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Es lebe James Bond: Der Spion, den wir lieben
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eBook544 Seiten7 Stunden

Es lebe James Bond: Der Spion, den wir lieben

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Über dieses E-Book

Er ist eines der größten Kino-Phänomene der vergangenen 60 Jahre. James Bond 007. Seit 1962 wurde die Figur von inzwischen sechs Schauspielern verkörpert, und die Filme lockten immer wieder ein Millionenpublikum in die Lichtspielhäuser. Als Ian Fleming 1953 seinen Agenten 007 als Romanhelden erschuf, hätte er vermutlich selbst nicht geglaubt, dass Bond, James Bond innerhalb von kurzer Zeit zum wohl bekanntesten fiktionalen Spion der Weltgeschichte werden würde. James Bond ist Phänomen, Mythos, und vor allem Kult. Begleiten Sie Autor Eric Zerm in diesem vollständig aktualisierten und umfassendsten Sachbuch in deutscher Sprache zum James-Bond-Phänomen auf seiner Reise vom ersten Roman "Casino Royale" bis zum neuesten Film "No Time To Die" ("Keine Zeit zu sterben") und machen Sie es sich mit einem Martini gemütlich. Geschüttelt, nicht gerührt, versteht sich.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Mai 2022
ISBN9783959361989
Es lebe James Bond: Der Spion, den wir lieben

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    Buchvorschau

    Es lebe James Bond - Eric Zerm

    Impressum

    Originalausgabe | © 2022

    Verlag in Farbe und Bunt

    Am Bokholt 9 | 24251 Osdorf

    http://www.ifub-verlag.de / http://www.ifubshop.com

    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

    Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Veröffentlichung des Buches, oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Alle Rechte liegen beim Verlag.

    Herausgeber: Björn Sülter

    Lektorat & Korrektorat: Telma Vahey

    Cover-Gestaltung & E-Book-Erstellung: E. M. Cedes

    ISBN (Print): ‎978-3959361972

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1: Vortitelsequenz

    Kapitel 2: Seit sechs Jahrzehnten modern

    Kapitel 3: Ein Agent im Wandel der Zeit

    Kapitel 4: Mein Name ist Fleming, Ian Fleming

    Kapitel 5: Die Romane

    Kapitel 6: James Bond neu übersetzt

    Kapitel 7: Der Ian-Fleming-Bond - 1

    Kapitel 8: Der Ian-Fleming-Bond - 2

    Kapitel 9: Bonds Weg ins Kino

    Kapitel 10: Die Filme

    Kapitel 11: Sean Connery wird Bond

    Kapitel 12: Der Sean-Connery-Bond - 1

    Kapitel 13: Der Sean-Connery-Bond - 2

    Kapitel 14: Konkurrenten und Parodien der 1960er

    Kapitel 15: George Lazenby wird Bond

    Kapitel 16: Der George-Lazenby-Bond

    Kapitel 17: Der Sean-Connery-Bond - 3

    Kapitel 18: Zwischenspiel: Im Gespräch mit M

    Kapitel 19: Roger Moore wird Bond

    Kapitel 20: Der Roger-Moore-Bond - 1

    Kapitel 21: Der Roger-Moore-Bond - 2

    Kapitel 22: Konkurrenten und Nachahmer in der Moore-Zeit

    Kapitel 23: Der Sean-Connery-Bond - 4

    Kapitel 24: Zwischenspiel: Im Gespräch mit Miss Moneypenny

    Kapitel 25: Timothy Dalton wird Bond

    Kapitel 26: Der Timothy-Dalton-Bond - 1

    Kapitel 27: Der Timothy-Dalton-Bond - 2

    Kapitel 28: Konkurrenten der 1980er und frühen 1990er Jahre

    Kapitel 29: Pierce Brosnan wird Bond

    Kapitel 30: Der Pierce-Brosnan-Bond - 1

    Kapitel 31: Der Pierce-Brosnan-Bond - 2

    Kapitel 32: Konkurrenten und Parodien der Brosnan-Zeit

    Kapitel 33: Zwischenspiel: Im Gespräch mit Q

    Kapitel 34: Daniel Craig wird Bond

    Kapitel 35: Der Daniel-Craig-Bond - 1

    Kapitel 36: Der Daniel-Craig-Bond - 2

    Kapitel 37: Konkurrenten und Gegenentwürfe der Craig-Zeit

    Kapitel 38: Nur das Beste

    Kapitel 39: Bond-Geschichten

    Kapitel 40: Der 007-Humor

    Kapitel 41: James Bond zu sprechen ist wie ein Ritterschlag

    Kapitel 42: The Sound of Bond - 1

    Kapitel 43: The Sound of Bond - 2

    Kapitel 44: Der Spion, den wir lieben

    Kapitel 45: Auf den Spuren von Bond

    Kapitel 46: 007-Fans fahren ihren Traum

    Kapitel 47: Unterwegs mit Tilly Masterson

    Kapitel 48: Am Tisch mit Daniel Craig

    Kapitel 49: Aufregende Tage in Matera

    Kapitel 50: Die Produktion von Keine Zeit zu sterben

    Kapitel 51: Erste Einschätzung zu Keine Zeit zu sterben

    Kapitel 52: Finale

    Kapitel 53: Abspann

    Kapitel 54: Danksagung

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    Vortitelsequenz: Im Gespräch mit James Bond

    Auf dem Gesicht des jungen Journalisten breitete sich ein siegessicheres Lächeln aus. Die Schlagzeilen der vergangenen Monate waren nichts im Vergleich zu dem, was er entdeckt hatte. »Geheimdienst-Einsatzbericht als Roman veröffentlicht.« Das war der Knüller, freute er sich, und er würde ihn garantiert zum Star-Reporter des Guardian machen. »Queen Elizabeth besucht Deutschland« – Lächerliche Schlagzeile! »Verlustreiche Schlacht im la-Drang-Tal« – Lassen wir den Amerikanern doch ihren Spaß! Das Jahr 1966 würde als das Jahr des Enthüllungsjournalisten Eddy Cole in die Geschichte eingehen. Alles, was er noch brauchte, war die Aussage dieses James Bond vom britischen Geheimdienst. Cole wusste jetzt auch, wo der Agent wohnte.

    Schwungvoll bog er mit seinem klapprigen Morris in die King’s Road ein. Er wurde langsamer und zählte die Hausnummern ab. Da war es! Und er war auch zu Hause! In der Einfahrt stand ein Bentley Continental Mark III. Cole schüttelte den Kopf. Wie konnte sich ein Staatsdiener nur so ein Auto leisten? Aber vielleicht bekam er für jeden Mord ja eine Art Prämie. »Ich werd’ ihn einfach fragen«, nahm Cole sich vor.

