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Die Prüfung
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eBook348 Seiten5 Stunden

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Über dieses E-Book

Ferry und Laura kehren zurück von Atlantis-P1, doch sie werden alles andere als freundlich begrüsst. Doch damit nicht genug: in Lauras Leben zeichnet sich eine grosse Veränderung ab - sie ist schwanger! Ferry darf derweil ins P1-Corps zurückkehren und soll Master werden. Die Meisterprüfung, die ihm der Ältestenrat aufgibt, stellt ihn jedoch vor ein schier unlösbares Problem: er soll einen Weg finden. Leider weiss er nicht welchen Weg oder wo… Es beginnt eine abenteuerliche Suche, die Ferry von Grönland bis Neuseeland bringt. Zwischen Vaterfreuden, Corps-internen Streitereien, Begegnungen mit Grauen und Reisen durch die Parallelwelt findet Commander Black so manchen Weg, doch keiner scheint der Prüfungs-Weg zu sein…
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. Nov. 2017
ISBN9783742765314
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    Buchvorschau

    Die Prüfung - Ralf Wider

    Kapitel 1 - Die Rückkehr

    Lautlos glitt das königsblaue Doppel-IFO aus dem Nebel hinaus auf den schmalen Meeresstreifen. Die Sonne stand schon hoch, es musste etwa Mittag sein. Die Sonnenstrahlen liessen die goldenen Flügel des zigarrenförmigen Flugobjekts aufblitzen. In der Pilotenkanzel wurde es plötzlich deutlich wärmer und Ferry hob den Arm über die Augen, weil er geblendet wurde. Es störte Ferry nicht, dass er geblendet wurde, ganz im Gegenteil.

    Endlich waren sie aus dem verfluchten, dicken Nebel, der Un-Zone von P1, heraus. Die Erde der Menschen und diese Parallelwelt, P1, waren praktisch identisch. Nur wo auf der Erde, P0 im Fachjargon des Corps, Meer war, da gab es nur diese dicke Suppe von watteartigem Nebel in P1. Man konnte zwar durchfliegen, doch es war praktisch unmöglich, zu navigieren. Raum und Zeit funktionierten hier anders. Und die Geräte des Individuellen Flugobjekts, kurz IFO, stellten sich einfach ab.

    Noch etwas war nicht deckungsgleich in P1: Es gab hier ein Atlantis. Dort, wo es früher vielleicht auch auf der Erde gewesen war, bevor es im Meer versunken war, wollte man den Geschichten darüber glauben. Atlantis-P1 lag mitten im Atlantischen Ozean, etwas südlich der Azoren. Laura hatte es entdeckt. Von dort waren sie losgeflogen. Geflüchtet, genauer gesagt, denn dort lag das Hauptquartier oder die Hauptstadt der Grauen. Die Grauen, quasi die Mitbewohner dieser Parallelwelt, hatten sie kampflos ziehen lassen. Doch das war eine andere Geschichte.

    Drei gefühlte Tage waren sie in dem Nebel unterwegs gewesen, dreimal war es dunkel und wieder hell geworden. Sie hatten lange über ihr Abenteuer in Atlantis gesprochen. Zwischendurch hatten sie geschlafen, wobei einer von beiden immer Wache hielt. Eine zermürbende Angelegenheit. Es gab nichts zu sehen, nichts zu hören, nicht einmal die Instrumente konnte man kontrollieren, da sie sich alle abgeschaltet hatten.

    Bevor sie losgeflogen waren, hatten sie ihre Feldflaschen mit dem herrlichen Mineralwasser aus dem Vulkansee gefüllt. Weil sie nicht wussten, wie lange ihr Flug dauern würde, hatten sie das Wasser streng rationiert: alle vier Stunden gönnten sie sich einen kleinen Schluck. So ein Schluck betrug zirka drei bis vier Zentiliter und ihre Wasserflaschen fassten einen Liter. Damit würden sie bei dieser Rationierung Wasser haben für etwas mehr als vier Tage, hatten sie sich ausgerechnet. Sie konnten nur hoffen, dass es reichen würde. Übers Meer war es eine beachtliche Strecke vom Mittelatlantischen Rücken bis an die Westküste Afrikas. Die Navigationsgeräte hatten, bevor sie in Tiefschlaf gefallen waren, eine Strecke von rund 970 Seemeilen, also etwa 1800 km berechnet. Ihr Ziel war die Hafenstadt Essaouira in West-Marokko. Die längste bisher dokumentierte Flugstrecke durch den Nebel hatte Commander Melnik geschafft, doch die lag mit 560 km bei etwa einem Drittel der Distanz, die sie zurücklegen mussten. Lauras Flug von den Azoren nach Atlantis war eigentlich schon ein neuer Rekord gewesen mit rund 650 km Luftlinie. Sie hatte beim Hinflug den Eindruck gehabt, etwa einen Tag unterwegs gewesen zu sein.

