Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 3): Der Schlüssel zum tieferen Verständnis des menschlichen Verhaltens oder warum der Mensch im Widerspruch zu seinen echten Bedürfnissen lebt!
Von K. Ostler
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Über dieses E-Book
>Warum (und auch wann) verhält sich und handelt der einzelne Mensch so, wie er es de facto macht?
>Von was werden das Verhalten und die Verhalten auslösenden Grundlagen (Denkweisen, Einstellungen, Weltanschauungen) ursächlich geformt?
>Weshalb gibt es so viele, z. T. höchst unterschiedliche Wesens- und Verhaltensarten?
>Wodurch entstehen die extremsten Formen, wie Mord, Folter, Sadismus, tiefer Hass, exzessive Gewalt und sexueller Missbrauch?
Ein für jedes Verhalten und für jeden Menschen gültiges Erklärungsmodell würde nicht nur viele offene Fragen elementarer Natur beantworten, sondern zudem wirkungsvolle Problemlösungen ermöglichen, und damit der Menschheit viel Elend, Leid und auch Geld ersparen.
Zentraler Punkt ist die Entschlüsselung des Geheimnisses, das sich hinter der Funktionsweise des menschlichen Verhaltens verbirgt durch die Aufstellung eines Standardmodells für das menschliche Verhalten, basierend auf einem neu formulierten Menschenbild.
Das Standardmodell dokumentiert,
>wie Verhalten originär entsteht und durch welche für alle Menschen gleichen Faktoren und Voraussetzungen es entscheidend beeinflusst, determiniert oder sogar gesteuert wird,
>zu welchen weitreichenden Konsequenzen diese Beeinflussung im täglichen Leben jedes Menschen führen,
>weswegen sehr differente Verhaltensausprägungen, wie z. B.
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Buchvorschau
Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 3) - K. Ostler
IDENTITÄT – DIE ZENTRALE BEDEUTUNG FÜR DEN MENSCHEN / IDENTITÄTSSTIFTER / DIE EINZELNEN IDENTITÄTSPROBLEMATIKEN IN IHRER VIELSCHICHTIGKEIT
01-Identität – zentrale Bedeutung für den Menschen
Die immense Wichtigkeit der bzw. einer Identität für den Menschen lässt sich aus der durch die Bewusstseinsbildung entstandenen Urangst ableiten. Der nach Antworten für den Sinn, den Zweck und die Bedeutung seiner Existenz und diesbezüglichen persönlichen Position und Rolle suchende Mensch konnte respektive kann durch die Herausbildung einer Identität eine Standortbestimmung für sich vollziehen und damit eine Orientierung, Stützung und Stabilität in der grundsätzlichen Unsicherheit erreichen.
Der Mensch ist in einer schizophrenen Situation, weil er sich einerseits durch das Bewusstsein über seine eigene, sich aber in vielen Bereichen (wie körperliche, psychische und physiologische Abläufe) im Dunkeln/Verborgenen abspielende Existenz erheben kann und andererseits dann erkennen muss, dass er über sein Dasein und über sich selbst vieles weder weiß noch bekannt ist (und auch nie zu erfahren sein wird) und er folglich sich selbst in weiten Teilen fremd ist.
Das Bewusstsein steckt in einem ihm in weiten Teilen unbekannten und undurchschaubaren menschlichen System und ist zusätzlich mit einem hinsichtlich seiner Größe jedes menschliche Fassungsvermögen übersteigenden Universums konfrontiert, dessen Entstehung und vor allem Entstehungshintergrund auch noch größtenteils unklar und unverständlich ist.
Der Mensch ist sich selbst in vielen Bereichen ein Rätsel und befindet sich in einer mit zahllosen Rätseln behafteten (Um) Welt.
Die daraus resultierende und abzuleitende Unwissenheit, Verlorenheit, Sinnleere, eigene Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit musste mit Wissen, Sinn und Bedeutung gefüllt und mit einer Positionierung (im Sinne von Platz zuweisen bzw. Stellung einnehmen) versehen werden und hat im Ergebnis zur menschlichen Identität geführt, die, ideell ausgedrückt, als Wertzuweisung zu definieren ist, wobei Wert hier Gewicht, Bedeutsamkeit, Rang, Stellenwert und Qualität anzeigt.
