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UHRA - Göttlicher Auftrag
UHRA - Göttlicher Auftrag
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eBook674 Seiten9 Stunden

UHRA - Göttlicher Auftrag

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Über dieses E-Book

Der Tempel der Mondgöttin Artmesea in Calaman wird von mysteriösen Todesfällen heimgesucht. Doch dies ist nur der Anfang: Der Hohepriester erfährt, dass überall im Land die Tempel Artemeseas von einem unbekannten Feind bedrängt werden. Die Göttin persönlich gibt ihm einen Auftrag, der die Rettung bringen soll. Doch ausführen wird ihn Uhra, ebenfalls Priester der Mondgöttin, gemeinsam mit seinen Freunden, die unterschiedlicher nicht sein können und zudem noch ungläubig sind. Dennoch müssen sie sich hundertprozentig aufeinander verlassen.
Ihr Weg ist weit und die Gefahren, denen sie sich ausgesetzt sehen, werden größer und der Feind verfolgt die Freunde ohne Gnade.
Die heilende macht der Göttin, Magie und Schwerter helfen ihr Überleben zu sichern und dem Ziel näher zu kommen, den göttlichen Auftrag auszuführen. Doch gibt es auch eine Macht, die den Tod selbst überwindet?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Jan. 2018
ISBN9783742756992
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    Buchvorschau

    UHRA - Göttlicher Auftrag - Peter Schwerthelm

    Inhalt

    KAPITEL 01

    Sie waren auf dem Rückweg. Die Sonne verschwand langsam hinter den Bäumen des Waldes, in dem sie ihren Weg suchten. Die einbrechende Dunkelheit verstärkte den Eindruck, dass der Wald nicht mehr länger ihr Freund war. Selbst Adderlin, von dem sonst immer eine besondere Ruhe und Ausgeglichenheit ausging, wirkte nervös und mahnte zur Eile, die feingliederige Hand des Elfen lag griffbereit auf dem Heft eines seiner Schwerter.

    Der Wald, der nicht nur für Geschöpfe wie ihn normalerweise einen Ort der Erholung darstellte, erfüllte alle Mitglieder der Reisegemeinschaft mit Unruhe. Zu viele schlechte Erinnerungen schwebten wie schattenhafte Geister über ihnen, denn hier in diesem Wald, alt und voller Bäume, mächtige, grüne Riesen, waren sie zum ersten Mal dem Tod begegnet. Vier Tage waren seither vergangen, doch die Erinnerung an den Kampf war präsent, steckte jedem Einzelnen noch tief in den Knochen.

    Erinnerungen, qualvoll und schmerzhaft, Erinnerungen an Orks, die sich zum ersten Mal mit den Ogern verbündet und sie aus ihrem kleinen schäbigen Hinterhalt heraus fast besiegt hatten. Es war ein Kampf auf Leben und Tod dabei herausgekommen. Die groben Waffen der Orks wurden lauthals geschwungen und zerteilten die Luft auf der Suche nach vermeintlich leichter Beute, weichem Fleisch. Dem Instinkt und der Wachsamkeit des Elfen war es zu verdanken, dass sie im letzten Moment noch ihre eigenen Waffen ziehen konnten, nicht wehrlos den brutalen Schlägen der grausigen Kreaturen ausgeliefert waren. Die Orks waren willens gewesen, sie zu töten, doch gegen die Erfahrung der Kämpfer um Uhra konnten sie nicht bestehen. Sie starben, einer nach dem anderen. Glieder wurden abgetrennt, Bäuche geöffnet, Blut vergossen. Nachdem ein halbes Dutzend von ihnen den Waldboden mit ihrem stinkenden Lebenssaft besudelten, flüchtete der Rest.

    Ihre Aufgabe oder besser gesagt die Aufgabe von Uhra, dem Priester der Mondgöttin Artemesea, und seinem Orden war es eigentlich nur gewesen, die verlassene Burg zu finden und sie für den Orden als Außenposten zu beanspruchen. Was aber war nun aus dieser Mission geworden?

    Uhra hockte auf einer Lichtung, die kurze Rast bot den Gefährten die Gelegenheit, die müden Glieder auszuruhen, sich zu erholen von Kampf und Reise. Er hatte sich von den anderen entfernt, genoss einen Moment lang die Natur, die Ruhe und die Einsamkeit, seine liebsten Begleiter, wenn man von den Freunden, die nur wenige Fuß entfernt von ihm rasteten, absah.

    Er blickte auf, betrachtete die Bäume und seine Freunde, erinnerte sich daran, wie es zu dieser Reise kam.

    Es wurden mutige Angehörige des Hochtempels seiner Göttin zu Calaman gesucht, die sich freiwillig für eine wichtige Mission zur Verfügung stellten.

    Die Auswahl der `Freiwilligen´ wurde schnell und ohne Widerspruch durch den höchsten Vertreter Artemeseas in Calaman, Rashid al Degarus, seines Zeichens Hohepriester, ausgeführt.

    Einer der wenigen unter den Auserwählten, der tatsächlich freiwillig mitgehen wollten, war Uhra, den die Aussicht auf diese Mission mit Unruhe, besser gesagt mit Enthusiasmus erfüllte.

    Uhra Faril war seit jeher getrieben von dem Wunsch, in die Welt auszuziehen, und er hatte bei anderer Gelegenheit bereits bewiesen, dass er sich in der `Wildnis´ behaupten konnte. Für ihn bedeutete die Auswahl vor allem Anerkennung, da er von vielen geschnitten wurde, er der Außenseiter, der Wilde, der lieber im Busch lebte, als im Tempel seiner Göttin zu dienen.

    Er blickte auf Bäume und Blätter, auf Eicheln und die Erde, was brauchte man sonst zum Leben? Außer dem Mond natürlich!

