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Gewalt des Glaubens Teil 1: Im Schatten des Todes
Gewalt des Glaubens Teil 1: Im Schatten des Todes
Gewalt des Glaubens Teil 1: Im Schatten des Todes
eBook431 Seiten5 Stunden

Gewalt des Glaubens Teil 1: Im Schatten des Todes

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Über dieses E-Book

1536:
Zehn Jahre, nachdem die Inquisition in Rothenburg gewütet hat, kehrt Markus zurück. Auf dem Gut, auf dem sein ehemaliger Lehrmeister Matthias mit Marie und ihren Kindern lebt, erzählt er von seinen Erlebnissen.
Beginnend mit seiner Ausbildung in Bamberg berichtet er von den Erlebnissen in Wien, wo er 1529 gegen die Osmanen kämpft. Dort trifft er auf Anna, die er nie vergessen konnte. Gemeinsam erleben sie dort die Schrecken des Krieges und lernen die tiefsten Abgründe menschlicher Grausamkeit kennen. Sie trotzen der Gefahr, doch Intrigen und Verleumdung bedrohen ihre aufkeimende Liebe, während sich ein alter Feind aus der Vergangenheit darauf vorbereitet, aus dem Exil zurückzukehren.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum24. Aug. 2017
ISBN9783745014006
Gewalt des Glaubens Teil 1: Im Schatten des Todes
Autor

Martina Noble

Geboren, ja sicher. 1979 in Mainz. Ich habe schon immer geliebt, mir Geschichten auszudenken, sie zu erzählen und auch aufzuschreiben. Seit 2014 schreibe ich mit Werner zusammen, wir konnten schon eine stattliche Anzahl von Büchern veröffentlichen. In diesem Zusammenhang haben wir mit Sandra unsere Cover-Designerin gefunden, die uns immer wieder mit tollen Ideen und Bildern überrascht. Und so haben wir dann beschlossen, unsere Reise gemeinsam fortzusetzen. Volle Fahrt voraus!

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    Buchvorschau

    Gewalt des Glaubens Teil 1 - Martina Noble

    Vorwort:

    Dieser Roman ist eine Fiktion, welche sich an historische Ereignisse anlehnt.

    Die Belagerung Wiens im Jahr 1529 hat tatsächlich stattgefunden, auch die Massaker und die beschriebenen Gräueltaten sind historisch belegt.

    Teilweise haben wir die Ereignisse ein wenig gestrafft und an die Geschichte des Buches angepasst.

    Auch haben einige der im Buch beschriebenen Personen gelebt, wie Pfalzgraf Philipp, Graf Salm, Bürgermeister Treu, die Bischöfe von Köln und Würzburg, Papst Clemens und Martin Luther.

    Die Interaktionen mit den fiktionalen Charakteren sind allerdings frei erfunden und haben so niemals stattgefunden, auch die Gespräche der historischen Personen sind eine reine Erfindung der Autoren.

    In Steyr gab es einen Bürgermeister Fuchsberger, aus Gründen der Dramaturgie haben wir jedoch seine Amtszeit an die Handlung des Romans verlegt.

    Für etwaige Abweichungen, welche sich nach 500 Jahren zwangsweise ergeben, möchten wir uns entschuldigen und um Verständnis bitten.

    Danksagung

    Mit »Im Schatten des Todes« liegt mittlerweile das achte Buch von Martina Noble und mir vor.

    In einer Rezension haben wir etwas gelesen, was uns zunächst verwirrte, aber letztlich doch auch berührte. Eine Leserin bezeichnete uns als das »Duo Infernal des mittelalterlichen Romans«.

    Wir hoffen, dass Sie an der Lektüre des vorliegenden Buches genauso viel Vergnügen haben wie wir an der Erschaffung.

    W

    Wir wissen, Danksagungen liest fast niemand, aber dennoch müssen wir uns bei einigen Menschen bedanken, ohne die dieses Buch nicht entstanden wäre, zumindest nicht in der jetzigen Form.

    Da wäre Sandra Limberg, unseren Milchkaffeejunkie, die sich mit dem Cover und all den anderen Bildern, die im April 2017 in Oppenheim entstanden sind, mal wieder selber übertroffen hat.

    W

    Dann ein »Vergelt's Gott« an die

    Evangelische Kirchengemeinde Oppenheim, (Merianstraße 6 55276 Oppenheim www.katharinen-kirche.de), die uns freundlicherweise die Erlaubnis gegeben hat, in ihrer wunderschönen Kirche fotografieren zu dürfen.

    Natürlich auch ein Dank an unsere beiden Titelmodels Cindy Schmidt und Tim Damen, die keine Mühen gescheut haben, sich für uns in Positur zu werfen.

    W

    Auch ein Dank an Andrea Fahrbach von Gewandfantasien (www.Gewandfantasien.de) für die tolle Ausstattung unserer Models.