Im Sprachgebrauch hat dies den Ausdruck des Selbstwerts oder Selbstwertgefühls ergeben, der/das ein wesentlicher Bestandteil der Identität ist. Vor allem bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens und der damit ständig vorhandenen Beziehungssetzungen und Vergleichsmöglichkeiten mit den jeweiligen Vergleichsmaßstäben (gesellschaftliche und gruppengemäße Richtlinien und ebenso Normen für einen anzustellenden Vergleich) hat der Selbstwert eine übergeordnete Relevanz.
Vereinfacht formuliert: Durch die Bewusstseinsbildung war das Bedürfnis geboren, zu wissen, wer man ist, was man darstellt und was man soll (welche Aufgabe dem Menschen zufällt respektive dieser einnehmen soll), aber dies nicht nur wie heutzutage überwiegend vordergründig in Form von – meist oberflächlichen, äußerlichen - Identitätsmerkmalen und –ausweisen, hingegen durch ein tieferes Verständnis der Lebenszusammenhänge.
Wie kann man Identität genau definieren?
Identität ist grundsätzlich ein Zustand, der sich aus Erfahrungen und Entwicklungen des Menschen ausbildet und der seine Wurzel und Wichtigkeit aus der Existenz der Urangst und des menschlichen Baukastens bezieht.
Mit der Geburt ist die identitätsgemäße Verfassung noch in einem rudimentären Stadium und nur durch Rahmenbedingungen wie u.a. Familienkonstellation, Lebensumfeld und -bedingungen vorgezeichnet. In der Folge ergibt sich Identität als Ergebnis- bzw. Bilanzsumme vieler unterschiedlicher Faktoren in einem langfristigen Entwicklungsprozess. An dessen Ende steht der spezielle Status quo der Persönlichkeit, wobei immer die Basis - im Sinne eines Fundaments - im frühkindlichen Zeitfenster geschaffen wird.
Wenn die entsprechenden Grundlagen durch Grundbedürfniserfüllungen nicht gelegt werden, dann kann sich in den anschließenden Entwicklungsphasen keine gesunde und ausgewogene Identität bilden, da der Grundstein fehlt, um weiter identitätsgemäße Substanz aufbauen zu können und der Betroffene ein lebenslanges Mangelgefühl hat, welches nach Ersatz/Kompensation verlangt (Stichwort: Suche nach Gleichartigkeit).
Hier ist als besonders erforderliche Voraussetzung die bedingungslose Annahme des Kindes durch die Eltern zu nennen, also explizit die Akzeptanz von Geburt an ohne irgendwelche Gegenleistungen und Erfüllungsmuster wie Aussehen, Geschlecht oder Verhalten seitens des Kindes. Konkrete Vorstellungen der Eltern darf es nicht geben.
Das Produkt respektive Ergebnis „Identität" gibt nicht nur das Wissen um die eigene Person wieder, sondern definiert diese Person auch für seine Umwelt (Innen- und Außensicht). Eine gesunde identitätsgemäße Verfassung führt – im Optimalfall – die eigentlich von ihrem Grundsatz konträren und gespaltenen Existenzformen – nämlich das Bewusstsein und das Rationale einerseits, das Unbewusste und das automatisch Gesteuerte andererseits -, zu einer Einheit zusammen und hebt diesbezügliche Widersprüche auf (Stichwort: integrativer Moment).
Überspitzt formuliert: Die Identität ist der Kern, die Essenz und die Substanz (geistiger und psychischer Natur) eines jeden einzelnen Menschen und die jeweilige Konstitution spiegelt die Menge, Qualität und Stärke der Bedürfnis erfüllenden und identitätsstiftenden Faktoren wider, die ein Mensch während seines Werdegangs erhalten hat.
Die Grundlage der Identität stellt deshalb die ausreichende Befriedigung der essenziellen, vom menschlichen Baukasten vorgegebenen Grundbedürfnisse dar, auf dem aufbauend dann die weiteren individuellen Lebensumstände (siehe „das Gebilde Mensch und die vier Identitätsproblematiken") ihre Wirkung entfalten können.
