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Bruchlandung im Glück: Ein romantischer Kriminalroman
Bruchlandung im Glück: Ein romantischer Kriminalroman
Bruchlandung im Glück: Ein romantischer Kriminalroman
eBook517 Seiten6 Stunden

Bruchlandung im Glück: Ein romantischer Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Der Notfallchirurg u. Psychologe Dr. Jonas Korte arbeitet im Jahr 2016 als Profiler beim Bayerischen LKA. Als er dazu beiträgt, Anführer eines Münchner Mafia-Clans zu verhaften, wird seine Ehefrau bei einem Anschlag ermordet und er selbst schwer verletzt. Nach der Genesung ändert der verwitwete Arzt seine Lebensweise radikal. Er quittiert den Polizeidienst und bezieht mit seiner Tochter den früheren Bauernhof einer Erbtante. Dort beginnt er eine neue Karriere als Fachbuchautor und baut sein Anwesen zur Gästepension um. Zudem stellt er sich dem Klinikum Traunstein zeitweise als Hubschraubernotarzt zur Verfügung. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau lernen Jonas und seine inzwischen 10-jährige Tochter Katie im Juli 2019 die Anwaltsgehilfin Jessica kennen, die auf der Kampenwand ihrem Paragliding-Hobby nachgeht. Katie bittet die junge Frau sofort, ihr das Gleitschirmfliegen beizubringen. Als Jonas Familie am darauffolgenden Sonntag den Flug der hübschen Gleitschirmpilotin beobachtet, stürzt Jessica Winter völlig überraschend in der Nähe seines Anwesens ab. Jonas gelingt es, die Schwerverletzte zu retten u. obwohl er sich zunächst dagegen wehrt, verliebt er sich schon bald in die immer noch anschlaggefährdete Frau. Denn wie sich nach der kriminaltechnischen Untersuchung herausstellt, wurde ihre Ausrüstung sabotiert. Da offensichtlich ein Zusammenhang mit der Ermordung seiner früheren Frau besteht, entschließt sich Jonas, vorläufig wieder in seinem alten Beruf als Kriminalpolizist zu arbeiten. Als Jessys Kanzleichef Dr. Böhm aufgrund von Verstrickungen in Mafiageschäfte festgenommen wird, stellt Jonas sein neugebautes Reha-Ressort einem trinationalen Europol-Team als Interimsstützpunkt zur Verfügung. Trotzdem erfolgt ebendort im Advent 2019 ein neuer Anschlag. Die nachfolgenden Ermittlungen führen zu ersten Festnahmen in Bayern, Österreich u. Italien - danach kehrt einige Monate lang Ruhe ein. Doch dann wird im Mai 2020 Jonas Tochter Katie von der Mafia entführt ...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Feb. 2020
ISBN9783750279605
Bruchlandung im Glück: Ein romantischer Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Bruchlandung im Glück - K. B. Stock

    Kapitel 1      Mord oder Unfall?

    Es war ein sonniger Samstagvormittag im Juli 2019. Der erfahrene Arzt Dr. Jonas Korte saß im gläsernen Wintergarten seines erst vor drei Jahren bezogenen kleinen Landhauses und frühstückte, während seine inzwischen 10-jährige Tochter Katharina nach ein paar hastig gelöffelten Cornflakes und einem Glas Milch lieber mit ihrem Golden Retriever Henry auf der an die Terrasse angrenzenden Streuobstwiese herumtollte.

    Genauso wie die dazugehörenden, ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäude war das hübsche im bayerischen Stil erbaute Haus Teil eines Bauernhofs am Ortsrand der Gemeinde Schleching im Landkreis Traunstein, den seine verstorbene Tante Magda bis zu ihrem Ableben bewirtschaftet hatte. Bevor sie schließlich im Jahr 2014 an einem Krebsleiden verstarb, hatte sie das gesamte Anwesen – in Ermangelung eigener Kinder und weiterer Verwandter – samt allen Tieren und Nutzflächen ihrem einzigen Neffen vermacht.

    Und obwohl sich der zu dieser Zeit mit seiner jungen Familie in einer Traunsteiner Eigentumswohnung lebende Dr. Korte damals gar nicht so recht vorstellen konnte, irgendwann einmal so abgelegen zu wohnen, kam ihm das leerstehende alte Haus nach dem familiären Schicksalsschlag, den er vor nunmehr über drei Jahren erlitten hatte, als privater Rückzugsort gerade recht.

    Während Jonas langsam seinen Kaffee austrank und den Vögeln sowie den summenden Insekten in den Apfelbäumen und auf der blumenbestandenen Wiese lauschte, kamen ihm gerade wieder die grausamen Unfallbilder hoch, die er wohl zeit seines Lebens niemals vergessen würde.

    Doch noch ehe er weiter darüber nachdenken und wieder einmal in nachhaltige Trauer um seine dabei umgekommene Frau versinken konnte, kam ihm seine lebhafte Tochter zuvor.

    „Guck mal, Paps – Henry kann schon wieder ein neues Kunststück", meinte sie, als sie einen Tennisball in die Höhe warf, den der Retriever noch ehe er wieder den Boden berührte, mit einem gewaltigen Satz aus der Luft schnappte.

    „Ja, mein Schatz – du hast recht. Henry ist ein großartiger Akrobat. Und lernbegierig scheint mir dieser nette Hund auch zu sein. Ist doch super, dass er jetzt bei uns wieder seine Freiheit genießen darf und du dich mit ihm so gut verstehst.

    Als wir ihn vor ein paar Wochen im Traunsteiner Tierheim abgeholt haben, konnten wir schließlich nicht ahnen, dass er sich so rasch in uns – und ganz besonders in dich verlieben würde."