    Ganz in der Nähe von Bonds Haus fand er einen Parkplatz. Der Journalist quetschte seinen Morris zwischen einen Mini und einen Rover. Der Motor erstarb. Jetzt galt es! Cole schnappte sich das Buch vom Beifahrersitz links neben ihm. Thunderball hieß es. Cole war der Buchtitel von Anfang an komisch vorgekommen. Wer bitteschön nannte denn einen Roman Thunderball? Damit konnte kein Mensch etwas anfangen! Die Fahrertür quietschte, als der Mann sie öffnete. Während sich Cole dem Eingang des Hauses von diesem Bond näherte, nahm er das Gebäude genau in Augenschein. Der kleine Vorgarten wirkte gepflegt. ›Wer kümmert sich eigentlich darum, wenn du im Einsatz bist?‹, fragte sich Cole in Gedanken. Er erreichte ein kleines gusseisernes Tor und einen schmalen gepflasterten Weg, der zur Haustür führte. Cole schob das Tor auf. Vorsichtig lauschte er. Einen Hund gab es offenbar nicht. Der hätte jetzt bereits angeschlagen. Bevor er auf das Klingelschild drückte, tastete er nochmals vorsichtig nach seiner Manteltasche. Ja, der Notizblock und die angekauten Bleistifte waren da, wo sie sein sollten. Cole sah sich das Namensschild an und runzelte irritiert die Stirn. Sir James Bond. In dem Einsatzbericht hatte nichts von einem Adelstitel gestanden.

    Die Klingel gab ein altmodisches Ding-Dong von sich. »Ich bin mal gespannt, wie dieser Geheimagent aussieht«, überlegte Cole. Die Beschreibung in dem Einsatzbericht lautete folgendermaßen: Narbe auf der rechten Wange. Dunkles Haar. Eine Haarsträhne, die ihm über eine Augenbraue fällt. Blaue Augen. Schlank und gute Einsachtzig groß. Außerdem rauchte er bevorzugt Morland-Zigaretten, trank gerne und liebte Frauen.

    Die Tür öffnete sich, und Cole blickte in das Gesicht einer etwa fünfzigjährigen dunkelhäutigen Frau. Sie trug eine Schürze. Damit hatte Cole nun nicht gerechnet.

    »Ja?«, fragte die Frau.

    »Ich bin Eddy Cole vom Guardian, und ich möchte zu Mr. Bond.«

    »Sir James, da will Ihnen jemand eine Zeitung verkaufen! Soll ich ihn wegjagen?«, rief die Frau rückwärts ins Haus.

    »Nein, ich …«, stockte Cole. »Ich arbeite für die Redaktion! Ich bin Reporter!«

    Die Augen der Haushälterin verwandelten sich in zwei dunkle Kanonenrohre. »Na, dann lasse ich Sie garantiert nicht rein. Wir mögen keine Reporter. Alles Schmierfinken!«

    Ohne weiteren Kommentar begann die Frau, die Tür wieder zu schließen. Cole streckte erschrocken die Hand aus. »Aber … aber halt! Es geht …« Er hob die Stimme, um durch den noch verbleibenden Spalt ins Innere zu rufen: »Es geht um den Thunderball-Einsatz und diesen Roman. Ich muss mit Ihnen reden, Mr. Bond!« Mühsam stemmte Cole die rechte Hand gegen die Tür, um zu verhindern, dass die Frau sie ganz schloss.

    »Was gibt’s denn, April?«, erklang plötzlich eine sehr aristokratische Stimme aus dem Inneren. Der Druck auf die Tür schwand.

    »Da draußen steht ein Reporter, Sir James.«

    »Lass ihn rein, ich werde ihn hier drinnen töten. Das stört die Nachbarn nicht so sehr.«

    Coles Herz setzte einen Moment aus. Doch dann schwang schon die Tür auf, und er stand … einem älteren Mann im Hausmantel gegenüber. Seine Füße steckten in Pantoffeln. Das Haar war bereits grau, und über dem Mund trug er einen gepflegten Schnurrbart. In der linken Hand hielt der Mann einen Untersetzer mit einer edlen Teetasse. Cole fehlten die Worte.

    »Na, kommen Sie rein, sonst muss ich Sie doch im Hof erschießen!« Bonds Miene war ernst und seriös wie die eines Butlers. Cole rührte sich nicht vom Fleck. »Aber Sie … ich meine …« Vorsichtig hob er das Thunderball-Buch. Doch alles nur Schwindel?

    April trat zur Seite und wies ins Innere des Flurs. »Bitte sehr, treten Sie ein!« Wie sie das letzte Wort betonte, klang sie recht ungehalten. Als die Wohnungstür hinter Cole schloss, erwartete er schon, tatsächlich in die Mündung einer Walther PPK zu blicken. Stattdessen bestand April darauf, dass er die Schuhe auszog. Nachdem er ihrem Befehl gefolgt war, zupfte Cole etwas verlegen seinen Block und die zerkauten Bleistifte aus der Manteltasche, bevor April ihm den Mantel abnahm.

    Sein Gastgeber geleitete ihn ins Wohnzimmer, wo im Hintergrund eine Jazzschallplatte leise vor sich hin knisterte. Cole nahm an einem niedrigen Tisch Platz. »Darf ich Ihnen einen Tee eingießen?«, fragte Bond.

    Der James Bond aus dem Einsatzbericht trank Kaffee von De Bry. Trotzdem nickte Cole. Der Grauhaarige holte eine weitere Tasse und goss einen dampfenden Earl Grey ein. »Zucker? Milch? Zitrone?«, fragte er. »Schließen Sie ruhig wieder Ihren Mund, Mr …«

    »Cole.«

    »Sir James«, lächelte sein Gegenüber. Dann ließ er sich auf seinem Sessel nieder.

    »Ich vermute mal, ich bin nicht der, den Sie erwartet haben, Mr. Cole.«

    Allmählich entspannte sich Cole. Er legte das Thunderball-Buch, den Notizblock und die Stifte neben seine Tasse. »Da haben Sie recht«, gab er zu.

