Widerstand gegen die digitale Überwachung: Wofür Julian Assange und Edward Snowden kämpften
Von Marc Ruberg und Detlef Schmuck
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Über dieses E-Book
In diesem Buch beschreiben die beiden Autoren, wie sehr wir heute schon digital bespitzelt werden, welche Rolle die Staaten, die Digitalwirtschaft und die Hacker dabei spielen und wie real die Gefahr wirklich ist, wenn wir uns nicht wehren. Seite für Seite decken sie auf, wie Behörden und Digitalkonzerne in unsere Privatsphäre eindringen. Schonungslos rechnen sie mit einer Politik ab, die den gläsernen Bürger zum Ziel hat.
Julian Assange und Edward Snowden haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um uns aufzuwecken. Werden wir wach und wehren uns. Zahlreiche praxisnahe Hinweise, wie man sich gegen die digitale Bespitzelung wehren kann, finden sich im Buch.
Marc Ruberg
Marc Ruberg, a nuclear physicist and computer scientist, is one of the early pioneers of the internet and nuclear power alike. He combines the scientific curiosity essential for any professional researcher with a firm knowledge of the inherent dangers of progress. This applies to both nuclear power and digitalisation. At the Physikalisches Institut at the University of Tübingen and at the Institute of Radiation Physics at the University of Stuttgart, Marc Ruberg belonged to a small circle of German nuclear physicists who intensively studied the promises and pitfalls of nuclear energy, particularly at an early stage. To this end, he had also gained insights at CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire), the European Organisation for Nuclear Research in Geneva, and at the GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt.
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Buchvorschau
Widerstand gegen die digitale Überwachung - Marc Ruberg
Dieses Buch ist Julian Assange und Edward Snowden gewidmet. Beide haben auf ihre Art die Gefahren eines Überwachungsstaates erkannt, aufgedeckt und dagegen gekämpft.
Inhalt
Vorwort
Helden der digitalen Welt
Julian Assange erleidet ein schweres Schicksal
Edward Snowden flieht nach Russland
Volkszählungen und Datenschützer
Die ersten Datenschützer
Die erste Volkszählung in Deutschland
Volkszählung 1987: Widerstand regt sich
Adel, FDP, Grüne und das Bundesverfassungsgericht
Ausspähen ist strafbar
Datenschutz – was ist das?
Widerstand gegen John F. Kennedy
Das erste Datenschutzgesetz 1970
Grundrecht auf eigene Persönlichkeit
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Panoptimus: Ein Leben im eigenen Gefängnis
Es gibt kein belangloses Datum
Immer mehr Daten von immer mehr Menschen
Der große Lauschangriff
Edward Snowden deckt auf
Handy-Zugriff bei Brieftaschenraub
Datenspeicher für die Weltbevölkerung
Geheimgerichte in den USA
Land unter Kontrolle
Die Konvention 108 plus
USA: Die Datenwelt gehört uns
Kampf um die Daten
Das Internet wurde 1968 geboren
Internet gehört uns allen
Wer im Internet etwas zu sagen hat
Die USA schenkten der Welt das Internet
Deutschland im Fokus der NSA
Zweckentfremdung vorprogrammiert
Facebook schlimmer als Google
Meta ist mehr als Facebook
Spionage als Geschäftsmodell
Die WikiLeaks-Protokolle
Chelsea Manning mit 400.000 Geheimdokumenten
Die Brisanz diplomatischer Depeschen
Biometrische Daten aus Afrika
China spielt in 3.297 Dokumenten eine Rolle
Informationen aus Deutschland
Windstelle in Österreich
Brisantes aus der Schweiz
Über 11.000 Depeschen aus der Türkei
Nachrichten aus den USA
EU, UNO, NATO und die Katholische Kirche
Knallharte US-Diplomatie
35 Jahre Freiheitsstrafe
Julian Assange – eine Tragödie
Die gefährlichste Website der Welt
Edward Snowden im Interview
Edward Snowden in Hongkong
Verteilung der Dokumente in verschiedene Länder
Das letzte Jahr
Das Leben bei der NSA
Die Stasi
Die NSA und die TK-/Internetfirmen
Warum Regierungen Verschlüsselung nicht mögen
Metadaten
Edward Snowden über Deutschland
Gefährdung der Sicherheit des ganzen Netzes
Privatsphäre
Ob Technologie sich mit Privatsphäre verträgt
Politik und die Kontrolle der Geheimdienste
Sein Leben in Russland
Unter Beobachtung stehen
Sollten wir Google mehr trauen als dem Staat?