    Und als Wichtigstes: Danke an alle unsere treuen Leser und, ja, man kann schon sagen Fans, die uns durch ihre Resonanz zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

    W

    Tja, und dann noch »Danke« an den Wettergott, der am 29.4.2017 Gnade hat walten lassen und uns wunderbares Fotowetter beschert hat.

    W

    Bevor ich es vergesse: Auch allen, die uns schlechtreden oder uns mit Häme oder Neid überschütten, ein »Dankeschön«. Damit bleiben wir im Gespräch. Und durch die schlechten Rezensionen, die ein Spiegelbild des Rezensenten sind, gewinnen die positiven Rückmeldungen umso mehr an Gewicht.

    Prolog

    Gutshof von Matthias und Marie, August 1536

    Marie stand in der Küche ihres Hauses und knetete den Teig für die Brote, die sie noch backen wollte. Die kleine Leonore, ein hübsches blondes Mädel von sieben Jahren, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war, half ihr. Sie sah aus wie ein Geist, war von Kopf bis Fuß mit Mehl bestäubt. Die zweijährige Barbara, ihr jüngstes Kind, saß unter dem Tisch und spielte.

    Eckhard, ihr Erstgeborener, war mit Matthias im Wald und half seinem Vater bei der Arbeit. Er war mit neun Jahren schon fast so groß wie Marie, kam allerdings eindeutig nach dem ehemaligen Henker von Rothenburg. Die beiden Wölfe, ausgewachsen und wachsam, ließen die Kinder keinen Augenblick aus den Augen. Auf einmal legte Donner die Ohren an und knurrte. Kurz darauf auch Luna.

    »Was ist denn mit euch?«, fragte Marie argwöhnisch.

    Doch da hörte auch sie den Hufschlag, der im Hof hallte. Luna sprang auf, als habe man sie gestochen, und fing an, aufgeregt zu bellen. Auch Donner war völlig außer sich, sprang immer wieder an der Eingangstür hoch. Marie verstand nicht, was los war. Die Wölfe reagierten sonst nie auf Besucher. Da klopfte es. Marie zuckte zusammen; sie erwartete niemanden. Diese Tatsache zusammen mit dem merkwürdigen Verhalten der Wölfe mahnte zur Vorsicht. Die blonde Frau griff beherzt nach einem Schürhaken und öffnete einen Spalt breit die Tür. Vor ihr stand ein stattlicher Bursche in glänzendem Harnisch und grinste sie an.

    »Marie, du bist noch schöner als damals«, lachte er.

    Sie wollte gerade eine barsche Antwort geben, als Luna und Donner an ihr vorbeisausten. Verdutzt sah sie hinter ihnen her und erblickte einen zweiten Mann, groß und breit wie ein Berg und mit dem fettesten Grinsen, das sie je gesehen hatte. Und neben dem Mann einen dritten Wolf, den ihre beiden freudig begrüßten.

    »MAX!«, rief Marie, den sie natürlich sofort erkannte. Er hatte sich kaum verändert! Dann musterte sie den jüngeren Mann eindringlich und runzelte die Stirn. »Markus?«, fragte sie unsicher.

    Sie konnte es wirklich nicht sagen - als sie den früheren Lehrjungen ihres Mannes das letzte Mal gesehen hatte, war er keine fünfzehn gewesen, hager, schlaksig und meistens schmutzig - kein Vergleich mit dem hochgewachsenen, starken Soldaten, der nun vor ihr stand. Der Angesprochene nickte nur, und noch, bevor er etwas sagen konnte, wurde er von Max beiseitegeschoben. Er hob Marie hoch und wirbelte sie durch die Luft.

    »Vogtschwester! Max froh, dich zu sehen.«

    Marie rang nach Luft. Unwillkürlich kamen ihr die Tränen. Es war so lange her, und doch schien es ihr in diesem Moment, als ob die Zeit angehalten worden wäre. Sie trommelte mit den Fäusten gegen seinen Brustkorb, lachte und weinte gleichzeitig. Die Wölfe rannten quer über den Hof, als ob Donner und Luna ihrem vermissten Bruder alles zeigen wollten. Barbara war inzwischen an der Hand ihrer Schwester zur Tür gekommen und starrte mit großen Augen auf das, was sie sah. Sie verstand nicht, warum der Bär, als solchen sah sie Max an, ihre Mutter durch die Luft wirbelte, als ob er sie fressen wollte, und diese dabei lachte. Ein Wimmern entstieg ihrer Kehle. Als sich der andere Fremde dann zu ihr beugte und sie ansah, fing sie laut an zu weinen. Markus zuckte zurück.

    »Hoppla, die junge Dame ist aber sehr schreckhaft. Dabei seh ich doch gar nicht so grausig aus«, lachte er.

    Sein Lachen sorgte bei Barbara dafür, dass sie sich beruhigte und ihm ein zaghaftes Lächeln schenkte. Jemand, der lacht, konnte nicht böse sein, so suggerierte ihr das kindliche Bewusstsein.