    Er erinnerte sich gut daran, mit wie viel Stolz es ihn erfüllte, dazuzugehören. Die Aufgabe schien simpel und der Weg nicht mehr als zwanzig Tagesmärsche von Calaman entfernt. Eine alte Ruine war das Ziel, eine Burg aus vergangenen Zeiten. Das Studium alter Schriften hatte zutage gefördert, dass hier vor über sechshundert Jahren seine Göttin Artemesea persönlich erschienen sein soll, um die Feste zu weihen und mit ihrem göttlichen Schutz zu versehen. Diese heilige Erde sollte nicht länger ungenutzt bleiben, sie sollte Ruhm und Ehre für Artemesea hervorbringen.

    Geridion, seines Zeichens Oberpriester zweiten Grades, führte die Gruppe, er sollte den göttlichen Schutz gewährleisten. Mit Artemesea und ihrem göttlichen Schutz würde ihnen nichts geschehen können, das hatten sie jedenfalls gedacht.

    Uhra selbst hatte die Aufgabe erhalten, seine Erfahrung in der Wildnis mit einzubringen. Zur Überraschung aller Beteiligten verfügte der Hohepriester außerdem, dass zu ihrem Schutz eine Gruppe erfahrener und vor allem bewaffneter Söldner gesucht würde, was Anlass zu vielen Fragen gab.

    Uhra blickte in die Dämmerung, lächelte bei dem Gedanken daran, wie glücklich er war, als er erfuhr, dass Adderlin, Gwen, Hagen und Nyander zu jener Zeit in der Stadt weilten, so dass er versuchen konnte, sie als Gefährten für die Reise zu gewinnen. Er kannte sie seit Jahren, hatte mit ihnen zusammen auf Reisen viele Abenteuer erlebt und wusste, dass er und auch die anderen Mitstreiter sich auf sie verlassen könnten, obwohl die Frage des Glaubens zwischen ihnen immer wieder einen Anlass zu Diskussionen gab.

    Uhra musste schmunzeln, wenn er daran dachte, wie er mit ihnen über sein Vorhaben und seinen Wunsch, sie dabei zu haben, sprach.

    »Wir sind nicht die Ammen von Kindern und Priestern«, tönte mit schnippischem Unterton der Nordländer Hagen.

    Uhra zog die Augenbraue hoch und wollte schon zu einer harschen Antwort ansetzen. »Aber wie könnt ihr….«, als Nyander ihm mit einem Stoß in die Seite den Atem nahm und sagte: »Gut, ich komme mit, bei so viel göttlichem Schutz muss die Reise ein Spaß werden.«

    Die sieben auserwählten Priester waren ob ihrer neuen Begleiter zunächst nicht begeistert. Es störte sie, dass die Fremden nicht an Artemesea glaubten, und schlimmer noch war die anwesende Dame, die ihnen als Gwen vorgestellt wurde, welche offensichtlich magisch begabt war und auf das Entschiedenste die Macht der Götter verneinte.

    »Meine Gabe ist nicht von Göttern gegeben!«, sagte Gwen. »Meine Fähigkeit ist angeboren und durch harte Arbeit weiter entwickelt.«

    Das war typisch für Gwen, selbstbewusst wie sie nun mal war. Uhra musste erneut lächeln.

    „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache." Neben Uhra tauchte plötzlich der Elf auf. Sein Gesicht war von Sorgen erfüllt, und auch auf Uhras Gesicht erstarb das Lächeln. Die gute Stimmung wurde durch ein Gefühl verdrängt, das einer eiskalten Hand, die einem von hinten in den Nacken griff, nahekam.

    Ein Kribbeln lief Adderlins Arme hinauf. Er war mehr als beunruhigt, gerade weil der Wald doch seiner eigenen Heimat am nächsten kam. Hier und jetzt stimmte etwas nicht. Zuerst waren es tote Vögel am Rande des Weges, welche die Reisenden zur Vorsicht mahnte, dann wurde ein Ghul, ein Untoter, mit dem nicht zu spaßen war, durch ihre Geräusche und den Geruch von Nahrung angelockt. Sein jämmerliches Dasein endete durch das göttliche Gebet eines der Priester, der zur Wache aufgestellt war. Ein blaues Licht legte sich wie eine Corona um den Körper des Ghuls. Ein Aufschrei, so grausam, dass er nicht von einem lebenden Wesen stammen konnte, drang durch die Nacht. Der Untote schlug um sich, griff nach einem Gegner, den er nicht bekämpfen konnte. Unglücklich versuchte er sich das Licht des Mondes von der Haut zu kratzen. Gleichzeitig wurde er durch die zwei schnell geführten Klingen des Elfen von den Beinen geholt. Danach schien die Reise wieder sicher zu sein, doch schon der nächste Tag brachte die Ernüchterung.

    Uhra versuchte halbherzig, Adderlin zu beruhigen, ihn selbst aber rissen die Ereignisse, die sie auf der eigentlich friedlichen Mission, ereilten, hin und her. In der Nacht fiel er in einen unruhigen Schlaf. „Artemesea, bitte steh uns bei", murmelte er immer wieder, als plötzlich ein Schrei die Stille zerriss. Getroffen von einem Pfeil, schrie einer der Anhänger der Mondgöttin seinen Schmerz in die Welt hinaus, doch der Blick in das umliegende Grün brachte keine Erkenntnis darüber, wo der Angriff herkam. Uhra sprang auf und blickte sich verzweifelt um. Durch das Geäst der grünen Bäume konnte man schon die strahlende Sonne sehen. Vielleicht hatte das sie unvorsichtig werden lassen.

    Dem ersten Pfeil folgte ein Speer und weitere Pfeile ließen sie wissen, sie waren zahlenmäßig unterlegen, die göttliche Kraft der Heilung würde hier alleine nicht ausreichen. Waffen wurden gezogen. Zwanzig bis fünfundzwanzig Orks und mindestens ein Oger befanden sich im Unterholz beiderseits des Weges.

    »Versucht in den Schutz der Bäume zu kommen«, riefen Nyander und Uhra fast gleichzeitig.

