Gelingende Literaturvermittlung: Qualität und Potenzial literarischer Lesungen im Horizont einer Ästhetik des Performativen
Von Lena Dircks
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Gelingende Literaturvermittlung - Lena Dircks
Lena Dircks
Gelingende Literaturvermittlung
Qualität und Potenzial literarischer Lesungen im Horizont einer Ästhetik des Performativen
Literatur – Medium – Praxis.
Arbeiten zur Angewandten Literaturwissenschaft
Herausgegeben von Jutta Müller-Tamm und Georg Witte
Band VI
Lena Dircks
Gelingende Literaturvermittlung
Qualität und Potenzial literarischer Lesungen im Horizont einer Ästhetik des Performativen
Die Untersuchung wurde im Wintersemester 2013/14 als Abschlussarbeit im Masterstudiengang Angewandte Literaturwissenschaft am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin eingereicht.
Impressum
Copyright: © 2016 Lena Dircks
Verlag: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-7418-8787-1
Satz: Marie Krutmann
Weitere Informationen: www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/agwlit
Vorwort zur Reihe: „Literatur – Medium – Praxis" – Arbeiten zur Angewandten Literaturwissenschaft
Die vorliegende Arbeit wurde als Abschlussarbeit im weiterbildenden Masterstudiengang Angewandte Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin eingereicht.
Der im Wintersemester 2003/04 eröffnete Studiengang bereitet auf berufliche Tätigkeiten im Bereich der Literaturvermittlung und -förderung vor und macht mit der Funktionsweise des Literaturbetriebs vertraut. Durch die Vermittlung branchenspezifischen Wissens und praktischer Fähigkeiten sollen die Studierenden in die Lage versetzt werden, ihre literaturwissenschaftlichen Fachkenntnisse in der außeruniversitären beruflichen Praxis anzuwenden. Die Lehrveranstaltungen des Studiengangs verbinden praktische Arbeit mit der theoretischen Reflexion auf die Bedingungen und Funktionen dieser Praxis. Darüber hinaus ist die Hinführung auf die Berufspraxis im Literaturbetrieb kombiniert mit der Vermittlung von vertieftem Fachwissen und Urteilsvermögen über (vor allem zeitgenössische) Literatur und ihre medialen Umsetzungen. Der Studiengang verfügt über ein enges Netzwerk an Kooperationen mit den Medien und Institutionen des literarischen Lebens, aus denen sich auch ein Großteil des Lehrpersonals rekrutiert. Dadurch ist neben dem Praxisbezug auch die stetige Aktualisierung der Lehrinhalte gewährleistet.
Die inzwischen weit über 100 Masterarbeiten des Studiengangs untersuchen unterschiedliche Aspekte der zeitgenössischen Literaturvermittlung in Verlagen, Medien, Agenturen, Literaturhäusern, Festivals und anderen Institutionen. Sie analysieren Werke der Gegenwartsliteratur, die mediale (Selbst-)Inszenierung von Autorinnen und Autoren in einem zunehmend kommerzialisierten Literaturbetrieb, den Einfluss der digitalen Revolution auf alle Akteure des Betriebs – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Verfasser der Masterarbeiten leisten dabei oftmals Pionierarbeit, da es zu den Themen der Angewandten Literaturwissenschaft häufig kaum oder keine Forschungsliteratur gibt.
Um diese Pionierleistungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wurde die vorliegende Reihe initiiert. Sie veröffentlicht vom Wintersemester 2014/15 an in regelmäßigen Abständen eine Auswahl aus den besten Masterarbeiten des Studiengangs Angewandte Literaturwissenschaft.
Wir danken allen, die an der Vorbereitung der Publikationen mitgearbeitet haben, und dem Verlag Epubli für seine Kooperationsbereitschaft.