    Max hatte Marie inzwischen losgelassen und ließ sich auf alle Viere nieder, krabbelte zu dem kleinen Mädchen.

    »Oh, Vogtschwesterkind, hübscher als ihre Mama«, brabbelte er und zog dabei eine alberne Grimasse, sodass das kleine Mädchen sofort lachen musste. Der Bär war komisch, fand sie.

    Markus hatte endlich die Gelegenheit genutzt, Marie in die Arme zu nehmen.

    »Gott, Marie, ich hab euch alle so vermisst«, flüsterte er und Marie spürte, wie seine Tränen ihre Haut benetzten.

    Sie drückte ihn fest an sich. Es war so lange her, seit er damals mit den Soldaten Rothenburg verlassen hatte, und aus dem linkischen Burschen war ein stattlicher Mann geworden, der sie um einen Kopf überragte. Plötzlich hörte sie Schritte und dann die dröhnende Stimme ihres Mannes.

    »Hol mich der Teufel. Was für ein Kerl vergreift sich da an meiner Frau?«

    Matthias hatte das Bellen der Wölfe gehört und war sofort zurück zum Haus gerannt. Obwohl es mittlerweile schon lange zurücklag, dass er und Marie sich in ständiger Lebensgefahr befunden hatten, war er immer noch bereit, sie mit allen Mitteln zu verteidigen, wenn es sein musste. Als er sah, dass ein Mann sie umarmte und sie ihn auch noch festhielt, stach es ihm im ersten Moment ins Herz. Doch er wusste, Marie würde sich niemals von einem Fremden umarmen lassen, und es sah nicht so aus, als ob es gegen ihren Willen geschah. Als er dann Max auf dem Boden liegen sah, während Barbara und Leonore bereits auf seinem stattlichen Bauch herumhüpften, wurde ihm einiges klar. Aber er würde sich trotzdem einen Scherz erlauben.

    »Lass sie besser los, du Halunke, ansonsten hast du nichts mehr, was du einer Frau bieten kannst.«

    Er machte eine Pause, sah, wie Markus, der ihm den Rücken zuwandte, sich leicht versteifte, während Marie ihn ansah, und begriff, was er vorhatte. Ihre Augen blitzten vergnügt.

    »Vielleicht hätte ich dich doch damals schon von dem Elend erlösen sollen, das dich des Nachts nicht schlafen lässt.«

    Die Drohung in Matthias' Stimme war nicht echt. Markus ließ Marie los, drehte sich um und grinste breit.

    »Meister Matthias, ich freue mich, dass Ihr Euren Humor nicht verloren habt.«

    Er wusste, worauf sein früherer Meister anspielte. Als er damals von ihm als Henkersgehilfe aufgenommen worden war, hatte er einmal Marie beim Baden beobachtet. Dummerweise hatte Matthias ihn erwischt.

    Was dann folgte, würde Markus sein Lebtag nicht vergessen. Er war auf den Tisch geworfen worden und sein Meister hatte so getan, als ob er ihn kastrieren würde, doch in Wahrheit hatte er das Messer nur in ein Stück Schinkenspeck, dass sich zwischen seinen Beinen befunden hatte, gespießt. Es war ihm jedenfalls eine Lehre gewesen, und er hatte Marie nie wieder heimlich beobachtet! Matthias grinste ihn an, trat zu ihm und umarmte ihn.

    »Markus! Ich bin froh, dass du gesund und wohlbehalten bist. Wie lange ist das her? Zehn Jahre?« Er rückte ihn auf Armeslänge von sich. »Und lass den Meister weg. Ich bin keiner mehr. Nur ein Holzfäller und Bauer.«

    Markus musterte seinen ehemaligen Meister. Er war Zeuge gewesen, wie Matthias nach der Hinrichtung an der Frau des Vogtes, die Marie nach dem Leben getrachtet hatte, sein Richtschwert zerbrochen und seinen Beruf als Henker aufgegeben hatte.

    Es war dem jungen Burschen damals schwergefallen, das als endgültig zu betrachten, aber Matthias hatte scheinbar Wort gehalten. Er war nie gern Henker gewesen.

    »Und, seid Ihr glücklich, Meister«, fragte er und erntete dafür eine Kopfnuss.

    »Wenn du noch einmal Meister sagst, dann überlege ich es mir am Ende doch noch anders«, flachste Matthias und wandte sich jetzt dem gewaltigen Kerl zu, der immer noch auf dem Boden lag und sich von Barbara bearbeiten ließ. »Ich sehe, Max hat sich kein bisschen verändert.«

    »Oh, das stimmt nicht. Er ist schon ein wenig erwachsener geworden, zumindest manchmal«, warf Markus ein. »Und er kann sogar schon bis zehn zählen.«

    »Ernsthaft?«

    »Ja, Max zählt. Eins, zwei, drei, Bier, fünnef, sechse, siebene, achte, nein, Zähne.«

    »Interessante Zähleweise«, lachte Marie. »Aber ich denke, ihr kommt alle rein. Ich mache uns etwas zu essen. Ihr bleibt doch, oder, Markus?«

    »Wie könnte ich dir etwas abschlagen, Marie.« Schon als er es sagte, bedauerte er die Ausdrucksweise. »Ich meine, wie könnte ich dir eine Bitte verweigern.«

    Marie lächelte ihn an, während Matthias ihm eine Hand auf die Schulter legte.