    Sein Gastgeber lehnte sich zurück. »Sie sind da auf eine Mission meines Nachfolgers gestoßen. Und ich fürchte, zu dem Bericht, der in diesem faszinierenden Roman verarbeitet wurde, ist leider eine Menge dazuerfunden worden.«

    Cole verstand nicht. »Ihr … Nachfolger?«

    »Natürlich«, sagte der Mann mit dem Schnurrbart. »Ich selbst war schon vor dem Krieg im aktiven Dienst.« Er nippte kurz an seinem Tee. »Übrigens habe ich für die Amerikaner ein Dossier mit Vorschlägen für den Aufbau eines schlagkräftigen Geheimdienstes verfasst.« Er wies mit dem Kopf in Richtung eines Nebenzimmers, wohl sein Büro. »Dafür habe ich einen 38er-Revolver mit Widmung bekommen. Wollen Sie ihn mal sehen?«

    »Nein, danke«, wehrte Cole ab. Vielleicht war es besser, wenn dieser Hausmantel-Agent keine Waffe in die Hand bekam. Er lenkte die Unterhaltung wieder auf das eigentliche Thema. »Aber der Agent in dem Bericht heißt doch James Bond.«

    Der andere Mann zuckte mit den Schultern. »Ein Code-Name. Er geht jeweils an den besten aktiven Feldagenten. Momentan hat ihn ein junger Bursche aus Schottland. Der Lebenslauf des Agenten 007 ist ebenfalls pure Erfindung.« Er stellte seine Teetasse ab. »Mehr oder weniger.«

    Cole war irritiert: »Also dann heißen Sie gar nicht James Bond?«

    Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Nur das Sir ist echt. Den Titel bekam ich von Ihrer Majestät verliehen für ein paar sehr unschöne Morde im Krieg. Die haben aber viele Menschenleben gerettet.«

    »Haben Sie damit ihren Doppelnull-Status erworben?«

    Bond – oder wie immer er auch hieß – schüttelte den Kopf. »Solche Kinkerlitzchen gab es zu meiner Zeit noch nicht. Wir haben einfach unsere Arbeit gemacht.« Er wirkte auf einmal fast melancholisch. »War eine wilde Zeit.«

    Allmählich wurde der Journalist in Eddy Cole wieder wach. Wilde Zeit klang nach einem guten Stoff für eine Story. Darüber hinaus hatte dieser Mann bereits seinen Verdacht bestätigt. Der Roman beruhte tatsächlich auf einem Einsatzbericht. Cole nahm Stift und Block vom Tisch auf. Im Hintergrund wuselte die Haushälterin April durch die Wohnung. Sie bereitete einen Berg Wäsche vor, um sie zu bügeln.

    »Das klingt noch interessanter, als ich gedacht habe«, sagte Cole. »Vielleicht fangen wir einfach mal ganz von vorne an, und Sie verraten mir, wie Sie wirklich heißen.« In Gedanken hatte Cole die Schlagzeile bereits vor Augen. »Geheimdienst-Einsatzbericht als Roman veröffentlicht – Die Wahrheit hinter dem Namen James Bond«. Er lächelte in sich hinein. Das war eine verdammt heiße Story!

    Sir James nippte wieder an seinem Earl Grey. »Selbstverständlich kann ich Ihnen noch viel mehr erzählen.« Er lehnte sich entspannt zurück. »Aber im Anschluss müsste ich Sie töten.«

    2) Seit sechs Jahrzehnten modern: Die James Bond-Filme

    Man stelle sich folgendes vor: Aus ganz Europa sind Filmjournalisten in die Villa Shatterhand in der sächsischen Stadt Radebeul eingeladen worden, das ehemalige Wohnhaus des Abenteuerschriftstellers Karl May. Im Garten werden sie von einer großen Darstellerriege und dem Regisseur – sagen wir Tom Tykwer – erwartet. Martin Böttchers Winnetou-Melodie erklingt, und unter großem Blitzlichtgewitter betritt Tykwers Winnetou-Darsteller – sagen wir Nik Xhelilaj – in vollem Kostüm die Szenerie. Kurz zuvor hat Tykwer den gespannt lauschenden Journalisten erläutert, dass die Dreharbeiten für einen weiteren Karl-May-Film in wenigen Tagen beginnen werden. Einen Titel hat der Film noch nicht, und über den Inhalt möchte auch niemand etwas verraten, aber trotzdem gibt es in den folgenden Tagen in den digitalen und analogen Medien hunderte von begeisterten Berichten über das Zusammentreffen im Garten der Villa Shatterhand.

    »So’n Quatsch!«, werden jetzt die meisten denken. Winnetou, Old Shatterhand und Karl May gehören im Kino in eine Zeit, als Opa noch jung war, und viele Jugendliche fragen heute nur noch »Old wer …?« Die Filme selbst gehören für sie ins Kinderprogramm oder in die Mottenkiste.

    Tatsächlich startete die James-Bond-Filmserie fast zeitgleich mit Der Schatz im Silbersee (Harald Reinl, D/JUG/F 1962). Zieht man den Tag der britischen Premiere von Dr. No (James Bond jagt Dr. No) (Terence Young, GB 1962) heran – den 5. Oktober 1962 – ist die Reihe sogar noch etwas älter als der erste Karl-May-Film von Produzent Horst Wendland. Dieser kam am 12. Dezember 1962 in die Kinos.

    Und dennoch war es ein Ereignis, als die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson zusammen mit Regisseur Cary Joji Fukunaga am 25. April 2019 auf das Anwesen Goldeneye einluden, um den bevorstehenden Drehstart des neuen – zu diesem Zeitpunkt noch titellosen – James-Bond-Films zu verkünden. In diesem beeindruckenden Haus in der Nähe der Oracabessa-Bucht an der Nordküste von Jamaika schrieb 007-Erfinder Ian Fleming in den 1950er und frühen 1960er Jahren seine Romane und Kurzgeschichten um den Geheimagenten Ihrer Majestät.

    James Bond ist so modern wie am ersten Tag, obwohl sich die Welt radikal verändert hat. Seit dem Start des ersten Films vor 59 Jahren starb ein US-Präsident durch Gewehrkugeln in Dallas, der Mensch betrat den Mond, die Menschheit erlebte die Studentenunruhen und die Sexuelle Revolution, sie überstand die schrillen Siebziger und den Terror der RAF, sie hatte Angst vor dem nuklearen Wettrüsten, die Sowjetunion brach zusammen, es rasten zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center, und das Internet verwandelte die Welt in ein großes Dorf. Und alle paar Jahre brachte die Produktionsfirma EON Productions mit Sitz in Buckinghamshire, England, verlässlich ein neues James-Bond-Abenteuer in die Kinos. Abnutzungserscheinungen zeigte die Reihe aus inzwischen 25 offiziellen 007-Filmen fast nie. Die weltweiten Einspielergebnisse von Skyfall (Sam Mendes, UK/USA 2012) in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar und von SPECTRE (Sam Mendes, UK/USA 2015) in Höhe von knapp 881 Millionen Dollar (Boxofficemojo) machen deutlich, dass der Mann mit der Lizenz zum Töten noch immer am Puls der Zeit ist.