    Hagen und Gwen bahnten sich gemeinsam einen Weg ins Grün des Waldes, Hagen rannte vorweg mit seinem Bastardschwert in der Hand. Die Magierin lief ihnen gestikulierend und mit fremder Sprache auf den Lippen hinterher. Die beiden gaben ein gutes Paar ab, ergänzten sich in jeder Lebenslage. Was Hagen nicht mit seinem Schwert traf, konnte Gwen mit ihrer Magie erreichen. Als sie ihren Zauberspruch vollendete, gab es ein lautes Zischen und ein ganzer Schwarm fetter, aggressiver Hornissen flitzte durch die Büsche auf der Suche nach Opfern, die zu stechen waren. Bald schrien Orks im Wald. Die Insekten stachen gezielt auf Augen und Ohren ein und die abgelenkten Orks wurden ein leichteres Ziel für die Priester und die Gefährten. Schwerter wurden gezogen, die Freunde kämpften und waren den Angreifern bald überlegen.

    Selbst Storus, der Priester-Novize, ein friedliebender junger Mann, feingliederig gebaut, spürte zum ersten Mal in seinem Leben die Aufregung, die ein solcher Kampf mit sich brachte. Nimm das, dachte er voller Eifer und schlug auf einen am Boden liegenden Ork ein, bemerkte dabei aber nicht den anderen Ork, der hinter ihm aus einem Strauch gekrochen kam, sich aufrichtete und den rostigen Speer tief in den Rücken des Unglücklichen versenkte. Der Tod kam schnell, niemand war in der Lage, zu helfen. Storus Augen wurden glasig, Blut quoll aus seinem Mund und der Wunde an Brust und Rücken. Mit letzter Kraft versuchte er ein Gebet zu sprechen, aber es kam bloß roter Schaum aus seinem Mund. Er kippte nach vorne und fiel ins hohe Gras.

    Der Ork riss seine Waffen aus dem toten Priester, suchte nach einem neuen Gegner, und so starb der junge Mann aus dem fernen Osten Brachans ohne jede Hilfe, darauf wartend, dass Artemesea seine Seele in ihren Schoß nahm und ihn ins Licht des Mondes führte.

    Der Ork, in den Jubel ob seiner tollen Tat verfallen, spuckte plötzlich Blut, sein Grinsen wurde zu einem Schrei des Entsetzens, als ihm die Zweililie von Nyander in den Hals fuhr und diesen bis zur Lunge öffnete.

    Weitere Orks starben von diesem Moment an auf dem Schlachtfeld des Waldes, schnell und ohne Bedauern, stellten, angeschlagen durch die Hornissenattacke, keine Gegner mehr dar.

    Die Oger dagegen waren stark wie zwei Ochsen und dumm wie Bohnenstroh. Sie steckten viele Schläge weg und teilten noch mehr aus. Ein Anhänger des Mondes wurde von der Keule des untersetzten Ogers getroffen und fünf Meter durch die Luft geschleudert, der in vollem Saft stehende Busch aber war die Rettung. Brechende Äste fingen den Sturz ab, so dass der Priester verletzt überlebte. Er blieb bewusstlos liegen, und der Oger glaubte seinen Gegner tot, drehte ab und wurde von Geridion mit einem lauten »Artemesea sundorrensol« empfangen. Er hatte seine so sorgfältig gepflegte Beherrschung verloren und raste auf den Oger zu. Der Mondstein am Ende seines geweihten Stabes glühte in fahlem Licht. Ein Strahl dieses Lichtes traf den Oger ins Gesicht, und wie von einer riesigen Axt gefällt, sank er auf den Waldboden nieder.

    Durch die Macht der Anrufung erschöpft, ging auch Geridion ohnmächtig zu Boden.

    Die verbliebenen sieben Orks wurden durch den Fall des Ogers verschreckt, sie flohen und ließen den zweiten Oger allein zurück. Adderlin brachte ihm eine stark blutende Wunde am rechten Bein bei, und nach einem mächtigen Hieb mit seiner Axt in Richtung des Kopfes von Adderlin, ließ der Elf sich nach vorne fallen, landete zwischen den Beinen des verdutzten Angreifers. Wie ein Pfeil auf Bogens Sehne schnellte der Elf hoch und stieß seine beiden Elfenklingen in den ungeschützten Unterleib des Unholdes. Ein erschütternder Schrei war die letzte Handlung des Ogers. Er stürzte und riss im Fallen noch eine junge Birke mit sich zu Boden.

    Die eintretende Ruhe nach dem Kampf war bedrückend. Kodasis versuchte noch mit der ihm innewohnenden Kraft der Heilung den jungen Priester zu retten, aber es half nichts, Storus war bereits zu seiner Göttin gerufen worden. Das blaue Licht des Heilzaubers perlte von der Haut des jungen Mannes ab und versickerte im Boden. Unter Tränen sprach Kodasis ein kurzes, intensives Gebet, mit der Bitte an Artemesea, ihren Jünger in den heiligen Hallen gut zu behandeln.

    Der Elf murmelte etwas vor sich hin, dass wie »Ich habe sie nicht mal gerochen« klang.

    Gwen rezitierte etwas Unverständliches in einer alten Sprache, hob die Augenbraue und sagte: »Hier hat jemand mit einem Zauber nachgeholfen.«

    »Was meinst Du damit?«, fragten Goleren und Kodasis gleichzeitig.

    »Sie meint, dass die Bande von stinkenden Kreaturen gezielt auf uns angesetzt wurde. Es wurde ihnen geholfen, diesen Hinterhalt zu planen und sich zu tarnen«, sagte der Elf gereizt. »Wieso sollte dies jemand tun?«, Geridion schaute fragend in die Runde.

    »Wir haben hier mit niemandem einen Streit, unsere Mission ist friedlich!«

    »Und wer wusste so genau, welchen Weg wir nehmen würden?« Keiner konnte die Fragen beantworten, das Gefühl der Reisenden verschlechterte sich weiter.

