Glücklich im Arztberuf: werden, sein und bleiben
Von Caroline Bialon
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Über dieses E-Book
Stationen einer Arztkarriere: motiviert, ernüchtert und doch glücklich?
Dieses Buch richtet sich an alle Medizinstudierenden und Ärzte, die ihre Profession lange, erfolgreich und gleichzeitig glücklich ausüben wollen.
Die Autorin behandelt in 7 Kapiteln das Thema Glück im Beruf aus unterschiedlichen Perspektiven: Was bedeutet Glück in Bezug auf mein Arztsein? Was sind meine Ziele, Ressourcen und wo liegt der Fokus? Wissenschaftlich fundiert und doch ganz persönlich werden die Inhalte an Alltagsbeispielen nachvollziehbar.
Dieser Ratgeber ist ein „Werkzeugkoffer“: Er bietet praktische Tipps und zeigt anwendungsnah, welche äußeren und inneren Faktoren für ein erfülltes Berufsleben wichtig sind.
Erleben Sie (wieder) das Glück im Arztsein bei Ihrer täglichen Arbeit!
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Buchvorschau
Glücklich im Arztberuf - Caroline Bialon
Caroline Bialon
Glücklich im Arztberuf
werden, sein und bleiben
1. Aufl. 2021
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Caroline Bialon
Kirchheim unter Teck, Deutschland
ISBN 978-3-662-62236-0e-ISBN 978-3-662-62237-7
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62237-7
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Planung/Lektorat: Sarah Busch
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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort
Trailer
Zu fragen bin ich da, nicht zu antworten!
Henrik Ibsen
Sind Sie glücklich? Und sind Sie es in Bezug auf Ihren Beruf als Arzt?¹
Was ist Glück überhaupt? Und ist es beeinflussbar?
Dies sind die Leitfragen für dieses Buch und weil ich selbst meinen Beruf aus vollem Herzen liebe, habe ich dieses Buch geschrieben. Ich bin erschüttert von Begegnungen mit Kollegen und ehemaligen Kommilitonen, die abstumpfen oder ihren Patienten, Arbeitgebern oder Arbeitsmodalitäten gegenüber frustriert und unglücklich sind…
Es ist gut dokumentiert, dass im Arztberuf ein zunehmender Ärztemangel festzustellen ist. Ärzte wandern ins Ausland oder in nicht-kurative Bereiche ab. Medizinstudenten scheinen häufig mit hoher Einsatzbereitschaft und außergewöhnlichem Idealismus zu starten, landen aber als Ärzte nicht selten in einer unbefriedigenden Arbeitswirklichkeit. Nicht zuletzt rangieren Ärzte seit Jahrzehnten in den Top Ten der höchsten Suizidrate nach Berufsgruppen.
Dabei bietet der Arztberuf neben einer überwältigend hohen Reputation in der Bevölkerung auch eine schier unglaubliche Fülle an Ausübungsmöglichkeiten: Ob Tag oder Nacht, ob zupackend oder intellektuell, ob Patientenkontakt oder nicht, ob Stadt, Land, Luft- oder Seefahrt – für jeden scheint etwas dabei zu sein.
Ich selbst kombiniere verschiedene Facetten des Arztberufes. Dies ermöglich mir, mein Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung zu leben und gleichzeitig mein Sicherheitsbedürfnis zu stillen.
Seit 2014 bin ich Teilhaberin in einer allgemeinmedizinischen, privaten Gemeinschaftspraxis mit komplementärmedizinischem Schwerpunkt. Aktuell erweitere ich mein Spektrum durch die Weiterbildung in fachgebundener Psychotherapie. Der Ärztliche Notdienst erfüllt meinen Drang nach „Freiheit und Abenteuer", er öffnet meinen Blick für die unterschiedlichen Lebenswelten, in denen Menschen trotz geographischer Nähe leben. Das ruhige Pendant zum Bereitschaftsdienst ist meine Tätigkeit per Home-Office für die Abteilung für DRG-Kodierung einer Schweizer Klinik.