    Folgen Sie uns in diesem Buch durch sechs Jahrzehnte James Bond, Film- und Weltgeschichte. Erfahren Sie, wie die Abenteuer von Agent 007 immer wieder auf den Zeitgeist und auf aktuelle Ereignisse reagierten und wie sich auch die Figur immer wieder neu erfand. Lesen Sie mehr über die Männer und Frauen hinter James Bond, wie die Filmserie Krisen überwand und auch, was die Filme bis heute zu etwas Besonderem macht. Einen exklusiven Einblick in seine Arbeit als Synchronsprecher gewährt Dietmar Wunder, der im deutschsprachigen Raum seit 2006 Daniel Craig seine Stimme leiht. Darüber hinaus kommen Fans zu Wort, die zum Beispiel von ihren Bond-Autos und von Erlebnissen bei den Dreharbeiten der 007-Thriller SPECTRE und No Time To Die (Keine Zeit zu sterben) (Cary Joji Fukunaga, UK/USA 2020) erzählen. Gönnen Sie sich also einen Wodka Martini – geschüttelt, nicht gerührt – und trinken sie auf 007: »Es lebe James Bond.«

    3) Ein Agent im Wandel der Zeit: 007 ist immer modern

    »Sie sind ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier!« (Mit diesen Worten macht Agentenchefin M im Film GoldenEye deutlich, was sie von James Bond hält)

    »James Bond geht mit der Zeit!« Auf diese einfache Formel bringt der fünfmalige 007-Regisseur John Glen das Erfolgsrezept der Agentenserie im Interview mit der Filmzeitschrift cinema 2012. »Die Storys werden an die Gegenwart angepasst, und dann und wann werden die Darsteller ausgetauscht.«

    Gerade mal seit sechs Jahren war der Zweite Weltkrieg vorbei, als Ian Fleming seinen berühmten Agenten James Bond erfand, und der eisige Wind des Kalten Krieges fegte über die Welt. Auf dem Eisernen Thron der Sowjetunion saß noch Josef Stalin. 1948 hatte dieser durch eine Blockade aller Landwege versucht, West-Berlin auszuhungern, um es seinem Einflussbereich einzuverleiben. Die NATO verfolgte gegenüber dem Ostblock eine Strategie der »Massiven Vergeltung«. (Michael Bechtel: Was heißt hier Feindbild? – Fakten und Argumente zum Ost-West-Konflikt, VLR, Bonn 1987, S. 90). Passend dazu drohte US-Präsident Eisenhower damit, »jede Bedrohung mit einem atomaren Gegenschlag zu beantworten«. Wegen der sowjetischen Atomwaffen war das längst ein Spiel mit dem Feuer. (Mary Kaldor: Der imaginäre Krieg – Eine Geschichte des Ost-West-Konflikts, Argument Hamburg, Hamburg/Berlin 1992, S. 99)

    Ian Fleming verarbeitete die Atmosphäre des Kalten Krieges, indem er seinem Helden, einem Spezialagenten des britischen Geheimdienstes, gleich in seinem ersten Abenteuer Casino Royale einen erbarmungslosen Feind von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs gegenüberstellte: die sowjetische Spionage-Abteilung SMERSH. SMERSH bringt die sowjetischen Agenten dazu, absolut alles zu tun. Wenn sie ihren Befehlen nicht gehorchen oder versagen, werden sie getötet. In dem Dossier, das dem britischen Geheimdienstchef M im Roman Casino Royale vorliegt, ist vermerkt, dass SMERSH aus den russischen Wörtern »Smyert Schpionam«, grob übersetzt mit »Tod den Spionen«, zusammengesetzt ist. »SMERSH ist die mächtigste und gefürchtetste Organisation der UdSSR und soll angeblich nie versagen.« Die Gruppe untersteht, so das Dossier im Roman, Laurenti Beria persönlich. (Ian Fleming: Casino Royale, Scherz-Verlag Bern und München, 1993, S. 19) Mit Beria baute Fleming den Namen einer realen Person in seine Geschichte ein. Beria war von 1938 bis kurz vor seiner Hinrichtung 1953 tatsächlich Chef der Geheimdienste der Sowjetunion. Sein Name fällt zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Massaker an polnischen Offizieren in Katyn. (Putin wagt den Kniefall vor Stalins Opfern, Spiegel) Als in Flemings Roman der sowjetische Geheimdienst-Finanzier Le Chiffre beim Baccarat-Duell im Casino Royale gegen Bond versagt, wird er von einem SMERSH-Agenten durch einen Schuss in die Stirn getötet. Dem gefangenen Bond schneidet der schwarz maskierte Killer mit einem Stilett den kyrillischen Buchstaben SCH (für »Schpion«) in den rechten Handrücken.

    Ein wahrer Kalter-Kriegs-Thriller ist auch Ian Flemings Roman From Russia with Love (Liebesgrüße aus Moskau), in dem die sowjetischen Verschwörer als wahre Dämonen dargestellt werden. Einer von ihnen ist Kronsteen, ein skrupelloser Planer, den Fleming bei einer Schachpartie als »eiskalten Zauberer« einführt. (Ian Fleming: Liebesgrüße aus Moskau, Scherz-Verlag Bern und München, 1992, S. 36) Nummer 2 ist Oberst Rosa Klebb, die Fleming mit einer Kröte vergleicht. »Das dicke Gesicht sah mürrisch und verbraucht aus. Die zähe Haut unter den Augen war verquollen, und das Weiß des Augapfels war von dünnen roten Äderchen durchzogen.« Bonds gefährlichster Gegner ist der Killer Donovan Grant, ein Mann mit abartigen Neigungen, »das Produkt einer mitternächtlichen Vereinigung zwischen einem deutschen Gewichtheber und einer südirischen Kellnerin«. Schon als Kind war Grant gewalttätig und wurde nach der Schule Schläger einer Schmugglergruppe. Mit 16 erwürgte er eine Katze und empfand Freude daran. Einen Monat später erdrosselte er einen Schäferhund, und vier Wochen darauf brachte er eine Kuh um. Es dauerte nicht lange, bis er den ersten Landstreicher ins Jenseits beförderte. »Nur der Akt des Tötens verschaffte ihm Befriedigung, sonst nichts.« (Liebesgrüße aus Moskau, S. 15)