Lebensziel und Endstadium: Intakte Identität
Eine intakte, weil echte und unverfälschte (und nicht fassadäre) Identität zeichnet sich durch Attribute wie bestandhaltige Stabilität, Dauerhaftigkeit, Strapazierfähigkeit, Solidität, Selbstsicherheit, Selbstehrlichkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Sensibilität, Unabhängigkeit, psychische und schöpferische/gestalterische Kraft und Stärke aus und ist im Ideal mit einer großen Reife (im Sinne von Reifung durch das Absolvieren und Abschließen der chronologisch ablaufenden Entwicklungsphasen; also kein Auslassen, Verkürzen oder Überspringen wichtiger Entwicklungsprozesse, die im gegenteiligen Fall zwangsläufig infantile Verhaltensformen ergeben würden) und Mehrdimensionalität (breit und somit stabil angelegte Identitätsstruktur, die nicht lediglich auf einen Persönlichkeitsschwerpunkt aufgebaut ist) versehen.
Eine gesunde Identität drückt nicht nur eine ausgeglichene physische und psychische Befindlichkeit aus, sondern umfasst zusätzlich eine überdurchschnittliche Grundkenntnis und ein tieferes Verständnis für die Funktionsweise des menschlichen Systems – ebenfalls bezüglich deren Kausalitäten und Abhängigkeiten - und daraus folglich eine weitgehend realistische Einschätzung der jeweiligen individuellen Fähig- und Möglichkeiten.
Mit anderen Worten: Der Mensch muss sich selbst bezüglich seines Zustandes nichts vormachen und der Umwelt nicht etwas vorspielen.
Die Stabilität der persönlichen Identität ist mitunter deshalb so wichtig, weil sie in der Lebenswirklichkeit ständigen Angriffen und Infragestellungen von außen sowohl vom nahen wie auch weiteren Umfeld - ob seitens der Familie, des Bekannten- oder Freundeskreises, der Arbeitskollegen, etc. - ausgesetzt ist.
Eine hohe Widerstandsfähigkeit macht sie weitgehend unangreifbar und schützt damit ihren Bestand (Selbstschutz).
Eine intakte Identität stellt demnach für die Zukunft auch eine Schutzreserve dar.
Falls der Mensch nur eine instabile Identität ausbilden konnte, dann ist er nicht nur mit externen Angriffen konfrontiert, vielmehr auch mit internen in Form des psychischen Drucks durch die Nichtbefriedigung der Grundbedürfnisse.
Explizit muss herausgehoben werden, dass wirkliche Stabilität nicht nur die Seite der Stärke beinhaltet, hingegen das ganze Spektrum der individuellen Charaktereigenschaften, ergo genauso das Bewusstsein und das Eingeständnis von u. a. Schwäche, Defiziten, Hilfsbedürftigkeit und Problemen. Erst wenn dieser Realismus existiert und die identitätsgemäße Verfassung den entsprechenden Belastungen aus der kompletten Persönlichkeitsbandbreite standhält, ist die Identität als beständig und sicher anzusehen.
Der Mensch kommt dadurch in die Lage, die immer wieder auftretenden Lebensprobleme leichter und nachhaltiger meistern zu können, ohne dass er gleich seine ganze Person und Existenz infrage stellen muss und in eine Identitätskrise gerät, die seine Funktionsfähigkeit maßgeblich ein- und beschränken würde.
Die Identität ist umso stärker, vitaler und robuster, je direkter, unmittelbarer, klarer und ungeschönter die Beziehung und Verbindung zu sich selbst besteht, also je weniger der Zugang durch Verdrängungen, Rationalisierungen und Kompensationen behindert wird und je aufgeschlossener und daher effektiver das Bewusstsein als reflektierender, regulativer und verändernder Faktor wirken kann.
Je größer die Einheit respektive der Gleichklang von Denken, Fühlen und Sein, von Geist, Körper und Natur (Lebensumfeld, Lebensbedingungen, Ressourcenverbrauch; Beziehung zur Natur) ist, je intensiver die oftmals gegensätzlichen Elemente Ratio und Sentiment zusammengeführt und ausgeglichen bzw. nivelliert werden, desto entspannter, zufriedener und störungsfreier kann die persönliche Lebensführung funktionieren.
Grundvoraussetzung zur Erlangung dieser inneren Einheit ist – wie oben bereits erwähnt - die Fähigkeit zur schonungslosen Analyse und Beurteilung der eigenen Person (Selbstkritik), folglich die möglichst realistische Einschätzung und Bewertung persönlicher Stärken, Begabungen, Schwächen, Defizite und Grenzen, der familiären und gesellschaftlichen Herkunft, Prägungen und externen Beeinflussungen.