Mein Mann und ich teilen uns die Betreuung unserer gemeinsamen Kinder (2 und 5 Jahre alt), die erst mit dem 3. Geburtstag den Kindergarten besuchen. Dafür haben wir unseren persönlichen „Schichtdienst" etabliert: jeder darf den halben Tag arbeiten und den anderen halben Tag bei den Kindern sein. Durch Flexibilität, engen Austausch und klare Absprachen hat unser System schon einiges überstanden: Praxis- und Unternehmensaufbau, Schwangerschaften, Stillzeiten, Haussanierung und die Corona-Pandemie…
Meine Geschichte ist nur eine von zahllosen Möglichkeiten. Dieses Buch will Sie nicht zum Nachahmen verführen, sondern soll Sie ermutigen, Ihren eigenen, individuellen Weg zum beruflichen Glück zu finden.
Nun ist das Glück nichts, was man einmal hat und dann abhaken kann. Daher lade ich Sie ein, regelmäßig zu überprüfen, ob Sie sich noch auf Glückskurs befinden oder ob es Zeit ist, die Segel anders zu setzen. Dieses Buch ist eine Art „Werkzeugkoffer". Es ist empfehlenswert, jedes Werkzeug einmal ernsthaft zu testen, um herauszufinden, was sich davon im persönlichen Einsatz bewährt.
Bitte stoßen Sie sich nicht daran, dass ich Erkenntnisse aus den Bereichen der Neurobiologie, der Neurochemie und der Neuropsychologie in lockerem Tonfall beschreibe. Dies geschieht aus einer bewussten Absicht: Wir Ärzte neigen dazu, intellektuell vieles zu wissen, ohne es auf uns selbst anwenden zu können.
Da Glück individuell ist, sehe ich meinen Beitrag darin, Ihnen Anregungen geben und Fragen stellen. Die Antworten liegen bereits tief in Ihnen und warten darauf, gefunden, mitunter geradezu errungen zu werden. Aus diesem Grund fordere ich Sie immer wieder auf, Stift und Papier in die Hand zu nehmen, Aufgaben zu bearbeiten oder Ideen zu notieren. Je intensiver Sie schreiben statt nur zu denken, desto mehr werden Sie vom Inhalt profitieren.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie in Ihrem Arztsein Glück (wieder) erleben – Glück als sinnerfülltes Dasein, als Staunen und Lebendigkeit, als Begeisterung und Gefühl, das Richtige zu tun. Ich wünsche Ihnen, dass Sie spüren, was längst eine Tatsache ist:
Ihr Dasein und Ihr Tun machen einen Unterschied – mehr als Sie denken!
Wichtig
Der eigentliche Sinn unseres Lebens besteht im Streben nach Glück.
An welche Religion ein Mensch auch glaubt, er sucht nach etwas Besserem im Leben.
Ich glaube, dass Glück durch Schulung des Geistes erlangt werden kann.
Dalai-Lama
Dr. med.Caroline Bialon
ΓΝΩΘΙ ΣΕΑΥΤΟΝ
Erkenne dich selbst!
Inschrift am Apollotempel von Delphi
Danksagung
Herzlicher Dank gilt meinem wunderbaren Mann, mit dem ich ein modernes Konzept von Familie und Arbeit leben darf und der mir ermutigend beisteht.
Meinen Eltern danke ich für ihre hilfreichen Korrekturen sowie für die Betreuung ihrer Enkel – nicht nur im Endspurt dieses Buches. Den Mut zum Träumen gepaart mit einer großen Portion Pragmatismus haben sie mir mit auf den Weg gegeben.
Ich danke dem Springerverlag, insbesondere Frau Scheddin und Frau Busch für die Möglichkeit, dieses Buches zu veröffentlichen.
Weiterhin bedanke ich mich besonders bei Kathrin Pfeil und Antonia Schmid für ihre umfassende Unterstützung sowie bei Stephanie Blobner, Sina Ulrich, Muriel Sättler, Brigitte Buchtela und Marc Leistner für anregende Diskurse und Korrekturen.
Zuletzt möchte ich meinen Patienten danken, die ich über die Jahre begleiten durfte. Sie haben mich viel gelehrt – weit über die medizinische Erfahrung hinaus. Menschen sind einfach wunderbar!