    Wie sehr Flemings Romane Werke ihrer Entstehungszeit sind, wird an den Reaktionen von Filmproduzent Alexander Korda deutlich, dem Fleming ein Vorab-Exemplar von Live and Let Die (Leben und sterben lassen) geschickt hatte. Ohne jedes Interesse, daraus einen Filmstoff zu machen, schickte er die Druckfahnen zurück. »Der Grund für die ablehnende Haltung war einleuchtend. Flemings Bücher rührten in der Zeit des Kalten Krieges an brisanten Themen. (…) An solchen Stoffen wollte man sich nicht die Finger verbrennen.« (Der Beginn eines Mythos, cinema 11/2012)

    Brisanz bekamen die Geschichten zusätzlich, weil manche von Ian Flemings Schurken eine Nazi-Vergangenheit haben. Besonders in der Bundesrepublik Deutschland war dieses Thema bis in die 1970er Jahre äußerst unpopulär. Sogar aus dem Filmklassiker Casablanca von Michael Curtiz (USA 1942) hatte man in der Nachkriegszeit alle Hinweise auf Nazi-Deutschland und Widerstandsbewegungen verbannt. Fleming jedoch erfand mit Hugo Drax, dessen »echter« Name Graf Hugo von Drache lautet, in seinem Roman Moonraker ausgerechnet einen Bösewicht, der mit Hilfe eines russischen Atomsprengkopfs Rache für die Niederlage Nazi-Deutschlands nehmen will. Den Krieg beschreibt Drax an einer Stelle des Romans als »(d)ie schönste Zeit meines Lebens«. (Ian Fleming: Mondblitz, Scherz-Verlag, Bern und München 1989, S. 139/140) Als Leutnant im 140. Panzerregiment marschierte er mit in Frankreich ein, später hauste er mit SS-Männern und Hitlerjugend-Werwölfen in den Ardennen und verbreitete dort Angst und Schrecken. Während er mit seinen Helfern einen Anschlag auf einen Stützpunkt der Alliierten plante, geriet er in einen deutschen Tiefflieger-Angriff und wurde dann – er trug eine britische Uniform – als verwundeter britischer Soldat zu diesem Stützpunkt gebracht. Dort explodierte die von Draches Gruppe gelegte Bombe, und er verlor sein halbes Gesicht. Die Briten pflegten ihn als einen der ihren gesund, doch »(m)ein Hass auf England wuchs von Tag zu Tag«. (Mondblitz, S. 143).

    Direkt in der Nachkriegszeit ist ein Rückblick in Flemings Kurzgeschichte Octopussy angesiedelt. Hier ist der britische Major Dexter Smythe hinter Nazi-Goldbarren her, die neben einer Berghütte bei Kitzbühel versteckt sind. Als Smythe den Bergführer Hannes Oberhauser bei dessen Familie abholt, haben die Oberhausers große Angst. Unter Tränen erleben sie, wie der Familienvater verhaftet wird. Smythe erklärt ihnen, er müsse ihn zur Vernehmung nach München mitnehmen. Es ist die Zeit der Nazi-Prozesse.

    Einen direkten DDR-Bezug hat der Physiker Kotze (!), der in Flemings Roman Thunderball (Feuerball) zu den Helfern des Schurken Largo gehört. Die Kurzgeschichte The Living Daylights (Der Hauch des Todes) muss unmittelbar vor dem Bau der Berliner Mauer spielen. Bond operiert hier im Ost-West-Grenzgebiet Berlins und hat den Auftrag, den britischen Agenten 272 zu beschützen. M beschreibt das Material, das der Geheimdienstmann in den Westen bringen soll, folgendermaßen: »Atomkram und Raketen. Und ihren Plan für eine neue Versuchsreihe für 1961. Um den Westen einzuschüchtern. Hat irgendwas mit Berlin zu tun.« (Ian Fleming: Der Hauch des Todes, Scherz-Verlag, Bern und München 1987, S. 10) Näher geht die Geschichte nicht auf das Material ein, aber theoretisch könnten die Informationen von 272 Hintergründe zum geplanten Bau der Mauer – am 13. August 1961 – und zum Weltraumflug von Juri Gagarin – am 12. April 1961 – enthalten.

    Um sicher durch das politische Minenfeld der 1960er Jahre zu kommen, entschlossen sich die Filmproduzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman bei ihrem ersten James-Bond-Film Dr. No (James Bond jagt Dr. No) (Terence Young, UK 1962), die Geschichte zu entpolitisieren. Statt ein Partner der Russen zu sein, wird Dr. No (Joseph Wiseman) im Film zum Präsidenten der internationalen Terrororganisation SPECTRE (in der deutschen Synchronfassung wird sie zum ersten und letzten Mal GOFTER genannt, »Geheimorganisation für Terror, Erpressung und Rache«). Dr. Nos Plan, Raketenstarts von der Karibik-Insel Crab Key aus zu sabotieren, dürfte manchen Kinozuschauern damals die Kuba-Krise ins Gedächtnis gerufen haben. Die Sowjetunion hatte Atomraketen auf Kuba stationiert. Die Folge war eine amerikanische Seeblockade, und die Welt stand kurze Zeit am Rande des Dritten Weltkriegs.

    Vergleicht man die ernste und auch tragische Handlung des James-Bond-Films On Her Majesty’s Secret Service (Im Geheimdienst Ihrer Majestät), (Peter Hunt, UK 1969) mit dem schrillen und schwarzhumorigen Diamonds Are Forever (Diamantenfieber) (Guy Hamilton, UK 1971), sieht man den ersten großen stilistischen Bruch innerhalb der Filmreihe. James Bond ging mit der Zeit, und auf einmal war das 007-Universum, das in der grimmigen Nachkriegszeit erdacht worden war, im Zeitgeist der frühen 1970er Jahre angekommen. Das politische Klima hatte sich entspannt. Es war die Zeit der Disco-Kugeln, der Koteletten, der Plateauschuhe und des Himbeer- und Waldmeister-Wackelpuddings. Auf einmal wird Bond nicht mehr von schwarz gekleideten SPECTRE-Schlägern verfolgt, sondern von den zwei schrillen Killern Mr. Wint und Mr. Kidd (Bruce Glover und Putter Smith).