Diese Authentizität im Sinne von Echtheit ist nicht auf Widersprüchen, Unwahrheiten, rationalisierenden Beschönigungen und Selbsttäuschungen (Stichwort: Fassade) aufgebaut und macht die eigene Person für sich selbst, aber gleichfalls für seine Umwelt, glaubwürdig und vertrauensvoll.
Diese Fähigkeit der dauerhaften und nicht nur kurzfristigen, ausschließlich intellektuell motivierten, aber psychisch nicht (mit) getragenen Einsicht ist nur dann gegeben, wenn die eigene Existenz und Identität einen hohen Grad an Stabilität und somit Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen, Impulsen und Stützen erreicht haben. Der Mensch steht für sich selbst.
Denn nur in diesem Fall unterliegt das Bewusstsein nicht der manipulierenden Kraft des psychischen Elements, kann davon weitgehend losgelöst und objektiv reflektieren, Problemfelder und Missstände erkennen und dadurch eigenes Kraftfeld zur nachhaltigen, substanziellen Veränderung sein.
Kurz gesagt: Der Mensch ist dann imstande, seine persönliche Rezeptur - den Aufbau, die Zusammensetzung und die vorhandenen äußeren Hilfen - zu realisieren, die seine individuelle Identität geschaffen und geformt haben.
Der Kreis schließt sich, weil die Möglichkeit des wirklichen, konstanten Durch- und Klarblicks nur gegeben ist, wenn in der Frühkindheit und Kindheit – wie bereits in den vorherigen Kapiteln ausgeführt – die notwendige identitätsgemäße Basis gelegt wurde.
Hier wird die ganze Problemdimension und -tragweite für die Menschheit deutlich, da in der Regel in allen Gesellschaften bzw. Gesellschaftsformen die herausragende Bedeutung dieser frühkindlichen und kindlichen Phase mit den essenziellen Bedürfniserfüllungen bei Weitem – trotz oftmaliger anderslautender Lippenbekenntnisse - nicht ausreichend er- und anerkannt wird und deshalb nahezu jeder Mensch mit lebenslangen, mehr oder minder schwerwiegenden Folgen betroffen ist.
Momente gefühlter Einheit und Zusammengehörigkeit (auf die einzelnen unterschiedlichen Elemente des menschlichen Baukastens – Physis, Ratio, Psyche, physiologisches Befinden - einer Person bezogen), auch als Selbstfindung zu benennen, zeichnen sich durch absolute Ruhe und Entspannung, Zufrieden- und Gelassenheit, intellektuelle Klarheit und Erkenntnis aus.
In diesem Zeitraum hat der Mensch einen direkten, ungeschönten bzw. unverstellten Zugang zu seiner Gefühlswelt, erhält einen Einblick in sich und sein eigenes Leben und empfindet Glück im Sinne von Harmonie, Frieden, Übereinstimmung und Eintracht, er ist sich seiner selbst sicher.
Er ist demgemäß ganz nah bei sich selbst, nicht abgelenkt, gestört, belastet oder unterbrochen, jedoch in Berührung mit seiner Existenz und rückgekoppelt mit der eigenen Identität und dem Selbstwert.
Gründe für diesen transzendentalen Zustand sind sowohl die Aufhebung der Zerrissenheit, Grenzen und inneren Spaltung bzw. Teilung wie die Freiheit und Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen und die (vorübergehende) Außerkraftsetzung der Urangst, da sich der Mensch in einem universellen Gleichgewichtszustand befindet.
Die Transzendenz ist ein Zustand der (fast) völligen psychischen Ausgeglichenheit und des absolut freien, weil von der Psyche nicht instrumentalisierten Geistes.
Die menschliche Waage befindet sich dann in der absoluten horizontalen Position, eine Ruhestellung ohne energieintensive Schwankungen.
Gleichzeitig spürt der Mensch eine starke innere Kraft und ist energiegeladen, da die triebhafte Suche nach Identität (= der das tägliche Leben bestimmende Faktor), nicht aktiv ist und somit keine Energie in Ersatz- und Kompensationshandlungen gebunden und verbraucht wird. Energie wird freigesetzt und ist damit für andere Aufgaben vorhanden.
Zusammenfassend: Eine intakte, gesunde Identität ist die (nahezu) völlige Übereinstimmung mit den sich durch den menschlichen Bauplan ergebenden wesensbedingten Vorgaben. Der Mensch ist bzw. fühlt sich in diesen Momenten mit sich und seiner Ursächlichkeit identisch und ist angstfrei.