Inhaltsverzeichnis
1 Was bedeutet für mich Glück in Bezug auf das Arztsein? 1
1.1 Was heißt glücklich? Was heißt unglücklich? 1
1.2 Äußere Umstände versus eigene Gestaltungsmöglichkeiten 8
1.3 Generationswechsel: Von den „68ern zur „Generation Y
11
Literatur 15
2 Ziele erhöhen die Chance auf Glück 17
2.1 Der Sinn von Zielen 17
2.2 Was sind meine Ziele? 19
2.3 Das Warum 22
2.4 Brainstorming 23
2.5 Die SMART-Methode 26
2.6 Lebensvision 28
Literatur 30
3 Selbsterkenntnis als Schlüssel zum Glück 31
3.1 Kenne ich mich selbst? 31
3.2 Was denke ich wirklich? Oder: Wie Gedanken die Zukunft beeinflussen 36
Literatur 45
4 Was kann ich konkret für mein Glück tun? 47
4.1 Umsetzung im Außen 47
4.2 Umsetzung im Innen 49
Literatur 85
5 Was heißt das im ärztlichen Werdegang? 87
5.1 Studenten – Motivation und Kompetenzerwerb 87
5.2 Berufsanfänger – zwischen Euphorie und Überforderung 94
5.3 Erfahrene Assistenten und junge Fachärzte – die Rushhour des Lebens 107
5.4 Ärzte im späteren Berufsleben – zwischen Resignation und Erfüllung 125
Literatur 130
6 Wie bleibe ich glücklich? 133
6.1 Das Leben als Fluss 133
6.2 Fokussiert bleiben 135
6.3 Regelmäßiger Check-Up 138
6.4 Ziele ändern sich – und jetzt? 140
Literatur 141
7 Aus der „Mühle" in die Freiheit – Plädoyer 143
7.1 Ressource Arzt 143
7.2 Der Arzt als Multiplikator für Gesundheit und Glück 146
Literatur 147
Fußnoten
1
Aus Gründen der Lesbarkeit wird im gesamten Buch die männliche Form verwendet. Natürlich sind meine Geschlechtsgenossinnen ebenso angesprochen.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021
C. BialonGlücklich im Arztberufhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62237-7_1
1. Was bedeutet für mich Glück in Bezug auf das Arztsein?
Caroline Bialon¹
(1)
Kirchheim unter Teck, Deutschland
Caroline Bialon
Email: cb@caroline-bialon.de
1.1 Was heißt glücklich? Was heißt unglücklich?
1.2 Äußere Umstände versus eigene Gestaltungsmöglichkeiten
1.3 Generationswechsel: Von den „68ern zur „Generation Y
Literatur
1.1 Was heißt glücklich? Was heißt unglücklich?
„Viel Glück!" Jeder wünscht es sich – vor Prüfungen, bei Wettkämpfen, an Silvester oder im Spiel.
Die US-amerikanische Verfassung zählt das „Streben nach Glück" zu den unveräußerlichen Rechten des Menschen neben dem Recht auf Leben und dem Recht auf Freiheit. Glück ist ein Grundbedürfnis des Menschen.
Doch was ist Glück? Der Duden (www.duden.de) differenziert drei Arten von Glück:
Übersicht
1.
Glück des günstigen Zufalls („Luck")
2.
Innere Befriedigung und Hochstimmung („Happiness")
3.
Personifiziertes Glück („Fortuna")
Kollege Eckart von Hirschhausen nennt in seinem Buch sogar fünf Arten von Glück (von Hirschhausen 2018):
1.
Das Glück der Gemeinschaft – mit Partner, Familie, Freunden, Kindern.
2.
Das Glück des Zufalls (siehe oben).
3.
Das Glück des Moments hat viele Gesichter: Der erste Schluck Kaffee am Morgen, eine liebevolle Berührung…
4.
Das Glück der Selbstüberwindung meint das gute Gefühl, wenn man den „inneren Schweinehund" überwunden hat oder sich etwas traut, was bisher außerhalb der eigenen Komfortzone lag.
5.
Das Glück der Fülle beschreibt den Moment, wenn man von Schönheit, von Staunen überwältigt wird.
Viele weitere Autoren nehmen sich des Themas an – theoretisch oder praktisch, in Bezug auf das Berufs- oder Familienleben oder im spirituellen Kontext. Das Phänomen ist bekannt: Ist ein Maß an materiellen Wohlstand erreicht, stellt sich die Frage nach der Qualität des individuellen Lebens.
Ärzte haben eine eigene Beziehung zum Glück
Ärzte sind bekanntlich „auch nur Menschen. Zumindest scheinen die Zeiten zu Ende zu gehen, in denen sie uneingeschränkt als „(Halb)Götter in Weiß
betrachtet wurden.