    Der nächste Bruch der Bond-Reihe folgte zwischen dem Science-Fiction-lastigen Film Moonraker (Moonraker – streng geheim) (Lewis Gilbert, UK/FRA 1979) und dem krachenden Thriller For Your Eyes Only (In tödlicher Mission) (John Glen, UK 1981). Zu Beginn der 1980er Jahre hatte sich das politische Klima zwischen Ost und West wieder deutlich abgekühlt. Die Rote Armee war 1979 in Afghanistan einmarschiert, und die Rüstungskontrolle trat auf der Stelle. Das SALT II-Abkommen war so kompliziert, dass die Beteiligten den Menschen das Ergebnis der langen Verhandlungen nicht wirklich vermitteln konnten. Mitten in dieser Phase des politischen Klimawandels stürzte im Iran auch noch das pro-westliche Regime des Schah. Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA gewann der konservative Ronald Reagan, und dieser ging sofort auf Konfrontationskurs. »Die Reagansche Formel hieß: (…) politische und wirtschaftliche Konfrontation (…) und ein Pochen auf militärische Gewalt.« (Der imaginäre Krieg, S. 191) Und was passierte bei James Bond? Auf den größenwahnsinnigen Hugo Drax (Michael Lonsdale) mit Weltraumstation in Moonraker folgte bei In tödlicher Mission der zwielichtige Millionär Kristatos (Julian Glover), der den Sowjets das britische Raketen-Steuergerät A.T.A.C. organisieren will. Fünf Jahre später nahm auch Timothy Daltons James-Bond-Debüt The Living Daylights (Der Hauch des Todes) (John Glen, UK 1987) direkten Bezug auf das aktuelle Weltgeschehen. Inzwischen hatte Michail Gorbatschow seine Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) eingeleitet. Der Verräter Koskov (Jeroen Krabbe) versucht im Film trotzdem, Zwietracht zu säen, indem er den Briten weismacht, der neue KGB-Chef Leonid Pushkin (John Rhys-Davies) hasse die Politik der Entspannung. Zum amerikanischen »War on Drugs«, den US-Präsident George Bush ab 1989 verschärfte, passt der Film Licence to kill (Lizenz zum Töten) (John Glen, UK/USA 1989). Hier kämpft James Bond gegen einen mexikanischen Drogenbaron.

    Wegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit MGM/UA entstanden zwischen 1989 und 1995 keine weiteren James-Bond-Filme, sodass die Welt nie erfahren wird, wie sich diese Zeit des Wandels bei 007 widergespiegelt hätte. Wieviel politischer Sprengstoff in dieser Zeit lag, beweist zum Beispiel Tom Clancys Thriller The Sum of all Fears (Das Echo aller Furcht) aus dem Jahr 1991. Nach einem Atombomben-Anschlag auf Denver liefern sich die Großmächte aus Ost und West einen Schlagabtausch, der beinahe in einem nuklearen Krieg endet. In Berlin, wo zu diesem Zeitpunkt noch immer westliche und östliche Truppen stationiert waren, kommt es in dem Roman zwischen amerikanischen und sowjetischen Panzerverbänden zu einem Gefecht.

    Der James-Bond-Film GoldenEye (Martin Campbell, UK/USA 1995) geht durch die Symbolik im Titelvorspann während Tina Turners Song indirekt auf den Zusammenbruch des Ostblocks ein. Sowjetische Fahnen werden von einem Sturm weggerissen, und Statuen von Marx und Lenin sowie Symbole kommunistischer Macht stürzen zu Boden. Einer der Schauplätze des Films in St. Petersburg ist eine Art Friedhof für sowjetische Relikte.

    In den 2000ern fiel mit Die Another Day (Stirb an einem anderen Tag) (Lee Tamahori, UK/USA 2002) erstmals ein James-Bond-Film etwas aus der Zeit. 007 schwelgte noch, ganz im Stil der 1990er Jahre, in Ironie und Special Effects, und das nur ein Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Wesentlich näher am Zeitgeist war da der grimmige TV-Held Jack Bauer (Kiefer Sutherland), der in der US-Serie 24 – Twenty Four (USA 2001 – 2010) Jagd auf Terroristen macht und von dem glatten Pierce-Brosnan-Bond fast so weit entfernt ist wie Rambo von Laurence Olivier.

    Barbara Broccoli und Michael G. Wilson, die seit vielen Jahren EON Productions leiten, reagierten etwas später doch noch auf den Wandel des Zeitgeists. Daniel Craigs erster Bond-Film Casino Royale (Martin Campbell, GB/USA/D/CZE 2006) bedeutete die bis dahin radikalste Zäsur der langjährigen Filmreihe. Bond wurde bodenständiger, wieder menschlicher und knallhart. Zudem wurden die Abenteuer und Missionen persönlicher. Seit dieser Zeit hatten alle Aufträge einen direkten Bezug zum Geheimagenten Ihrer Majestät oder zu seiner Vergangenheit. In Casino Royale wird er von Vesper Lynd verraten, einer Frau, in die er sich verliebt hat, in Quantum of Solace (Ein Quantum Trost) (Marc Forster, UK/USA 2008) jagt er die Männer, die für Vespers Verrat verantwortlich sind, in Skyfall (Sam Mendes (UK/USA 2012) lernt das Publikum das Landhaus der Familie Bond kennen, und in SPECTRE (Sam Mendes UK/USA 2015) wird Bond mit seiner dunklen Seite konfrontiert: mit seinem Jugendfreund Franz Oberhauser (Christoph Waltz), dem Sohn seines Mentors Hannes Oberhauser. Und die Machenschaften des Schurken lassen Bond auch im neuesten Film No Time To Die (Keine Zeit zu sterben) (Cary Joji Fukunaga, UK/USA 2021) nicht los. Eine von Oberhausers Aussagen, die schon im Trailer Bedrückung auslöst, lautet: »Wenn ihr Geheimnis ans Licht kommt, wird das dein Tod sein.«

    4) Mein Name ist Fleming, Ian Fleming«: Die Ursprünge

    »Ich kenne nicht nur alle Vögel der karibischen Inseln, ich habe auch jeden schon mindestens einmal gegessen.« (Zitat von James Bond, Autor des Buches Field Guide to the Birds of the West Indies)

    In sich gekehrt und mit säuerlicher Miene blickt der rund 40-jährige Mann von der Veranda seines Hauses Goldeneye auf die Karibische See hinaus. »Was ist nur in mich gefahren?«, fragt sich der eingefleischte Junggeselle und denkt an den Heiratsantrag zurück, den er seiner einstigen Geliebten Anne Rothermere gemacht hat. Zwar ist Anne inzwischen geschieden, aber … »Was ist nur in mich gefahren?« Der Mann heißt Ian Fleming, und noch an diesem Tag wird er seinen berühmtesten Helden, den britischen Geheimagenten James Bond, erfinden.