    „Stimmt Papi – Henry ist halt ein ziemlich schlauer Hund. Nur ist er nicht bloß nett, sondern wirklich superlieb. Und ein megacooler Spielkamerad ist er auch.

    Hast du übrigens die vielen Fallschirmflieger gesehen, die schon den ganzen Morgen mit diesen bunten Schirmen von da oben zu uns runter ins Tal segeln? Die finde ich auch ziemlich cool."

    „Ja, diese Leute sind ziemlich mutig. Richtig nennt man sie übrigens Paraglider oder auf gut deutsch: Gleitschirmflieger. Die machen das glaube ich deswegen hauptsächlich vormittags, weil dann die Thermik besonders gut ist. Wenn du möchtest, fahren wir am Sonntag mal mit der Seilbahn zur Kampenwand rauf und sehen uns den Platz an, von dem aus sie starten."

    Au ja, Papi – das würde mir sehr gefallen. Vielleicht kann ich ja dann auch ein paar von diesen Leuten kennenlernen und mal fragen, wo man dieses Paragliding lernen kann. Ich würde nämlich sowas auch mal gerne ausprobieren."

    „Das kannst du gerne tun, mein Herz – aber ich denke, dass du noch nicht groß genug bist, um bei denen mitzumachen. Schließlich muss man ja in die Anzüge reinpassen, mit denen diese Gleitschirmflieger in der Luft unterwegs sind.

    Ich denke also, dass man ein bisschen älter sein muss, um das richtig lernen zu können. Und wie schon gesagt, eine passende Ausrüstung dafür braucht man auch. Die ist übrigens ziemlich teuer, aber ich glaube man kann die auch ausleihen.

    Oder, falls man nur mal mitfliegen möchte, nehmen die einen ab einem bestimmten Alter auch schon mal huckepack mit. Außerdem musst du wissen, dass dieser Sport nicht ganz so ungefährlich ist, wie er auf den ersten Blick aussieht. Deshalb glaube ich, dass man viel üben muss, um unfallfrei ins Tal zu fliegen, so wie diese Leute das so elegant an jedem Wochenende tun."

    „Menno – und ich dachte, dass das alles viel einfacher ginge. Aber egal, dann warte ich halt noch ein bisschen. Schließlich will ich ja auf gar keinen Fall mit so einem Schwebedings verunglücken. Nachdem Mama und auch meine Omas und Opas schon gestorben sind, wärst du ja sonst ganz alleine – und das würde ich dir ganz bestimmt niemals antun."

    Und schon war die kleine Katie wieder mit ihrem Ball und ihrem Hund im dichten Gebüsch unter den blühenden Obstbäumen verschwunden. Die Tränen, die sich bei ihren letzten Worten in den Augen ihres Vaters gesammelt hatte, nahm sie deswegen auch gar nicht mehr wahr.

    „Bloß gut, dass wir Henry zu uns genommen haben. Das hilft ihr anscheinend ein wenig über den Tod ihrer Mutter hinweg", dachte Jonas Korte, als er sich wieder seinem Notebook zuwandte, um sich mit dem Schreiben des gerade von ihm begonnen Fachbuchs abzulenken.

    Doch gerade heute fiel es dem approbierten Arzt und Psychologen Korte schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Stattdessen sinnierte er schon Minuten später zum wiederholten Male über die Geschehnisse nach, die ihm vor rund drei Jahren seine damals gerade mal 30-jährige Ehefrau Maria bei einem tödlichen Autounfall genommen hatten.

    Und ebensolch ein Flashback übermannte ihn erneut, als er die letzten Worte seiner kleinen Katie noch einmal in Gedanken Revue passieren ließ, während sogleich die herrliche Umgebung um ihn herum allmählich in den grauenhaften Bildern der Vergangenheit verschwamm.

    Kapitel 2      Drei Jahre zuvor

    An diesem verfluchten Freitag im Juli vor drei Jahren, an den Jonas Korte gerade zurückdachte, hatte der damals äußerst erfolgreiche Abteilungsleiter II des Bayerischen Landeskriminalamts nämlich mit seinem Profilerteam gerade den erfolgreichen Abschluss einer langwierigen Ermittlungsarbeit gefeiert, bei der es sich um die Verhaftung führender Mitglieder des organisierten Verbrechens drehte.

    Aus diesem Grund hatte er auch schon mittags zuhause angerufen, um sich später von seiner lebenslustigen Ehefrau Maria in seiner Münchener Dienststelle abholen zu lassen.

    „Wir haben schon ein bisschen was getrunken – und bis nach Traunstein kann ich keinen Dienstwagen mit Fahrer einsetzen. Ich wäre also sehr froh, wenn du mich heute Nachmittag im Büro abholen könntest. Was würden sonst die Kollegen denken, wenn sich der Herr Kriminaldirektor unter Alkohol ans Steuer setzt", hatte er verschämt gemeint, als ihm seine Frau Maria auch schon lachend in die Parade gefahren war:

    „Ich bin froh, dass du endlich mit deinem elenden Fall fertig bist und demnächst wieder mehr Zeit für uns hast. Klar komme ich dich abholen. Nur kann ich erst losfahren, wenn Katie aus der Schule kommt und gegessen hat. Vor 15:00 Uhr komme ich also hier nicht weg – und demnach bin ich frühestens gegen 16:30 Uhr bei euch an der Pforte.

    Denk aber dran – im Moment hat die Feriensaison in einigen Bundesländern bereits angefangen. Im Radio haben sie eben zum wiederholten Male gesagt, dass die A8 zwischen Holzkirchen und München schon seit heute Vormittag dicht ist. Und stadtauswärts ist genauso starker Verkehr, der heute Nachmittag sicher noch zunehmen wird.

    Ich beabsichtige daher, ab Holzkirchen die B13 zu nehmen und auf dem Rückweg machen wir das genauso. Kann also durchaus noch ein paar Minuten später werden, bis Katie und ich bei dir eintreffen. Aber keine Sorge, ich komme auf dem raschesten Weg zu dir."

