Mit sich vertraut sein: Wege zur Erforschung des Selbst
Von Dieter Funke
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Über dieses E-Book
Dieter Funke
Dr. Dieter Funke, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (GPP), Gruppenlehranalytiker (D3G) und Paartherapeut, tätig in Einzel-, Paar- und Gruppentherapie in eigener Praxis in Düsseldorf.
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Buchvorschau
Mit sich vertraut sein - Dieter Funke
nebeneinander.
1. Dem Selbst auf der Spur
Wer mit sich selbst vertraut sein und bei sich ankommen will, hat schon den wichtigsten Schritt zum Ankommen unternommen, wenn er realisiert, dass er immer schon da ist, wo er hinwill. Wir können gar nicht anders als bei uns zu sein, nur fehlt uns oft das Bewusstsein davon. Auch wenn wir uns manchmal fremd fühlen mit uns selbst, so sind wir es doch selbst, die dies empfinden. Dies wahrzunehmen wäre eine Form des Bei-sich-Seins. Was uns davon abhält, zu realisieren, dass wir schon da sind, wo wir hinwollen, ist also ein mentales Problem: Wir glauben z. B., dass das Gefühl des Sich-fremd-Seins von äußeren Faktoren wie Umgebung, Menschen, Arbeit usw. abhängt und realisieren nicht, dass wir es selbst erzeugen und auf diese Umstände projizieren.
Diese mentale Erzeugung innerer Zustände lässt sich gut an der Einstellung zur Gegenwart verdeutlichen, auf die später noch ausführlicher eingegangen wird. Hier nur so viel: Wir glauben, dass es eine Vergangenheit oder eine Zukunft gibt, die sich von der Gegenwart unterscheiden. Diese Unterscheidung existiert aber nur in unseren Gedanken, in Wirklichkeit gibt es nur das Jetzt der Gegenwart. Nur mental verlassen wir dieses Jetzt und sind entweder mit der Vergangenheit beschäftigt oder grübeln über die Zukunft nach. Die Gedanken führen uns aus der Gegenwart des Augenblicks. Wenn wir jedoch den inneren Scheinwerfer von den Gedanken weg hin auf das Erleben der Gegenwart richten, aktivieren wir unser Selbst, das sich von unseren Gedanken unterscheidet. Man könnte sagen, das Selbst und das Jetzt sind identisch, beide kennen keine Vergangenheit und keine Zukunft im Sinne der ablaufenden physikalischen Zeit.
Alles, was wir für Vergangenheit halten, war einmal ein Jetzt und alles, was wir Zukunft nennen, wird einmal ein Jetzt sein. Natürlich ist die ablaufende äußere Zeit für unsere Orientierung und soziale Verständigung wichtig, aber die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eingeteilte zeitliche Wirklichkeit ist nur ein Aspekt unseres Erlebens. Wenn wir aber ausschließlich mit diesen Aspekten identifiziert bleiben, verfehlen wir einen wichtigen Zugang zu unserem Selbst.
Wenn Selbst und Jetzt identisch sind, dann heißt Mit-sich-vertraut-Sein und Bei-sich-selbst-Ankommen, die Hindernisse zu beseitigen, die der Gegenwärtigkeit des Augenblicks im Wege stehen. Verweilen wir einen Moment bei diesen Hindernissen, die uns dem Jetzt und dem Selbst entfremden.
Ein ursprüngliches, gleichsam angeborenes Mit-sich-vertraut-Sein wird im Laufe der Lebensgeschichte vielfach überschattet durch die Anpassung an äußere Sachzwänge oder an Erwartungen anderer. Über verschiedene Wege wie Meditation, Selbstbeobachtung und Auflösen der Anhaftung an Selbstkonzepte kann das ursprüngliche Mit-sich-vertraut-Sein wiedergefunden werden. Diese Beheimatung im eigenen Selbst bildet auch die Grundlage für entspannte und befriedigende Beziehungen zur Außenwelt, zum Partner und zu anderen Menschen.
Der Weg zum ursprünglichen und primären Mit-sich-vertraut-Sein führt über das Bewusstwerden der Gegenwart. Beim Mit-sich-vertraut-Sein ist das wichtigste Wort das kleine Hilfsverb »sein«. Es deutet darauf hin, dass wir dieses Vertraut-Sein mit sich selbst nicht erst lernen müssen, sondern dass es bereits in uns grundgelegt ist, wenn auch oft verschüttet. Trotz aller Prägung oder Verformung durch Erziehung, Kultur, Partnerschaften und Beruf gibt es einen Kern in uns, der sich aller Prägung durch andere entzieht. Es ist unser Kern-Selbst, welches wir als gleichsam angeborene Mitgift mitbringen, wenn wir die Bühne der Welt betreten.
Kern-Selbst
Dieses Kern-Selbst verortet der amerikanische Neurologe Antonio R. Damasio in einem dreistufigen Selbstmodell, welches aus dem Protoselbst, dem Kernselbst und dem autobiographischen Selbst zusammengefügt ist. Die unterste Bewusstseinsstufe, das Protoselbst, ist im Hirnstamm lokalisiert. Eine Störung in dieser Region führt zu Bewusstseinsverlust. Das Kernselbst als nächst höhere Verarbeitungsebene wird durch Hirnstrukturen gebildet, die tief im Inneren des Gehirns im subcortikalen und limbischen Bereich verankert sind. Ihm entspricht ein Kernbewusstsein, welches für die Produktion eines einheitlichen und kontinuierlichen Selbst sorgt. Das autobiographische Selbst, die dritte Stufe, umfasst die Rindenfelder des Neocortex und den Hippocampus und sorgt dafür, dass sich das Ich mit den Ereignissen seines Lebenslaufes identifizieren kann und somit ein Identitätsgefühl erhalten bleibt. Demgegenüber ist im Kernselbst die Gewissheit eingeschrieben, dass es etwas Unzerstörbares gibt, das auch durch traumatische Erfahrungen nicht zerstört