Kritik wegen des Schadens, den er angerichtet habe
Vorwürfe, Snowden schwäche die Demokratie
Kritik, Snowden sei heuchlerisch und empöre sich selektiv
Kritik an seinen Verbindungen zu Russland
Warum so viele Dokumente
Die Pflicht, andere digitale Wege zu gehen
Die Zukunft der Geheimdienste
Deutschland: Wir werden bespitzelt
Staatstrojaner überwachen uns
Die Polizei, dein Freund und Hacker
Überwachung direkt an der Quelle
Der Chaos Computer Club deckt auf
Deutschland legt sich eine Cyber-Armee zu
Beschleunigungsfaktor Corona
Gewaltigstes Überwachungssystem der Welt
Apple und Google gegen die Bundesregierung
Heimlicher Eingriff in die Privatsphäre
Daten auf Vorrat: Die Mutter der Überwachung
Unsere Daten sind nicht sicher
Hacker greifen unsere Daten an
Der größte Datendiebstahl der Geschichte
Der GAU ist längst eingetreten
WannaCry – Warnung für die Digitalgesellschaft
Größer Hackerangriff auf die USA in der Krise 2020
Angriff auf die Impfstoffe
Hacker greifen Putin an
Unsere digitale Zukunft
Verharmlosung der Digitaltechnik
Exponentielle Entwicklung voraus
Digitalkonzerne gegen Staatsmacht
Tipps zum Abschluss
Über die Autoren
Marc Ruberg
Detlef Schmuck
Bücher im DC Verlag
Über das Diplomatic Council
Quellenangaben und Anmerkungen
Vorwort
Julian Assange und Edward Snowden haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um aufzudecken, wie die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern mehr oder minder die ganze Welt bespitzelt. Julian Assange ist aus diesem ungleichen Kampf mit der Staatsmacht USA als gebrochener Mann hervorgegangen, Edward Snowden konnte sich in Russland in Sicherheit bringen. Beide haben ihre Existenz dafür hingegeben, das Eindringen der US-Geheimdienste in die Privatsphäre unbescholtener Bürger und in die Geheimnisse anderer Staaten und internationaler Organisationen an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Die digitale Überwachung ist indes nicht auf die USA beschränkt, auch in vielen anderen Ländern gibt es immer und immer wieder den Versuch der Regierungen, ihrer Bevölkerung auf die digitalen Finger zu sehen. Die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland stellen keine Ausnahmen dar.
Mit dem vorliegenden Buch wollen wir klarstellen, wofür Julian Assange und Edward Snowden gekämpft haben und warum es richtig und wichtig ist, dass wir alle diesen Kampf weiter fortsetzen. Sicherlich werden die meisten von uns nicht zu derart drastischen Mitteln greifen wie Assange und Snowden, allein schon, um die eigene Existenz nicht zu gefährden. Aber es gibt viele Wege, den Schutz der Privatsphäre gegen die Angriffe von Geheimdiensten und Regierungen, den maßlosen Datenhunger der Digitalkonzerne und nicht zuletzt das skrupellose Vorgehen krimineller Hacker zu verteidigen.
Dabei war es uns besonders wichtig, die Verquickungen dieser unterschiedlichen Angriffsformen auf unsere Privatsphäre aufzudecken. Der Staat verlangt von uns immer mehr Daten mit dem Versprechen, dadurch seine hoheitlichen Aufgaben besser erfüllen zu können und uns eine höhere Sicherheit zu gewährleisten. Die Unternehmen ermuntern uns, ihnen möglichst viele Daten anzuvertrauen, um uns dadurch vermeintlich bessere Dienstleistungen anbieten zu können. Doch je mehr wir über uns verraten, gleichgültig, ob es an staatlichen Stellen oder in den Datensilos der Firmen gespeichert wird, desto gläserner und desto angreifbarer sind wir.