    „Das wäre großartig, mein Schatz. Ich danke dir sehr, du bist die beste aller Ehefrauen – und grüß unseren kleinen Wildfang von mir. Ich kann’s kaum erwarten, euch beide wieder in meine Arme zu schließen.

    Sag Katie, dass wir am Wochenende zu Tante Magdas Bauernhof fahren. Schließlich wollten wir ja mit ihrem Verwalterehepaar Mitzi und Peter Huber abklären, ob sie bereit wären, unsere Idee vom Umbau des Hofs in eine Frühstückspension mitzutragen und dort die Rolle der geschäftsführenden Bewirtschafter zu übernehmen.

    Ich ruf gleich nachher mal bei Peter und Mitzi an, die freuen sich sicher ebenfalls, wenn wir uns endlich mal wieder persönlich bei ihnen blicken lassen. Katie liebt ja nicht nur die Berge, sondern vor allem das Versteckspielen in den inzwischen leerstehenden Ställen und Scheunen. Und das Grab meiner Tante sollten wir schließlich auch mal wieder besuchen."

    Nach einem kurzen „So machen wir das" seiner Frau, war dies das letzte Telefonat gewesen, dass Dr. Jason Korte mit seiner über alles geliebten Maria geführt hatte. Denn seine Ehefrau starb an genau diesem Tag. Und Jonas, dem seine Freunde im Bayerischen LKA¹ gleich zu Anfang den Spitznamen „Doktor Jo" verpasst hatten, gab sich an dem grausamen Unfall nach wie vor selber die Schuld.

    Vor allem, weil nicht nur seine Maria, sondern auch er selber und seine damals siebenjährige Tochter Katharina auf der Rückfahrt nach Traunstein in dem alten 5er-BMW Kombi gesessen hatten, als der furchtbare Zusammenstoß geschah. Denn schließlich war er es gewesen, der seine Frau dazu animiert hatte, ihn in seiner Dienststelle in der Maillingerstraße in München abzuholen.

    Während Maria Korte auf dem Rückweg nachhause mit ihrem Fahrzeug durch die Ortschaft Holzkirchen fuhr, meinte sie: „Da vorne kenn‘ ich eine Abkürzung über das Holzkirchner Gewerbegebiet, über die ich auf dem Herweg bereits gefahren bin. Dort gibt’s übrigens auch einige Supermärkte, bei denen wir noch kurz anhalten und fürs Wochenende einkaufen können. Am Ende des Gewerbeparks kommen wir dann auf die B318 und können danach bei der Raststätte Holzkirchen direkt auf die Autobahn auffahren."

    Kurz danach fluchte Jonas Ehefrau laut: „Mist, jetzt habe ich vor lauter Quatschen die richtige Kreuzung verpasst – da hinten hätten wir nämlich nach links gemusst."

    „Ist doch nicht schlimm, mein Schatz – dann nehmen wir halt die nächste Kreuzung. Und zum Einkaufen kommen Katie und ich mit", beruhigte Jonas Korte seine Frau sofort.

    Doch soweit sollte es gar nicht mehr kommen. Denn als Maria Korte am späten Nachmittag dieses Julitages nach dem Linksabbiegen vor einem unbeschrankten Bahnübergang anhalten musste, wurde der von ihr gesteuerte BMW Touring von einem rücksichtslos auffahrenden Kieslaster von hinten gerammt und – trotz der rot blinkenden Warnsignale – auf die Gleise des Bahnübergangs geschoben.

    An den krachenden Aufprall des von rechts auf ihr Auto zurasenden Regionalzugs der Oberlandbahn und das quietschende Zerreißen von Metall konnte sich Jonas Korte auch Jahre danach noch genau erinnern. Sein Wagen war dabei zum Glück nur wenige Meter mitgeschleift worden bevor er neben den Gleisen auf dem Dach gelandet war.

    Als Jonas aus dem Wrack seines arg demolierten BMW herauskletterte und auf die völlig zerfetzte Fahrerseite zu kroch, konnte er aus dem Augenwinkel gerade noch das brutale Wendemanöver des an der Frontseite beschädigten blauen LKWs erkennen, mit dem sich dessen Fahrer von Unfallort entfernte. Und an das hämisch grinsende Gesicht des Fahrers, das er dabei noch kurz zu Gesicht bekam, würde er sich zeit seines Lebens erinnern.

    Als sich Jonas Korte endlich auf die andere Fahrzeugseite vorgearbeitet hatte, war dem Arzt in ihm sofort klar, dass weder er noch irgendein Notarzt seiner aus vielen Wunden blutenden Ehefrau würde helfen können. Und das war genau der Zeitpunkt, an dem Dr. Jonas Korte mit einem verzweifelten Aufschrei völlig geschockt zusammenbrach.

    Kapitel 3      Ende und ein neuer Anfang

    Nachdem Jonas Korte einen Tag nach dem schrecklichen Vorfall in der Notaufnahme des Universitätsklinikums Großhadern aus dem künstlichen Koma aufwachte, war seine bislang heile Welt reinste Makulatur. Zumindest war es nicht mehr die Welt, in der er noch in den letzten Monaten glücklich gelebt hatte.

    Sein einziger Trost blieb dabei, dass seine siebenjährige Tochter Katharina den Crash auf ihrem Kindersitz im Fond seines Autos nahezu unbeschadet überstanden hatte. Gottseidank hatte Katie zum Zeitpunkt des Aufpralls geschlafen und deshalb von dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht allzu viel mitbekommen, ehe sie von herbeigelaufenen Bewohnern der Ortschaft Holzkirchen aus den Trümmern des BMW befreit und in Sicherheit gebracht wurde.