Prof. Dr. Jutta Müller-Tamm
(Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin)
Prof. Dr. Georg Witte
(Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin)
Kurzzusammenfassung
Obwohl Lesungen einen wichtigen Bestandteil des literarischen Lebens in Deutschland darstellen, findet kaum öffentlicher, theoretischer oder wissenschaftlicher Diskurs über literarische Veranstaltungen und deren Gelingen statt. Es gibt keine Maßstäbe oder Kriterien, nach denen Lesungen bewertet werden können. Bei der Konzeption, Durchführung und Beurteilung werden in der Praxis nur sehr selten theoretische Grundlagen herangezogen. Dadurch wird häufig das Potenzial, das die Lesung als eine Form der Literaturvermittlung hat, nicht genutzt. Die Frage, was eine ‚gute Lesung’ ausmacht, ist nur schwer zu beantworten.
Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, Lesungen aus ästhetischer Perspektive zu untersuchen und eine theoretische Basis sowie Maßstäbe zu erarbeiten, auf Grund derer Lesungen angemessen beurteilt und beschrieben werden können. Zudem ist es das Ziel, ein umfassendes Verständnis für die Lesung als ästhetisches Kunstereignis zu schaffen sowie ein Sensorium für Parameter und Einflussfaktoren zu entwickeln, die bisher meist unbeachtet bleiben. Aufgrund des erwähnten Fehlens einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Lesungen, wird hier eine Ästhetik herangezogen, die für den Bereich der Theater- und Performance-Künste gilt, von der aus jedoch viele Parallelen zu literarischen Veranstaltungen aufgezeigt werden können. Bei der Ästhetik des Performativen, wie sie Erika Fischer-Lichte in ihrer gleichnamigen Studie formuliert, handelt es sich um die gründlichste und einflussreichste Untersuchung von kulturellen Live-Ereignissen. In dieser Arbeit wird sie erstmals in ihren einzelnen Aspekten umfangreich auf die literarische Lesung angewendet, um deren spezifische Performativität herauszuarbeiten.
Die Anwendung des Performativitätsparadigmas auf Lesungen erfolgt in vielen Fallbeispielen und stellt sich als äußerst fruchtbar heraus. Eine Einsicht in den performativen Charakter von Lesungen erlaubt eine genauere Planung und damit eine zuverlässigere Realisation des Potenzials der Literaturvermittlung in Lesungen. Dazu gehört auch, Lesungen generell als ästhetische Aufführung zu verstehen, die eine detaillierte Inszenierung erfordert. Das Herausarbeiten der spezifischen performativen Merkmale zeigt, dass nur mit Verstehen der einzelnen Elemente und ihrer Wirkungsmöglichkeiten, diese auch bedacht, adressiert und in einem inszenatorisch, künstlerischen Sinne eingesetzt werden können. Vor allem für die Veranstaltungspraxis sind die hier gewonnenen Erkenntnisse wertvoll – das heißt für die Konzeption, Organisation, Gestaltung der Details und den Umgang mit den Akteuren. Eine gelingende Lesung stellt eine einzigartige Möglichkeit der intellektuellen, emotionalen und ästhetischen Kommunikation und Begegnung dar, die auf verschiedenen Ebenen Erfahrung und Erkenntnis fördert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Überblick: Die Tradition der literarischen Lesung in Deutschland
2 Das Paradigma der Performativität
2.1 Die performative Wende
2.2 Geschichte und Entwicklungen des Performativitätsparadigmas
3 Ästhetik des Performativen und ihre Merkmale nach Fischer-Lichte
3.1 Feedback-Schleife und leibliche Ko-Präsenz
3.2 Materialitäten
3.2.1 Körperlichkeit
3.2.2 Räumlichkeit
3.2.3 Lautlichkeit und Stimmlichkeit
3.2.4 Zeitlichkeit
3.3 Literarische Lesungen in der Darstellung von Fischer-Lichte
4 Wissenschaftliche Literatur zu Lesungen
5 Die Lesung als performatives Ereignis
5.1 Materialsituation
5.1.1 Ausgangssituation: Material bei Fischer-Lichte
5.1.2 Material für Lesungsbeschreibungen
5.2 Die spezifische Performativität von Lesungen
5.2.1 Die feedback-Schleife zwischen Autor und Publikum
5.2.2 Der Aspekt der Körperlichkeit in Lesungen
5.2.2.1 Selbstinszenierung
5.2.2 Authentizität und Aura
5.2.3 Lautlichkeit und Stimme
5.2.4 Räumlichkeit der