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Herbsttod: Der erste Fall für Akim Farak
Herbsttod: Der erste Fall für Akim Farak
Herbsttod: Der erste Fall für Akim Farak
eBook226 Seiten3 Stunden

Herbsttod: Der erste Fall für Akim Farak

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Über dieses E-Book

In der beschaulichen französichen Universitätsstadt Poitiers wird ein Professorenehepaar tot aufgefunden. War es Mord oder Selbstmord?

Akim Farak, ein junger Hauptkommissar und sein Kollege Franck Leclerc beginnen in dem Fall zu ermitteln. Der oberste Polizeichef warnt jedoch, dass der Fall absolut diskret behandelt werden muss, da es sich bei den Toten um Honoratioren der Stadt handelt. Mit ihrem Chef im Nacken, beginnen die beiden Kommissare ihre Arbeit. Sie finden schnell heraus, dass das tote Ehepaar nicht besonders beliebt war. Innerhalb dieser Familie gab es scheinbar viel Abneigung und es tauchen unerklärliche Fragen auf. Welche Rolle spielt der vor Jahren verstorbene Sohn der Toten? Ausgerechnet auf einem Foto von ihm, befindet sich ein Fingerabdruck, der niemandem aus dem Familienumfeld zuzuordnen ist. Gerüchte von Missbrauch, Ehebruch und Rassismus werden zunehmend Gegenstand der Ermittlungen und der Kreis der Verdächtigen ist groß. Im Zuge der Ermittlungen verfärbt sich das Bild des emeritierten Biologieprofessors und seiner Frau und wird dunkler und dunkler, je mehr Einblicke die beiden Kommissare in die Familiengeschichte und das soziale Umfeld bekommen ...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. März 2013
ISBN9783844250091
Herbsttod: Der erste Fall für Akim Farak

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    Buchvorschau

    Herbsttod - Gudrun Schneider

    Gudrun Schneider

    Herbsttod - Der erste Fall für Akim Farak

    Krimi

    Inhalt

    29. Oktober

    30. Oktober

    31. Oktober

    1. November

    2. November

    3. November

    4. November

    5. November

    6. November

    29. Oktober

    Pierre Renard wird immer unsicherer. Er sieht aus dem Küchenfenster. Coco rennt wie ein Tiger in engem Käfig den Gartenzaun entlang. Immer wieder und wieder. Er kennt den Hund schon, seit er ein flauschiger Welpe gewesen ist. So komisch ist er noch nie gewesen. Seine kurze Rute liegt eng an seinem schmalen Körper, und sein Kopf … als hätte der ausgebildete Jagdhund Wild gewittert.

    Haben sie den Hund vergessen?

    Sind sie verreist ohne ihn?

    Unmöglich, denn er ist für sie ein wie ein eigenes Kind. Sie nehmen ihn überall mit und lassen ihn fast nie allein.

    Dieses Verhalten. Es geht jetzt schon seit geraumer Zeit so.

    Natürlich verbringt Pierre nicht die ganze Zeit am Fenster, aber jedes Mal, wenn er wieder hinaussieht, läuft der Hund immer noch genauso seltsam durch den Garten. Überlegungen, bei seiner Schwester anzurufen oder vorbeizusehen, verwirft er ziemlich schnell, denn er hat sich vorgenommen, den Kontakt zu seinen Nachbarn auf das Allernötigste zu reduzieren. Jahrelange Manipulationen und Demütigungen liegen wie eine unsichtbare Mauer für ihn zwischen den beiden Grundstücken, Familiengeheimnisse und Lügen, die er jahrzehntelang ignorieren konnte – mithilfe immer größerer Mengen Alkohol.

    Doch nachdem er dem Wein endgültig abgeschworen hatte, fing er langsam an sich zu erinnern und bekam mehr Mut, der Wahrheit ins Gesicht blicken zu können.

    Diese diversen Erkenntnisse blieben natürlich nicht ohne Konsequenzen, und Pierre begann, sich langsam aus dem Spinnennetz, das in den vielen Jahren immer enger geworden war, zu befreien. Hatte er früher mit dem Geist im Wein langweilige Tiraden und Gespräche mit der lieben Schwester und dem geistreichen Schwager ganz gut überstanden, empfindet er sie jetzt so, wie sie sind: langweilig. Diese Tatsache macht ihn nicht gerade heiß darauf, das seltsame Verhalten von Coco näher zu betrachten.