Instabile Identität – eine auf Ersatzhandlungen und Kompensationen aufgebaute Pseudo-Identität
Definition und Abgrenzung Ersatzhandlung und Kompensation
Vorab müssen die Begriffe Ersatzhandlung und Kompensation, die sehr häufig im Buch verwendet werden und eine zentrale Bedeutung sowohl innerhalb der identitätsgemäßen Problematik wie im tagtäglichen Leben der Menschheit einnehmen, beleuchtet werden.
Ersatzhandlung wird im Kontext mit der Psyche allgemein als eine Handlung angesehen, die an die Stelle der eigentlich gewollten bzw. laut menschlichen Bauplan vorgesehenen respektive benötigten tritt, wenn diese durch Verdrängung oder äußere Umstände nicht ausgeführt werden kann. Der Impuls und Antrieb für die originär gewollte Handlung wechselt zu einem anderen, häufig dem ursprünglichen Ziele nicht verwandten Ersatzziel, das entsprechende Ersatzbefriedigung bringen soll.
Kompensation wird als Ausgleich oder Ersatz eines Defizits und Mangels (real existierend oder nur vermeintlich) in einen anderen Lebens- oder Verhaltensbereich (Ausweichen) oder durch andere Fähigkeiten definiert.
Alternativ, und im identitätsgemäßen Kontext sehr passend, kann Kompensation überdies als Trostpflaster, Entschädigung, Gegengewicht, Wiedergutmachung, Neutralisierung (eines Mangels) und Genugtuung bezeichnet werden.
Im Zusammenhang mit der identitätsgemäßen Problematik müssen die Begriffe erweitert werden, da sie als Reaktion auf Frustrationen zu sehen sind, die durch eine Verletzung der lebensbestätigenden Erfüllungsmuster im Kindesalter entstehen. Diese Erfüllungsmuster müssen in einem laut menschlichen Bauplan vorgegebenen Regelprozess ablaufen.
Ist derlei nicht der Fall, dann bauen sich eine diesbezügliche lebenslange Sehnsucht (bildlich: je nach Ausmaß der Frustration ein mehr oder minder großes Hungergefühl) und der Versuch auf, alternativ gestillt zu werden. Jene nicht aus freien Stücken initiierte und in der Regel unbewusste Suche nach Gleichartig- und Wertigkeit des ursprünglichen Grundbedürfnisses führt zur Ersatzhandlung und Kompensation.
Ersatz- und Kompensationshandlungen sind demnach Zwangshandlungen.
Weil Ersatzhandlungen und Kompensationen ein Hilfsinstrument des metaphysischen Prinzips sind und ursächlich die Aufgabe haben, die sich aus der Nichtbefriedigung der Grundbedürfnisse entwickelten Disparitäten, Probleme und Widersprüche zu reduzieren und bestmöglich zu substituieren, um so die generelle Funktionsfähigkeit des Menschen zu erhalten, dienen sie bis zu einem gewissen Grad dem Überlebenstrieb (Elemente des Überlebenstriebes).
Psychisch motivierte Ersatzhandlungen und Kompensationen können zwar jeden Lebensbereich betreffen, ob privater, zwischenmenschlicher, partnerschaftlicher, freizeitgemäßer, sexueller, beruflicher, wirtschaftlicher, politischer, kultureller, karikativer, philanthropischer, altruistischer, zwischenstaatlicher oder religiöser Natur, lassen sich aber alle im Kern auf mangelnde Grundbedürfniserfüllungen und/oder traumatische Erlebnisse in der Kindheit zurückführen.
Da eine Ersatzhandlung und Kompensation die ursprünglich zugrunde liegende, in der Kindheit entstandene Problematik niemals gleichwertig ersetzen und damit beheben kann, bleibt das psychische Defizit weiterhin virulent.
Infolge des gelegten Impetus baut sich im Menschen eine Parallelität der Lebenswirklichkeiten auf (siehe dazu ursächliche und tatsächliche Lebenswirklichkeit), die viel Energie verbraucht, auf Dauer das Leben belastet und zur mehr oder minder starken Beeinträchtigung der Lebensqualität führt. Der Mensch lebt – unbewusst – in einer Parallelwelt.