    »Schon gut, Markus. Abschlagen war vielleicht nicht das richtige Wort. Aber in dem Punkt sind wir uns einig. So wie bereits damals könnte ich es heute genau so wenig. Und um auf deine Frage zurückzukommen: Ja, Markus. Ich bin glücklich. Und nun kommt. Wir waschen uns und dann lassen wir uns von Marie bekochen und erzählen.« Er sah sich um. »Wo ist denn nur Eckhard?«

    »Meinst du den großen Burschen, der da hinter der Hauswand steht und uns nicht aus den Augen lässt? Der sich überlegt, ob er uns begrüßen oder angreifen soll?«

    Der Beobachter war Markus keineswegs entgangen.

    »Eckhard«, rief Matthias. »Komm her.«

    Der junge Bursche kam zögernd hinter der Hauswand hervor. Markus betrachtete ihn. Er hatte Maries Nase und ihr blondes Haar, aber die Statur und die dunklen Augen seines Vaters. Er würde ihm an Körpergröße und auch Kraft in ein paar Jahren an nichts nachstehen, erkannte Markus. Er ging zu ihm und reichte Eckhard die Hand.

    »Ich freue mich, dich nach all den Jahren endlich kennenzulernen«, sagte er freundlich. »Als ich deinen Vater und deine Mutter das letzte Mal gesehen habe, da warst du noch nicht geboren.« Er sah zu den beiden Mädchen. »Und dass du mittlerweile noch zwei Schwestern hast, das wusste ich auch nicht.«

    Eckhard drückte Markus zaghaft die Hand. Doch dann spürte der Soldat, wie der Griff fester wurde und versuchte, dagegenzuhalten. Sie sahen sich dabei tief in die Augen, es war ein Spiel, bei dem jeder den anderen testete, wie viel er aushielt. Es dauerte einige Augenblicke, da ließ Eckhard ihn los. Markus rieb sich die schmerzende Hand.

    »Mein lieber Schwan, Marie, was gibst du dem Burschen zu essen? Dagegen ist ja der Händedruck von Max das reinste Streicheln.«

    Jetzt brachen bei Eckhard die Dämme und er lachte.

    »Mama sagt immer, ich fress ihr noch die Haare vom Kopf.«

    »Den Verdacht habe ich auch«, grinste Markus und hieb dem Burschen mit aller Kraft auf die Schulter, der nicht einmal zuckte.

    Matthias legte seinem Sohn eine Hand auf dessen rechte Schulter.

    »Eckhard ist Fremden gegenüber sehr vorsichtig. Ich glaube, er ist der Meinung, dass ich alleine es nicht schaffe, die Frauen hier im Haus zu beschützen.«

    Sein Sohn wurde rot, sagte aber nichts, sondern sah seinen Vater mit einem Blick an, der Markus verriet, dass er ihn über alles liebte, ja fast verehrte.

    »So, wollt ihr hier weiter rumstehen und Maulaffen feilhalten? Was sind das für Manieren? Leonore, du kümmerst dich um Barbara, Eckhard, sieh zu, dass das Feuer brennt, Matthias, du gehst in die Speisekammer, unsere Gäste werden hungrig und durstig sein.«

    »Jawohl!«, grinste Matthias und stand scherzhaft stramm, zwinkerte dann Markus zu. »Weißt du jetzt, wer hier das Sagen hat?«

    Markus nickte grinsend.

    »Das erinnert mich an meine Ausbildung. Da wurde ich auch so gescheucht.«

    Gemeinsam betraten sie das Haus. Max noch immer auf allen vieren, während die beiden Mädchen auf ihm wie auf einem Pferd ritten. Markus ließ es sich nicht nehmen, mit den Tisch zu decken.

    Nachdem sie gegessen hatten und der Abend hereingebrochen war, sah Marie Markus an.

    »Wollt ihr wieder weg oder bleibt ihr eine Weile? Wir haben genug Platz.«

    »Wenn es euch nichts ausmacht, dann würden wir gerne ein oder zwei Tage bleiben. Es gibt viel zu erzählen«, sagte Markus leise.

    Matthias stutzte. Etwas an dem Tonfall gefiel ihm nicht. Es klang ein gewisser Schmerz durch.

