Die Schülerhilfe in Hamburg und ihre Nachfolgeorganisationen: Wege und Varianten der Schulberatung
Von Jürgen Mietz
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Über dieses E-Book
Die traditionell starke Orientierung im Sinne einer Schülerforsorge erschwert die Umsetzung systemischer Ansätze, also solcher Ansätze, die im Lehrerhandeln mit seinen subjektiven Voraussetzungen wesentliche Entwicklungsressourcen für die Mitglieder der Schule sehen.
Im Jahr 2000 ging die Schülerhilfe in den Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (ReBuS) auf. Seit 2012 setzen sie ihre Arbeit als Beratungsabteilungen in einer neuen Organisation, den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBz), fort. Tradition und neue Aufgaben formen und formieren die Beratungspraxis - teilweise mit beunruhigenden Folgen, sofern Beratung als Möglichkeit der Aufklärung und des vertieften Verstehens gelten soll. Als Weg zu Einsichten in die eigene Lebensgeschichte und zu ihrer mündigen Gestaltung.
Der Autor möchte dazu anregen, die Funktion und Bedeutung von Organisationsveränderungen zu hinterfragen. Zudem warnt er vor den Folgen eines Beratungsverständnisses, das sich als Steuerung versteht und sich im Korsett einer zweckrationalen Organisation mit ihren emanzipatorischen Anteilen aufgibt.
Jürgen Mietz
Der Autor arbeitete bis 2014 als Schulpsychologe und Supervisor. Fragen der Ethik, der Einfluss von Strukturen, auch solchen der Macht, haben ihn viele Jahr beschäftigt.
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Buchvorschau
Die Schülerhilfe in Hamburg und ihre Nachfolgeorganisationen - Jürgen Mietz
1 Einleitung
Die folgende Darstellung ist Teilergebnis einer Veranstaltung des »Landesverbandes Schulpsychologie NRW«. Es ging um einen Vergleich der schulpsychologischen Entwicklungen in NRW mit jenen in Hamburg. In NRW und in anderen Bundesländern wie auch in der Hamburger Selbstdarstellung war das Hamburger Modell der ReBuS (Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen) häufig als nachahmenswert charakterisiert worden, unter anderem in Gutachten von Klaus Klemm und Ulf Preuß-Lausitz¹. Bemerkenswert schien den Befürwortern die Zusammenlegung unterschiedlicher Funktionen und Professionen in einer Organisation. Wo Betrachter sich von der Menge der Schulformen, der Hürden bei Übergängen, der bürokratischen Abgrenzungen abgestoßen fühlen, mochte ihnen das ReBuS-Modell als elegante Überwindung solcher Untiefen erscheinen. Tatsächlich hatten sich beide Gutachter mit ReBuS unkritisch und nur summarisch befasst. Unter anderem Interventionen des Landesverbandes Schulpsychologie NRW dürfte es zu verdanken sein, dass das Modell bisher nicht in NRW eingeführt wurde.
Besonders attraktiv am ReBuS-Konzept dürfte für Pädagogen und Sonderpädagogen das Versprechen auf individualisierte Förderung und sozialpädagogische Betreuung von Kindern sein. Hilfe für das Kind ist wesentlich Hilfe unmittelbar am Kind – im pädagogischen Gedankengang einleuchtend. Darüber hinaus war es immer Aufgabe der Schülerhilfe, der ReBuS und ihrer jüngsten Nachfolgerin der ReBBz (regionale Bildungs- und Beratungszentren), Schulpflichtverletzungen zu verfolgen, zu dokumentieren und zu bearbeiten.
Dieser Aufgabenmix wirft aus beratungstheoretischer Sicht Fragen auf. Die Beratungseinrichtung ist einerseits schulnah parteilich und »aufsichtsaffin«. Andererseits soll Beratung modern systemisch konzipiert, also Schule und Lehrerschaft problem- und lösungsrelevant einbeziehen. Das Qualifikationsprofil und die Ausrichtung der Hilfe am Kind lassen in der Praxis nur einen (paradoxen) halbierten systemischen Ansatz zu. Der in der deutschen Schulpsychologie in Gang gekommene »Paradigmenwechsel der Schulpsychologie« als Erweiterung des Blicks über das symptomtragende Kind hinaus auf Schule und Lehrer vollzog sich in Hamburg auf besondere Weise mehrfach gebrochen.
In meiner Darstellung benutze ich Quellen der Sektion Schulpsychologie des BDP, ältere Ausgaben der Hamburger Lehrerzeitung der GEW und Zeitzeugenaussagen. Meine 5 jährige Erfahrung als Schulpsychologe in ReBuS und ReBBz bemühte ich mich zu objektivieren, was nicht vollständig gelungen sein mag. Bedauerlicherweise sind in den mir zugänglichen Bibliotheken Konzepte der Schulbehörde, die Veränderungen der Organisationsform begründeten, nicht angezeigt worden. Falls Leserinnen und Leser mit Dokumenten aushelfen können, bin ich für solche Hinweise dankbar.
2 Geschichte der Schülerhilfe
Die Hamburger Schülerhilfe galt in der westdeutschen und später gesamtdeutschen schulpsychologischen Debatte als Mutter der Schulberatung². Erhielt die Organisation auch »erst« 1953 die Bezeichnung »Schülerhilfe«, so lässt ihre Vorgeschichte einige Annahmen über Selbstverständnisse von Beratung und Hilfe in der Hamburger Schulbehörde zu. Zieht man diese Geschichte in Betracht, lässt sich einerseits feststellen, dass es über die Jahrzehnte hinweg einige organisatorische Veränderungen gibt - hier sind vermutlich die Regionalisierung, wie auch die organisatorische Zusammenführung mit Schule vor allen anderen zu nennen –, andererseits gibt es frappierende Kontinuitäten, die dem Aufbau einer zeitgemäßen Beratungsorganisation mit einer Kultur der Beratung im Wege stehen. Für andere Bundesländer stellt sich damit die Frage, ob es sinnvoll für sie ist, sich am Hamburger Modell zu orientieren. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel NRW, können auf andere Traditionen und Zugänge zu Problemlösungen verweisen. Ebenfalls zeigt Schleswig-Holstsein eine viel versprechende schulpsychologische Orientierung³.
Es gibt einen Bericht von Walter Bärsch⁴, der erste Eindrücke in die »DNA« der Schülerhilfe ermöglicht. Er gibt darüber hinaus Hinweise auf andere Modelle, etwa das hessische⁵, das für Hamburg eine gewisse Bedeutung erhalten sollte.
Walter Bärsch macht in der Einleitung seines Berichts einige Anmerkungen zu den Motiven, eine Schulpsychologie zu »gründen«. Er geht von einem Wunsch der