    „Wo ist meine Tochter? Geht’s ihr gut?", hatte Jonas nach dem Aufwachen sofort den diensthabenden Stationsarzt gefragt. „Keine Sorge, Herr Dr. Korte – ihrer Tochter geht’s gut. Sie hat nur ein paar kleinere Beulen und Schnittverletzungen vom zerbrochenen Fensterglas ihres BMWs davongetragen. Wir haben sie versorgt und im Nachbarzimmer untergebracht und sie hat schon ein paar Mal nach Ihnen gefragt.

    Wenn Sie mögen, bringe ich Sie nachher zu ihr rüber, sobald ich Ihre Lunge abgehört habe. Ich heiße übrigens Martin Brandner und mein Chefarzt, Professor List, will Sie später ebenfalls noch sehen."

    „Danke, Dr. Brandner. Weiß Katie schon, dass ihre Mama nicht mehr lebt?", fragte Jonas Korte nervös, während der Stationsarzt seinen Brustkorb untersuchte und anschließend wieder mit einem festen Verband umwickelte.

    „Nein, aber ich glaube, sie ahnt es. Das mit Ihrer Frau tut mir übrigens sehr leid. Aber selbst wenn der Rettungshubschrauber sofort zur Stelle gewesen wäre, hätte ihr niemand mehr helfen können.

    Sie selber haben eine doppelte Brustwirbelfraktur erlitten – aber ihre Lunge ist offenbar unversehrt geblieben. Dennoch würde ich Sie gerne noch mindestens für einen Tag hierbehalten. Den Stützverband werden Sie allerdings noch eine ganze Weile tragen müssen. Als Mediziner wissen Sie ja selbst gut genug, dass man mit solch einer Brustprellung nicht spaßen darf. Und Ihre Tochter schieben wir heute Abend zu Ihnen in Ihr Zimmer rein."

    Wenige Minuten später schloss Jonas Korte seine weinende Tochter im Nachbarzimmer tröstend in beide Arme. „Ist Mami wirklich in den Himmel gegangen, Papi? Ich fühle nämlich, dass sie nicht mehr bei uns ist", schluchzte sie.

    „Ja, mein Schatz. Mami ist im Himmel und ich bin sicher, dass sie uns gerade von da oben zuschaut und sich sicher freut, dass wir den Autounfall gut überstanden haben", erwiderte Jonas Korte mit leiser Stimme, ehe er sich ächzend neben ihr Bett kniete und ihr ins Ohr flüsterte:

    „Wir sind nicht alleine, mein Liebling. Und ich werde ab sofort immer für dich da sein. Das verspreche ich dir. Meinen derzeitigen Beruf in München werde ich erstmal aufgeben, damit ich mich besser um dich kümmern kann. Wirst sehen, wir zwei kriegen das schon hin. Tut dir übrigens noch etwas weh?"

    „Nein, Paps. Na ja, mein linkes Knie vielleicht noch ein bisschen. Ich mag aber eigentlich nicht noch länger in diesem Krankenhausbett liegen. Also von mir aus könnten wir gleich nachhause fahren. Aber sag mir mal, warum du kein Polizist mehr sein willst? Wenn du das machst, kann ich ja schließlich nicht mehr in der Schule mit meinem mutigen Papa angeben."

    Bei diesen schlichten Worten seiner Tochter stahl sich an dieser Stelle erstmals wieder ein kurzes Lächeln in die Augen von Jonas Korte, bevor er seiner Tochter antwortete.

    „Wir werden sehen, mein Schatz. Wichtig ist jetzt erstmal, dass wir alle beide rasch wieder ganz gesund werden und dann sehen wir von Tag zu Tag weiter. Bis morgen werden wir jedoch noch hier im Krankenhaus bleiben müssen, mein Engel.

    Aber wenn der nette Doktor Brandner und sein Chef uns beide morgen früh nochmal untersucht haben, fahren wir anschließend heim und dann gleich weiter zu Tante Magdas Bauernhof. Bis dahin schieben wir dein Bett zu mir herüber, damit es dir nicht zu langweilig wird.

    Und wenn wir morgen Nachmittag in unserem zweiten Zuhause angekommen sind, sorgen wir dafür, dass Mamis Körper auf dem Friedhof neben Tante Magda beerdigt wird, damit wir sie dort jederzeit besuchen können."

    „Freut mich, dass Sie mich meine Untersuchungen zu Ende führen lassen, Herr Kollege. Ich denke, dass Ihre Tochter und Sie morgen hier rausdürfen. Soll ich Ihnen aber zuvor vielleicht noch einen Notfallseelsorger besorgen? Möglicherweise wäre in Ihrer augenblicklichen Situation zudem auch ein wenig psychologische Unterstützung für Sie und Ihre kleine Tochter nicht verkehrt."

    Doch Jonas Korte lehnte dieses Angebot mit den Worten: „Ist nicht nötig, ich bin selber Psychologe und hab‘ früher auch eine ganze Weile als Unfallchirurg im Schwabinger Klinikum gearbeitet" ab. Doch sofort danach ergänzte er:

    „Tut mir leid, Dr. Brandner, so harsch wollte ich das gerade gar nicht ausdrücken. Bis morgen früh muss ich ohnehin noch über so manches nachdenken. Denn das Leben von meiner Tochter und mir wird sich ab sofort einschneidend ändern müssen – nur weiß ich noch nicht, wie genau ich das anstellen soll. Und über dieses Thema muss ich mit meiner Katie möglichst schonend reden. Den Anfang davon haben Sie ja eben selber mithören können."

    „Verstehe, Herr Kollege. Falls Sie aber bis morgen früh noch irgendwas anderes brauchen, lassen Sie es mich oder die Stationsschwester wissen. Ich denke da zum Beispiel an Schmerzmittel, damit Sie heute Nacht besser schlafen können."

