Anwendung des Genome Editing in der somatischen Gentherapie: Eine Einführung
Von Boris Fehse und Ulrike Abramowski-Mock
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Buchvorschau
Anwendung des Genome Editing in der somatischen Gentherapie - Boris Fehse
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021
B. Fehse, U. Abramowski-MockAnwendung des Genome Editing in der somatischen Gentherapieessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-32993-8_1
1. Einleitung
Boris Fehse¹ und Ulrike Abramowski-Mock²
(1)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
(2)
Rösrath, Deutschland
Boris Fehse (Korrespondenzautor)
Email: fehse@uke.de
Ulrike Abramowski-Mock
Email: ulrike.abramowski@gmx.de
CRISPR/Cas, Genscheren, Genome Editing und Designerbabys – nachdem es viele Jahre in der Öffentlichkeit recht ruhig um die Genforschung war, sorgten neue, oft unverständliche Begriffe und die damit assoziierten Experimente für Schlagzeilen auch außerhalb des viel zitierten Elfenbeinturms der Wissenschaft. Während viele Forscher/innen und Gentherapeuten/innen, aber auch von schweren Krankheiten Betroffene und deren Angehörige mit den neuen Technologien große Hoffnungen auf bessere und sicherere Behandlungsmethoden verbinden, fürchten Kritiker einen Missbrauch und sehen die Menschheit auf dem Weg in eine Welt, die von designten Menschen aus dem Reagenzglas beherrscht wird, wie z. B. im Film GATTACA¹ dargestellt.
In diesem Essential sollen die Möglichkeiten und Grenzen, die Chancen und Risiken des Genome Editing beleuchtet werden. Dazu werden wir zunächst Einblicke in die wichtigsten Grundlagen und Anwendungen der (somatischen²) Gentherapie geben. Danach werden wir die Entwicklung des Genome Editing seit Mitte der 1990er Jahre bis heute darstellen und zeigen, in welchem großen Maße die medizinische Forschung schon in kürzester Zeit von dieser Technologie profitieren konnte. Schließlich werden wir diskutieren, ob und inwieweit sich das Genome Editing auch für genetische Therapien am Menschen eignet, und welche Voraussetzungen für eine klinische Anwendung erfüllt sein müssen. Dabei werden wir auf die prinzipiellen Unterschiede zwischen einer Anwendung am Patienten im Rahmen einer legalen somatischen Gentherapie und dem nach heutigem Stand in Deutschland und den meisten anderen Ländern nicht legalen Einsatz zur Keimbahnmodifikation eingehen. Schließlich werden wir einen Ausblick wagen, wohin die Entwicklung des Genome Editing in naher und etwas fernerer Zukunft gehen mag.
Die Anregung zu diesem Essential entstand auf der Basis des Workshops „Somatisches Genome Editing – Wie weit ist es noch bis in die Klinik?", der auf Initiative und mit Unterstützung der Stiftung Wissen der Sparkasse KölnBonn, der Fritz Thyssen Stiftung, der Forschungsabteilung Zell- und Gentherapie in der Klinik für Stammzelltransplantation des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf und der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie vom 30.01. bis 01.02.2019 in Köln stattfand.³ Die Autorin und der Autor danken allen Teilnehmern/innen und Unterstützern für ihre Beiträge zu dem Workshop; wir hoffen, dass die wissenschaftlichen Beiträge im Rahmen einer weiteren Publikation zusammengefasst werden können. Ein besonders großes Dankeschön geht an Frau Dr. Julia Maria Erber-Schropp von der Stiftung Wissen der Sparkasse KölnBonn für die Organisation des Workshops, vor allem aber für ihr Durchhaltevermögen, als es darum ging, diese Publikation fertigzustellen. Nicht zuletzt möchten wir auch dem BMBF, welches die analytische Arbeit der Autorin und des Autors im Rahmen des Forschungsverbunds GenE-TyPE (FKZ: 01GP1601B) unterstützt hat, sowie den Verbundpartnern, allen voran Prof. Dr. Jochen Taupitz (Mannheim) und Prof. Dr. Christiane Woopen (Köln), für die interessanten Diskussionen und Einblicke danken.
Fußnoten
1
US-Amerikanischer Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1997 (Regie: Andrew Niccol) mit Ethan Hawke, Uma Thurman und Jude Law.
2
Somatisch = auf den Körper bezogen (Soma [griech.] = Leib, Körper).
3
Die Teilnehmerliste des Workshops findet sich unter https://www.stiftung-wissen-koelnbonn.de/projekte/bisherige-veranstaltungen/genome-editing-2019/.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021
B. Fehse, U. Abramowski-MockAnwendung des Genome Editing in der somatischen Gentherapieessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-32993-8_2
2. Klassische Gentherapie
Boris Fehse¹ und Ulrike Abramowski-Mock²
(1)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
(2)
Rösrath, Deutschland
Boris Fehse (Korrespondenzautor)
Email: fehse@uke.de
Ulrike Abramowski-Mock
Email: ulrike.abramowski@gmx.de
2.1 „Klassische" Gentherapie: Definition und Grundprinzipien
Mit dem zunehmenden Verständnis der Mechanismen der Vererbung nach der Beschreibung der Mendelschen Gesetze (1866) gerieten Erbkrankheiten verstärkt in den Fokus der Medizin, aber auch der Politik.¹ In der Mitte des 20. Jahrhunderts gelang es, die Desoxyribonukleinsäure (DNS, engl. DNA: desoxyribonucleic acid) als Träger der Erbinformation zu identifizieren, welche alle Proteine (Eiweiße) des Körpers kodiert.² Die DNA befindet sich in den Kernen aller kernhaltigen Zellen und wird bei jeder Zellteilung an beide Tochterzellen weitergegeben. 1953 entwickelten James Watson und Francis Crick, basierend auf Röntgenaufnahmen von Rosalind Franklin, das Modell der Doppelhelix, welches grundlegend für unser Verständnis der molekularen Prozesse der Vererbung war.
Schon in den 1960er Jahren, Aufbau und Struktur des Erbmaterials waren also gerade 10 Jahre bekannt, träumten Wissenschaftler/innen davon, Krankheiten, die auf Veränderungen im Erbgut zurückzuführen waren, durch gezielte Genchirurgie zu heilen oder, im eugenischen Sinne, auszumerzen.³ Jedoch existierten zu jener Zeit keinerlei technische Möglichkeiten, solche Vorhaben praktisch umzusetzen. Die seit Beginn der 1970er Jahre entwickelten ersten gentherapeutischen Konzepte basierten daher auf einem alternativen Ansatz, nämlich dem