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Prosasplitter ukrainischer Art: Kurzprosa
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Prosasplitter ukrainischer Art: Kurzprosa
eBook51 Seiten37 Minuten

Prosasplitter ukrainischer Art: Kurzprosa

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Über dieses E-Book

Kurzprosa, die sich einem aktuellen Thema widmet – dem Umbruch und den Kämpfen in der Ukraine, einem Land in Europa. Mit Problemen, Visionären und Helden.

Nachdem der ukrainische Präsident Janukowitsch im November 2013 das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte, formierten sich Proteste. Sechs kurze Geschichten schildern die Stimmung im Land in jener Zeit: in der Zeit des Euromaidan, nach der Annexion der Krim durch Russland und des Krieges in Teilen der Ostukraine.

***
Ein junges Paar lernt sich während der Proteste kennen und will auf dem Maidan heiraten, trotz aller Widrigkeiten scheint es ein schöner Tag zu werden. Doch dann zielt ein bewaffneter Berkut-Kämpfer auf die Hochzeitsgesellschaft.
*
Zwei Reporter sind mitten im Wald von Slawjansk mit einem bekannten Separatistenführer verabredet, sie dürfen ihm ein paar Fragen stellen. Doch eine unerwartete Begegnung führt dazu, dass sich einer der beiden plötzlich mit der Vergangenheit konfrontiert sieht.
*
Ostukraine. Jurij will seine Verwandten besuchen, aber durch die Familie geht längst ein tiefer Riss. Auch seine ehemalige Freundin soll bereits für die Separatisten arbeiten. Wird Jurij sie vom prorussischen Weg abbringen können?
*
In Russland erhält ein älteres Paar einen Anruf. Ihnen wird mitgeteilt, dass ihr Sohn in der Ukraine gefangen genommen wurde. Werden sie ihn wiedersehen?
*
Bogdan reagiert einsilbig, ja schroff, als ihn in der Metro eine junge Frau anspricht und ihm Gutes tun will. Am nächsten Tag liest er ihre Zeilen in der Zeitung. Wird er, ein Kiborg, ins normale Leben zurückfinden?
*
Maria trifft bei einem Spaziergang im Stadtpark die Schwester einer Schulfreundin. Ein ganz gewöhnlicher Tag? Nicht ganz. Maria lebt in Donezk.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Feb. 2017
ISBN9783742796974
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    Buchvorschau

    Prosasplitter ukrainischer Art - Sabine Hennig-Vogel

    Hochzeit auf dem Maidan

    Aus den Sandsäcken zwischen Autoreifen und Holzverstärkungen sickerten kleine Rinnsale. Erst vor wenigen Tagen hatten die Freiwilligen tonnenweise Schnee und Eis in Säcke geschippt und zur Verstärkung der Barrikaden verwendet. Der Frost ließ das Ganze hart wie Stein werden. Hart wie Stein war auch die Entschlossenheit der Maidaner, auszuharren.

    Die Sonne meinte es an diesem Wintertag gut mit Kiew, sie wärmte die Seelen der Menschen, spendete Licht, Wärme und Hoffnung. Nur für die Barrikaden verhießen die heißen Strahlen nichts Gutes. Die Rinnsale wurden immer größer, das Wasser floss in kleinen Bächen die Straße entlang.

    Plötzlich kam Bewegung in eine Gruppe Männer in Kampfanzügen. Ein Lkw fuhr rückwärts an die Barrikade heran und entlud eine Fuhre Sand. Die Männer griffen zu Schaufeln, befüllten weitere Säcke und besserten die Barrikaden aus.

    Zur gleichen Zeit im Haus der Stadtverwaltung – Anna stieß gerade einen kleinen Schrei aus. Vor ihr lag ein großer Pappkarton. Zaghaft hatte sie den Deckel abgenommen und blickte zwischen dem weißen Etwas und dem Mann im Designeranzug hin und her.

    »Aber das kann ich doch nicht annehmen!«, stammelte sie.

    »Oh, doch. Sie können, und Sie werden. Schauen Sie…«, er hob ein Brautkleid aus dem Karton, »das ist Größe 36. Sie tragen doch eine 36, oder?«

    Anna nickte.

    »Habe ich doch gleich gesehen. Bin ja nun schon ein paar Jahre im Geschäft. Kommen Sie, probieren Sie es an!«

    »Ich kann das aber nicht bezahlen!«

    »Mädchen, mach dir keine Sorgen. Das ist mein Beitrag zu eurer Revolutionshochzeit. Ich bin kein mutiger Mensch, aber ich will, dass ihr einen schönen Tag habt.«

    »Danke!« Sie umarmte den Mann, dann verschwand sie mit dem Kleid und zwei Freundinnen im Sanitärtrakt des Erdgeschosses.

    Bogumil, der orthodoxe Priester, der zuletzt die ukrainische Gemeinde in Frankfurt betreut hatte, besprach noch ein paar Einzelheiten mit dem Bräutigam. Mitja wirkte nervös. Er kannte Anna erst zwei Monate. Als in der behelfsmäßigen Küche im Haus der Gewerkschaften ein Regal unter der Last der von den Kiewern gespendeten Einweckgläser zusammen-gebrochen war, hatte er der verletzten Anna Erste Hilfe geleistet. Von diesem Tag an sahen sie sich täglich. Saßen zusammen an der Feuertonne und sangen ukrainische Volkslieder. Anna besserte seine Kleidung aus und strickte ihm einen Schal. Mitja, der nach dem Chemiestudium als Koch jobbte, zeigte ihr einige Kniffe in der Küche. An dem Tag, als man den Seismologen Jura gefesselt und mit Folterspuren tot im Wald nahe dem Flughafen fand, da saßen sie beide weinend und eng umschlungen die ganze Nacht auf der Treppe. Am nächsten Morgen malte Anna ihm ein rotes Herz und einen Schutzengel auf seinen Helm.

    Ja, er kannte sie erst zwei Monate. Aber noch nie war er sich so sicher gewesen, sicher, dass er hier auf dem Maidan ausharren würde, koste es, was es wolle; überzeugt davon, in Anna genau die Eine gefunden zu haben, die Eine, mit der er durchs Leben gehen wollte. Und er fand sie auch noch genau hier, im Hauptquartier der Demonstranten, wo Leid und Freude, Enttäuschung, Angst, Mut und Hoffnung jeden Tag aufeinandertrafen… Bogumil hatte die Idee, ihrer jungen Liebe einen festlichen Start in die Zukunft

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