    „Danke, Dr. Brandner – sehr freundlich. Nur gibt es gegen meinen seelischen Schmerz noch keine Tabletten", erwiderte Jonas Korte freundlich, denn seine schmerzhaften Prellungen und Rippenbrüche schienen ihm nicht der Rede wert zu sein, hatte er doch den größten Schatz seines bisherigen Lebens unwiederbringlich verloren.

    ***

    Obwohl man den blauen LKW einige Tage später völlig ausgebrannt in einer stillgelegten Kiesgrube auffand, konnte die Polizei den Fahrer selbst in den darauffolgenden Monaten nicht ermitteln. Zwar stellte sich rasch heraus, dass der Laster kurz zuvor von einem Bauhof bei Ottobrunn entwendet worden war, jedoch blieben die genaueren Umstände des offensichtlich vorsätzlich herbeigeführten Zusammenpralls weiter im Dunkeln.

    Dies war letztlich auch der Grund, weshalb Jonas Korte die anfängliche Unfalltheorie nach seiner Genesung immer mehr anzweifelte, wobei er in Gedanken immer wieder seine zuletzt bearbeiteten Fälle durchging.

    „Leute, da stimmt doch was nicht. Das war kein Unfall, sondern sehr wahrscheinlich ein Racheakt dieser Mafia-Clan-Mistkerle, die wir erst vor kurzem hinter Gitter gebracht haben", hatte er am Tag nach dem Unfall zu den Kripobeamten gesagt, die ihn ausgiebig zu seinen Wahrnehmungen vor und während des vermeintlichen Racheakts befragten.

    „Außerdem habe ich den LKW-Fahrer kurz sehen können, ehe er Fahrerflucht beging. Und so, wie der gegrinst hat, ist es eindeutig, dass er uns mit voller Absicht von hinten gerammt hat."

    Und im gleichen Tenor ging er seiner unmittelbaren Vorgesetzten, Polizeivizepräsidentin Viktoria Mayer bei deren Besuch in der Klinikschon am nächsten Vormittag auf die Nerven.

    „Scheiße – und wofür das alles? In spätestens zehn bis maximal fünfzehn Jahren sind diese Arschlöcher doch ohnehin wieder frei! Außerdem wurden ja nur drei dieser Figuren verurteilt. Die beiden anderen Angeklagten hat das Gericht ja dank ihrer spitzfindigen Rechtsverdreher aufgrund gekaufter Alibis freilassen müssen. Somit hat es also nur das Führungstrio des zur Spitze des Münchener organisierten Verbrechens zählenden Eisbergs erwischt.

    Ich bin mir daher auch sehr sicher, dass es da draußen, außer den zwei freigesprochenen Verbrechern, noch eine ganze Reihe weiterer Krimineller gibt, die jetzt an die Stelle des verurteilten Trios treten werden und denen wir bislang nur noch nichts Handfestes nachweisen können. Wobei es mir schon klar ist, dass ich möglicherweise genau deshalb das Ziel dieses Anschlags geworden bin."

    „Komm erst mal zur Ruhe, Jonas. Das was geschehen ist, ist schrecklich – und ich trauere mit dir um deine Frau. Immerhin habe ich deine Maria ja ebenfalls gut gekannt. Und auch ich glaube nicht, dass das gestern nur ein tragischer Unfall war."

    Als sich die LKA-Vizepräsidentin wieder von ihm und seiner Tochter verabschiedete, sagte sie leise:

    „So, mein lieber Doktor, jetzt hör mir mal gut zu. Du bist nicht nur ein hervorragend geschulter Kriminologe, sondern auch mein bester Profiler. Wir werden in dieser Sache weiter ermitteln – darauf hast du mein Wort.

    Auch wenn der Brand an diesem gestohlenen LKW alle Fingerabdrücke und DNA-Spuren vernichtet hat, werden wir den Tod deiner Gattin nicht als gewöhnlichen Unfall, sondern als vorsätzlichen Mord behandeln. Doch du gehst jetzt erstmal in bezahlten Sonderurlaub und kümmerst dich um deine kleine Tochter. Das hat Vorrang vor allem anderen."

    Aus dem mehrwöchigen Sonderurlaub war etliche Monate danach eine Teilkündigung seiner bisherigen Dienstanstellung geworden. Künftig wollte Dr. Jonas Korte somit nur noch als zeitweiser Berater und Dozent für das LKA tätig sein. Denn bei all seinen Überlegungen würde zukünftig das Wohl und die Erziehung seiner Tochter im Fokus seines Handelns stehen.

    Darüber hinaus wusste Jonas Korte als Psychologe und Arzt natürlich sehr genau, dass er an einer PTBS² litt, die sich nicht einfach von heute auf morgen überwinden lassen würde. Und deshalb änderte er seine bisherige Lebensplanung komplett – vor allem, weil er versuchen wollte, seiner Tochter Katharina ein immer ansprechbarer und guter, wenn auch alleinerziehender Vater zu sein.

    Kapitel 4      Geänderte Lebensplanung

    Drei Jahre waren seit dem entsetzlichen Schicksalsschlag vergangen, der den Arzt und Psychologen Jonas Korte zum Witwer gemacht und ihn als alleinerziehenden Vater einer inzwischen 10-jährigen und ziemlich quirligen Tochter zurückgelassen hatte.

    In diesen drei Jahren hatte er seine vormalige Lebensweise radikal umgekrempelt. Seine frühere Eigentumswohnung in Traunstein hatte er inzwischen verkauft, weil ihn dort viel zu viel an seine verstorbene Frau erinnerte. Aus diesem Grund war er unmittelbar nach dem Unfall nur noch ein einziges Mal in der alten Wohnung gewesen, um seine und Katies persönliche Sachen von dort abzuholen.

