung von oben wird als Toprope angegeben (Hochholzer und Schöffl 2014; Schöffl und Morrison 2009).

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    Abb. 1.1

    Seilklettern im Vorstieg (Foto: Kilian Reil)

    Neben dem reinen Schwierigkeitsklettern gibt es eine weitere, wesentliche Unterdisziplin des Sportkletterns, das Bouldern . Ein „boulder" ist im Englischen ein Felsblock. Unter Bouldern versteht man das seilfreie Klettern in Absprunghöhe (◘ Abb. 1.2). Hierbei gibt es wie bei den Klettertouren eigene, definierte Routen oder Boulderprobleme und seit 1999 sogar einen eigenen Boulder-Weltcup. Als Sicherung werden beim Bouldern sogenannte Crashpads oder Absprungmatten verwendet, die unangenehme Stürze auf den Rücken abfangen sollen. Das extreme Eis- und Wasserfallklettern, das auch eine eigene Wettkampfform besitzt, sei hier nur am Rande erwähnt (Hochholzer und Schöffl 2014).

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    Abb. 1.2

    Bouldern (Foto: Enrico Haase)

    1.3 Ausrüstung

    In den Anfängen des Kletterns wurde im alpinen Gelände sowie im Klettergarten ausschließlich mit klassischen schweren Bergstiefeln geklettert. Spezielle Kletterschuhe (Kletterpatschen) waren meist Eigenentwicklungen; so wurden beispielsweise dicke Walksocken mit mehreren Lagen Stoff an der Fußsohle verstärkt, um einen weicheren und besseren Felskontakt-vermittelnden Kletterschuh zu ergeben. Schuhe dieser Art waren meist nach nur einem Klettertag wieder reparaturbedürftig. Andere verzichteten ganz auf ein Schuhwerk und kletterten barfuß. Erst in den frühen 1980er-Jahren kam mit dem Schuhmodell „EB der erste richtige Kletterschuh mit einer Reibungssohle auf den Markt. Dadurch wurde eine neue Ära von Höchstleistungen im Sportklettern eingeleitet, Marksteine wie zum Beispiel „Magnet (Frankenjura), Schwierigkeitsgrad IX nach UIAA, konnten erstbegangen werden (Hochholzer und Schöffl 2014; Schöffl und Morrison 2009).

    Neben der Entwicklung moderner Kletterschuhe war vor allem die Einführung von Bohrhaken tragend für die explosionsartige Leistungssteigerung im Klettersport. Die mangelnde Zuverlässigkeit der Sicherungsmittel im alpinen Klettern mit geschlagenen Haken und Schlingen ist oft leistungslimitierend, das Sturzrisiko muss so gering wie möglich gehalten werden.

    Seit der Einführung von Bohrhaken gehören Stürze ins Seil zur Tagesordnung des Sportkletterers, es können maximal schwere Kletterstellen unter Ausschluss objektiver Gefahren ausprobiert und antrainiert werden. Bohrhaken sind entweder mit Expansionsdübeln versehen oder werden in den Fels einzementiert oder geklebt. Laut UIAA-Norm müssen sie eine Belastung von 2200 kp aufnehmen können (◘ Abb. 1.3). Die gleichen Kriterien erfüllen mittlerweile die Klettergurte sowie die Seile und Karabiner. Auch bei den Klettergurten hat sich ein wesentlicher Wandel vollzogen. Wurde oder wird im traditionellen Bergsteigen eine Kombination aus Brust- und Sitzgurt angewendet, so wird im Sportklettern ein reiner Hüftsitzgurt verwendet. Dieser ermöglicht ein verletzungsfreies Stürzen bei maximaler Bewegungsfreiheit (Hochholzer und Schöffl 2014; Schöffl und Morrison 2009; Schöffl und Küpper 2008). Beim Bouldern dagegen werden zur Sicherung Crashpads, das heißt tragbare Absprungmatten, eingesetzt (◘ Abb. 1.4).

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    Abb. 1.3

    Stürze ins Seil gehören beim Sportklettern an die Tagesordnung (Foto: Kilian Reil)

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    Abb. 1.4

    Crashpad-Absicherung beim Bouldern (Foto: Enrico Haase)