    »Ihr könnt bleiben, so lange ihr wollt oder es eure Pflicht euch gestattet«, sagte er bestimmt. »Marie, ich glaube, die Mädchen müssen ins Bett.«

    »Und ich?«, fragte sein Sohn. »Ich bin kein kleiner Junge mehr.«

    Matthias tauschte einen kurzen Blick mit Markus, der nur nickte.

    »Du kannst noch aufbleiben, wenn deine Mutter es erlaubt.«

    »Aber nur, wenn Markus nichts erzählt, was für Kinderohren nicht geeignet ist!«, grinste Marie.

    »Ich werde versuchen, mich zu benehmen.«

    Eine Stunde später saßen Matthias, Marie, Markus, Max und Eckhard im Hof um ein Feuer. Es war eine milde Sommernacht, zu schön, um im Haus zu bleiben. Markus sah gedankenverloren zu den Sternen. Wie so oft in den letzten Jahren stellte er sich die Frage, wie alles, was geschehen war, zusammenpasste. Und wie er das alles dem Mann erzählen sollte, dem er verdankte, dass er nicht als Dieb bestraft worden war, sondern ein ehrbares Leben führen konnte, auch wenn es bei Weitem nicht so verlaufen war, wie er gehofft hatte.

    Langsam, stockend, dann immer flüssiger erzählte er, was sich, seit er aus Rothenburg fortgegangen war, ereignet hatte.

    Erster Teil

    Bamberg, Februar 1527

    Markus fror wie ein junger Hund. Missmutig stapfte er durch den Schnee und folgte den Pferden und Wagen, die sich vor ihm mühsam den Weg bahnten. Neben ihm marschierte Max, der eigentlich wie fast immer gut gelaunt war. Schnee, Regen, Sturm, nichts schien seiner Laune etwas anhaben zu können. Nur wenn es zu wenig zu essen gab, dann wurde Max ungehalten. Aber mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, dass die Rationen, die sie erhielten, ihn nur bedingt sättigten. Doch der Hüne war ein Überlebenskünstler. Er hatte es sich zu eigen gemacht, mittels selbstgemachter Drahtschlingen Hasen und Kaninchen zu fangen, die er sogar recht schmackhaft zubereiten konnte. Es war eine willkommene Erweiterung des Speiseplans, die ihm den Respekt und die Gunst der meisten Kameraden eingebracht hatte.

    Auch Bandit, der nie von Markus' Seite wich, half dabei, indem er immer wieder Kaninchenbauten erschnüffelte, die Max aushob, wofür der brave Wolf dann seinen Teil abbekam.

    Zu Beginn hatte es gerade wegen Bandit Probleme gegeben, denn ein Tier, das kein Pferd war, hatte im Regiment nichts verloren - schon gar nicht, wenn es ein Wolf war! Nach einigem Hin und Her und der Fürsprache von Markus' Truppenführer war man letztendlich jedoch übereingekommen, ihn zu dulden.

    Endlich kam ihr Ziel in Sicht. Es lag in einer Senke, direkt am Ufer der Regnitz, unterhalb von Bamberg. Oben auf dem Hügel sah Markus den Dom, der dort thronte und alles zu überragen schien. Das Lager, in dem er seine Ausbildung zum Soldaten fortsetzen sollte, bestand hauptsächlich aus Zelten, die, wie er erkennen konnte, sorgfältig in einem Quadrat angeordnet waren. Er freute sich darauf, endlich wieder etwas Wärme zu spüren. Und er hatte Heimweh.

    Obwohl Zeit seines Lebens unseßhaft, so hatte er doch in der kurzen Spanne, in welcher er in Rothenburg bei Matthias Wolf und dessen Frau gelebt hatte, so etwas wie Heimatgefühle entwickelt.

    Doch Rothenburg war für ihn im Moment so weit weg wie der Mond und er fragte sich, ob er die Stadt irgendwann wiedersehen würde.

    Die Kolonne schob sich in das Lager, neugierig beobachtet von Dutzenden Augenpaaren. Schließlich blieben sie stehen. Ein Mann, dem eine wulstige Narbe quer übers Gesicht lief, kam heran und teilte die neuen Soldaten auf. Jeder kam in eine bereits bestehende Gruppe, in der er ausgebildet werden sollte.

    Nach und nach leerte sich der Platz, bis nur noch Markus und Max übrig waren. Langsam näherte sich ein Soldat, sah Markus lange ins Gesicht. Markus erwiderte den Blick des Fremden. Er war groß und breitschultrig, das braune Haar kurz und ordentlich geschnitten, und seine grauen Augen strahlten eine selbstbewusste Ruhe aus. Sofort hatte Markus das Gefühl, hier jemanden vor sich zu haben, dem er sich bedingungslos anvertrauen konnte.

    »Du bist also Markus«, sagte der Soldat mit eindringlicher Stimme. »Man hat mir bereits von dir berichtet.« Er musterte Max, streifte auch Bandit mit einem kurzen Blick. »Und das sind deine, nun, Gefährten. Ich bin Conrad von Waldow, Hauptmann und in Zukunft dein Vorgesetzter. Wollen wir mal sehen, was wir aus euch machen können.«

    Er sah sich um und winkte einen Mann zu sich, der mit gemächlichem Schritt näherkam.