Das vorliegende Buch stellt einen Aufruf dar, gegen diese zunehmende Bedrohung unserer Privatsphäre Widerstand zu leisten. Der Datenschutz erscheint manchmal lästig, häufig bürokratisch, gelegentlich in seinen Auswirkungen geradezu absurd. Aber machen wir uns klar: In einer digitalen Welt, in der unsere persönlichen Daten ungeschützt und unsere Privatsphäre bedeutungslos wären, wollen die meisten von uns vermutlich nicht leben. Wir, die Autoren, jedenfalls nicht!
Marc Ruberg, Detlef Schmuck
Helden der digitalen Welt
Julian Assange und Edward Snowden sind Helden der digitalen Welt, weil sie das Gebaren der Geheimdienste, insbesondere der National Security Agency (NSA) der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich gemacht haben. Beide haben der Politik und der Zivilgesellschaft rund um den Globus die Augen für eine der größten Gefahren der allgegenwärtigen Digitalisierung ein Stück weit geöffnet: den Verlust unserer Privatsphäre und damit dem Ende der Vertraulichkeit. Man ahnte sicherlich schon zuvor, dass es Bespitzelungen gibt, aber das ungeheure Ausmaß der systematischen digitalen Überwachung wurde erst durch Julian Assange und Edward Snowden offensichtlich. Es ging nicht um Ausnahmen und Einzelfälle, sondern um eine permanente und lückenlose Bespitzelung. Und sie war und ist keineswegs auf die USA begrenzt, China, Russland und auch Deutschland sowie sicherlich zahlreiche weitere Länder spielen ebenfalls mit.
Ohne Julian Assange und Edward Snowden wüssten wir nicht, zu welchen Mitteln die Staatsmacht tatsächlich greift, wenn ihre Geheimnisse aus den Datensilos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Wir hätten keine Beweise, welchen ungeheuren Druck die USA in einem solchen Fall auf verbündete Staaten ausüben, bis hin zu einem laut unabhängiger Bewertung der UNO konstruierten Vergewaltigungsvorwurf, um einen Mann, der im Sinne eines investigativen Journalisten Kriegsverbrechen aufdeckt, zu diskreditieren und dadurch einen internationalen Haftbefehl auszulösen.
Julian Assange und Edward Snowden haben einen hohen Preis für ihr Engagement gezahlt. Es mag sein, dass sie nach US-amerikanischem Recht als Schwerverbrecher wegen Hochverrats gelten, aber für viele Menschen rund um den Globus sind die beiden mutigen Männer vielmehr Helden der digitalen Welt, vergleichbar mit dem fiktiven Freiheitskämpfer Winston Smith in George Orwells dystopischen Roman 1984. Wir erinnern uns: Will Smith leistet Widerstand gegen einen totalitären Überwachungsstaat. Der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz will Smith seine Privatsphäre sichern und etwas über die real geschehene Vergangenheit erfahren, die vom Staat durch umfangreiche Geschichtsfälschung verheimlicht wird. Dadurch gerät er mit dem System in Konflikt, das ihn gefangen nimmt, foltert und einer Gehirnwäsche unterzieht. ¹ Die Biografien von Julian Assange und Edward Snowden sind ähnlich dramatisch.