    1.4 Kletterwettkämpfe

    Kletterwettkämpfe wurden bereits in den 1970er-Jahren im Osteuropäischen Raum als Speed-Wettkämpfe durchgeführt. Weitere Ausbreitung erfuhr das Wettkampfklettern allerdings erst Mitte der 1980er-Jahre, die erste inoffizielle Deutsche Meisterschaft fand 1985 im „Salvator Keller in München statt. Die erste offizielle Weltmeisterschaft wurde 1991 in Frankfurt ausgetragen, und bei der Weltmeisterschaft 2005 in München nahmen bereits mehr als 500 Teilnehmer aus 55 Nationen teil. Derzeit finden regelmäßig nationale Wettkämpfe (Landesmeisterschaften sowie jährlich mehrere Deutschlandcups zur Ermittlung der Deutschen Meisterschaft) unter Leitung des DAV (Deutscher Alpenverein) sowie internationale Veranstaltungen (Weltcup, Europa- und Weltmeisterschaften) unter Schirmherrschaft der IFSC (International Federation of Sport Climbing) statt. Neben diesen offiziellen Wettkämpfen gibt es auf nationaler und internationaler Ebene noch diverse Masterwettkämpfe, wie beispielsweise den „Rockmaster in Arco (Italien), die einen hohen Status aufweisen und oft eine längere Tradition als die offiziellen Wettkämpfe haben. Alle Veranstaltungen werden an Kunstwänden ausgetragen. Derzeit gipfelt die Entwicklung des Wettkampfsports mit der Aufnahme in das Olympische Programm 2020 in Tokyo und Paris 2024. Seit einigen Jahren werden auch Paraclimbing-Wettkämpfe veranstaltet, der erste Paraclimbing-Weltcup fand 2010 in Japan statt, und bei der Kletterweltmeisterschaft 2011 in Arco (Italien) waren die Paraclimbing-Wettkämpfe vollständig ins Standardprogramm integriert (Schöffl und Schöffl 2012).

    1.5 Disziplinen

    Bei den Standardwettkämpfen wird in den folgenden drei Disziplinen geklettert: Lead (Vorstieg), Bouldern und Speed. Das Olympische Format von Tokyo sieht eine Kombinationswertung aus allen drei Disziplinen vor. Neben den nach offiziellen Reglements durchgeführten Wettkämpfen existieren zahlreiche regionale Wettkämpfe mit teilweise ganz neuen Disziplinen wie beispielsweise Marathonklettern oder Bouldernights, bei denen oft der Spaß am Klettern im Vordergrund steht und die Platzierung eher nebensächlich ist. Internationale Master beinhalten auch andere Disziplinen wie das After-Work-Klettern, bei der die Kletterer die Möglichkeit haben, für eine bestimmte Zeit in der Route zu üben, oder das Duell-Klettern, das zum Beispiel das Finale der Adidas-Rockstars darstellt (Schöffl und Schöffl 2012).

    1.6 Lead-Klettern (On-sight)

    Beim Schwierigkeitsklettern müssen die Kletterer versuchen, im Vorstieg in einer ihnen bis dahin unbekannten Kletterroute „on-sight" möglichst weit, im besten Falle bis zum oberen Ende (Top), zu klettern (◘ Abb. 1.5). Die Routen für internationale Wettkämpfe sind mindestens 15 m lang und werden von den Routensetzern extra für diesen Wettkampf gebaut. Vor Wettkampfbeginn werden alle Teilnehmer räumlich isoliert und haben gemeinsam 6 Minuten Zeit, die für alle Teilnehmer neu in die Wettkampfwand eingeschraubte Route zu besichtigen. Nach der Wandbesichtigung hat jeder Kletterer einzeln einen Versuch, die Route soweit wie möglich zu durchsteigen. Um die On-sight-Kriterien einzuhalten, werden die anderen Wettkämpfer weiterhin isoliert. Die Kletterzeit spielt nur in Form eines maximalen Zeitlimits von 6–8 Minuten pro Kletterer eine Rolle. Gewertet wird nur die maximal erreichte Höhe bzw. Kletterstrecke in der Route, bei Gleichstand sekundär die Kletterzeit (Schöffl und Schöffl 2012).

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    Abb. 1.5

    Deutsche Meisterschaft Leed-Klettern des DAV (Foto: Marco Kost)

    1.7 Bouldern

    Beim Bouldern wird seilfrei in Absprunghöhe mittels Sicherung durch Weichbodenmatten geklettert (◘ Abb. 1.6). Die Boulderprobleme sind dabei 3–4 m hoch und teils sehr akrobatisch. Die Anzahl der komplett durchstiegenen Boulderprobleme bzw. die Zahl der dafür benötigten Versuche bestimmen das Endergebnis. In der Mitte des Boulderproblems ist ein Griff als Zonengriff markiert, der ebenfalls in die Wertung einfließt (Schöffl und Schöffl 2012).

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    Abb. 1.6

    Wettkampfbouldern bei den „Adidas-Rockstars" (Foto: C. Waldegger)

    1.8 Speed

    Ziel des Speed-Kletterns ist es, eine Route schnellstmöglich im Toprope zu klettern (◘ Abb. 1.7). Im Wettkampf treten je Runde immer 2 Kletterer im K.o.-System auf 2 möglichst identischen, nebeneinander liegenden Routen gegeneinander an. Dabei klettern sie, mit einer kurzen Pause, jeweils einmal je Seite. Die beiden Zeiten werden addiert und der insgesamt Schnellere zieht in die nächste Runde ein. Seit der Weltmeisterschaft 2005 gibt es eine weltweit genormte Speed-Route, die bei genormter Wandneigung als 10-Meter- und 15-Meter-Version zur Verfügung steht. Durch die normierte Wand können seitdem Weltrekorde über 15 Meter aufgestellt werden (Schöffl und Schöffl 2012).