    »Hauptmann?«

    Markus erlaubte sich einen Blick auf den Neuankömmling. Er war in etwa genau so groß wie Waldow, allerdings im Gegensatz zu dem ordentlich rasierten Hauptmann mehr als üppig mit rotbraunem Haupthaar ausgestattet, das sich in einem wilden Vollbart fortsetzte.

    »Eberschneider, was machen wir mit den beiden?«

    Der Angesprochene ging einmal um Markus herum, dann einmal um Max und versuchte, sich ein Urteil über die neuen Rekruten zu bilden.

    »Das ist ne gute Frage. Ich meine, der Dicke hier, der frisst uns arm. Und dem da«, er zeigte auf Markus, »dem pfeift ja fast der Wind durch die Rippen. Vielleicht erst einmal was tun lassen, was sie stärkt und uns hilft? So wie«, er kratzte sich am Kinn, »Holz hacken?«

    Von Waldow grinste, doch urplötzlich wurde die Musterung unterbrochen, als ein Geräusch wie Donner ertönte, dazu die Schreie von Männern, und die fröhliche Miene des Hauptmanns gefror. Er fuhr herum und sah, wie aus dem westlichen Teil des Lagers ein Pferd herangaloppiert kam. Die Zügel schleiften über den Boden, Schnee und Eis spritzten unter den Hufen hervor, und wie wild verdrehten Augen zeigten, dass es vollkommen außer Kontrolle war.

    »Verdammt!«, fluchte er. »Bringt euch in Sicherheit, aus dem Weg, los!«, stieß er hervor und packte Markus am Arm.

    Doch noch bevor er einen Schritt machen konnte, schob sich etwas an ihm vorbei und er erkannte mit Entsetzen, dass Max sich genau in die Bahn des Pferdes stellte und damit seinen Freund schützte. Er hob beide Arme hoch in die Luft.

    »HOH!«, rief er laut. »Langsam, Pferd.«

    Bewegungslos blieb er stehen, wie ein Fels ragte er empor. Das Tier, das in vollem Galopp war, sah die Gestalt und stemmte alle vier Hufe in den Boden. Es rutschte gefährlich nah an Max heran, aber kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen, schnaufte laut. Max sah ihm in die Augen, ließ die linke Hand sinken, griff in die Tasche und zog eine verschrumpelte Mohrrübe hervor, hielt sie dem Pferd vor das Maul. Skeptisch schnupperte das Tier, bevor es das Gemüse aus der Hand nahm und kaute.

    Mittlerweile waren etwa zehn Männer angekommen, die völlig verstört zusahen, wie Max die Zügel nahm und das Tier an ihnen umdrehte.

    »So, Pferd, du musst Max sagen, wo du wohnst«, brabbelte er.

    »Moment!«, rief von Waldow, der wie vom Donner gerührt das ihm gebotene Schauspiel beobachtet hatte und ging auf Max zu, sah ihn lange an. »Warum hast du das gemacht?«

    »Was?«, antwortete der Hüne. »Max was gemacht? Nur Pferd angehalten, wollt mein Freund umrennen. Max immer beschützt Freund.«

    Er tätschelte dabei den Hals des Tieres, das sich lammfromm verhielt. Von Waldow schüttelte den Kopf, sah zu Markus.

    »Macht der so was öfter?«

    Markus hob die Schultern.

    »Er hat sich in den Kopf gesetzt, auf mich aufpassen zu müssen. Es wäre besser, ihn das auch tun zu lassen, denke ich.«

    Waldow kratzte sich am Kopf, rief nach dem Stallmeister, der in geduckter Haltung näherkam.

    »Was habt Ihr mir zu sagen?«

    Seine Stimme war auf einmal eiskalt. Markus erkannte sofort, dass er es gewohnt war zu befehlen und keinen Widerspruch zu dulden.

    »Es tut mir leid, aber diese Schindmähre macht nur Ärger. Aber ich verspreche Euch, morgen habt ihr ihn auf dem Mittagstisch!«

    »NEIN!«, rief Markus entsetzt.

    Der Hauptmann fuhr herum.

    »Du wagst es, etwas zu sagen, ohne dass dich jemand um deine Meinung gebeten hat?«

    »Verzeiht mir. Aber es ist nicht richtig, ein Tier zu töten, weil die Menschen es nicht verstehen, mit ihm umzugehen.«

    »Ach, und du kannst es?«

    Der Spott in der Stimme des Stallmeisters war nicht zu überhören. Aber Markus hatte etwas gesehen, das ihm den Grund gezeigt hatte, warum das Tier so reagiert hatte.

    Er wandte sich an den Hauptmann.

    »Entschuldigt, aber darf ich?«

    Waldow verschränkte die Arme und nickte. Das schien mehr als interessant zu werden.