    Von dem erzielten Verkaufserlös hatte er den geerbten Bauernhof seiner Tante in der Gemeinde Schleching anschließend von örtlichen Handwerkern schon bald darauf zu einer in den letzten Monaten gut gebuchten Frühstückspension umgestalten lassen.

    Zusätzlich hatte Jonas Korte vor rund einem Jahr damit begonnen, die ehemaligen Stallungen des früheren Bauernhofs in einen an die Pension angeschlossenen Heil- und Wellnessbereich umzubauen, wobei er selber mit seiner Katie in ein kleines Nachbargebäude auf dem Areal eingezogen war.

    Dass Jonas und seine Tochter bereits seit dem Umzug von Traunstein von Anfang an direkt neben der Frühstückspension wohnen konnten, hatte sich dabei als unschätzbarer Vorteil erwiesen, weil er auf diese Weise seine Ideen realisieren und beim Umbau selber mit Hand anlegen konnte.

    Damit hatte er erreicht, dass die Pensionseinnahmen mittlerweile den Grundstock für seinen Lebensunterhalt lieferten, zu denen in einigen Monaten hoffentlich auch noch die Einkünfte aus dem Wellnessgeschäft hinzukommen würden. Denn das Erbe seiner 2001 ums Leben gekommenen Eltern wollte er vorerst nicht anfassen, sondern für die Ausbildung seiner Tochter Katharina reservieren.

    Zur Aufstockung seiner Bezüge und um stets nahe bei seiner Tochter zu sein, hatte er zudem mit dem häuslichen Schreiben von fallanalytischer Fachliteratur begonnen, die sich im Kreis der in Ausbildung befindlichen Profiler mittlerweile ziemlich erfolgreich verkaufte.

    Außerdem hatte Jonas Korte im letzten Jahr dem Wunsch seiner früheren Chefin Viktoria Mayer nachgegeben und ein paar Mal als zeitweiliger Berater bei besonders kniffligen Kriminalfällen ausgeholfen.

    Dies geschah jedoch stets unter größter Geheimhaltung, weil Jonas nach wie vor als Ziel möglicher Racheakte galt, der noch dazu den Überfall von vor drei Jahren mit Blick auf die laufenden Täterermittlungen weiterhin analysierte. Deshalb trat er im LKA in München offiziell stets auch nur als Dozent bei angeblichen Weiterbildungsveranstaltungen auf.

    Bei Jonas dritter Einkommensquelle hatten seine Wurzeln als früherer Unfallmediziner eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. So erinnerte er sich inzwischen wieder gerne an seine frühere Tätigkeit im Notfallzentrum Schwabing, was letztendlich auch der Grund dafür gewesen war, dass er sich dem Klinikum Traunstein auf Anfrage für jeweils eine oder zwei Wochen im Vierteljahr als fliegender Notarzt des dort stationierten Rettungshubschraubers Christoph 14 zur Verfügung stellte.

    Das funktionierte aber nur, weil sich seine früheren Hofverwalter Mitzi und Peter Huber, die den inzwischen zur Gästepension umgebauten Bauernhof seit dessen Eröffnung als Wirtsleute führten, dazu bereit erklärt hatten, während seiner Notarztdienstzeiten auf Jonas Kortes Tochter Katharina aufzupassen.

    Katharina, die nach einer überraschend kurzen Pause mittlerweile die 4. Klasse der Grundschule Schleching besuchte, liebte dieses von ihrem Vater getroffene Arrangement ganz außerordentlich. Vor allem, weil sie dadurch, nach Erledigung ihrer täglichen Hausaufgaben, des Öfteren auf dem benachbarten Bauernhof von Peter Hubers Bruder Alois und dessen Frau Gretel aushelfen und spielen durfte.

    ***

    Als Jonas Korte an dem besagten Julimorgen seiner mit ihrem Hund spielenden Tochter hinterherschaute, besann er sich nach seinem unvermeidlichen Flashback irgendwann wieder auf seine gedanklichen Anti-PBTS-Übungen. Dazu gehörten in erster Linie die bewusst herbeigerufenen Erinnerungen an glücklichere Zeiten seiner Vergangenheit.

    Dr. Jo, wie ihn seine Freunde und Kollegen in der Notaufnahme des Schwabinger Krankenhauses in der Frühzeit seiner beruflichen Tätigkeit stets scherzhaft genannt hatten, hatte sich von Anfang seiner Assistenzarztzeit an als brillanter Mediziner erwiesen, der sich gleich nach dem Studium seine ersten Meriten im nervenaufreibenden Notfallzentrum des Schwabinger Klinikums in München verdiente.

    Nur seiner über alles geliebten Maria, die er während seines ergänzenden Studiengangs der Psychologie an der Münchener LMU³ kennen und lieben gelernt hatte, war es zu verdanken, dass er diese anfangs manchmal ziemlich anstrengende und daher zuweilen frustrierende Assistenzzeit durchgestanden hatte.

    „Danke, dass du mich immer wieder aufrichtest, mein Schatz – ohne dich würde ich nach so einem Scheißtag in meiner Arbeit überhaupt nicht mehr runterkommen", hatte Jonas Korte an einem Freitag erklärt, als er seine Freundin spätabends endlich in die Arme schließen konnte.

    „Na, na, Herr Doktor – du wirst mir doch jetzt nicht schlappmachen. Für das versprochene Abendessen außer Haus im Kreis unserer früheren Kommilitonen ist es jetzt zwar schon ein bisschen zu spät, aber wir können doch auch zuhause speisen, ehe wir nachher miteinander ins Bett gehen", hatte ihm seine Maria mit einem Augenzwinkern geantwortet.

    „Ich hatte mir den heutigen Abend zur Feier unserer Doktorwürde als frischgebackene Psychoklempner zwar vollkommen anders vorgestellt, aber sei’s drum.