Ein befriedigendes und von innerer Ruhe geprägtes Leben ist so nicht möglich.
Gerade bei traumatischen Erlebnissen oder sehr intensiven Verletzungen der psychischen Grundbedürfnisse kann sinnbildlich von den Geistern aus der Kinderstube bzw. Kindheit gesprochen werden, die den Betroffenen ein Leben lang immer wieder heimsuchen, ob in Form von Albträumen, vielgestaltigsten Angstzuständen, Auto- und Fremdaggressionen und sonstiger psychischer Reaktionsformen. Die Geister entsprechen dem nach wie vor existierenden Stimulus des ursächlichen, nicht befriedigten Grundbedürfnisses.
Die spezielle Ersatz-/Kompensationshandlungsstruktur eines Menschen kann als individuelle Überlebensstrategie bezeichnet werden.
Ersatzhandlungen und Kompensationen können, wie erwähnt, in jedem Lebensbereich vorkommen, unterscheiden sich aber in ihrem Intensitätsgrad bzw. in ihrer Wertigkeit.
Je stärker ausgeprägt die der Ersatzhandlung zugrunde liegende psychische Störung, ergo je größer das vorhandene psychische Defizit, desto tief verwurzelter der Stimulus, desto dringlicher die Triebkraft, desto höher der Energieeinsatz, desto massiver muss der Ersatzbefriedigungsgehalt sein (um eine Wirkung erzielen zu können) und desto beträchtlicher ist in Folge das Ausmaß bzw. die Dimension der Ersatzhandlung und Kompensation.
Eine Nebenbemerkung: Realistische Zielsetzung einer psychotherapeutischen Behandlung im Falle einer tiefgründigen Persönlichkeitsproblematik, die zwangsläufig jeweilige psychische Reaktionsformen mit korrespondierenden Ersatz- und Kompensationshandlungen hervorruft, ist die Ablösung von die Person und ebenfalls das Umfeld belastenden Verhaltensweisen in gemilderte und moderate, um somit den Alltag für den Leidtragenden wie ihre soziale Umgebung annehmbarer und positiver werden lassen.
Die Systematik ist ähnlich wie bei einer physischen Krankheit, die zwar nicht gänzlich heilbar ist, aber deren Symptome sich eindämmen und erträglicher gestalten lassen.
Zum Beispiel: In Folge einer Behandlung nimmt der bestehende latente Schmerz ab und deshalb kann das bisherige, hoch dosierte und stark schmerzstillende Medikament mit vielen und erheblichen Nebenwirkungen durch eines ersetzt werden, welches sowohl niedriger dosiert wie besser verträglich ist.
Ersatzhandlungen und Kompensationen sind zur sogenannten allgegenwärtigen Normalität geworden und dadurch werden mehrere Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung eine erhebliche Relevanz in der Beurteilung des vorhandenen Zustandes des einzelnen Menschen wie der Gesellschaft im Ganzen hat.
>Wann muss von einer Ersatzhandlung und wann von einer natürlichen Handlung gesprochen werden? >Wie ist dies zu erkennen? >Macht es denn überhaupt einen Unterschied, ob es um eine natürliche oder eine ersatzgemäße Handlung geht, vor allem, wenn das – offensichtliche - Ergebnis praktisch identisch ist? >Wenn ja, worin ist dieser Unterschied zu sehen und welche Bedeutung hat dies für den Betroffenen und für die Gesellschaft?
Vorab muss die natürliche Handlung respektive das natürliche Verhalten definiert und damit abgegrenzt werden. Die natürlich initiierte Handlung basiert weitgehend auf der freien Entscheidung, etwas Bestimmtes tun zu wollen und nicht, wenn auch unbewusst, tun zu müssen. Der Mensch hat also die Möglichkeit der freien Wahl, die Handlung dient dem Selbst- und nicht irgendeinem (determinativen) Fremdzweck.
Da die Entscheidung nicht auf einem zu kompensierenden psychischen Defizit und dem korrelierenden psychischen Druck basiert, ist die Person von der Aufrechterhaltung und dem Ergebnis der Handlung (Befriedigung) nicht grundsätzlich abhängig und dadurch nicht in ihrer identitätsgemäßen Stabilität und generellen Funktionsfähigkeit gefährdet.