    »Nur zu.«

    Markus ging langsam auf das Pferd zu, legte ihm eine Hand auf die Nüstern.

    »Pscht, schon gut. Alles gut«, flüsterte er. Als er die Trense berührte, zuckte das Tier. »Max, kannst du seinen Kopf halten?«

    »Max hält Kopf bis Sommer kommt, wenn du es sagst.«

    Er schlang einen seiner kräftigen Arme um den Hals und hielt das Tier so fest. Markus löste die Trense und zog sie dem Pferd aus dem Maul. Blut klebte an ihr. Er holte tief Luft, schluckte, dann zog er langsam das Maul auf und sah hinein.

    »Wie ich es mir gedacht habe.« Er sah zu von Waldow. »Hauptmann, wenn Ihr …«

    Doch der stand schon neben ihm, betrachtete die Trense, sah in das Maul des Tieres und erkannte sofort, was geschehen war. Man hatte dem Pferd mit Gewalt die Trense hineingeschoben und dabei einen Zahn, der entzündet und vereitert war, noch weiter verletzt. Durch den Schmerz war das Tier an den Rand des Wahnsinns getrieben worden und schließlich durchgegangen.

    Waldow drehte sich zum Stallmeister.

    »Was habt Ihr getan?«, fauchte er. »Wisst Ihr, was ein solches Pferd wert ist? Wolltet Ihr das Tier zugrunde richten?«

    Seine Stimme wurde immer leiser. Der Stallmeister wurde blass, Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wollte etwas erwidern, aber Waldow brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

    Er wandte sich wieder an Markus.

    »Woher hast du das gewusst?«

    »Gewusst habe ich es nicht«, erwiderte er ehrlich. »Aber ich habe es vermutet, als ich gesehen habe, wie er gekaut hat. Immer wieder hat er gezuckt. Da dachte ich, vielleicht hat er etwas am Zahn, und da ist eine Trense das Richtige, um ihn durchdrehen zu lassen. Wahrscheinlich hat der Stallmeister den Zahn gestreift, als er dem Tier die Trense ins Maul gezwungen hat.«

    Waldow nickte, dann ging er zu Max und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

    »Also, ich habe mich entschieden. Du wirst dich zunächst einmal um das Tier kümmern. Ich sorge dafür, dass sich jemand den Zahn ansieht und dafür sorgt, dass da etwas geschieht. Aber so lange bleibst du bei dem Pferd. Verstanden?«

    Max warf sich in die Brust.

    »Ja, Hauptemann!«

    Waldow schüttelte den Kopf.

    »Eberschneider, Ihr bleibt bei ihm, nicht, dass er sich verläuft und auf einmal oben beim Bischof steht.« Der Angesprochene nickte und winkte Max, ihm zu folgen. Waldow blickte Markus direkt in die Augen. »Junge, ich spüre, du bist etwas Besonderes. Aber bevor ich mich entscheide, was ich mit dir mache, muss ich dir noch ein paar Fragen stellen.« Er hob den Zeigefinger. »Und ich warne dich: Lüg mich an, und du wirst erkennen, dass die Hölle gegen das, was dich dann erwartet, der reinste Lustgarten ist. Verstanden?«

    Markus nickte.

    »Nun gut, ich weiß nicht viel über dich«, fuhr Waldow fort. »Ich weiß nur, dass du in Rothenburg warst und dort, sagen wir mal, in seltsame Geschichten verwickelt wurdest. Darüber reden wir später. Doch was ich nicht weiß: Was hast du davor getan?«

    Markus erzählte bereitwillig von seiner Vergangenheit und wie er vom Henker von Rothenburg vor einer wütenden Meute beschützt worden war, weil er aus Hunger zwei halbvergammelte Würste aus dem Schweineimer gestohlen hatte. Er berichtete, wie er zum Gehilfen ausgebildet worden war.

    »Gut. Ich spüre, dass du mir nicht alles erzählt hast, aber du scheinst nicht zu lügen. Weiter: Hast du, bevor du in diese Ausbildung kamst, jemanden getötet?«

    »Nein, Hauptmann.«

    »Nun, das Töten wirst du bei uns früh genug lernen.« Er machte eine Pause. »Junge, bist du getauft?«

    »Ich weiß es nicht.«

    »Du weißt es nicht?«

    »Nein Hauptmann. Ich weiß es nicht. Ich weiß weder, woher ich stamme, noch kann ich mich an meine Eltern erinnern. Ich kann also nicht sagen, ob ich getauft bin.«

    Von Waldow sah Markus versonnen an, dann lächelte er.