Gleichwohl bilden Ärzte ein etwas eigenes Kollektiv. Die Selbsthilferatgeber der Bestsellerlisten werden eher belächelt. Was zählt sind Fachjournale, Studien und qualifizierte Fortbildungen. Diese Haltung zu hohen Qualitätsstandards hat zu einem der solidesten und besten Gesundheitssysteme weltweit geführt. Für nahezu die gesamte Bevölkerung wohlgemerkt. Denn hohe Qualität nur für selektierte Bevölkerungsteile zu bieten, ist längst nicht so herausfordernd.
Ärzte zählen bei Befragungen immer wieder zu den angesehensten Berufsgruppen in Deutschland – zusammen mit Feuerwehrleuten und Krankenpflegepersonal.
Medizinische Studienanfänger glänzen nicht nur mit Bestnoten, sondern auch mit hoher Einsatzbereitschaft und altruistischen Zielen.
Betrachtet man das gleiche Kollektiv jedoch einige Jahre später, erhält man ein trauriges Ergebnis: Unzufriedenheit macht sich breit. Laut einer Erhebung des Marburger Bundes (MB Monitor 2019) denken 21 % der angestellten Ärzte über einen Berufswechsel nach. Die Hälfte bezeichnet die eigenen Arbeitsbedingungen als „mittelmäßig". Beispielsweise geben 74 % der Befragten an, dass sie das Gefühl haben, die Gestaltung der Arbeitszeiten beeinträchtige sie in ihrer Gesundheit.
Da verwundert es nicht, dass 20 % der Ärzte irgendwann ein Burn-Out oder eine andere behandlungsbedürftige psychische Störung erleiden. (Ob sie für diese im gleichen Umfang professionelle Behandlung in Anspruch nehmen, steht auf einem anderen Blatt…)
Die Vorstufen einer manifesten psychischen Erkrankung kennt sicher jeder Arzt aus seinem kollegialen Umfeld. Sie lassen sich gut anhand zweier Extreme beschreiben, wobei Zwischenstufen in allen Schattierungen möglich sind.
Die eine Erscheinungsform ist die innere Abschottung, welche die Außenwelt früher wahrnimmt als der Betroffene selbst: Sarkasmus, Ungeduld, eine Neigung, die Patienten und ihre Angehörigen offen oder verborgen verächtlich zu kommentieren.
Im Gegensatz dazu diejenigen Kollegen, die bis zur Selbstaufgabe arbeiten – selten unter 60 Wochenstunden. Sie kommen darüber hinaus am Wochenende in Klinik oder Praxis, um Briefe zu diktieren, Gutachten zu verfassen etc. Sie führen geduldig zusätzliche Gespräche längst nach Feierabend, obwohl die Familie daheim sehnlich wartet.
Ein weiteres, lange bekanntes Problem ist der Substanzabusus. Ärzte haben sowohl das Know-How wie auch den nötigen Zugang. Nur an der realistischen Einschätzung der Nebenwirkungen hapert es. In diese Rubrik gehören neben Zigaretten und Alkohol selbstverständlich auch Morphine, Aufputsch- und Beruhigungsmittel oder die „Zitterbremse" im OP. Erst ab und zu, dann immer öfter – es scheint sich eben zu bewähren.
Zuletzt haben Ärzte seit Jahrzehnten einen Stammplatz in einer anderen Rankingliste: Zwischen Polizisten, Chemikern, Künstlern und Seefahren rangieren sie unter den Top Ten der Berufsgruppen mit der höchsten Suizidrate. Auch hier ist das Wissen um Anatomie, Physiologie und Pharmakologie ein trauriger Vorteil.
Die geschilderten Erkrankungen bis hin zum Suizid sind letztlich das Ergebnis destruktiver Bewältigungsstrategien.
Ärzte erleben vom Beginn ihres Studiums an ein hohes Level an Dysstress in Form von hohen persönlichen Anforderungen und großer Arbeitsbelastung. Die Begegnung mit Leid und Tod führt unvermeidbar zu einer Konfrontation mit den Grenzen der eigenen Möglichkeiten. Die konstruktive Anerkennung der eigenen Hilflosigkeit und die Begegnung mit der Endlichkeit aller menschlichen Wesen sind ein lebenslanger Prozess.