    Bei den Zeitintervallen, in denen sie das Wasser zu sich nehmen durften, mussten sie sich auf Lauras Armbanduhr verlassen. Es war nicht ganz klar, ob diese auch vom Nebel beeinträchtig wurde, nachdem alle sonstigen Geräte ihren Dienst verweigerten. Doch ihre Ebel Wave mit dem sanft glitzernden Perlmutt-Zifferblatt tickte fröhlich weiter, sie schien resistent. Ferrys Uhr hätten sie nicht brauchen können, denn diese hatte schon lange keine Batterie mehr. Er brauchte sie nur noch als Funkempfänger, und dazu brauchte sie keine Batterie. Der Quarz der Uhr reichte dafür vollauf.

    Obwohl sie wenig Wasser zu sich nahmen, schaffte es Laura trotzdem, zweimal täglich pinkeln zu müssen. Ferry fragte sich, wo sie das Wasser dazu hernahm. Praktischerweise hatte das IFO auf der Navigationsseite, Lauras Seite, eine einfache Toilettenfunktion: ungefähr so, wie eine Flugzeugtoilette, die sich auf Knopfdruck öffnen liess. Sie war direkt im Pilotensitz eingebaut. Praktisch. Laura hatte offensichtlich an alles gedacht, als sie zu zweit das IFO materialisiert hatten. Ferrys Körper hingegen schien seine Stoffwechselfunktionen weitestgehend eingestellt zu haben. Das konnte auch daran liegen, dass sie nichts mehr zu essen hatten; die letzten Nahrungspillen hatten sie vor dem Abflug genommen. Die letzte feste Nahrung waren die Maulbeeren gewesen, die sie einen Tag zuvor auf der Insel gefunden hatten. Doch das Hungergefühl hatte sich schnell eingestellt. Ass man länger nichts, knurrte auch der Magen nicht mehr.

    Stärker als Hunger und Durst zehrten die Stille und die Untätigkeit an ihren Nerven. Ausserdem tat Ferrys Hintern weh, vom vielen Sitzen. Auch wenn der Pilotensitz sehr ergonomisch und perfekt an seinen Körper angepasst war, so hatte er trotzdem schon nach einem Tag das Gefühl, wundgesessen zu sein. Also begann er, in der kleinen Pilotenkanzel Turnübungen zu machen. Er setzte sich kniend auf den Pilotensitz, verkehrt herum, machte Dehnübungen, quetschte sich zwischen die Pilotensitze, um halbwegs aufrecht stehen zu können und versuchte, Kniebeugen zu machen. Laura lachte sich dabei fast kaputt. Ihr knackiger Hintern schien nicht zu schmerzen. Sie hatte ihren Sitz so weit nach hinten gekippt, wie es ging und sich kuschelig in die Passform geschmiegt. Einmal hatte er auch versucht, Turnübungen auf Laura zu machen, doch sie hatte ihn lachend, aber energisch weggescheucht. Sex im IFO wäre ein First gewesen, welches ihm gefallen hätte, doch Laura fand, sie seien schliesslich keine Teenager mehr... Nun, er durfte sich nicht beklagen, die letzten Tage hatten einige Firsts mit sich gebracht… Wenn Ferry dran war mit der Wache, während Laura schlief, erinnerte er sich gerne daran zurück.