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    Abb. 1.7

    Deutsche Meisterschaft Speed-Klettern des DAV (Foto: T. Schermer)

    1.9 Ausblick

    Doch auch der Klettersport ist im ständigen Fluss, neue Disziplinen kommen dazu. Aktuell immer populärer werden ist zum Beispiel Deep Water Soloing, auch Psicobloc genannt. Hierbei werde ohne Seilsicherung Routen über Wasser, meist über dem Meer, geklettert. Diese enden in teils sehr spektakulären Stürzen in die Wellen. Auch als Wettkampfsport gibt es bereits Psicobloc-Veranstaltungen an artifiziellen Wänden über Schwimmbädern. Aber auch Big-Wall-Solo- oder Speed-Begehungen sorgen für Aufmerksamkeit in den Medien. Der „Klettermediziner" muss diesen Veränderungen und der Dynamik der Sportart Rechnung tragen und wird immer wieder mit neuen Verletzungen und Pathologien herausgefordert. Aber gerade das macht die Sache so faszinierend.

    Literatur

    DAV (2011) Spitzenbergsport. Deutscher Alpenverein. www.​alpenverein.​de. Zugegriffen am 15.11.2011

    Hochholzer T, Schöffl V (2014) Soweit die Hände greifen, 4. Aufl. Lochner, Ebenhausen

    Lutter C, Schweizer A, Hochholzer T, Bayer T, Schöffl V (2016) Pulling harder than the hamate tolerates: evaluation of hamate injuries in rock climbing and bouldering. Wilderness Environ Med 27(4):492–499. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​wem.​2016.​09.​003CrossrefPubMed

    Lutter C, El-Sheikh Y, Schöffl I, Schöffl V (2017) Sport climbing: medical considerations for this new Olympic discipline. Br J Sports Med 51(1):2–3. https://​doi.​org/​10.​1136/​bjsports-2016-096871CrossrefPubMed

    Schöffl V, Küpper T (2008) Rope tangling injuries – how should a climber fall? Wilderness Environ Med 19(2):146–149

    Schöffl V, Lutter C (2017) The „Newbie" syndrome. Wilderness Environ Med 28(4):377–380. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​wem.​2017.​07.​008CrossrefPubMed

    Schöffl V, Schöffl I (2012) Competition climbing. Sportortho Sporttrauma 28:22–28

    Schöffl V, Lutter C, Popp D (2016) The „heel hook"-a climbing-specific technique to injure the leg. Wilderness Environ Med. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​wem.​2015.​12.​007

    Schöffl V, Küpper T, Morrison A (2009) Sportklettern. In: Küpper T, Ebel K, Gieseler U (Hrsg) Moderne Berg- und Höhenmedizin. Gentner, Stuttgart, S 521–561

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    V. Schöffl et al. (Hrsg.)Klettermedizinhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61090-9_2

    2. Unfallstatistik – Verletzungsgraduierung

    Volker Schöffl¹   und Christoph Lutter²  

    (1)

    Zentrum Interdisziplinäre Sportmedizin und Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Bamberg, Deutschland

    (2)

    Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland

    Volker Schöffl (Korrespondenzautor)

    Email: volker.schoeffl@me.com

    Christoph Lutter

    Email: christoph.lutter@googlemail.com

    2.1 Einleitung

    2.2 Graduierung und Scoring

    2.3 Analyse der Einzeldisziplinen

    2.4 Ist Klettern ein Risikosport?

    Literatur

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    Foto: Yasser El-Sheikh in Rifle, USA, Bild Michael Simon

    2.1 Einleitung

    Unfallanalysen für Sportklettern, Bouldern und alpines Klettern sind bereits vielfach dargestellt worden (Addiss und Baker 1989; Bowie et al. 1988; Schussmann et al. 1990; Paige et al. 1998; Rooks et al. 1995; Gerdes et al. 2006; Smith 2006; Buzzacott et al. 2019; Jones et al. 2018; Jones und Johnson 2016; Jones et al. 2007, 2015; Schöffl et al. 2018; Schöffl und Lutter 2017; Schöffl et al. 2013a, b, 2015; Lum und Park 2019; McDonald et al. 2017; Chang et al. 2016; Woollings et al. 2015b). Problematisch ist die Differenzierung zwischen den einzelnen Disziplinen; in einigen Studien zur Analyse von Kletterverletzungen wurde dabei nicht oder nur unzureichend beschrieben, bei welcher Art des Kletterns es zur Verletzung kam. Einzelne Untersuchungen beschäftigten sich hingegen explizit mit dem Indoorklettern (Wright et al. 2001; Schöffl und Winkelmann 1999; Limb 1995; Schöffl et al. 2013a, b) oder dem Wettkampfklettern (Schöffl und Küpper 2006; Schöffl et al. 2013a; Hosaini et al. 2013). Bezüglich des spezifischen Unfallrisikos werden Analysen des 1000-Stunden-Verletzungsrisikos (Schöffl et al. 2010,

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