    Er sieht noch einmal aus dem Fenster, Coco läuft noch genauso witternd und komisch durch den Garten.

    Pierre nimmt die Hundeleine von der Garderobe und pfeift seiner bretonischen Spanielhündin Princess, die begeistert angesprungen kommt, um einen ausgiebigen Spaziergang zu machen.

    Zwei Stunden fängt es an zu dämmern. Als Pierre die beiden Autos seiner Frau Anne und seiner Tochter Julie sieht, bekommt er ein schlechtes Gewissen, denn er hat versprochen, das Essen zu kochen.

    Anne ist nach einem langen Tag in der Klinik, in der sie als Ärztin arbeitet, immer viel zu ausgelaugt, um noch Energie zum Kochen aufzubringen, und Julie hat den Anspruch der jungen Leute, dass im Hotel Eltern das Essen auf Knopfdruck auf dem Tisch steht.

    Als Pierre das Haus betritt, begrüßt ihn eine etwas angesäuerte Anne und eine Julie, die ihm klarmacht, dass Essensentzug eine Form von Folter sei und sie sich bei Amnesty International melden werde. In seiner Verzweiflung, die sich, bar dieser geballten weiblichen Energien, breitmacht, packt er diese beim Schopf und verfrachtet sie zusammen mit sich und den beiden Frauen ohne große Worte ins Auto.

    Angesichts der Speisekarte, voll französischer Delikatessen, die eine Haute Cuisine verspricht, sind die Damen schnell versöhnt.

    Nachdem sie ihre Bestellung bei dem ungewöhnlich freundlichen Kellner, ihm gefiel offensichtlich Julie, aufgegeben haben, zündet sich Pierre eine Zigarette an, zieht genüsslich an ihr und lehnt sich gemütlich zurück. Diese Geste gilt für Mutter und Tochter als Aufforderung, von ihrem Tag zu erzählen.

    Anne gibt den neuesten Klatsch der Klinik zum Besten und erzählt, von welchen neuesten Intrigen sie Wind bekommen hat.

    Julie erzählt von den Pferden, bei denen sie ihren Nachmittag verbracht hat, was wesentlich interessanter als die Klausur gewesen ist, die am Morgen an der Uni stattgefunden hat.

    Nichts desto trotz will ihr Vater wissen, wie es ihr dabei so ergangen sei.

    Sie studiert Jura, etwas halbherzig, da die Pferde ihre Leidenschaft sind, aber sie lernt trotzdem fleißig ,und es gibt keine Befürchtungen, die ihr Jurastudium betreffen.

    Während des Essens fällt Pierre Coco wieder ein.

    Julie lenkt ihn aber gleich wieder ab: „Was hältst du davon, wenn ich die Pferde zu dem Hallenturnier in Rennes in vier Wochen anmelde?"

    „Keine schlechte Idee, aber sind sie denn schon so weit? Schließlich ist es ein überregionales Turnier."

    „Ich habe mit ihnen so viel trainiert, und sie sind wirklich fit."

    Anne wendet ein, dass alles vielleicht ein bisschen viel sei, Studium und alle vierzehn Tage ein Turnier.

    Julie reagiert fast wütend: „Ich will mein Leben nicht nur mit Studieren verbringen und im Beruf später versauern, oder dann das Handtuch schmeißen, weil mich meine Arbeit depressiv macht, so wie Papa. Schließlich hat er seine Apotheke ja deshalb verkauft, und jetzt hängt er rum und versucht es mit Beschäftigungstherapie und macht hier mal was und da mal was. Jetzt mit Anfang fünfzig fängt er erst an, sich seine Wünsche und Träume zu erfüllen. Ich will jetzt mein Leben genießen, und da ist mir nichts zu viel, was mit den Pferden zusammenhängt."

    Anne schaut ihren Mann an und bekommt einen traurigen Gesichtsausdruck. Julie hat recht.