    »In Ordnung, darum kümmern wir uns. Fürs Erste wirst du in meiner Nähe bleiben, als mein Bursche. Aber du wirst, wie alle anderen, die Ausbildung machen, die für euch vorgesehen ist. Verstanden?«

    »Ja, Hauptmann.«

    »Gut, und jetzt, komm mit, du bist ja völlig durchgefroren.«

    W

    »Wann sind wir denn endlich da?«

    Anna hatte das Gefühl, dass sie den Dom zu Bamberg schon seit einer halben Ewigkeit sehen konnte. Nur schien er nicht näherzukommen! Der Gauklertross kämpfte sich langsam an der Regnitz entlang auf die Stadt zu. Quälend langsam, denn auf der Straße war der Schnee von zahlreichen Fuhrwerken und Füßen festgefahren und -getreten und gefährlich glatt geworden.

    »Vor Sonnenuntergang auf jeden Fall!«

    Silvanus' Stimme kam dumpf hinter dem Schal hervor, den er sich um den Kopf gewickelt hatte. Es war so kalt, dass einem der Atem schier vor dem Mund gefror! Er konnte die Ungeduld seines Zöglings neben ihm auf dem Kutschbock durchaus verstehen, freute sich ebenfalls auf ein Feuer und, im besten Fall, falls sie irgendwo in der Stadt Wasser finden konnten, das noch nicht gefroren war, einen Besuch seines eigenen Badezubers, aber er wagte es nicht, die Pferde zu einer schnelleren Gangart anzutreiben. Immer wieder glitten sie auf dem vereisten Boden aus und fingen sich nur mühsam wieder. Eines zu verlieren konnte er sich nicht leisten. Die Tiere waren wertvoll, sowohl für die Vorstellung als auch zum Ziehen der Wagen. Ein neues Pferd kaufen zu müssen würde die Verdienste mehrerer Wochen, vielleicht sogar Monate, kosten. Christine, die auf Annas anderer Seite auf dem Kutschbock saß, wandte sich an das Mädchen.

    »Wenn dir langweilig ist, kannst du ja schon einmal nach hinten klettern und dir ein Kostüm für die Ankunft in der Stadt aussuchen!«

    Anna verzog leicht das Gesicht; vor etwas mehr als einem Jahr, an ihrem dreizehnten Geburtstag - oder dem Tag, den die Truppe als ihren Geburtstag feierte - war sie offiziell bei den Gauklern aufgenommen worden. Das bedeutete, dass man sie nicht länger als Kind betrachtete, und dass sie nicht nur mit den anderen auftreten durfte, sondern sogar musste. Bis dahin hatte sie nur dafür sorgen müssen, dass die Kostüme in Ordnung waren, hatte überall mit anfassen müssen, wo Hilfe benötigt wurde und auch auf den Märkten als Beutelschneider in der Menge die Menschen um ihre Geldbeutel erleichtert. Man hatte früh ihr Talent erkannt und sie sorgfältig auf die kommenden Auftritte vorbereitet und sie recht schnell auf die Bühne geschickt. Normalerweise liebte Anna nichts mehr als das. Sie war eine begnadete Tänzerin, genoss die Begeisterung, den Jubel des Publikums. Aber der Gedanke, sich in dieser Kälte aus den Fellen und der dicken Wollkleidung, die sie trug, schälen und eins der doch eher knapp bemessenen Kostüme anziehen zu müssen, verursachte ihr nicht gerade einen Freudentaumel.

    Sie haderte noch mit sich, als Silvanus sich zur Seite lehnte und nach hinten zu den nachfolgenden Wagen brüllte: »IN SPÄTESTENS EINER STUNDE SIND WIR DA! MACHT EUCH FERTIG!«

    Diensteifrig sprang Christine auf; sie war Anfang zwanzig, schon seit langer Zeit bei den Gauklern, und Silvanus' Wort war Gesetz für die junge Frau mit den kastanienbraunen Haaren. Auffordernd zog sie Anna am Ärmel.

    »Na komm schon, du Frostbeule! Wenn du erst tanzt, wird es dir schon warm werden!«

    Seufzend folgte Anna Christine in's Innere des Wagens; sie wusste, dass die Frau Recht hatte.

    Eine halbe Stunde später war das Stadttor Bambergs in Sichtweite gekommen, und Anna, die bibbernd ihren Kopf aus einem Seitenfensterchen des Wagens streckte, erspähte in der Senke neben der Stadt ein Zeltlager.

    »Oh, seht nur, Soldaten! Vielleicht sollten wir dort auch halten?«

    Silvanus warf einen Blick in's Tal hinunter und schüttelte kurz den Kopf.

    »Lohnt nicht. Das ist ein Ausbildungslager. Die haben noch kein Geld!«

    Langsam zogen sie an dem Lager vorüber, und Anna beobachtete die winzigen Gestalten, die dort umher gingen, das Eis auf dem Fluss aufbrachen, um an Wasser zu kommen, Waffen schärften und Pferde striegelten.

    Plötzlich weckten zwei der Soldaten Annas Aufmerksamkeit; sie standen am Rand des Lagers und hackten Holz. Ihre Umrisse waren so gegensätzlich,

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