Der Mensch kann aus der natürlichen Handlung im Vergleich zur Ersatzhandlung nachhaltig Befriedigung ziehen, nach Beendigung wirklich mit der Handlung abschließen und sich Neuem zuwenden, ohne im Teufelskreis der laufend notwendigen Wiederholungen der Ersatzhandlungen mit ihrem geringen Befriedigungspotenzial gefangen zu werden.
Aus welchen Quellen sich der Impetus für entsprechendes Verhalten und Handeln speist, hat demnach große Auswirkung auf die Ausprägung einer Handlung oder eines Verhaltens, auf die innere Verfassung des Menschen und damit auch auf deren gesellschaftliche Ausstrahlung.
Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass der wirkliche Antrieb für eine Handlung egal sei, falls im Endeffekt das Ergebnis nahezu oder vollkommen gleich ist.
Ein Beispiel wäre die Berufswahl, die oftmals auf identitätsgemäßen Hintergründen beruht, weil über die mit dem Berufsbild verbundenen Attributen (Stichwort: gesellschaftliche Aufladung) besondere identitätsstützende (Ersatz) Befriedigungen generiert werden können.
Hier sei der Arzt genannt, der nicht nur Menschen helfen und ein gehobenes wirtschaftliches Niveau erreichen mag, sondern zudem gesellschaftliche Anerkennung, Prestige, Status (überspitzt Halbgott in Weiß) und eine gewisse Macht. Für den Patienten spielt es in der Regel keine Rolle, welche Motive der Arzt für seine Berufswahl hatte, Hauptsache, die Behandlung ist gut und erfolgreich. Erst wenn der Arzt über das Ziel der eigentlichen Behandlung hinausschießen und beispielsweise entgegen dem Arztethos aufgrund einer (unverantwortlichen) Profilierungssucht und eines damit verbundenen Überehrgeizes nicht zugelassene Behandlungsmethoden oder Arzneien anwenden würde, bekäme der identitätsgemäße Hintergrund der Berufswahl für den Patienten eine Relevanz.
Ein weiteres Beispiel wäre der Philanthrop, der sozial Benachteiligte und Bedürftige unterstützt und durch sein Tun bewusst oder unbewusst Bewunderung, Lob, Achtung, Ehrung und Ansehen erreichen will. Hier ist es dem Unterstützten und ebenfalls der Gesellschaft gleichgültig, welche Motive der Philanthrop für sein Handeln ursächlich hat, vielleicht ist nur die Art und Weise, wie er das verteilte Geld ursprünglich erworben hat, ein Thema.
Oder ein Sozialarbeiter, der Entwicklungshilfe in der sogenannten dritten Welt leistet und armen, entrechteten Menschen zur Seite steht. Ob diese Arbeit eigentlich einem identitätsgemäßen Kompensationsbedürfnis nach Anerkennung und Akzeptanz entsprungen ist, interessiert dem Hilfsbedürftigen nachvollziehbarerweise nicht.
Oder der Politiker, der sich nachdrücklich für die Bürger, deren Belange und die gesellschaftliche Gestaltung einsetzt. Ob dieses Engagement nur von der hehren Verantwortung der Gesellschaft gegenüber getragen wird (wie dies in der Regel vorgegeben wird) oder tiefgründig das Bedürfnis nach Macht, Einfluss, Anerkennung und auch Bekanntheit/Prominenz verfolgt wird, interessiert die Menschen erst, wenn es zu Machtmissbrauch und Korruption kommt.
Dies sind Beispiele für Fälle, bei denen der gegenwärtige identitätsgemäße Anlass für eine Ersatzhandlung für die Außenwelt weder eine negative Bedeutung hat noch einen belastenden Faktor darstellt, hingegen oftmals sogar gegenteilig wirkt, indem die Gesellschaft bzw. konkrete Gruppen von dem psychisch-defizitären Antrieb und den daraus resultierenden Handlungen profitieren.
Es darf aber nicht der Fehler der Verallgemeinerung gemacht werden, da sehr oft die Art und Ausprägung der Ersatzhandlung und Kompensation zulasten anderer Menschen, anderer Gruppierungen, der Gesamtgesellschaft und überdies des Betroffenen selbst gehen.
Ein Beispiel wäre gewalttätiges und/oder kriminelles Verhalten, das nahezu immer eine Ersatz- und Kompensationshandlung ist (siehe Kapitel „Entlarvung der Lebenswirklichkeit", Ursache der Kriminalität). Deren leidtragende Empfänger haben die