    Da wir nach diesem Abschluss so etwas sicher noch öfter durchmachen müssen, werde ich jetzt halt bei unserem Lieblingsitaliener eine Familienpizza für uns beide bestellen."

    Doch die eigentliche Überraschung kam erst, als die rothaarige Maria den von dem Pizzaboten gelieferten Pappkarton öffnete.

    „Pfui Deibel, da hat dein Pizzabäcker Mario aber mal so richtig danebengelangt. Oder was soll ich von dieser blauen Schachtel halten, die er da in die Mitte meiner Pizza platziert hat?"

    „Ich muss dir jetzt was beichten, mein Liebling. Ich hab‘ heute eigentlich gar keine Überstunden gemacht, sondern bin stattdessen vorhin noch kurz bei Mario gewesen. Und die kleine Schachtel auf deiner Pizza stammt von mir.

    Hat mich ‘ne ganze Menge an Überredungskunst gekostet, bis er bereit war, deine Pizza so zu verunstalten", meinte Jonas Korte, als er die blaue Schachtel vom Teller seiner Freundin entfernte und vor Maria auf die Knie ging.

    „Oh mein Gott – oh mein Gott, was wird das denn jetzt?", rief Maria atemlos, als ihr Freund das Schächtelchen in die Hand nahm und ihre linke Hand ergriff.

    „Maria, mein Schatz – ich habe mich vom ersten Augenblick an in dich verliebt. Und ohne dich will ich künftig nicht mehr durchs Leben gehen. Deshalb frage ich dich hier und heute im Angesicht dieser auf meine Anordnung verunstalteten Pizza – willst du mich heiraten?

    Ich hab‘ hier außerdem noch ein Kärtchen und einen Stift vorbereitet. Darauf stehen schon die Antwortmöglichkeiten: „Ja, „Vielleicht und „ich muss mir das noch überlegen. Musst also nur noch das Passende ankreuzen.

    „Schmeiß die blöde Karte weg und steck mir endlich diesen wunderschönen Ring an meinen Finger – denn meine Antwort lautet: Ja, mein geliebter Jo – ja, und nochmals ja – das will ich, und wie ich das will. Komm mit mir nach nebenan in unser Schlafzimmer. Ich will dir nämlich gleich mal zeigen, wie sehr ich mit deinem wundervollen Antrag einverstanden bin."

    Damit packte Maria ihren Frischverlobten kurzerhand um die Hüfte, küsste ihn heftig und zog ihn gleich danach hinter sich her. „Aber unser Abendessen – was wird damit?", stotterte Jonas verblüfft.

    „Unsere Pizzen sind eh schon kalt – die können wir auch später nochmal aufwärmen. Denn jetzt hab‘ ich auf ganz was anderes Hunger, wenn du verstehst, was ich meine", gurrte Maria ihren Verlobten jetzt an, während sie ihren Smaragdring auffordernd vor das Gesicht ihres Geliebten hielt.

    ***

    Zwei Monate später waren die beiden ehemaligen Studienkollegen verheiratet und ein knappes Jahr danach wurde ihr privates Glück durch die Geburt ihrer Tochter Katharina gekrönt. Schon während Marias Schwangerschaft hatte sich Jonas Korte einen neuen und zugleich weniger zeitaufreibenden Job gesucht.

    Dachte er jedenfalls, als er gleich nach der Geburt seiner Tochter ein Stellenangebot als Profiler und psychologischer Berater beim Bayerischen LKA annahm und seine Anstellung als Notfallchirurg aufgab. Denn ein weniger zeitaufwendiges Berufsleben war alles, was sich Jonas jemals zuvor für die Zukunft seiner kleinen Familie erträumt hatte.

    ***

    Als Jonas Korte allmählich sein Nachdenken über die freudigeren Erlebnisse aus vergangenen Jahre beendete und sich das begonnene Kapitel seines in Arbeit befindlichen neuen Sachbuchs noch einmal durchlas, fing er gleich danach an zu lächeln, ehe er wieder wie wild auf die Tasten seines Macbooks einhämmerte.

    „Es ist wichtig, dass die künftigen Kollegen endlich von Erfahrung geprägte Ausbildungsgrundlagen erhalten. Dass ich damit inzwischen ganz gut verdiene, ist dabei sekundär. Aber es ist einer der Wege, um Katie eine von Liebe und Wohlstand geprägte Jugend zu ermöglichen."

    Bei diesen Überlegungen fiel sein Blick auf seinen Nachbarn Alois, den Bruder von Peter Huber, der mit seinem roten Traktor auf der Wiese nebenan seit einer guten Stunde das hochstehende Gras mähte. Als Alois Huber kurz darauf seinen Traktor abstellte und für eine Pause zu ihm auf seine Terrasse herüberkam, begrüßte er ihn und bot ihm zugleich eine Limonade zur Erfrischung an.

    „Limonade trinke ich nur, wenn unsere Brauereien kein Bier mehr im Fass haben. Und das ist meines Wissens momentan noch nicht der Fall – hast du also vielleicht ein Frischgezapftes für mich übrig? Zur Not nehme ich aber auch eine Flasche Weißbier", meinte Alois Huber lachend, als er sich neben Jonas an den Gartentisch setzte.

    „Klar – schließlich ist das hier ja sowas ähnliches, wie ‘ne Gastwirtschaft, grinste Jonas seinen Freund und Nachbarn umgehend an. „Kannst du mal zu Mitzi ins Haus gehen und Alois ein Flasche Bier aus unserem Kühlschrank bringen?, fragte er seine herbeigeeilte Tochter Katie, als sie ihrem zeitweisen Pflegeonkel artig die Hand gab und sogleich auf ihren Hund deutete.