    Pierre fiel nach dem Verkauf der Apotheke in ein tiefes Loch. Sie wusste und weiß nicht, wie sie ihm helfen kann und steht der Situation hilflos gegenüber. Sie konnte die Depression erkennen und auch, dass ihr Mann immer öfter zur Flasche griff. Sie war zu der Zeit verzweifelt, aber auch müde. Sie hatte keine Kraft mehr und entwickelte sich immer mehr zur Co-Alkoholikerin. Augen zu und hoffen, dass niemand es bemerkt. Vertuschen war die Devise. Eine heile Welt nach außen, es wird irgendwie vorübergehen.

    „War das Essen in Ordnung? Darf ich noch etwas bringen? Ein Dessert vielleicht oder Kaffee?" Der Kellner steht neben dem Tisch und wartet auf eine Order.

    Anne wird aus den Gedanken gerissen und lehnt dankend ab. Julie und Pierre wollen noch einen Kaffee und Pierre dann die Rechnung.

    Auf dem Nachhauseweg sind alle drei mit ihren Gedanken beschäftigt und sprechen kein Wort miteinander.

    Julie überlegt sich, ob sie zu weit gegangen sei und ihre Eltern verletzt habe.

    Anne denkt an die letzten Monate, in denen so viel passiert ist. Ihr Mann hat eines Tages erkannt, dass es nur noch eine Notbremse gibt. Er hat seit dieser Entscheidung keinen Tropfen mehr angerührt und geht zu einer Therapeutin, die versucht, ihn wieder aufzubauen, Lebensmut zu geben. Er lernt, sich mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren.

    Er hat sich von seiner Schwester und seinem Schwager zurückgezogen und wieder Pläne. Ja, es geht ihnen und ihrer Beziehung besser.

    Auch Pierre lässt die letzten Monate Revue passieren und weiß, dass dies alles erst der Anfang eines langen, steinigen und anstrengenden Weges sein würde. Aber er weiß auch, er hat zwei wunderbare Frauen, die trotz aller Kritik und Nörgelei zu ihm stehen, und er hat viele Freunde, die ihm nahe sind und denen er wichtig ist.

    Zu Hause angekommen, werden sie von einer überglücklichen Princesse begrüßt, die den Eindruck macht, als seien sie Wochen weg gewesen.

    Coco ist aber nicht mehr zu sehen. Er hört auch nichts. Er geht wieder hinein und ans Küchenfenster, dort kann er den Garten besser sehen. Aber auch da ist kein Hund mehr zu entdecken.

    Licht brennt auch keines.

    Vielleicht sind sie in ihr Sommerhaus bei Bordeaux gefahren?

    Aber doch nicht einfach so!

    Die Schwester lässt es ihn immer genau wissen, wann und wie lange sie wegfahren.

    Vielleicht sind sie auch bloß zum Essen gegangen?

    Auch ziemlich unmöglich, denn erstens, einfach unter der Woche ohne größeren Anlass auszugehen, und zweitens gibt es nur sehr wenige Restaurants, die es den beiden recht machen können. Schließlich ist Micheline davon überzeugt, dass sie der Welt beste Köchin sei, was sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zum Besten gibt.

    Anne kommt zu ihm ans Küchenfenster: „Vermisst du sie schon, oder warum schaust du so intensiv hinüber? Apropos … was ist mit den Bauplänen für unser neues Haus? Ich will hier so schnell wie möglich weg!"

    Pierre erzählt ihr von seinen Beobachtungen mit Coco und dass er sich fragt, ob alles da drüben in Ordnung sei.

    „Ach komm, du weißt, jeder Hund spinnt mal ein bisschen, und bei den Besitzern wundert es mich, dass Coco nicht schon viel früher ausgerastet ist. Vielleicht sind sie schon im Bett. Der Schwager geht doch mit den Hühnern schlafen und steht noch vor Sonnenaufgang auf. Mach dir keine Sorgen. Du kannst ja morgen mal rübergehen oder anrufen."

    Er macht noch alle Lichter aus und ruft Julie einen Gutenachtgruß ins obere Stockwerk zu. Offensichtlich hat sie wieder Kopfhörer auf und hört nichts in ihrem Reich. Ihr Vater hat ihr eine richtig kleine Wohnung eingerichtet, in der sie schalten und walten kann, wie sie will. Selbst die Reinemachefrau darf dort nicht eintreten.