    Uhra und seine Brüder konnten mit vereinten Kräften die Wunden von Hagen und den anderen Verletzten versorgen. »Artemesea sun heleas drumm« Ein blaues klares Licht strich über die wunde Stelle an Hagens Stirn, es kribbelte und als er nach der Wunde tastete, fand er noch nicht einmal eine Narbe vor.

    Geridion und zwei weitere Artemesea-Streiter fingen an, den jungen Novizen zu bestatten. Sie hatten bereits den Umhang von Storus aus seinem Gepäck geholt und ihn darin eingewickelt. Der Bogen, das Zeichen der Göttin Artemesea, war darauf zu erkennen. Man reinigte das Gesicht, so dass es aussah, als ob der junge Mann nur einen kurzen Schlaf auf dem grünen Waldboden machte. Die Priester versuchten, auf einer nahen Grünfläche Pflanzen auszugraben, damit Platz für den Toten, den sie leider nicht mitnehmen und gebührend beerdigen konnten, sein würde, und wurden jäh unterbrochen. Nyander und Gwen setzten sich mit deutlichen Worten dafür ein, den Wald zu verlassen und zwar so schnell wie möglich.

    »Wie kannst du Bastard von einem Elf von mir verlangen, meinen Ordensbruder hier so einfach in der Wildnis liegen zu lassen!« Ein schriller Aufschrei von Trauer umnebelte Kodasis.

    Die Beleidigung des Priesters traf Nyander unerwartet, ein dunkles Funkeln umspielte seine Augen. Seine Hand fasste den Dolch, der in seinem Gewand steckte, doch Adderlins Hand landete schnell auf der Schulter von Nyander, und Geridion strafte seinerseits den Glaubensbruder mit einem mahnenden Blick. »Dies ist nicht die Zeit für Streitereien, der Feind ist noch nah und wir brauchen unsere Kraft – gemeinsam.«

    Zweige und Laub wurden zusammengesucht, während Adderlin und Nyander aufmerksam den Wald beobachteten, bis der Leichnam bedeckt werden konnte. »Artemesea beschütze ihn.«

    Mit düsteren Mienen und Wut im Bauch machten sich die verbleibenden Gefährten auf, den Rand des Waldes, der nicht mehr sehr weit entfernt lag, zu erreichen.

    Hagen und Adderlin mahnten zur Eile. Jeder Stopp könnte ihr letzter sein.

    »Wir sollten ein wenig laufen, um schneller voran zu kommen«, rief Nyander besorgt.

    Nach zwei weiteren Stunden entschlossen sie sich zu einer Pause. Das Laufen hatte denen, die nicht an diese Art der Bewegung gewohnt waren, hart zugesetzt. Sie duckten sich in das hohe Gras, eine Trinkflasche wurde herumgereicht, leises Kauen war zu hören, einige der Priester atmeten schwer.

    Uhra kniff die Augen zusammen und blickte sich um. Die Landschaft war unberührt. Hätte er Zeit gehabt, er hätte sicher die ein oder andere noch unbekannte Pflanzenart entdeckt. Sein Blick aber suchte die Umgebung nach Feinden ab.

    Gebete an Artemesea sollten allen mehr Zuversicht spenden, danach war es wieder Nyander, der zum Aufbruch drängte.

    Der Elf wies die Richtung und setzte sich an die Spitze der Gruppe. Ihm folgten die Magierin, die Priester und Hagen. Das Ende bildete Nyander, der, genau wie der Elf, auch im Dunkel gut sehen konnte. Keiner wusste gegen diese Vorgehensweise etwas einzuwenden. Die Möglichkeit, dass einer der beiden frühzeitig eine Warnung geben konnte, wenn Gefahr nahte, hatte keinen Widerspruch zugelassen, obwohl die Priester unterschwellig immer noch der Meinung waren, sie selbst sollten auf dieser Reise die Führung innehaben.

    Uhra erreichte Hagen, der am Kopf der Truppe neben Adderlin zu finden war. Hagen blickte den Elf finster an, sah in den Himmel und rief: »Wo genau führst du uns eigentlich hin, Elf? Dies ist nicht die Richtung zur Ruine!« Wie auf ein Zeichen hin blieben die verbliebenen Mitglieder der Gruppe stehen und sahen den Elfen erwartungsvoll an.

    »Was soll das heißen, wir laufen nicht in die Richtung der Ruine?«, fragte Kodasis mit unterschwelligem Zorn.

    »Ich denke, es ergibt keinen Sinn, auf Kosten unser aller Leben diese Ruine zu finden.« Adderlin zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Wir haben schon drei Mitglieder dieser Gruppe verloren und wenn derjenige, der hinter diesen Angriffen steckt, solche Horden zusammenrufen kann, dann werden wir die Ruine vielleicht noch erreichen, sie aber nicht mehr lebend verlassen.«

    »Was sollen wir deiner Meinung nach also tun?« Geridion konnte eine unfreundliche Note in seiner Stimme nicht verbergen.

    »Sollen wir aufgeben und unsere Göttin enttäuschen?« Die Missbilligung war deutlich zu spüren.

    »Adderlin hat recht, wir sind hier auf verlorenem Posten.« Hagen sprach leise, aber bestimmt.

    Kodasis holte tief Luft, der Ausdruck in seinem Gesicht zeugte von vehementem Widerspruch, aber bevor er noch ein Wort sagen konnte, legte Geridion ihm seine zittrige Hand auf den Arm.

    »Bitte, halt ein. Ein Streit bringt uns nicht weiter. Wir sind in dieser Wildnis nicht zu Hause. Unser Glaube kann viel bewirken und wir werden im Namen von Artemesea die uns zugefügten Übel nicht vergessen – aber hier muss der Verstand uns den richtigen Weg weisen.« Der Oberpriester war nicht nur mental erschöpft, er war auch enttäuscht.

    »Wir müssen weiter – wo auch immer hin.« Eindringlich durchdrangen die Worte von Nyander die Nacht.

    Gemurmel folgte, und Geridion verfiel in ein kurzes Zwiegespräch mit seinem Freund und Mentor Kodasis. Kodasis war wütend, gab aber dem Flehen seines Freundes nach.