    Wenn Laura Wache hielt, zeichnete sie auf einem kleinen Zeichenblock, den sie immer in ihrem Rucksack dabei hatte. Ausserdem hatte sie verschiedene Bleistifte mit unterschiedlichen Härten, Kohlestift und ein paar Farbstifte dabei, ein Geo-Dreieck und einen Anspitzer, alles säuberlich in einem flachen Etui verpackt, mitsamt dem Malblock. Sie skizzierte und zeichnete alles mögliche: ihr altes IFO, dass abgeschossen worden war in Atlantis, die Queen of Atlantis - das Schiff, in welchem sie gerade sassen -, Ferry im Tiefschlaf (mit etwas zu grossen Ohren und krummer Nase), einen Maulbeerbaum, die Hauptstadt der Grauen mit dem riesigen Turm und noch viel mehr, was sie in den vergangenen Tagen gesehen hatten.

    Wenn sie beide wach waren, erzählten sie sich gegenseitig, was sie alles erlebt hatten in der Zeit ihrer Trennung. Sie hatten sich viel zu erzählen, schliesslich hatten sie sich drei Jahre lang nicht mehr gesehen.

    Doch nach drei ganzen Tagen war Ferry heilfroh, endlich wieder Festland zu sehen.

    Plötzlich erwachte das Cockpit aus seinem Dornröschenschlaf: dutzende von Lämpchen leuchteten auf, die Bildschirme flackerten kurz, um dann wieder ihren Betrieb aufzunehmen. Es piepste und surrte von allen Seiten.

    Sie waren bereits über den schmalen Streifen Meer geglitten und jetzt über dem Festland, mitten in einem geschützten Hafen einer kleinen Stadt. Ferry zog den Beschleunigungshebel in die Nullposition und brachte die Queen of Atlantis zum Stillstand. Er griff auf Lauras Seite hinüber und berührte sie zärtlich an der Schulter. Verschlafen blinzelte sie ihn an.

    Hmm? brummte sie.

    Guten Morgen, Schlafmütze! Lust auf eine kleine City-Tour?, säuselte er.

    Blitzschnell schoss sie hoch und starrte aus der Kanzel. Sie riss die Arme hoch in einer Siegesgeste. Dann liess sie sich mit einem Seufzer wieder in ihren Sitz fallen.

    Geschafft! Ihre Augen funkelten, als sie zu ihm hinüberblickte. Er grinste.

    Sie beeilte sich, ihren Sitz wieder in Flugposition zu bringen und liess ihre geübten Hände über die Armaturen gleiten. In gewichtigem, gespielt förmlichen Ton las sie die Instrumente ab: Commander, bestätige Ankunft in Essaouira, Marokko-P1. Hat voll hingehauen... Braves Mädchen! Sie tätschelte den Armaturenblock der Queen. Funke sofort das HQ an für ein Rescue-Team.

    Wart' noch damit! Ich will mir erst mal die Beine vertreten… Mein Knie ist ganz steif und mein Hintern möchte dringend aus diesem Sitz raus! Er öffnete die Verriegelung der Glaskanzel und sie glitt lautlos hoch. Eine frische Meeresbrise wehte zu ihnen hinein. Es war warm. Es war herrlich. Etwas ungelenk begann er hinauszuklettern. Die Sprossen der Leiter an der Flanke des Schiffs waren bereits ausgefahren. Laura war schon dabei, auf ihrer Seite herunterzuklettern. Gleichzeitig kamen sie auf festem Boden an und begannen sich umzusehen. Zielstrebig steuerte Laura die Hafenmauer an, wo sie ein geschütztes Plätzchen entdeckt hatte: Pipi machen, war ja klar gewesen.

    Ferry hingegen ging auf der Hafenmole auf und ab, streckte sich, hüpfte und versuchte, die steifen Glieder zu lockern. Dann holte er seine Parisienne aus der Brusttasche und zündete sich eine an. Es war die Zweitletzte. Auch diese Rationierung hatte gut hingehauen. Die letzten drei Tage im Schiff hatte er es sich verkneifen müssen, doch jetzt hatte er unendlich Lust, eine zu rauchen. Genüsslich sog er den Rauch tief in die Lungen und liess ihn langsam ausströmen. Er seufzte: das hatte ihm gefehlt.

    Laura war zurück, auch sie schien erleichtert und hatte ein Lächeln auf dem Gesicht.