    Am nächsten Morgen ist Pierre vor den beiden Frauen wach. Nach einer ausgiebigen heißen Dusche macht er Kaffee und weckt Anne.

    Anne hätte gut noch einige Stunden schlafen können, aber sie hat um acht Uhr Visite, und Pünktlichkeit ist eine ihrer Ansprüche an sich selbst. Schnell den Kaffee runterstürzen und ein flüchtiger Kuss für den Mann.

    Julie ist auch schon auf der Treppe und verlässt das Haus nicht, bevor sie ihrem Vater einen Kuss gibt und ihn ermahnt, heute den Tag zu seinem Tag zu machen.

    Als er alleine ist, räumt er die Küche wieder auf und versorgt Princesse. Langsam beginnt es auch draußen Tag zu werden, und sein Blick fällt wieder durch das Küchenfenster in den anderen Garten. Jetzt ist Coco wieder da.

    Der Spaniel sitzt kerzengerade vor der Treppe, die zur Eingangstür führt, völlig regungslos.

    Gestern ist er ruhelos gewesen, heute ist er regungslos. Was ist nur mit dem Tier los?

    Pierre beginnt sich Sorgen um den Hund zu machen. Er zieht sich seine Jacke an und geht nach draußen. Er ruft den Hund bei seinem Namen, jedoch ohne Reaktion. Coco bleibt wie angewurzelt sitzen und bewegt nicht einmal die Ohren.

    Also, entweder der Hund ist völlig übergeschnappt, oder er steht unter Schock.

    Er kann sich jedoch immer noch nicht überwinden, in den Garten einzutreten. Er findet auch viele Argumente dafür. Mittagessenkochen für die Damen. Pferde. Princesse. Alles solle ihm wichtiger sein als der Hund von Schwester und Schwager.

    Er geht wieder ins Haus hinein, läuft dann aber ruhelos durchs Wohnzimmer. Das Küchenfenster vermeidet er tunlichst.

    Nach einer Viertelstunde gibt er auf.

    Er geht ans Telefon und wählt die Nummer im Haus nebenan.

    Keiner nimmt ab. Er lässt es endlos klingeln, der Anrufbeantworter ist nicht eingeschaltet, niemand nimmt den Hörer ab.

    Er wird unruhig. Was soll er tun? Er hat den Schlüssel von dem Haus. Aber soll er einfach so hineinspazieren? Schließlich hat er sich zurückgezogen von diesem Teil seiner Familie. In seiner Unsicherheit ruft er seine Frau an. Sie ist die Objektivere. Er schildert ihr kurz die nachbarliche Situation und bittet sie um Rat.

    Pierre hält den Hörer immer noch fest, dann nimmt er allen Mut zusammen und sucht den Schlüssel des Hauses. Mit festen Schritten geht er auf das Haus zu, an dem noch immer zur Salzsäule erstarrten Hund vorbei, die Treppe hinauf und öffnet die Tür. Sie ist nicht doppelt abgeschlossen, also sind sie im Haus. Die beiden sind viel zu ängstlich, um das Haus zu verlassen, ohne es zehnmal zu sichern. Der Schwager sieht hinter jedem Busch einen Einbrecher lauern.

    Sie haben ihn offensichtlich noch nicht gehört. Vielleicht sind sie in irgendwelche Arbeit vertieft. Unentschlossen steht er in der geöffneten Tür und überlegt, ob er weiter hinein gehen soll, oder besser auf dem Absatz kehrtmachen und so tun, als wäre er gar nicht da gewesen.

    Lächerlich, denkt er, jetzt kann ich auch reingehen und ihnen gleich sagen, dass mit dem Hund etwas nicht stimmt.

    Entschlossen ruft er den Namen seiner Schwester. Nichts. Er ruft den Namen seines Schwagers. Auch nichts. Jetzt erst realisiert er, dass das Haus etwas Eigenartiges ausstrahlt. Es ist die Ruhe, die ihn irritiert. Weder seine Schwester Micheline noch sein Schwager Jean-Marie sind besonders leise Menschen. Wieder und wieder ruft er ihre Namen, während er langsam durch das Haus geht und in jedes Zimmer sieht.

    Von Zimmer zu Zimmer wird es ihm mulmiger.