    »Wir gehen zurück – zurück nach Calaman.«

    Der Rückweg war unruhig, niemand wagte zu sprechen, die Pausen, die sie machten, um zu schlafen, oder die Wunden zu pflegen, blieben kurz.

    Nur noch einmal wurden sie angegriffen, aber der Feind hatte sich früh verraten und eine grimmige Entschlossenheit die Gruppe gepackt.

    Hinterher fragte Hagen seine Gefährtin gereizt: »Warum machst du keinen Sichtschutzzauber, der uns schützt? Du kannst doch so was!«

    Die Magierin hob nicht weniger gereizt ihre Augenbraue. Ein sicheres Zeichen, so wusste Hagen, dass Gwen sehr wenig erbaut davon war, öffentlich über ihre Fähigkeiten zu diskutieren. Wie viel ihr an Magie allerdings noch nach den widerholten Kämpfen zur Verfügung stand, bevor es ihre eigene Lebensenergie verzehrte, wusste sie nicht. Und trotzdem: »Ist ja gut, ich werde uns vor neugierigen Augen schützen«, raunte sie.

    Gwen bewegte sich in einem Kreis um die Sitzenden. Nur ein Gemurmel war zu vernehmen, aber Nyander spürte ein leichtes Kribbeln auf seiner Haut – Magie.

    »Wenn wir in drei Tagen zurück in Calaman sein werden, muss ich sofort mit unserem Hohepriester sprechen«, sagte Geridion.

    Der Rest des Heimweges war angespannt, blieb aber ereignislos.

    KAPITEL 02

    Es gab niemanden, der auf sie wartete, als sie in die Stadt einzogen. Ein kurzes Nicken war alles, was die Stadtwachen am Westtor für sie übrig hatten.

    Mit Uhra und seinen Gefährten zusammen kamen Dutzende von Karren und Wagen in die Stadt. Es herrschte reges Treiben, war doch heute der zweite Tag der Woche, Markttag.

    Wieder einmal konnten die Freunde die Vielzahl an unterschiedlichen Rassen und Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt erleben, so wie es seit vielen Jahren war und diese Stadt geprägt hatte.

    Es wurde mit Händen und Füßen geredet, gefeilscht und gehandelt, doch die Freunde hatten kaum einen Blick für das Treiben übrig. Ihr Ziel war der Haupttempel der Mondgöttin in Calaman.

    Nyander berührte Gwen wie zufällig und raunte ihr dabei zu: »Wir werden beobachtet.« Der Ton, in dem er sprach, besaß etwas Warnendes.

    Gwendolin nickte kaum merklich. »Sollen wir uns trennen? Sehen ob es tatsächlich mit den Priestern oder eher mit uns zu tun hat?«

    »Nein, ich denke das macht sie nur misstrauisch. Vielleicht kannst du etwas anderes tun.«

    Etwas anderes bedeutete in diesem Fall, Gwen sollte ihre magische Fähigkeit einsetzen.

    »Ich denke mir was aus.«

    Der Weg zum Tempel führte über ein paar kleinere Märkte. Gwen musste sich nicht besonders anstrengen, um neugierig zu werden. Sie beugte sich gerade über ein paar Tiegel mit unbekanntem Inhalt, hob ein weißes Glas mit roter Flüssigkeit in die Sonne, aber Nyander drängte Hagen, weiterzugehen, zu den Priestern aufzuschließen, die nicht auf Gwens absichtliche Verzögerung geachtet hatten.

    »Geh weiter!«, murrte er. »Gwen wird nachkommen, wenn sie das erledigt hat, was sie tun muss.«

    Nach fünf Minuten kamen sie aus einer Seitenstraße heraus auf einen weiteren Platz. Er war von drei Seiten mit Häusern, zwei - und dreistöckig, umgeben. An der vierten Seite stand der Tempel von Artemesea, höher als die Häuser, zwei Türme an den Ecken und eine Freitreppe, die über zwanzig Stufen zu einem großen Portal führte. Eine Seite des Portals stand offen, Menschen, Gläubige und Priester kamen und gingen.

    Geridion führte die Gruppe links am Tempel vorbei in die Straße, die sich über die gesamte Länge an der Tempelanlage zog. Seine Schritte wurden schneller. Ein Artemeseatike, Tempelwache in dunklem Blau mit Silber verziert, stand vor dem Tor. Er machte einen finsteren Eindruck.

    »Wollt Ihr die Gläubigen verscheuchen oder ist Eure Miene irgendwie eingefroren?«, fragte Kodasis ungehalten.

    Der Wächter wollte schon zu einer scharfen Antwort ansetzen, als im bewusst wurde, wer dort vor ihm stand und Einlass erwartete. Schnell öffnete er die Tür und ließ die Gruppe eintreten.

    »Wann sehen wir uns?«, fragte Adderlin und veranlasste Geridion und die anderen, stehen zu bleiben. »Ich dachte, ihr würdet mitkommen! Ihr könnt hier im Tempel als unsere Gäste verweilen.« Sorge war auf dem Gesicht des Oberpriesters zu erkennen.

    Uhra nickte zustimmend und ergänzte: »Hier gibt es Gästeräume, du, ihr alle wäret ungestört. Ein Badehaus haben wir auch«, sagte er mit Blick auf Hagen.

    »Ich denke, wir sollten unsere eigene Unterkunft haben. Wir sehen uns, wenn euer hoher Priester mit euch gesprochen hat«, erwiderte Adderlin entschlossen.

    Uhra war zwischen Verstehen und dem Wunsch, seine Freunde bei sich zu wissen, hin und her gerissen. »Ich sende euch einen Boten«, sagte er.

    »Ist gut, wir sind bestimmt wieder im Gasthof Goldener Schwan«, antwortete Hagen, drehte sich um und stieß fast mit Gwen zusammen, die gerade die kleine Gruppe erreichte.

