Tage des Traders
Von Kaas Koop
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Über dieses E-Book
Das Buch bedient sich der literarischen Gattung des Briefes in Email-Form. Es ist in Form eines Briefromans, der erstmals im Zeitalter der Aufklärung angeregt durch Arbeiten von Goethe, Rousseau und Richardson weite Verbreitung fand, geschrieben. Kaas Emails an seinen alten Jungendfreund Wouter lassen den Leser unmittelbar Anteil nehmen an Kaas Sorgen, Zweifel, Hoffnungen, Freuden und Erfolgen, lassen den Leser unmittelbar Eintauchen in die vermeintlich elektrisierende Welt der Finanzmärkte.
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Buchvorschau
Tage des Traders - Kaas Koop
Sprung ins kalte Wasser
17. Dezember: Hab den Job! Kann es noch nicht fassen. Gerade kam der Anruf aus der Personalabteilung. Sie wollen mich, ja mich und schicken heute noch den Vertrag heraus. Du hast mal wieder recht gehabt. Einfach Wahnsinn! Bin überglücklich! Habe sofort Susi angerufen und sie spontan heute Abend zum Essen eingeladen. Fange am 1. März an. Vorbereitung auf das Interview hat sich endlich einmal gelohnt. Hatte schon irgendwie ein gutes Gefühl, aber dann überwog die Skepsis. Fragte mich, all Deinem guten Zuredens zum Trotz, ob sie das Risiko wagen würden, mich als Quereinsteiger zu nehmen? Als Volkswirt war meine bisherige Spielwiese die konjunkturelle Analyse und das Verfassen volkswirtschaftlicher Kurzstudien. Aktives Portfoliomanagement ist jedoch Neuland für mich. Muss mich für einmal überzeugend verkauft haben, da meine Bedenken nicht die ihren wurden. Endlich! Weiter so!
18. Dezember: Mensch, was für ein Katzenjammer. Jetzt gelingt mir endlich, nach vielen Anläufen der heiss ersehnte Schritt aus der grauen volkswirtschaftlichen Analysewelt in den operativen Glanz des Portfoliomanagements. Und was macht Susie?!? Freut Sie sich mit mir? Nein, mitnichten! Bös ist Sie mit mir. Gebe zu, dass es nicht ganz optimal ist, wenn mein neuer Arbeitsort gut 800km nördlich von unserem aktuellen Wohndomizil entfernt liegt. Aber seien wir ehrlich: Das Leben ist keine Wunschkonzert? Man kann doch nicht alles haben – meinst Du doch auch, oder?!? Warum verschliesst sie nur ihre Augen, vor den Chancen, die sich mir durch den Jobwechsel auftuen. Seitwärtsschritt vom volkswirtschaftlichen Research in das Portfoliomanagement bringt doch einen enorme Erweiterung meines fachlichen Erfahrungsschatz mit sich. Meine zukünftige Arbeitsmarkttauglichkeit, meine Einsatzradius wird deutlich grösser. Im Hinblick auf die langfristige Einkommenssicherung kann dies in der heutigen kompetitiven Arbeitswelt essentiell sein. Kurzum: Ein Karriereschritt, der begangen werden muss. Und überhaupt, Sie kann ja mitkommen. Nach der erfolgreich absolvierten Probezeit, zieht sie mir einfach nach. Sie findet schon einen neuen Job, oder besser: Wir bekommen Kinder, so habt Ihr das doch auch gemacht. Flexibel muss man sein! Und steht nicht auch im „Handbuch für die gute Ehefrau, wie mein Chef jüngst in einem anderen Zusammenhang erwähnte: „Denken Sie daran: Er ist der Hausherr und als dieser wird er seinen Willen stets mit Fairness und Aufrichtigkeit durchsetzen. Sie haben kein Recht, ihn in Frage zu stellen.
. Richtig so! Vielleicht kennt sie dieses Standardwerk der Pflichten einer Hausfrau noch nicht. Na, da habe ich ja etwas für Weihnachten gefunden. Endlich!
