Ausgewählte Orientierungshilfen für sozialpädagogisches Denken und Handeln: Eine Einführung für Studierende und Lehrende der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft
Von Dr. Bernd Sommer
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Buchvorschau
Ausgewählte Orientierungshilfen für sozialpädagogisches Denken und Handeln - Dr. Bernd Sommer
1. Einleitung
1.1. Einführung
Wir wollen planvoll und zielgerichtet, also methodisch und professionell arbeiten. Dies ist keinesfalls eine Forderung, die ausschließlich von außen an uns gestellt wird, sondern die wir selbst auch als Anspruch an uns als Berufsgruppe der Sozialpädagogen/innen formulieren.
Wir wollen im Kanon allgemein anerkannter Wissenschaftsdisziplinen um unsere begründete Meinung gefragt werden. Unsere Sichtweise soll Einfluss haben auf Entscheidungen übergeordneter Ebene.
Wo und wie lernen wir jedoch professionelles Denken und Handeln in sozialpädagogischen Arbeitsbereichen?
In der Regel durchlaufen in der Sozialen Arbeit professionell Tätige unterschiedliche Ausbildungs- und Studiengänge. Dies reicht von der Ausbildung zum/r Erzieher/in, über Heil- und Erziehungspfleger/in, über Jugend- und Heimerzieher/in bis hin zu Sozialpädagogen/innen und Diplom-Pädagogen/innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, neuerdings im Zuge der sogenannten Bologna-Reform auch zu den Abschlüssen Bachelor und Master of Arts in Studiengängen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft.
Das Besuchen von Fort- und Weiterbildungen schließt sich in der Regel insbesondere dann an, wenn spezielle Erfordernisse und Kenntnisse in einem spezifischen Arbeitsgebiet als Voraussetzungen für professionell gestaltetes Arbeiten offensichtlich werden.
Der Studiengang Sozialwirtschaft an der Dualen Hochschulen Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen bildet nicht Sozialpädagogen/innen aus, sondern ermöglicht einen Abschluss als Bachelor of Arts im Studiengang Sozialwirtschaft.
Der Studiengang Sozialwirtschaft fußt auf drei Säulen: der Sozialen Arbeit bzw. Sozialpädagogik, der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaft.
Weitere sogenannte Bezugswissenschaften für Studiengänge aus dem Sozialwesen stellen die Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft, die Psychologie, die Soziologie, Geschichts- und Politikwissenschaften, Philosophie und Theologie, Medizin, die Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie die Ethik dar³.
Am Ende ihres Studiums sollen die Studierenden in der Lage sein, die engen Grenzen einer disziplinären Betrachtung zugunsten einer zumindest in Ansätzen deutlich werdenden interdisziplinären bzw. sozialwirtschaftlichen Perspektive⁴ überwinden zu können und zu einem neuen, nicht über Einzeldisziplinen bzw. einzelne Orientierungen des Sozialwirtschaftlichen Sechsecks abzudeckenden Blickwinkel auf einen Menschen, eine Situation, eine Notlage zu gelangen.
Dazu ist es u.a. notwendig, nicht nur fachlich-inhaltliche Aspekte der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin zu kennen, sondern auch die jeweilige Vorgehens- und Herangehensweisen, die sich z.T. von anderen unterscheiden, die z.T. jedoch auch mit anderen Disziplinen Gemeinsamkeiten aufweisen.
Im Rahmen der Erstsemester-Einführungsveranstaltungen wird im Rahmen von Modul 1 das sozialpädagogische Denken und Handeln thematisiert. Sinnhafte Antworten ausfindig zu machen und mögliche Orientierungshilfen auf die zentrale Fragestellung zu entwickeln, wie ein Sozialpädagoge denkt und handelt, ist der explizit formulierte Auftrag an diese grundlegende Lehrveranstaltung im 1. Semester.
1.2. Problemhintergrund
Die Angebote für Möglichkeiten der Orientierung aus der einschlägigen Literatur sind hinsichtlich professionellsozialpädagogischen Vorgehens vielfältig und in ihrer Zahl kaum mehr überschaubar. Von daher wird eine Auswahl nötig sein. Ich gehe im Rahmen dieses Bandes von der Grundvorstellung eines pädagogischen Verständnisses von Sozialer Arbeit aus.
Viele Tätigkeiten in diesem Bereich, zumindest diejenigen, die im unmittelbaren Kontakt mit Klienten/innen stattfinden, stellen die eines Lernhelfers⁵ dar, eines professionell Tätigen, der Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für Menschen schafft, also pädagogisch tätig wird. Im erweiterten Sinne sind wir also in Arbeitsbereichen tätig, bei denen es um das Planen, Durchführen und Auswerten zielgerichteter Lern-, Hilfe- und Entwicklungsprozesse geht.
Im Folgenden werden Überlegungen angestellt, mit denen es möglich wird, einen sozialpädagogischen Blick auf einen Menschen, auf ein Thema oder Problem zu werfen.
Mit den Handlungsformen von Helfen, Beraten und Fürandere-Dasein werden die beruflichen Tätigkeiten sozialpädagogischer Mitarbeiter/innen beschrieben, wobei jedoch, so die kritische Anmerkung von LENZEN in diesem Zusammenhang, die Aufgabenfelder von professionell in der Sozialen Arbeit Tätigen so vielfältig seien wie die Probleme, Nöte und Anliegen ihrer Klienten/innen⁶.