    Ganz in Gedanken brüht sich Fleming einen Kaffee auf und lässt sich mit einem tiefen Seufzen in den Stuhl vor seiner Schreibmaschine fallen. Schon seit Jahren spukt in seinem Kopf die Idee herum, Abenteuergeschichten zu schreiben. Vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen, überlegt er. »Das lenkt mich sicher von der bevorstehenden Hochzeit ab.« Immerhin hat er sich für seine schriftstellerischen Pläne im Vertrag mit Zeitungsmagnat Lord Kemsley einen zweimonatigen Jahresurlaub gesichert. (James Bond – Die Hintergrund-Story zu 25 Jahre Bond, S. 7) »Abenteuergeschichten kann ich nicht schreiben, während ich gleichzeitig als Journalist für englische Tageszeitungen Nachrichten aus dem Ausland auswerte. Dafür brauche ich einen freien Kopf.«

    Allmählich tauchen vor Flemings innerem Auge Spieltische und elegant gekleidete Männer und Frauen auf. Der Geruch von Parfüm, Rauch und Schweiß liegt in der Luft. An den Spieltischen geht es um unvorstellbar hohe Beträge. Die Bilder in Flemings Phantasie vermischen sich mit Erinnerungen an ein missglücktes Abenteuer während des Krieges im portugiesischen Küstenort Estoril. Dort saß er als Verbindungsoffizier zum US-Marinegeheimdienst abends oft im Casino Estoril, dem damals größten Casino Europas, und spielte Chemin de fer mit deutschen Agenten. Eigentlich war es seine Absicht gewesen, die Deutschen um ihre geheimen Fonds zu erleichtern. Am Ende war er selbst pleite. (Estoril inspirierte Ian Fleming für »Casino Royale«, welt.de) »Das wird meinem Helden nicht passieren!«, weiß Fleming und beginnt die ersten Sätze zu tippen. Mit der Sicherheit eines geübten Journalisten beschreibt er die Atmosphäre eines luxuriösen Casinos um drei Uhr morgens. Gier und nervöse Spannung liegen in der Luft, und sein Held spürt eine gewisse Erschöpfung.

    Nach dem ersten Abschnitt stockt Fleming. Er weiß jetzt, dass sein Held ein britischer Geheimagent auf einer lebensgefährlichen Mission ist. Er weiß auch, dass sich sein Held zu kleiden versteht, Frauen, gutes Essen und schnelle Autos liebt – wie er selbst –, doch er hat keinen Schimmer, wie er diesen Mann nennen soll. »Der Name muss durchschnittlich sein«, grübelt er. Auf einmal fällt sein Blick auf ein Buch, das neben seiner zur Hälfte geleerten Tasse auf dem Kaffeetisch liegt. The Field Guide to the Birds of the West Indies. Fleming hat vergessen, es zurück ins Regal zu stellen. Er zieht das Buch zu sich heran und wirft einen Blick auf den Namen des Autors. James Bond. ›Der langweiligste Name, den ich je gehört habe‹, denkt er sich. Für seinen Helden aber vielleicht genau der richtige. Kurz, unauffällig und durchschnittlich. Und mit diesem Namen beginnt Fleming nun den nächsten Abschnitt des ersten Kapitels: »James Bond wusste plötzlich, dass er erschöpft war.«

    So oder so ähnlich könnte es sich abgespielt haben, als sich Ian Fleming 1951 seinen Helden James Bond ausdachte. Die Romane um diesen Helden sollten ihn reich und berühmt machen. Seitdem steht der »langweiligste Name, den ich je gehört habe« für Spannung, exotische Schauplätze, schnelle Autos, schöne Frauen, schillernde Bösewichte, Luxus, Waffen und wilde Abenteuer.

    Kindheit und Jugend

    Geboren wurde Ian Fleming am 28. Mai 1908 in London als zweiter von vier Brüdern. Sein Vater Valentine starb 1917 an der Westfront des Ersten Weltkriegs in Ypres. Er hatte bei den Oxfordshire Hussars gedient, und der damalige Kriegsminister Winston Churchill schrieb einen Nachruf über ihn. (Family, ianfleming.com) Nach diesem schweren Schlag für die Familie zog die Mutter Evelyn Rose Fleming ihre Söhne Peter, Ian, Michael und Richard allein groß. Zusammen mit Peter wurde Ian im Elite-College Eton in der Grafschaft Buckinghamshire erzogen. Der junge Ian hatte bald den Wunsch, in den diplomatischen Dienst zu treten. Dafür vervollständigte er seine Deutsch- und Französischkenntnisse in München, Kitzbühel und Genf. Außerdem lernte er Russisch. Die Zeit in Kitzbühel sollte zu einer ganz besonderen für Fleming werden. Er schwärmte Zeit seines Lebens davon und nannte sie die »goldenen Zeiten, als die Sonne immer schien«. Die Erlebnisse in den Bergen verarbeitete er später in seinem Roman On Her Majesty’s Secret Service (Im Dienst Ihrer Majestät / Im Geheimdienst Ihrer Majestät). (James Bond – Die Hintergrund-Story zu 25 Jahre Bond, Kino-Verlag GmbH, Hamburg 1987, S. 9)

    Journalist und Kriegsdienst

    Der Eintritt ins Diplomatische Korps misslang. Fleming entschied sich für eine Laufbahn als Journalist. Auch hier hatte er bald die Möglichkeit, sich auf politischem Parkett zu bewegen. Gerade einmal 25 Jahre alt, berichtete Fleming für die Nachrichtenagentur Reuters 1933 in Moskau über eine Gerichtsverhandlung gegen eine Gruppe von Metro-Vickers-Ingenieuren, die von der sowjetischen Regierung wegen Spionage angeklagt wurde. (James Bond – Die Hintergrund-Story zu 25 Jahre Bond, S. 8) Vergeblich suchte er bei dieser Gelegenheit um ein Interview mit dem sowjetischen Staatschef Stalin an. 1973 griff John Pearson die reale Metro-Vickers-Episode in seinem Buch James Bond. The Authorized Biography of 007 auf. In seiner fiktiven Biographie schließt Pearson die Lücken in Bonds Leben, die Ian Fleming in seinen zwölf James-Bond-Romanen und acht Kurzgeschichten gelassen hatte. Bei Pearson gehört Andrew Bond, der Vater des Helden, zu den angeklagten Ingenieuren. Fleming selbst baute später Erfahrungen, die er während seiner Reuters-Tätigkeit und in Moskau gemacht hatte, in seine Spionageromane ein.