    Endlich., seufzte sie, Ich dachte schon, wir kommen gar nie mehr an! So lange im Nebel zu sitzen, ist ganz schön zermürbend.

    Hm., brummte Ferry und zog noch einmal genüsslich an seiner Zigarette. Ihm war ein bisschen schwindelig im Kopf. Nach drei Tagen Abstinenz haute das Nikotin ganz schön rein. Als er zu Ende geraucht hatte, drückte er den Stummel aus und verstaute ihn in der kleinen Halspastillen-Blechdose, die ihm als mobiler Aschenbecher diente.

    Laura war zum Ende der Hafenmole geschlendert und schaute verklärt aufs Meer hinaus, respektive zum Nebel, der hinter dem kurzen Streifen Meer lag. Dorther waren sie gekommen. Atlantis. Was für ein Abenteuer! Auch sie war froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben; sie hatte sich ihren Ausflug zur Hauptstadt der Grauen anders vorgestellt gehabt. Sie hatte sie einfach finden wollen. Sie war besessen gewesen von ihrer Idee, dass es ein Machtzentrum der Grauen geben musste. Sie hatte es sich selbst und ihren Vorgesetzten, die sie belächelt hatten, beweisen wollen. Es hatte eine schnelle Aufklärungs-Mission sein sollen: reinschleichen, auskundschaften, schnell wieder abhauen. Doch das hatte so nicht hingehauen. Was sie gefunden hatte, war viel grösser und viel besser bewacht als sie es sich vorgestellt hatte! Vielleicht hatte sie auch ihre aufklärerischen Fähigkeiten überschätzt? War sie möglicherweise zu unvorsichtig und ungestüm gewesen? Hätte sie den Feindkontakt vermeiden sollen? Hätte sie ihn vermeiden können? Wahrscheinlich nicht. Sie war abgeschossen worden, zum ersten Mal in ihrem Leben, doch Ferry hatte sie gerettet. Und er hatte sie sicher von der Insel gebracht. Er hatte ihr alles erzählt. Seine irrwitzige Geschichte. Sie hatten ihre Trennung überwunden und wieder zusammengefunden! Sie hatte gemerkt, dass sie ihn immer noch liebte, obwohl sie sich während drei Jahren eingeredet hatte, dass sie ihn hasste, für immer hassen würde… Doch er war gekommen, der edle Ritter in der scheinenden Rüstung, hatte sie gerettet und gepflegt! Er hatte sie geheilt von ihren äusseren Verletzungen und von dem Schmerz in ihrer Seele befreit… Er war ihr Held.

    Nein, so hatte sie sich ihren heimlichen Ausflug nicht vorgestellt gehabt... Wärme stieg in ihr auf. Sie bekam rote Bäckchen und fühlte sich wohl. In der Sonne, auf dem Festland. Sie seufzte tief.

    Hast du etwa schon Sehnsucht? Willst du zurück?, fragte es hinter ihr. Ferry war zu ihr getreten und schaute über ihre Schulter in den Nebel, der dick und unbeweglich über dem Meeresstreifen lag.

    Sie erschrak und drehte sich zu ihm um; sie hatte ihn nicht kommen hören. Sie schaute ihm tief und verliebt in die Augen.

    Nein. Ich denke, für den Moment ist es okay, mal gerade nicht in Lebensgefahr zu sein… Sie küsste ihn sanft auf den Mund. Danke., fügte sie hinzu.

    Er lächelte sie warm an. Sie hatte sich schon mehrfach bei ihm bedankt für ihre Rettung und das ganze Drumherum, doch er hörte es immer wieder gerne. Er war stolz, dass er es geschafft hatte. Er war froh, dass er seine Liebste hatte retten und zurückgewinnen können.

    Er warf einen letzten Blick auf den Nebel, fasste Laura um die Taille und führte sie schweigend zu ihrem Doppel-IFO zurück, das fröhlich hüpfend auf sie wartete.

    Apropos Lebensgefahr… Ich bin nicht sicher, ob wir das Schlimmste schon hinter uns haben: wir müssen Paris kontaktieren… sagte er und ein unheilvoller Unterton schwang in seiner Stimme mit. Er spürte, wie Laura an seiner Seite zusammenzuckte. Sie schien den Gedanken an ihre offizielle Rückkehr verdrängt zu haben.

