Straocchio's Traum: ... ah, koennt' ich nochmal von vorne anfangen
Von A.F. Della Gorra
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Über dieses E-Book
Im Grunde: "Auch der Mensch ist nur ein Tier !... auch das Tier ist nur ein Mensch ?
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Buchvorschau
Straocchio's Traum - A.F. Della Gorra
Traeum' ich oder wach' ich?
San Lodisio - nur ein Feldweg, ein paar mickrige Häuser und eine alte heruntergekommene Kirche...
Vom Rest der Welt fast vergessen, schlief der kleine Weiler in den Hügeln der Langhe, an der Grenze zwischen Piemont und Ligurien, still vor sich hin.
Dinng-Donng – Diinng-Doonng!
Auch heute, an diesem herrlichen Sonntagmorgen, dem ersten richtigen Frühlingstag dieses Jahres, läuteten die Glocken von San Lodisio um die Gläubigen zur Messe zu rufen. Ein lauer Wind trug den Ton bis hinunter ins Tal, streichelte den Wald, in dem die Vögelchen aus vollem Herzen das Ende des Winters bejubelten, streichelte die Wiesen, wo die kleinen Häschen, fröhlich herum tollend, die ersten Löwenzahnblätter anknabberten, um dann endlich die paar Häuschen von Nizzè zu erreichen und dort die letzten übrig gebliebenen Menschen zu rufen. Und es waren wirklich nur wenige, die übrig Gebliebenen. Diejenigen, die sich wehrten gegen den Ruf der Stadt, die das Landleben vorzogen, wo der Mensch noch Mensch war, das Tier noch Tier und wo das Getreide noch genauso respektiert wurde wie das Wasser das aus den Quellen sprudelte.
In Nizzè lebte ein alter Mann und er lebte in einem alten Haus; die Wände waren rußgeschwärzt, weil er sie nur alle fünf oder sechs Jahre neu anstrich. Geweißt wurden die Wände in dieser Gegend immer nur mit Kalk – nicht weil die Leute arm waren, sondern weil sie geizig waren (und das sind sie auch heute noch). Der alte Mann hatte natürlich auch einen Namen, er hieß Lorenzo, aber alle nannten ihn „Straocchio", weil er – und das unterschied ihn von allen anderen – ein blaues und ein braunes Auge hatte. Lorenzo liebte es, in den Sommernächten den Himmel zu betrachten und dann behauptete er:
„Die Sterne sind verdammte Seelen die in der Unendlichkeit durch das Firmament vagabundieren müssen."
Viele sagten deshalb, Lorenzo sei ein versponnener Schwätzer. Aber wie wir alle wissen, überall auf der Welt, wenn jemand etwas erzählt, das die anderen nicht verstehen, dann wird er als Scharlatan abgetan. Lorenzo war nunmehr schon fünfundachtzig Jahre alt, aber das sah man ihm nicht an, im Gegenteil, er wirkte sehr viel jünger.
Lorenzo hatte in seinem langen Leben nie eine Frau und Kinder gehabt, deshalb hatte er auch niemals geweint – weder aus Sorge noch aus Freude. - Doch, einmal, einmal hatte er vor Freude geweint!
Als er noch ganz jung war, hatte er sein Herz verschenkt. Greta, die kleine Schwester von Elisa, die später seinen besten Freund Alberto geheiratet hatte, schien ihm ein Engel auf Erden zu sein. Sie kannten sich schon seit den Kindertagen und das Mädchen, zart und blond, hatte immer ein freundliches Lächeln für ihn, aber, beschützt von drei Brüdern, hatten sie fast nie die Gelegenheit allein mit einander zu sprechen oder gar zu tanzen.
Just heute, an diesem herrlichen Sonntag, feierte Lorenzo seinen fünfundachtzigsten Geburtstag und er freute sich ganz besonders, endlich wieder, wie so oft in all diesen Jahren, zu Fuß bis zur Kirche von San Lodisio gehen zu können. Wie immer, wie jedes Jahr, hatte es auch in diesem Frühling geregnet; Tag für Tag, Woche für Woche. So war selbst er, der eingefleischte Naturmensch, gezwungen gewesen, mit den jungen Leuten (für ihn alle unter achtzig Jahren), im, ach so geliebten Auto, zu fahren. Fast niemanden reizte es heute noch, sich zu Fuß durch die Wiesen und Wälder auf den Weg zu machen; mit offenen Augen die Natur zu erleben, wie Straocchio es liebte, da man doch die kurze Strecke bequem in wenigen Minuten im Auto zurücklegen konnte. Obwohl er immer wieder mit Begeisterung erzählte was sie alles, eingeschlossen in ihren wunderschönen Autos, verpassten, ordnete man ihn im allgemeinen nur als alten, verschrobenen Kauz ein.
Tatsächlich war er nicht nur ein alter Kauz, sondern, und vor allem, auch ein Zyniker; sagte er doch immer:
Mein bester Freund war ein Hund.
Lorenzo zog es schon immer vor, allein mit seinem Hund, in seinem alten Haus zu leben. Sie aßen immer beide zur gleichen Zeit, gingen zur gleichen Zeit schlafen und standen zur gleichen Zeit wieder auf. Sie gingen immer recht früh zu Bett, die beiden, denn Lorenzo hatte, zum Beispiel, nicht einmal einen Fernseher.
„Das ist Teufelszeug!"
beteuerte er immer wieder (und vielleicht hatte er auch gar nicht so Unrecht!); er hatte nur ein altes Radio, um die geliebten Fußballspiele zu hören. Er war ein Fan von Inter Mailand und, ehrlich gesagt, trotz seiner Abneigung gegen jede Technologie, versäumte er es selten, am Sonntag Nachmittag gemeinsam mit den wenigen restlichen Nachbarn, die sich zu diesen Gelegenheiten vollzählig in der Bar einfanden, die Spiele im Fernsehen zu verfolgen und zu diskutieren. Aber er war nicht nur Tifoso von Inter, sondern ganz besonders von einem großartigen Spieler: und zwar von Mariolino Corso. Nicht nur, dass er sein treuester Fan war, er war auch bereit jede Wette auf ihn zu