    KAPITEL 03

    Kaum eine Viertelstunde später traten sie in den Vorraum des kleinen Gasthofes. Der junge Mann hinter dem Tresen legte drei Schlüssel vor sich hin.

    »Ich wünsche Euch einen schönen guten Tag.« Er nickte kurz, höflich aber nicht unterwürfig. »Edle Dame, meine Herren, darf ich Euch Eure üblichen Zimmer geben?«

    Ja, die üblichen Zimmer waren gut. Sie lagen auf der zweiten Etage, zum Innenhof hin, eines für Nyander, eines für den Elf und eines für Hagen und Gwendolin zusammen.

    »Und ein paar heiße Badezuber?«, fragte Konrad.

    Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel des Halbelfen. »Für mich nicht, ich werde wohl später ins Badehaus gehen«, erklärte Nyander.

    Hagen und Gwen nahmen das Angebot an, begaben sich direkt auf ihr Zimmer. »Wir sehen uns in zwei Stunden«, sagte Hagen.

    »Aber was ist mit deiner Aufgabe?« fragte Adderlin, er wollte daran erinnern, dass Gwen versucht hatte, ihre Verfolger zu erkennen, er wollte wissen, was sie herausgefunden hatte.

    »In zwei Stunden reicht immer noch«, sagte Gwen.

    Der Elf nickte und begab sich ebenfalls auf sein Zimmer. Er würde sich Nyander ins Badehaus anschließen.

    Nyander verzog sich auf sein Zimmer, ein karger Raum mit einem guten Bett, einem Tisch und einem Stuhl. Das Badehaus musste noch ein wenig warten, erst noch hatte er eine andere Pflicht zu erledigen. Die Diebesgilde erwartete, dass er sich zurückmeldete. Die Zweililie legte er auf sein Bett. Er wusste, dass er sie nicht brauchen würde, dort, wo er hinging.

    Über den Innenhof verließ er den Gasthof.

    Er kam aus armen Verhältnissen, seine Mutter, die Elfe, war früh gestorben, er war sieben Jahre alt gewesen, seinen Vater kannte er nicht. Die Gilde war seine Ersatzfamilie geworden. Eine Familie, die immer forderte und selten lobte.

    Die Verndari, wie sie sich selber gerne nannten, waren gut organisiert, besaßen in fast allen Stadtteilen kleine Büros. Lokale Gruppen `beschützten´ ihr Gebiet, Glückspiel, Hurenhäuser und andere bezahlte Dienste waren die Haupteinnahmequellen. Mord stand nicht auf der Liste der Dinge, die man für Geld kaufen konnte und die Verndari waren sehr bemüht, ihre Reihen von solchen frei zu halten, die diese Profession als lukrative Einnahme für sich erschließen wollten. Sie wollten und konnten es sich nicht leisten, dass man sie mit Mord und Todschlag in Verbindung brachte.

    Er steuerte auf das große Haus zu, ging bis zur Tür, ein junges Mädchen, vielleicht acht oder neun Jahre alt, lugte durch den kleinen Spalt, sah sein Kommen und öffnete. Der Vorraum, in den der Halbelf nun eintrat, war schlicht gehalten. Vor ihm befand sich ein Sekretär aus dunklem, benutztem Holz, dahinter stand eine junge Frau und machte Eintragungen in einem Buch.

    »Willkommen zurück, Ne... – Halbelf.« Nach einer kleinen Pause: »Ich hätte dich nicht so schnell zurück erwartet!« Die Tagmeisterin musterte ihn eindringlich, wartete auf eine Antwort auf ihre unterschwellig gestellte Frage.

    »Der Auftrag außerhalb der Stadt ist nicht so verlaufen, wie geplant«, antwortete Nyander.

    »So – wie lange willst dann diesmal bleiben?«, fragte Systra sachlich. »Ein paar Wochen, wie sonst auch immer?« Ihr Blick traf den des Halbelfen, und er konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

    »Ich weiß es noch nicht genau, wollte mich nur ordnungsgemäß melden.«

    Systra runzelte die Stirn. »Ich hätte eine Aufgabe für dich«, sagte sie. »Wir sind an einer größeren Sache dran und wir könnten noch einen guten Mann gebrauchen.« Wieder konnte man den Eindruck gewinnen, ihre Frage war eher ein Befehl, dem man sich nicht widersetzen sollte.

    Nyander wollte keinen Ärger. »Werte Dame, mich ehrt Euer Angebot, aber nach den Ereignissen der letzten Tage würde ich es vorziehen, mein Glück nicht über die Maße zu strapazieren.« Es war eine eher dünne Ausrede, aber da er zur Zeit auch keine Geldsorgen kannte, war seine Motivation gering.

    »Na gut, ich werde Euch eintragen – und Ihr sagt, wenn Ihr die Stadt verlasst oder doch Arbeit sucht!«

    »Ja, mach ich – ach ehe ich es vergesse: wollt Ihr mit mir zu Abend essen?« Nyander hatte sich schon halb umgedreht, so sah er nur aus den Augenwinkeln die verdutzte Miene der Tagesmeisterin. Was er hörte, war ein kurzes Schnauben, eine Antwort bekam er nicht – hatte er aber auch nicht erwartet. Mit einem Lächeln verließ er das Haus und begab sich auf seinen Weg zurück, erst zum Gasthof, den Elfen abholen und dann ins Badehaus.

    KAPITEL 04

    Der Himmel ließ einen Rest Sonnenstrahlen erkennen. Nur ein paar Wolken trübten den Blick ins unendliche Blau.

    Von unten aus dem zweiten Innenhof, in dem zu dieser Zeit die Waschzuber und Wannen standen, drangen Gelächter und Stimmen nach oben. Einige der anderen Gäste, zwei Männer einer Karawane, hatten sich je einen der kleineren Zuber geleistet, schrubbten sich den Staub der letzten Reise von der Haut und aus den Haaren.