    Er wird mich in Stücke reissen., flüsterte sie. Ihre Augen waren glasig geworden und ihr Blick ging ins Nichts - sie schien sich die bevorstehende Situation auszumalen. Ihr Gesichtsausdruck war trotzig, aber Ferry konnte auch Angst in ihren Augen stehen sehen. Sie hatte Angst, aus dem Corps ausgeschlossen zu werden, so wie Ferry damals. Dabei war das Corps ihr Leben, ihre Lebensaufgabe. Er konnte sie nur zu gut verstehen, er fühlte genauso. Sanft drückte er sie an sich.

    Das werde ich nicht zulassen; dafür habe ich dich nicht zusammengeflickt, nur dass ein anderer dich gleich wieder in Stücke reisst! Er lächelte ihr aufmunternd zu, doch auch in seinen Augen stand ein sorgenvoller Ausdruck. Sie versuchte, sein Lächeln zu erwidern, doch es gelang ihr nur ansatzweise.

    Bringen wir es hinter uns., sagte er und begann, die Sprossen des IFOs hochzuklettern. Laura tat es ihm gleich auf der anderen Seite des Flugobjekts. In der Pilotenkanzel angekommen, liess sie sich in den Sitz fallen. Widerwillig stellte sie die Hauptfrequenz auf Mittelwelle ein, während Ferry ihr aufmunternd zunickte. Sie zögerte kurz, räusperte sich und holte tief Luft.

    HQ-P1, this is the Queen of Atlantis, calling from Essaouira-P1. Commander Black and Squad Leader Orange request a rescue party at this location. I repeat: please send rescue party with toilet. We are in good health… and happy to be back. Queen of Atlantis, over. Sie sank in sich zusammen, als ob sie sich gerade ein Taxi zum Schafott bestellt hätte.

    Ausser einem feinen Rauschen war nichts zu hören. Beide wagten sie kaum zu atmen, gespannt auf die Antwort. Als nach ein paar Momenten noch keine Antwort gekommen war, schaute Laura mit gerunzelter Stirn zu Ferry hinüber. Dieser nickte bestätigend, dass sie nachhaken solle, auch auf seiner Stirn standen tiefe Falten. Keine Antwort? Das war seltsam. Sicher, dass sie nicht direkt das Hauptquartier in Zürich erreichten auf dieser Wellenlänge, war schon klar. Doch es gab jede Menge Relaisstationen, die das Signal weiterleiten müssten. Laura versuchte es erneut.

    This is the Queen of Atlantis, P1AF, Commander Black and Squad Leader Orange. Sie liess einen Moment verstreichen; doch wieder kam keine Antwort, nur statisches Rauschen. Ferry begann, sich Sorgen zu machen; Laura versuchte es weiter.

    Commander Black and Squad Leader Orange request rescue party. Please come in, over!

    Nichts.

    Sie sahen sich ratlos an.

    Laura kontrollierte die Instrumente und die Frequenzen und schraubte an den Geräten herum. Sie war gerade bereit, einen neuerlichen Funkspruch abzusetzen, als es im Lautsprecher knackte.

    Unknown vessel in Essaouira-P1, please identify yourself. Do not move and do not try to get away. You are surrounded by our fleet. Do not take any hostile measures, or we will punish you.

    Was zum Henker…?, stiess Ferry hervor. Was sollte das? Die hatten wohl nicht alle Tassen im Schrank!

    Wieder sahen sie sich an, nicht nur ratlos diesmal, sondern zutiefst erstaunt. Lauras Augen waren gross und rund. Offensichtlich konnte sie sich auch keinen Reim darauf machen. Ihr Blick verriet, dass sie Rat bei Ferry suchte. Dieser zuckte mit den Schultern und schüttelte stumm den Kopf: er hatte genausowenig Ahnung, was hier los war, wie sie. Laura wandte sich wieder den Instrumenten zu, ungläubig den Kopf schüttelnd.