9. Februar: Mit Susi in den Ferien. Erholung dringend notwendig. Auch musste Susi irgendwie für eine temporäre Pendelbeziehung begeistert werden. Letztendlich ist der Tausch des geliebten Biergartenpanoramas gegen nordische Nüchternheit und Grachtenwelt durch zähestes Ringen und bereitgestellte Urlaubsfreuden erreicht.
28. Februar: Morgen geht’s los! Stehe vor neuem Karriereschritt als Portfoliomanager. Tasche vor Aufregung dreimal gepackt. Emotional aufgewühlt, auch durch Abschied von Susi. Sehe Sie erst in zwei Wochen wieder. Was ziehe ich nur an? Dunkler Anzug – blau oder anthrazit, mit Streifen oder ohne – , weisses Hemd – mit oder ohne Manschetten – und eine Krawatte – mit Streifen, Punkten oder doch lieber nicht? Würde ein konservativer Auftritt meine künftigen Kollegen nicht eher verschrecken, als Türen zu öffnen? Der erste Eindruck aus den Bewerbungsrunden war ja, das Portfoliomanager in Stilfragen ein eher relativ lockeres Völkchen sind. Zwar meint der oft in seiner Weissheit überschätzte Volksmund, dass es auf die inneren Werte ankommt, klar ist jedoch auch: Der erste Blick ist oft schon entscheidend. Susi fehlt mir. Ruf sie an.
1. März: Geschafft, Wouter! Erster Arbeitstag verging wie im Rausch. Bin begeistert. Ganze Aufregung war umsonst. Du willst sicher wissen, wie die Leute hier sind? Warmer Empfang, nette Kollegen, freundlicher Chef. Alle ganz locker und leger, jedoch trotzdem elegant gekleidet. Hohe Manschettenknopf- und Luxusuhrendichte – wer will es verdenken bei den hohen Bonizahlungen, pecunia non olet [!] – aber keine Krawatte – Mann will Brusthaar zeigen. Toller Arbeitsplatz direkt am Fenster mit schönem Blick ins Grüne und – da wird Susi staunen – mit sechs Bildschirmen. Wahnsinn, da den Überblick zu behalten. Mir soll es gelingen! Mit stoischer Ruhe und souverän das Einstellungsprozedere der Personal- und IT-Abteilung über mich ergehen lassen. Straffes Einführungsprogramm erhalten. Bin ganz erschlagen von den vielen, gleichwohl interessanten Eindrücken. Mit den neuen Kollegen noch „auf ein Bierchen" gegangen. Es wurden zehn – oh weh, mein Kopf.
5. April: Gut in mein Portfolio sowie die diversen Analysevehikel und Handelssysteme eingearbeitet. Weiss jetzt, wie man es macht – glaub es mir, alles keine Hexenwerk. Übergabe von meinem Vorgänger verlief indes holprig. Er war in Gedanken schon weg. Musste mir vieles durch hartnäckiges Nachfragen bei Kollegen selbst erarbeiten. Fragen wurde zunehmend als lästig empfunden und immer knapper beantwortet. Egal, das muss einfach sein. Portfolio jetzt neutral zur Benchmark ausgerichtet. Nur kein Risiko eingehen. Kann ruhig schlafen.
9. April: Viel Fundamentalresearch gelesen. Auszüge gemacht. Einschätzungen über die aktuelle Konjunkturlage gewonnen. Viel Strategieresearch gelesen. Auszüge gemacht. Ideen zur strategischen Positionierung bekommen. Ganz erschlagen von Researchkakophonie. Faust’sches Dilemma erschien mir als Déjà-vu: Der Gelehrte Faust hat es nicht leicht gehabt. Er studierte Philosophie, Jurisprudenz, Medizin und zu seinem Leidwesen auch Theologie, nur um am Ende zu dem Schluss zu gelangen, er stehe dort, der armer Tors und sei so klug als wie zuvor.
16. April: Mit Susi in Ferien, dringend erholungsbedürftig.
Erster Trade – emotionale Achterbahnfahrt
2. Mai: Ende der zweimonatigen Probezeit feudal in grosser Runde gefeiert. Mit Susi in gemeinsame Wohnung gezogen. Endlich wieder vereint! Du kennst mich von alters her und meine Abneigung gegen Einsamkeit. Somit weisst Du nur zu gut, wie glücklich ich jetzt bin. Susi jedoch wegen Wegzug aus heimeliger Umgebung und vom liebgewonnenen Freundeskreis weiterhin knatschig.