    Eine ganz entscheidende Rolle sollte der Kriegsdienst in Flemings Leben spielen. 1939 meldete er sich zum Marine-Nachrichtendienst. Schon bald war er persönlicher Assistent von Admiral John Godfrey. Zuletzt im Range eines Commanders, wirkte er als rechte Hand Godfreys »mutmaßlich am Aufbau des britischen Marinegeheimdienstes mit (…)«. (Das James-Bond-Buch, S.11) Godfrey gilt als reales Vorbild für James Bonds Chef M, ebenfalls ein Admiral. Seit Ende 1943 kommandierte Fleming eine Sondereinsatzgruppe, »die er ›meine Indianer‹ nannte«. (Klaus-Peter Walther: Das James-Bond-Buch, Ullstein, Berlin 1995, S. 11) Als junger Offizier plante er mehrere Kommando-Unternehmen gegen die Deutschen, zum Beispiel, »einen im Inselsand eingegrabenen Späher vor den U-Boot-Bunkern der Nazis zu postieren«. (Das James-Bond-Buch, S. 36) John Pearson griff diese Idee in James Bond. The Authorized Biography of 007 ebenfalls auf. Bei Pearson versteckt sich nun Bond auf der Insel Wangerooge während des Krieges in der Nähe eines U-Boot-Bunkers. Der reale Agent Ian Fleming besaß wiederum »einige Trickspielzeuge wie einen Tränengas versprühenden Füllfederhalter«, eine Spionage-Ausrüstung wie aus einem seiner späteren Bücher (Das James-Bond-Buch, S. 11) Auch James Bonds Geheimdienstnummer 007 geht auf Flemings Zeit im Krieg zurück. »Während des Krieges, so erinnerte sich Fleming, hatten sämtliche geheimen Signale der Admiralität zwei Nullen vorab.« (Erich Kocian, Die James-Bond-Filme, Wilhelm-Heyne-Verlag, München 1986, S. 10)

    Weitere Geheimdienst-Erfahrung bekam Ian Fleming durch seine Bekanntschaft mit dem US-amerikanischen General William Donovan und dem Kanadier Sir William Stephenson. Er beriet sie bei der Gründung der Organisation OSS (Office for Strategic Services), aus der später der amerikanische Geheimdienst CIA hervorgehen sollte. (Das James-Bond-Buch, S. 11) Die beiden Männer waren von dem jungen Briten so beeindruckt, dass Donovan Fleming darum bat, ein ausführliches Memorandum zu verfassen, »in der Struktur und Aufgaben einer Geheimdienst-Organisation beschrieben wurden. Dieses Memorandum wurde später in die Gründungsakte des OSS und schließlich der CIA aufgenommen«. (Nachwort des Romans Moment mal, Mr. Bond, John Gardner, Wilhelm-Heyne-Verlag München 1984, S.283) Als Anerkennung überreichte Donovan Ian Fleming einen 38er Police Positive Colt mit der Inschrift »For Special Services«. Fans von James Bond werden die Gravur sofort erkennen: Sie wurde 1982 der Titel von John Gardners 007-Thriller Moment mal, Mr. Bond, im Original For Special Services. (In der deutschen Neuauflage des Romans beim Cross Cult-Verlag heißt er Der Kunstsammler.)

    Noch während des Krieges lernte Fleming bei einer Konferenz die Karibik-Insel Jamaika kennen, damals noch eine britische Kronkolonie. Kaum dort, verliebte er sich Hals über Kopf in die Atmosphäre, die Natur und das Klima dieses Eilands und auch in das karibische Meer. Bevor er nach London zurückkehrte, bat er einen Freund, den Millionär Ivar Bryce, für ihn an der Küste einen Besitz zu erwerben. Dort ließ Fleming sein Landhaus bauen. Er benannte es nach einer militärischen Operation Goldeneye. Später sollte er in der stillen Abgeschiedenheit von Goldeneye all seine James-Bond-Romane schreiben. Mehrere der Thriller – wie Live and Let Die (Leben und sterben lassen) und Dr. No (James Bond jagt Dr. No) siedelte er zum Teil direkt vor seiner Haustür in der Karibik und auf Jamaika an. Die Stimmung, den Klang, ja die Gerüche dieser Insel zu beschreiben, fiel ihm besonders leicht, weil er dazu nur das Fenster zu öffnen brauchte.

    Journalist und Schriftsteller

    Nach dem Krieg nahm Fleming seine Tätigkeit als Journalist wieder auf. Der Zeitungsmagnat Lord Kemsley hatte ihn angeworben, für eine umfangreiche Gruppe englischer Tageszeitungen Nachrichten aus dem Ausland auszuwerten. (James Bond – Die Hintergrund-Story zu 25 Jahre Bond, S. 7) Seinen vertraglich zugesicherten zweimonatigen Jahresurlaub nutzte er seit 1951 jedes Jahr, um seine James-Bond-Romane zu schreiben. Für die Abenteuer griff er zum Teil auf eigene Erfahrungen zurück und verlieh seinem Helden Teile seiner eigenen Charakterzüge. »Fleming liebte den Luxus, große stilvolle Autos, Spielcasinos, Frauen. (…)«. Als er 1960 seinen Thunderbird bei einem Zusammenstoß mit einem Speiseeiswagen zu Schrott fuhr, war das für ihn wie der Tod eines nahen Verwandten. (Die James-Bond-Filme, S. 10) Viele Anregungen für Ausstattung und Abenteuer seines Helden holte sich der Schriftsteller aus seiner Zeit als Zeitungskorrespondent in Moskau (1929 – 33), als Banker und Broker (1935 – 39) und natürlich seiner Kriegstätigkeit (Die James-Bond-Filme, S. 10)

    Mit der Erfindung von James Bond landete Ian Fleming einen Welterfolg. Bald bildeten sich Fanclubs sogar in Amerika und Australien. »Zu den unorganisierten Fans gehören auch der Herzog von Edinburgh, der englische Schatzkanzler Maudling und der langjährige Chef des amerikanischen Geheimdienstes CIA, Allen W. Dullas«, heißt es in dem zeitgenössischen Spiegel-Artikel Im Dienste Ihrer Majestät – Schriftsteller Fleming auf spiegel.de. Und Fleming genoss den Erfolg. Bald entstanden die Romane auf einer vergoldeten Schreibmaschine, die er sich in den USA speziell hatte anfertigen lassen. »Bis 1959 brachten ihm die Bücher schon so viel Geld ein,

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