    HQ-P1, this is the Queen of Atlantis, a P1AF two-man-vessel on a secret mission. Please inform Master Paris immediately of our comeback! We are on a peaceful mission and will not attack. I repeat: we are on a peaceful mission and do not intend to attack! Wieder schüttelte sie den Kopf: nie hätte sie erwartet, dass sie so einen Funkspruch würde absetzen müssen! Erwartungsvoll schaute sie zu Ferry hinüber, er nickte seine Zustimmung: egal, was im HQ los war, Laura hatte sich richtig verhalten.

    Es dauerte einen Moment, bis eine Reaktion kam. Ungeduldig starrten sie auf die Monitore.

    Unknown vessel, this is HQ-P1. Do identify yourselves or we will consider you hostile and attack!

    Beide Piloten waren baff; ungläubig starrten sie zuerst auf die Monitore - die nichts dafür konnten - und dann sich gegenseitig an.

    In einer fragenden Geste drehte Laura die Handflächen nach oben.

    Was wollen die? Was ist ihr Problem?

    Ferry machte eine verzweifelte Geste mit den Händen. Keine Ahnung…! Er überlegte einen Moment lang. Gib ihnen nochmal durch, wer wir sind. Das kann ja nicht so schwer zu begreifen sein…?

    Laura nickte - etwas verstört, aber zustimmend.

    HQ-P1, this is the Queen of Atlantis, two-man-vessel of P1AF. We identify the crew: Commander Ferry Black and Squad Leader Orange Laura Hidalgo. Please confirm, over!

    Wieder vergingen endlos scheinende Sekunden, bis eine Antwort kam.

    Unknown vessel, this is HQ-P1. We cannot confirm your identity. There are no such members in P1AF as mentioned. Last call: do identify yourselves or we will attack!

    Gleichzeitig mit dieser kryptischen Nachricht gingen die Warnlichter an. Sie waren von einem Zielleitsystem erfasst worden! In Windeseile checkte Laura die Daten auf dem Monitor. Ihre Augen wurden noch grösser.

    Wir sind als Ziel erfasst…! von Squad Leader Green…, flüsterte sie. Sie konnte nicht fassen, was gerade vor sich ging.

    Verfluchte Scheisse! knurrte Ferry. Er griff nach dem Steuerruder und drückte den Knopf für die Sprechverbindung.

    This is Commander Black calling! Use your goddam voice identification! Commander Black, over!, brüllte er. Langsam geriet er richtig in Rage.

    Wieder verstrichen lange Sekunden, bis sich die Stimme aus dem Off meldete. Die Warnleuchten im Cockpit blinkten weiter und ein schriller Alarmton heulte durch die Kapsel. Besorgt schaute Laura auf die Instrumente.

    Soll ich unsere Waffensysteme hochfahren?, fragte sie leise, aber ohne echte Überzeugung.

    Ferry schüttelte nur den Kopf: auf keinen Fall! Egal, was los war, er wollte das friedlich regeln, auch wenn er sauer war.

    Unknown vessel, this is HQ-P1. We ARE on voice recognition… there is no match! Do stay quiet and make no hostile moves! A patrol will be with you shortly. Do not offer resistance! I repeat: do not offer resistance or we will attack!

    Die Stille, die auf diesen Funkspruch folgte, war bedrückend. Die Situation schien komplett surreal. Sie waren von einer bisher unbekannten Insel geflohen, die die Hochburg der Grauen war, hatten es durch den endlos scheinenden Nebel geschafft und jetzt, wo sie wieder auf heimischem Territorium waren, drohte die eigene Truppe, sie abzuschiessen?

    Ferry, was sollen wir machen? Angst schwang in Lauras Stimme mit. Das Piepen der Systeme wurde lauter. Mindestens ein Aufklärer schien sich zu nähern.

    Auf Ferrys Stirn standen tiefe Falten. Sein Mund war zusammengepresst. Stumm starrte er ins Leere. Wir halten die Füsse still und warten ab., presste er schliesslich hervor. Langsam hob er eine Hand ans Steuer und legte die andere sachte auf den Beschleunigungshebel. Er überlegte, ob sie nicht doch versuchen sollten, abzuhauen. Die Queen war ein extrem schnelles IFO, dennoch standen die Chancen extrem schlecht, da sie bereits als Ziel markiert war.

    Es knackte in den Lautsprechern und eine männliche Stimme erklang.