    „Mach ich, Paps. Aber danach will ich Onkel Alois Henrys neueste Kunststücke vorführen, okay?"

    „Einverstanden – und jetzt ab mit dir", erwiderte Jonas Korte, als er sich wieder seinem Gast zuwandte und fortfuhr: „Es ist schön, Katie wieder so glücklich zu sehen. Ich denke, dass meine Entscheidung, so oft wie möglich bei ihr zu sein, der beste Weg für uns beide war, unseren tragischen Verlust zu verarbeiten.

    Und deshalb bin ich dir und deiner Gretel auch sehr dankbar, dass ihr meine Katie während meiner zeitweisen Abwesenheiten so manches Mal zu euch auf den Bauernhof nehmt. Vor allem, wenn Mitzi und Peter keine Zeit haben, weil sie mit den vielen Pensionsgästen beschäftigt sind.

    Ich hätte nie gedacht, dass meine Frühstückspension so gut einschlagen würde. Mittlerweile bildet sie nämlich – neben meiner Autorentätigkeit – meine Haupteinnahmequelle, denn zum Landwirt tauge ich nun mal wirklich nicht. Deshalb bin ich dir ja noch immer dankbar, dass du Tante Magdas Tiere übernommen und ihre Nutzflächen gepachtet hast."

    „Das war doch selbstverständlich – und was deine bäuerlichen Fähigkeiten angeht, da hast du wohl recht, Alter. Aber Milchwirtschaft und Heumähen ist auch wichtig", meinte Alois, während er auf seinen auf der benachbarten Wiese abgestellten Traktor deutete.

    „Sonst hätten meine Kühe ja im Winter nichts zu fressen und die gute Hofmilch für deine Katie und deine Gäste könnte ich dir dann auch nicht an jedem Tag verkaufen.

    Apropos Katie – ich finde du machst deine Sache als alleinstehender Vater ganz ausgezeichnet. Schau sie dir nur an – deine kleine Tochter ist glücklich hier, auch wenn ihr dieser scheußliche Unfall noch so manches Mal nachgeht."

    „Ein Unfall war das nicht, sondern ein Anschlag auf mich. Und den hätte ich verhindern müssen. Warum zum Teufel habe ich bloß an diesem Scheißtag nicht – wie schon so oft zuvor – in München übernachtet?", fragte Jonas Korte sofort, während er sich verzweifelt die Haare raufte.

    „Du wolltest endlich zurück zu deiner Familie – immerhin warst du ja zuvor fast zwanzig Tage am Stück weg von daheim – hast du mir jedenfalls neulich im Bräustüberl nach der dritten Maß Bier erzählt", entgegnete Alois im selben Augenblick, während er das inzwischen von Katie gebrachte eisgekühlte Bier an seine Lippen setzte.

    Als er im Anschluss die neuen Kunststücke von Katies Golden Retriever pflichtschuldigst bewundert und gelobt hatte, meinte Alois Huber nach einer Weile:

    „So – ich muss dann mal wieder weitermähen. Wer weiß, wie lange uns das gute Wetter noch erhalten bleibt, ehe es heute Abend das nächste Sommergewitter gibt. Habe die Ehre – und danke für das gute Bier. War genau das, was ich in meiner Pause gebraucht habe."

    „Keine Ursache, Alois. Und sag‘ mir, wenn ich dir später beim Heueinfahren auf deinen Bergwiesen helfen soll. Soweit ich weiß, machst du das ja in diesem schrägen Gelände immer noch von Hand. Ein bisschen körperliche Arbeit hilft mir schließlich auch dabei, meine Pfunde in Grenzen zu halten. Außerdem ist Schwitzen ja ausgesprochen gesund."

    „Tja, Maschinen sind für die Arbeit am Berg leider noch nicht erfunden. Und danke, ich werde kommende Woche auf dein freundliches Angebot zurückkommen. Bin schließlich der einzige Bauer in der Gemeinde, der seinen Kühen erzählen kann, dass ihnen ein richtiger Arzt das Heu gewendet und in ihre Scheune gebracht hat", meinte Alois Huber lachend, als er sich wieder in Richtung seines Schleppers entfernte.

    Doch dann drehte er sich noch einmal um und rief Vater und Tochter zu: „Wie wäre es, wenn ihr beide am Sonntagnachmittag zum Kaffeetrinken zu uns rüberkommen würdet? Meine Gretel bäckt nämlich Sonntagfrüh ihren berühmten Zwetschgendatschi – und Kakao für Katie gibt es auch."

    „Au ja – das wäre fein. Ich liebe Tante Gretels Kuchen. Papa bitte, sag Onkel Alois, dass wir kommen", rief die kleine Katie sofort.

    „Okay, okay, mein Schatz. Aber denk dran, dass wir vormittags noch rauf zur Kampenwand zu den Gleitschirmfliegern wollen. Aber bis zum Nachmittagskaffee sollte sich ein Besuch bei Gretel und Alois einrichten lassen. Vorausgesetzt du bedankst dich bei unserem Nachbarn sogleich für die nette Einladung."

    „Jaja – natürlich. Danke für die Einladung, Onkel Alois! Wir kommen ganz sicher!", brüllte sie dem davonschreitenden Landwirt hinterher, als der daraufhin grinsend und mit einem Daumen nach oben wieder auf seinen Traktor kletterte.

    Kapitel 5      Ein ereignisreicher Julisonntag

    Am nächsten Morgen gab es beim Frühstück zunächst einmal eine Vater-Kind-Diskussion im Hause Korte. „Nöh, Papa – ich will nicht schon wieder mit in die Frühmesse gehen. Da ist es immer so langweilig", meinte Katie zu ihrem Vater, als der auch schon vehement seinen Kopf schüttelte.

    „Nix da – du kommst mit mir. Schließlich wollen wir ja anschließend noch das Grab deiner

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