    Durch Leinen und Laken abgetrennt, gab es weitere Zuber, in einem der größeren saßen Gwendolin und Hagen. Sie hatte sich halb zu ihm umgedreht und sagte: »Du sollst mir den Rücken mit dem Schwamm schrubben und nicht deine Hände an meinen Brüsten wärmen.«

    Hagen schnaubte los, und Gwen versuchte spielerisch, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Hagen fing mit Leichtigkeit ihre Hand ab, hielt sie fest und zog sie zu sich heran. Er küsste Gwens Fingerspitzen und lächelte sie dabei an. Gwens Blick wurde etwas milder, als sie sagte »Erst waschen und dann sehen wir weiter, mein starker Nordländer.«

    Ihre freie Hand lag auf Hagens Bauch und rutsche langsam tiefer. Sie lächelte, und als er seinen Blick ihrer Hand folgen ließ, erhielt er eine volle Ladung Wasser ins Gesicht. Er prustete und es entbrannte eine Wasserschlacht. Gelächter und Flüche mischten sich mit Spritz- und Platschgeräuschen.

    Einige Minuten später verstummte das Planschen und die beiden Protagonisten verließen die Bühne in Richtung ihres Zimmers. Eingehüllt in Tücher konnte keiner mehr Anstoß an ihrem Auftreten nehmen.

    Die nächsten zwei Stunden war die beiden beschäftigt, all das nachzuholen, was sie in den letzten Wochen verpasst hatten.

    Beide waren für einige Zeit erschöpft eingeschlafen. Nachdem Gwen erwachte, lag sie ruhig, um Hagen nicht zu wecken.

    Er lag auf der Seite, das Gesicht war ihr zugedreht. Sie betrachtete ihn, die maskulinen Züge, seine blasse Haut, dachte an das erste Mal, als sie ihm begegnet war, in der Stadt Heldann.

    Heldann war groß, größer als Nordahl und die Hauptstadt ihres Landes. Heldann war bunt und voll mit Menschen, Zwergen, Gnomen, Kobolden und Elfen, Wesen, denen Gwen noch nie in ihrem Leben vorher begegnet war. Die Reise aber hatte sie abgehärtet, ihre Muskeln gestärkt und ihre Menschenkenntnis geschult, daher fand sie sich in der großen Stadt einigermaßen zurecht. Fragen half immer. Informationen über den Magier, den sie suchte, erhielt sie trotzdem nicht. Alle wussten von Magiern zu erzählen, aber nicht von einem mächtigen Illusionisten. Nach wenigen Tagen beschloss sie daher, weiter zu ziehen, weiter in Richtung Nordwesten. Am letzten Abend im Gasthof hatte sie sich spät noch in den mäßig gefüllten Schankraum gesetzt, fand einen Tisch nahe dem Kamin. Das Wetter war kühl und die Wärme des brennenden Holzes angenehm.

    Ihrer Aufmerksamkeit entging der Anfang des Streits, der sich zwischen drei heruntergekommenen Gesellen und einem großen Mann entwickelte. Es ging um angeblich verschüttetes Bier. Der Mann sollte den drei Tagedieben neues kaufen. Sein Akzent, mit der er die Gemeinsprache nutzte, war stark, ihr nicht bekannt. Klar war, er kam nicht von hier. Klar war aber auch, dass er sich von den Dreien nicht einschüchtern ließ. An seinem Stuhl lehnte ein Bastardschwert, dass er nicht nur zum Angeben besaß, wie sie bald schon erfuhr.

    Die Drei waren auf Streit aus. Der erste Schlag kam verdeckt und traf den blonden Kämpfer unerwartet. Da er eine wattierte Lederweste trug, wurde die meiste Wucht aufgefangen, ohne ernsthaften Schaden anzurichten. Gwen schaute auf, wollte sich erheben und gehen. Auf eine Kneipenschlägerei hatte sie wirklich keine Lust. Die anderen Gäste waren nicht so ablehnend, achteten erst mal nicht auf die großgewachsene Frau, die ihre Sachen packte, ein paar Kupfermünzen für ihre Suppe auf den Tisch legte und Richtung Tür strebte. Der Blonde musste sich jetzt gegen alle drei Angreifer wehren, die ihn gleichzeitig mit Faustschlägen eindeckten, aber er wusste sich zu wehren, schlug zurück, ahnte dabei aber nichts von dem Vierten der Gruppe, der sich von hinten näherte und mit dem Dolch in der Hand dem Kampf eine andere Qualität geben würde. Wenn es schlecht lief, würde der Blonde getötet.

    Kurzerhand entschloss sich Gwen einzugreifen. Nur ein wenig, damit der Kampf nicht so unausgeglichen sein würde. »Thundrek-shrun.« Sie sprach in der Sprache der Magie, nicht sehr laut, unterstützt von ein paar Gesten, es sollte reichen, den vierten Mann soweit abzulenken, dass er keinen größeren Schaden anrichten würde.

    Der Zauber aber fiel heftiger als geplant aus. Sollte der Mann durch einen Lichtblitz kurz geblendet werden, so gab es einen deutlichen Blitz, der alle blendete. Der Mann stolperte, führte seine ursprünglich geplante Aktion nicht zu Ende.

    Die anderen Leute, die sich im Gasthof befanden, schreckten auf, suchten nach der Ursache für den Blitz, und da Gwen noch ihre Hände nach vorne streckte, waren bald alle Blicke auf sie gerichtet. Die Furcht vor Magie war spürbar, erste Stimmen erhoben sich, diesmal in ihre Richtung. Plötzlich aber stand der blonde Hüne vor ihr und zerrte sie aus der Gaststube. Er begann leicht zu rennen, zog Gwen hinter sich her.

    »Lass mich los du blöder Ochse.«

    Hinter der nächsten Biegung drehte er sie zu sich rum und ließ ihren Arm los. »Was sollte das da drin?«

    »Ich habe dir helfen wollen, einer hatte einen Dolch.«

    Seine leicht aggressive Miene wandelte sich in Erstaunen. »Danke.« Er drehte sich um, lugte vorsichtig um die Ecke. »Wir sollten weitergehen, sie suchen uns immer noch.«

    Minuten vergingen, beide schritten nebeneinander her.