    Unknown vessel, this is Sierra Lima Golf Zero Zero Two. You are tagged as target. Do not try to get away or you will be destroyed. Get out of your vessel, hold up your hands and lay down all your weapons!

    Youssef!, rief Laura; sie erkannte die Stimme. Ferry nickte, auch er hatte die Stimme mit dem arabisch gefärbten Akzent erkannt: das war ihr Freund, Youssef El Kaouini, Squad Leader Green!

    Laura drückte den Knopf für den Sprechfunk. Youssef! This is Laura! We're back!

    Einen Moment lang blieb es still in der Pilotenkabine, dann erklang wieder die Stimme ihres Freundes.

    Crew of the unknown vessel, I repeat: get out of your ship and hold up your hands! This is the last call… Surrender or I will open fire!

    Spinnt der?, rief Laura. Sie griff wieder zum Funk, doch Ferry stoppte sie mit einer raschen Handbewegung. Seine Augen waren zusammengekniffen, die Lippen zusammengepresst; er dachte angestrengt nach. Aus dem toten Winkel hinter ihnen glitt ein schnittiges, smaragdgrün schimmerndes Objekt ins Blickfeld: das keilförmige IFO von Youssef hatte die Bordkanonen ausgefahren und auf die Queen gerichtet.

    Tun wir, was sie sagen! Ich weiss nicht, was los ist, aber wir werden es herausfinden... Und ich will auf keinen Fall, dass das hier eskaliert, ich hab ein ganz mieses Gefühl im Bauch!, sagte Ferry. Dann drückte er die Entriegelung der Pilotenkanzel, die sich lautlos hob. An der Seite der Queen fuhren die Sprossen der Leitern aus. Er begann, hinunterzuklettern und Laura tat es ihm nach einem Moment gleich.

    Ferry war unten angekommen, drehte sich zu dem grün schimmernden IFO, das keine zwanzig Meter von ihnen entfernt war, löste seinen Gurt, an dem die Handfeuerwaffe hing und liess ihn zu Boden gleiten. Dann machte er zwei Schritte nach vorn und hob die Hände. Widerwillig folgte Laura seinem Beispiel und stellte sich mit erhobenen Händen neben ihn.

    Und jetzt?, flüsterte sie.

    Abwarten., flüsterte Ferry zurück.

    Das IFO glitt langsam auf sie zu und kam unmittelbar vor ihnen zum Stehen. Die Sonne reflektierte auf der Pilotenkanzel und blendete sie, so dass sie nicht hineinsehen konnten. Für einen kurzen Augenblick schien die Szenerie eingefroren. Laura hatte Ferrys in die Höhe gestreckte Hand ergriffen und drückte sie. Dieser spürte, wie sein Herz raste. Irgendwo in seinem Kopf begann P!nk zu singen: Trouble!

    Energisch schüttelte er den Kopf, um die Musik zu verscheuchen; gerade jetzt konnte er keinen Wurlitzer in seinem Kopf gebrauchen!

    P!nk hielt inne, als sich die Kanzel des IFOs öffnete: langsam glitt sie nach oben und ein smaragdgrüner Helm kam zum Vorschein. Der Pilot schob das Visier hoch und sie konnten die Anspannung auf Youssefs Gesicht sehen. Mit dem durchdringenden Blick eines Sperbers starrte er die beiden an.

    Youssi!, rief Laura, liess Ferrys Hand los und rannte auf ihren Kameraden zu. Als sie an der Seite seines IFOs angekommen war und hineinschaute, sah sie, dass Youssefs Hand auf seiner Waffe lag. Er schaute sie immer noch mit stechendem Blick an und sagte nichts. Laura erschrak und trat ein paar Schritte zurück.

    Youssi! Was soll das? Kennst du mich nicht mehr? Ich bin's, Laura!

    Ferry war hinter sie getreten und beobachtete die Szene mit hochgezogenen Brauen.

    Hallo, Youssef., sagte er. Er machte sich nicht die Mühe, Englisch zu sprechen, denn er wusste, dass Youssefs Deutsch sehr gut war; er war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen und dort aufgewachsen.

    Die Augen des Piloten wanderten zu Ferry und wieder zurück zu Laura; sein Körper schien sich ein wenig zu entspannen. Er nahm die Hand von der Waffe und streifte sich den Helm ab. Anschliessend sprang der kleingewachsene, hagere Mann aus seinem IFO und kam auf sie zu.