12. Mai: Chef war da. Seine anfängliche Freundlichkeit war wie weggeblasen. Soll endlich eine Position beziehen. Werde als aktiver Manager bezahlt und nicht für die Nachbildung der Benchmark in meinem Portfolio, als Überschussrendite- bzw. Alpha-Generator, nicht als Benchmark-Replikator. Werde somit zum aktionistischen Handeln aufgefordert, obwohl ich mich noch im rational abwägenden Schwebezustand befinde. Auch komme ich mir manchmal vor wie Don Quijotes Rosinante, die selbst schärfste Sporen und auch alles gute Zureden nicht davon abhalten, vor dem kleinsten Wall erst einmal ins Nachdenken zu verfallen darüber, welche Unendlichkeit an neuen Hindernissen wohl noch auf sie warten mögen. Muss jetzt ganz stark sein und jegliche Scheu ablegen. Position beziehen ist die Devise – doch welche nur?
13. Mai: Vielen Dank mein Lieber für Dein aufmunternden Worte. Derweil auf interessante Trade-Idee gestossen. Bin begeistert. Zinssenkungserwartungen des Marktes sind völlig übertrieben. Gemäss meiner Konjunkturanalyse und genauster Exegese der Zentralbankkommunikation wird es keine weitere Zinssenkung geben. Darauf lässt sich vortrefflich wetten.
26. Mai: Trade-Idee präsentabel hergerichtet und an der letzten Anlagesitzung vorgestellt. Kollegen skeptisch, Chef kritisch. Mein Konjunkturbild sei eine Karikatur desjenigen unserer volkswirtschaftlichen Abteilung, und somit implizit der Realität. Habe zudem vergessen Trade auf Direktionalität zu prüfen und Umsetzungsalternativen aufzuzeigen. Überarbeitung und Wiedervorlage im Rahmen der nächsten Trade-Sitzung eingefordert. Trage Bürde ritterlich.
Mai bis Juni: Konnte Direktionalität exakt nachweisen und konjunkturelle Argumentationslinie stärker herausarbeiten. Profitiere dabei vom radikalen Schwenk unserer Volkswirte, die ihre Sichtweise diametral umgeworfen haben. Du glaubst es nicht, wie flattrig sie im Ausblick sind. Erinnern mich stark an ein Fähnchen im Wind. Sind somit jetzt im Einklang mit meiner Konjunkturprognose. Diverse Umsetzungsmöglichkeiten für das Eingehen einer Short-Position am kurzen Ende beleuchtet und in die Präsentation einfliessen lassen.
7. Juni: Trade erneut bei Anlagesitzung vorgestellt. Konnte nach intensiver Diskussion Kollegen und Chef überzeugen. Werde Trade auf derivativen Weg umsetzen und zwar – verzeih mir den technischen Ausdruck – über eine Pay Position im OIS-Kontrakte für den August-Sitzungstermin der Zentralbank, also 5. August bis 6. September. Bin durch die Diskussion und Überzeugungsarbeit völlig ausgelaugt, jedoch glücklich mich durchgesetzt zu haben.
8. Juni: Warum ich Dir nicht schreibe? Kollegentypologie erarbeitet. Erhoffe mir daraus ein tieferes Verständnis für die unterschiedlichen Lösungskonzepte des Problems: wie generiere ich eine Überrendite, wie generiere ich Alpha. Konnte insgesamt 5 Typen klar herauskristallisieren. Fundamentalist stützt gesamte Handelsaktivität, auf die Entwicklung von Fundamental- bzw. Konjunkturdaten ab – reiner Top-Down-Ansatz. „Alter Hase kennt sich aus in der Welt und an den Märkten, hat bereits alles gesehen und erlebt. Handel erfolgt intuitiv, am Gespür für den Markt ausgerichtet. „Roboter
handelt rein quantitativ basiert und steuert sein Portfolio stur nach Signalen, die ihm ein modellgestütztes Handelstool sendet. „Contrarian pflegt das Partisanentum einer Minderheitenposition („only dead fish swim with the tide
) und wettet strikt gegen