Julian Assange erleidet ein schweres Schicksal
Julian Paul Assange, 1971 in Australien geboren, wird je nach Quelle als Computerhacker, Programmierer, investigativer Journalist oder Politikaktivist eingestuft. Er war Gründer und Sprecher der 2006 ins Leben gerufenen Enthüllungsplattform WikiLeaks. Auf dieser Online-Plattform konnten Dokumente anonym veröffentlicht werden, die als geheime Verschlusssache deklariert waren oder einer sonstigen besonderen Vertraulichkeit unterlagen, so dass sie für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Als WikiLeaks an den Start ging, wurde die Plattform als eine neue Form des investigativen Journalismus gefeiert, weil WikiLeaks für Personen aus Organisationen, die an Geheiminformationen herankamen, erstmals die Möglichkeit bot, diese Informationen öffentlich zu machen. WikiLeaks veröffentlichte zahlreiche interne Dokumente, unter anderem von US-Streitkräften und US-Behörden, zum Beispiel Kriegstagebücher über die Kriege in Afghanistan und im Irak. Der UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer, ein Rechtsprofessor aus der Schweiz und bei den Vereinten Nationen verantwortlich für die Aufdeckung von Folter, kam zu dem Schluss, dass über Wiki-Leaks unter anderem „mutmaßliche Kriegsverbrechen und Korruption" aufgedeckt wurden.²
Für die USA erwiesen sich die Veröffentlichungen als eine Art nationale Katastrophe und die Verfolgung von Julian Assange begann. Nachdem Schweden im Jahr 2010 wegen Vorwürfen einer „minderschweren Vergewaltigung" und sexueller Nötigung einen internationalen Haftbefehl gegen Julian Assange ausgestellt hatte, bereitete sich Großbritannien, wo er lebte, auf eine mögliche Überstellung vor. Er wurde indes auf Kaution freigelassen und das Land Ecuador gewährte ihm 2012 politisches Asyl. Die nächsten sieben Jahre lebte er als politischer Flüchtling in Ecuadors Botschaft in London. Er erhielt sogar die Staatsbürgerschaft Ecuadors. Doch im April 2019 entzog ihm der neu gewählte ecuadorianische Präsident Lenín Moreno sowohl das Asylrecht als auch die Staatsbürgerschaft. Im gleichen Monat wurde Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft von der britischen Polizei festgenommen und zu einer Haftstrafe von 50 Wochen verurteilt, da er sich durch seine Flucht in die Botschaft der Justiz entzogen hatte. Die USA nutzten ihre Chance und ersuchten Großbritannien um Auslieferung. Nahm man alle zu diesem Zweck eingereichten Punkte der US-Anklageschrift zusammen, so drohten Julian Assange bis zu 175 Jahren Haft, schlimmstenfalls sogar die Todesstrafe.³
40 Menschenrechtsorganisationen forderten daraufhin die britische Regierung auf, Assange unverzüglich freizulassen und seine Auslieferung an die USA zu verhindern.⁴ Im Dezember 2020 äußerte die deutsche Menschenrechtskommissarin Bärbel Kofler (die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe) Besorgnis über das Auslieferungsverfahren und drängte Großbritannien dazu, bei der Entscheidung über eine Auslieferung Assanges physische und psychische Gesundheit zu berücksichtigen.⁵ Am 4. Januar 2021 entschied ein Londoner Gericht, dass Assange wegen der zu erwartenden Haftbedingungen und bestehender Suizidgefahr nicht an die USA ausgeliefert werde; prompt legten die USA Berufung ein.⁶ Am 10. Dezember 2021 hob ein Berufungsgericht in London das Auslieferungsverbot auf. Die Begründung: Die USA hatten humane Haftbedingungen für Julian Assange zugesichert.⁷
Der bereits erwähnte Schweizer Rechtsprofessor und UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer warf daraufhin den Behörden in Schweden, Großbritannien und den USA eine „zutiefst willkürliche Prozessführung vor. Er sah die Pressefreiheit im Kern bedroht und sprach von konstruierter Vergewaltigung und manipulierten Beweisen. Melzer sagte über sein Mandat als UNO-Sonderberichterstatter über Folter wie folgt: „Der Fall berührt mein Mandat in dreifacher Hinsicht. Erstens: Der Mann hat Beweise für systematische Folter veröffentlicht. Statt der Folterer wird nun aber er verfolgt. Zweitens wird er selber so misshandelt, dass er heute selbst Symptome von psychologischer Folter aufzeigt. Und drittens soll er ausgeliefert werden an einen Staat, der Menschen wie ihn unter Haftbedingungen hält, die von Amnesty International als Folter bezeichnet werden. Zusammengefasst: Julian Assange hat Folter aufgedeckt, er wurde selber gefoltert und könnte in den USA zu Tode gefoltert werden. Und so etwas soll nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fallen? Zudem ist der Fall von emblematischer Bedeutung, er ist für jeden Bürger in einem demokratischen Staat von Bedeutung.
⁸
Die Journalisten Daniel Ryser und Yves Bachmann haben im Januar 2020 ein ausführliches Interview mit dem zuständigen UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer geführt, das im folgenden auszugsweise wiedergegeben wird, weil die Bewertung der Sachlage aus dem neutralen Blickwinkel der Vereinten Nationen sicherlich zur Aufhellung beiträgt. Vor allem zeigt die Sichtweise der UNO erschreckend deutlich, zu welchen Mitteln die Staatsmacht greift, wenn ihre Geheimnisse aus den