    Ihr seid es also wirklich?, meinte er mit einer Miene, die verriet, dass er sowohl froh als auch erstaunt war. Er starrte sie immer noch an, als ob er seinen Augen nicht trauen könnte.

    Ja natürlich sind wir es! Was glaubst du denn? Sag mal, was soll das ganze Affentheater?, schnauzte Laura ihn an. Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und sich vor ihm aufgebaut. Das Gesicht, das sie machte, liess keinen Zweifel zu, dass sie sofort eine Erklärung für sein seltsames Verhalten verlangte.

    Ihr Gegenüber liess einen prüfenden Blick von oben nach unten über ihre Gestalt wandern. Schliesslich grinste er sie an und breitete die Arme aus.

    Mann, es ist toll, euch zu sehen! Ihr habt euch ganz schön Zeit gelassen... Willkommen zurück!

    Laura verstand gar nichts, doch es war ihr egal. Endlich schien alles wieder normal zu sein; sie warf sich in seine ausgebreiteten Arme und drückte ihn.

    Youssi, Youssi... Es ist schön, dich zu sehen! Du wirst nicht glauben, was wir alles erlebt haben!

    Sie liess ihn los, und bemerkte, dass er ganz rot geworden war. Ferry trat heran und streckte dem Staffelführer die Hand hin. Dieser ergriff sie und zog auch Ferry in eine kurze Männerumarmung mit Rückenklopfen.

    Mann, Ferry, willkommen! Oh… 'Tschuldigung… Commander!, grinste er.

    Ferry passt schon; schön, dich zu sehen, Youssef., sagte er. Dann und fixierte er den Piloten mit einem Blick, der keine Widerrede zuliess.

    Sagst du uns jetzt, was der Blödsinn gerade sollte? Wieso behandelt ihr uns wie Piraten? Habt ihr uns etwa für Graue gehalten, oder was?

    Der Staffelführer wurde knallrot im Gesicht und sah beschämt zu Boden. Dann drehte er den Kopf in Richtung der Queen und nickte hinüber.

    Na ja, wir hatten ein grosses Schiff auf dem Radar... Wir dachten erst, es sei ein Zerstörer und… wir hatten nicht mit euch gerechnet… Sorry! Hilflos mit den Armen gestikulierend, ging er zur Queen hinüber; er schien ihrer Frage auszuweichen. Ferry und Laura tauschten Blicke aus: da stimmte etwas nicht! Das konnte unmöglich alles sein? Sie hatten sich schliesslich klar zu erkennen gegeben! Langsam gingen sie zu ihrem Schiff hinüber und lasen auf dem Weg ihre Gürtel auf, um sie sich wieder umzuschnallen. Laura trat an den Kameraden heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter, was er aber gar nicht zu bemerken schien. Sein Blick glitt bewundernd über den grossen, eleganten Rumpf des Zwei-Mann-IFOs. Fast ehrfürchtig streichelte seine Hand über den glatten Lack des Bugs.

    Komm schon, Youssi., begann Laura, Was ist los? Was soll das heissen, ihr habt nicht mit uns gerechnet? Wir haben uns mehrfach zu erkennen gegeben!

    Die Unterhaltung schien Youssef unangenehm zu sein.

    Es ist kompliziert…, begann er herumzudrucksen. Das Riesenteil hier hat keine Flottenkennung und wir konnten euch nicht sicher identifizieren… Die Suche nach euch wurde abgebrochen... Vielleicht ein Fehler in der Spracherkennung…? Darf ich mal?, lenkte er ab und zeigte nach oben, zum Cockpit der Queen. Er schien das Gespräch im Sand verlaufen lassen zu wollen. Ferry musterte ihn mit einem kritischen Blick, nickte aber.

    Sicher. Schau sie dir ruhig an. Er pausierte kurz und der kleine Araber kletterte behende die Sprossen hoch und lugte in das geräumige Cockpit. Er pfiff durch die Zähne und murmelte etwas vor sich hin, vermutlich in Arabisch, denn ausser Allah verstanden sie nichts von dem, was er sagte. Ferry

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