    Er kann sich selbst nicht erklären warum, es ist die Atmosphäre. Plötzlich empfindet er die Luft im Haus als stickig, dick, fast undurchdringlich. Er ringt nach Luft und öffnet im Wohnzimmer ein Fenster, und atmet erst mal tief durch.

    In einem Zimmer ist er noch nicht gewesen, dem Schlafzimmer.

    Doch jetzt – erst mal atmen.

    Pierre leidet unter Depressionen mit Angstanfällen, die in richtige Attacken ausarten können. Er nimmt Psychopharmaka dagegen, aber in manchen Momenten sind sie fast wirkungslos.

    Die Angst macht sich im Solarplexus langsam breit und steigt langsam nach oben, sie nimmt Besitz von seinem ganzen Körper und gibt ihm das Gefühl, kurz vor dem Herztod zu stehen.

    Früher genügte ein kräftiger Schluck, um diese höllischen Schmerzen zu lindern. Er musste aber erkennen, dass der Alkohol die Abstände zwischen den einzelnen Attacken verkürzte, und nach dem warmen, wohligen Gefühl, das die alkoholischen Getränke in seinem Magen ausgelöst hatte, war die Angst noch größer als vorher.

    Ohne Alkohol hat er zwar das angenehme Gefühl nicht mehr, aber er schafft es peu à peu, sich mit sich auseinandersetzen und andere Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen wie telefonieren mit Freunden oder seine Gefühle aufschreiben. Spaziergänge mit den Hunden ist auch eine therapeutische Stütze. Er wird es schaffen. Endgültig.

    Er ruft noch mal die Namen und öffnet dann die Tür zum Schlafzimmer. Er glaubt seinen Augen nicht zu trauen und stößt mit dem Fuß die Tür ganz auf. Er nimmt seine Brille ab und reibt sich die Augen. Er kann nicht glauben, was er da sieht. Pierre will etwas sagen, aber er kann nur stöhnen, seine Knie beginnen zu zittern, und er fürchtet, den Halt zu verlieren. Er hält sich am Türstock fest und beginnt wieder tief zu atmen, doch diesmal bringt es keine Erleichterung.

    Da liegen sie.

    Micheline und Jean-Marie. Tot. Ihre Münder stehen weit offen, ihre Gesichter sind eingefallen und haben eine wächserne Gesichtsfarbe. Mit viel Fantasie könnte man glauben, sie schliefen und fingen jeden Moment an zu schnarchen. Die herbstliche Sonne, die durch die zugezogenen gelb-orangen Vorhänge scheint, täuscht eine warme, friedliche Stimmung vor. Er wagt einen Schritt weiter in das Schlafzimmer hinein und glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Er hält sich die Hand vor den Mund, um den aufkommenden Brechreiz zu unterdrücken, denn aus den offenen Mündern sieht er Kellerasseln rein- und herauskrabbeln. Als ob sie sich vergewissern wollen, dass es immer noch hell ist und sie noch eine Weile in den feuchten, dunklen Mundhöhle verweilen müssen, um nicht zu vertrocknen.

    Pierre ist fassungslos. Er setzt sich auf den Boden in der Tür und lehnt sich an den Türstock.

    Was tun? Er weiß, dass er etwas tun muss. Die Gedanken wirbeln durch seinen Kopf. „Wie kommen diese ekelerregenden Viecher dahin?" Er lässt seinen Blick über den Fußboden streifen, aber dort ist keine einzige Assel zu sehen. Es wird ihm schwindlig und schlecht. Plötzlich wird er durch das Klingeln des Telefons aus dieser Starre gerissen. Zuerst will er nicht rangehen, aber es könnte Anne sein, und sie weiß sicher Rat.

    Es ist Anne.

    „Anne, kannst du heimkommen, sofort? Bitte! Ich weiß nicht was ich tun soll?"

    Etwas abgehetzt betritt Anne das Wohnzimmer und erschrickt sofort, als sie ihren Mann so versteinert auf der Couch vorfindet.

    „Mon chérie, jetzt erzähl mal, was passiert ist!"

    Pierre sieht sie an, als sei sie eine Fremde ,und es braucht zwei Sekunden, bis er realisiert, dass sie da ist. Rettung.

    „Ach je der Hund, der sitzt immer noch vor der Tür und bewegt sich nicht." „Ja, aber warum?

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