Ärzte scheinen mit dem Glück offensichtlich nicht ganz im Reinen zu sein. Denn wer glücklich ist, ist seltener betroffen von Krankheit und Suizidalität.
Wem bleibt das Glück hold?
Welche konstruktiven Bewältigungsstrategien gibt es? Und was bedeutet Glück in Bezug auf das Arzt-Sein?
Heißt es, dass Ärzte mit verklärtem Lächeln über die Stationsflure schweben? Oder durch den nächtlichen Besuch eines Patienten mit Alkoholintoxikation in Begeisterung geraten?
Bezeichnet Glück die wohlhabenden unter den Kollegen, die ein luxuriöses Haus oder ein schnelles Auto besitzen?
Ist Glück letztlich nur etwas für Idealisten? Solche, die sowieso keine Ahnung haben und „das wahre Leben" noch nicht kennen?
Bezugnehmend auf die verschiedenen Definitionen zu Beginn des Kapitels scheint das Glück des Zufalls seiner Natur nach wenig beeinflussbar. Hingegen liegt das Glück der inneren Befriedigung sehr viel offensichtlicher in der Hand des Einzelnen.
Diese Einschätzung ist jedoch trügerisch: Alle Aspekte des Glücks sind von der individuellen Wahrnehmung und Bewusstheit der Einzelperson abhängig.
Ein vereinfachtes Beispiel: Wer zu tief in seine Gedanken versunken ist, wird das Geldstück auf dem Boden nicht sehen. Darüber hinaus kann nur derjenige sich darüber freuen – also Glücksgefühle erzeugen -, der den Fund nicht selbstverständlich oder abschätzend bewertet („naja, nur 1 Cent…").
Je größer die Fähigkeit, positive Gefühle wie Dankbarkeit und Freude für sich selbst zu kultivieren, desto erfreulicher und letztlich glücklicher wird das Leben insgesamt empfunden.
Was ist Glück – und was nicht?
Doch gilt es gleich zu Beginn, mit einigen Missverständnissen in Bezug auf das Glück aufzuräumen:
Missverständnisse in Bezug auf das Glück
1.
Glück ist gleichzusetzen mit Vergnügen.
2.
Glück ist ausschließlich abhängig von äußeren Faktoren.
3.
Nach dem eigenen Glück zu streben ist ein egoistischer Wunsch.
Matthieu Ricard ist promovierter Zellbiologe und buddhistischer Mönch. Er arbeitet u. a. in Princeton und Berkeley an der Erforschung der Wirkung von Meditation und Geistestraining auf das Gehirn.
Ricard beschreibt das Vergnügen als eine „flüchtige Erfahrung, die „das unmittelbare Resultat bestimmter sinnlicher, ästhetischer oder intellektueller Reize
sei. (Ricard 2007)
Vergnügen ist also abhängig von äußeren Stimuli. Damit ist es auch notwendigerweise begrenzt: Entweder durch das Ende des Reizes oder durch eine Gewöhnung bzw. Übersättigung.
Anschaulich nachvollziehbar ist dies am Beispiel des Essens. Zu Beginn ist eine kulinarische Köstlichkeit ein Genuss für die Sinne. Doch nach einer gewissen Menge setzt Sättigung ein, schließlich sogar Übelkeit. Würde dieselbe Speise täglich serviert, würde sie schon bald ihren Reiz verlieren.
Gegen Vergnügen ist also nichts einzuwenden. Schwierig wird es nur, wenn es zu einer Suche nach immer weiteren, ausgefalleneren Stimuli führt.
Im Gegensatz dazu ist Glück „ein Seinszustand, ein tief im Innern gegründeter emotionaler Gleichgewichtszustand". (Ricard 2007)
Klingt das langweilig? Im Gegenteil. Der Kick, den das Vergnügen bietet, ist biochemisch nichts anderes als eine Form der Sucht. Glück dagegen ist wie Genuss mit wohliger Sättigung ohne Übelkeit, wie eine inspirierende Anregung ohne Überreizung oder Jagd nach mehr.
Ein Idealbild? Ja und nein. Ja, weil dieser Zustand selten zufällig und noch seltener dauerhaft eintritt.
Nein, – und das ist die gute Nachricht – weil es kein Idealbild bleiben muss, sondern Realität werden kann.
Bedeutet Glück also Arbeit? Ja, ein bisschen Aufwand ist es schon.
Glück kann geübt und durch