So falle es den in der Sozialen Arbeit professionell Tätigen oftmals schwer, „Außenstehenden und anderen Berufen ihre speziellen Stärken und Kompetenzen zu erläutern. Sie können anderen kaum erklären, was sie eigentlich tun und warum man für die Ausübung dieser Tätigkeit ein akademisches Hochschulstudium"⁷ benötige.
In der einschlägigen Literatur lassen sich einige ernstzunehmende Modelle ausmachen, nach denen die Vielfalt und Vielschichtigkeit anstehender Aufgaben in der Sozialen Arbeit das Erwerben und Ausprägen von Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich mache. Dabei seien pädagogische Kompetenzen im engeren Sinne ebenso gefragt wie politische, juristische, administrative, medizinische und ökonomische Kompetenzen⁸.
Andere Autoren wie beispielsweise MILLER sprechen von Fähigkeiten beruflichen Handelns, wobei seiner Typologie nach folgend zwischen kognitiven, personalen, sozialen, psychomotorischen und instrumentellen Fähigkeiten unterschieden werden könne⁹.
MAUS, NODES und RÖH nennen in diesem Zusammenhang folgende Schlüsselkompetenzen: strategische Kompetenz, Methodenkompetenz, sozialpädagogische Kompetenz, sozialrechtliche Kompetenz, sozialadministrative Kompetenz, personale und kommunikative Kompetenz sowie berufsethische Kompetenz¹⁰.
Von SPIEGEL wie auch WELLHÖFER prägen unabhängig voneinander den Fachterminus der vier Dimensionen von Kompetenz-Profilen der Sozialen Arbeit, unter die sie persönliche Grundvoraussetzungen, instrumentelle Kompetenzen, (selbst-)reflexive Kompetenzen sowie soziale Kompetenzen fassen¹¹.
In unterschiedlichen Beiträgen habe ich darauf hingewiesen, dass der Lernhelfer¹², also derjenige, der geplante, angeleitete, zielgerichtete Lern-, Hilfe- und Entwicklungsprozesse initiiert, durchführt und auswertet, Kompetenzen in folgenden Bereichen benötige, um anstehende Aufgaben „aktiv, verantwortungsvoll und in professioneller Weise"¹³ angehen zu können: personale, fachlich-inhaltliche, didaktische und methodische, soziale und kommunikative Kompetenzen, die Fähigkeit zur (selbst-)kritischen Reflexion sowie wissenschaftliche Kompetenzen¹⁴.
Diese Kompetenzen sind dabei nicht hierarchisch, d.h. nach steigender bzw. fallender Bedeutung geordnet, sondern stellen in ihrer Gesamtheit das Instrumentarium dar, auf dessen Grundlage die oder der sozialpädagogisch Tätige in professioneller Weise arbeiten kann.
Während der Begriff Didaktisches Denken in der sozialpädagogischen Grundlagen-Literatur eher eine untergeordnete Bedeutung einnimmt, ist der des Methodischen Handelns in unterschiedlichen Zusammenhängen Sozialer Arbeit zu finden, in denen systematisches, schrittweise erfolgendes, aufeinander aufbauendes, planmäßiges Vorgehen zur Erreichung eines Zieles vorausgesetzt wird.
Trotz der Vielfalt von kontrovers diskutierten Begriffsdefinitionen kann von der Grunderkenntnis ausgegangen werden, dass Methodischem Handeln in der Sozialen Arbeit im genannten Sinne in der Regel unterschiedliche Phasen bzw. Denk- und Arbeitsschritte zugeordnet werden können.
Dies reicht von der Problem- bzw. Situationsanalyse, über das Entwickeln und Formulieren von Zielen, das Feststellen und Analysieren von vorhandenen Ressourcen, das begründete Auswählen von Methoden, Arbeitsformen, Arbeitstechniken und
-verfahren
, von dem Planen und Durchführen sozialpädagogischer Interventionen und Angebote bis hin zu der Phase des Aus- und Bewertens, fachterminologisch ausgedrückt des Evaluierens¹⁵.
Während Methodik demnach als Wissenschaft vom zielgerichteten Handeln bezeichnet werden kann, stellt Didaktik den Teilbereich von Pädagogik dar, der sich mit dem Planen, Durchführen und Auswerten von angeleiteten, zielgerichteten Lern-, Hilfe- und Entwicklungsprozessen beschäftigt¹⁶.
Unmittelbar mit dem Didaktik-Begriff verbunden ist der zentrale Ausdruck Lernen.
In Anlehnung an WINTELER könne unter Lernen Folgendes verstanden werden: Wissen vermehren, Auswendiglernen und Reproduzieren, Anwenden, Verstehen, etwas auf eine andere Weise sehen, sich als Person verändern.
Während die ersten drei Lern-Konzeptionen vor allem als etwas verstanden werden könnten, was außerhalb der Person als gegeben gesehen, das von den Menschen aufgenommen, abgelegt und später reproduziert werden könne, komme in den letzten drei Konzeptionen „Sinn und Bedeutung des Wissens eine zentrale Rolle"¹⁷ zu.
1.3. Fragestellungen und Zielsetzungen
Lernen in außerschulischen sozialpädagogischen Feldern kann nach Aussagen von MARTIN mit den Aspekten Orientierung an Alltagsproblemen, mit einer relativen Offenheit in seinen institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen, mit seiner methodischen Vielfalt, mit den Möglichkeiten einer ganzheitlichen Herangehensweise und mit denen der Umsetzung eines aneignenden, erfahrungsbezogenen Vorgehens charakterisiert