    »Ich werde Hagen genannt«, sagte er plötzlich. Hagen war stehengeblieben und schaute Gwen hinterher.

    »Man nennt mich Gwen, eigentlich Gwendolin, ist aber zu lang.« Gwen kam ein paar Schritte zurück, stand nun direkt vor Hagen.

    Von diesem Tag an reisten sie zusammen, ohne genau zu wissen, warum. Hagen besaß kein festes Ziel, nur zurück in den Norden, den hohen Norden, wollte er auf keinen Fall. Gwendolin fragte nicht nach dem Warum, er würde es schon erzählen, irgendwann.

    Das Wetter hatte sich schnell verschlechtert und die beiden gezwungen sich einen geeigneten Unterschlupf zu suchen. Da es auf dem Weg, den sie gekommen waren, keinen Gasthof gab - den letzten hatten sie vor drei Tagen passiert - wollten sie sich an den Bauernhof wenden, der abseits des Wegs zu sehen war.

    Wie sich herausstellte, war es eine Art Kloster, ein Ort, an dem gearbeitet und gebetet wurde. Die heiligen Schwestern und Brüder fragten nicht nach dem Woher oder dem Warum. Ruhe und Glaube war die Maxime. Nicht der Ort, an dem Gwen gerne sein wollte, aber eine Alternative war nicht in Sicht.

    Sie wurden freundlich aufgenommen, mussten für ihre Mahlzeiten hart arbeiten, waren in Gesellschaft und saßen an einem warmen Feuer. Man gab ihnen einzelne Zimmer. Sie waren noch kein Paar, aber der lange Winter brachte sie einander näher. Der Schnee fiel leise und die Ruhe übertrug sich auf Gwen. Schneeflocken fielen zart auf das Land und überdeckten die Landschaft mit ihrem Zauber….

    »Hey.« Hagen schubste Gwen leicht, riss sie aus ihrem Halbschlaf, sie schaute sich um. »Hört auf damit.«

    Sie lag zugedeckt im Bett. Hagen beobachtete sie. Aber es schneite, die Temperatur war deutlich gefallen. Hagens Blick traf sie, und Gwen schüttelte sich leicht, der Schnee vor ihren Augen verschwand von einer auf die andere Sekunde.

    »Hab wohl ein wenig geträumt.«

    »So hast du auch ausgesehen. Wo bist du gewesen?«

    »Ich habe von unserem ersten gemeinsamen Winter im Kloster geträumt.«

    »Ach ja, war nett dort.«

    Gwen hob leicht den Kopf. »Nett? Es war nett mit mir dort?« Sie boxte Hagen gegen die Schulter.

    »Au, du sollst mich nicht schlagen. Ja, es war eine sehr schöne Zeit. Ich hätte nicht gedacht, dass unter der rauen Schale, die du so perfekt an den Tag gelegt hast, ein so fantasiereicher Geist steckt. Die Nummer in dem Gasthof in Heldann war schon sehr speziell.« Er schaute ihr in die Augen. Sein Blick sagte ihr, dass er es ehrlich meinte. »Ich genieße jeden Tag mit dir!« Hagen schob seine Hand unter die Decke, legte sie auf ihren Bauch. Seine Hand fuhr ihren Bauch hoch, sein Finger tippte an ihre Stirn. »Ich möchte noch viele Jahre mit dir verbringen, bitte pass auf deine Fähigkeit gut auf. Ich kann dich nicht immer beaufsichtigen.« Ein erneutes Lächeln umspielte seine Lippen. Dafür erhielt er noch einen Schlag gegen die Schulter.

    »Du bist ein alter Chauvinist. Glaubst Du wirklich, ich könnte nicht selbst auf mich aufpassen? Ich zeig dir gleich mal, wer hier auf wen aufpassen muss!« Ihre Stimme war lauter geworden und eine leichte Röte überzog die Wangen.

    Hagen lehnte sich zu Gwen hinüber, versuchte sie zu küssen. »Lass das, du glaubst wohl, du könntest dich mit ein paar Küssen einschleimen! Ich will einen Mann, der mich versteht und mich achtet, der zu mir steht!«

    »Mach ich doch! Ich habe volle Hochachtung vor deinen Fähigkeiten und werde immer zu dir stehen!« Seine Augen blinkten kurz auf. Gwen schnaubte leicht verächtlich, ihre Hand hob die Decke. Sie sagte »Sehe ich nicht!« Sein Protest ging im anschließenden Gerangel unter. Sie liebten sich erneut.

    Erst ein energisches Klopfen sollte sie wecken.

    KAPITEL 05

    Adderlin war, nachdem man sich trennte, auf dem Weg in sein Zimmer. Er würde auf den Halbelfen warten und gemeinsam mit ihm in das nahegelegene Badehaus gehen. Zwei Stunden waren ausgemacht, bei Nyander konnte es trotzdem mal länger dauern.

    Adderlin nahm sich vor, etwas zu essen. Vor allem wollte er seine Übungen wieder aufnehmen. In den letzten Tagen hatte er seine Schwerter vernachlässigt. So würde er nie zum wahren Meister werden.

    Er, der dem Clan der Griffon angehörte, war von klein auf mit dem Umgang von Waffen trainiert worden, kannte wenig, außer dem ständigen Üben mit Schwert, Dolch oder Bogen, aber er war nicht alleine, die Griffons waren schon seit Generationen Kämpfer, Scouts und Kundschafter. Seine Verpflichtung war groß, die Erwartung hoch und so wurde er zur größten Enttäuschung für seinen Vater.

    Nach fünf Dekaden kündigte der junge Adderlin seinem Vater und seinem Clanführer an, nicht weiter für die Kämpferkaste zur Verfügung zu stehen. Er würde zur Perfektionierung seines Schwertkampfs in die Welt hinausgehen, nach Meistern und Herausforderungen suchen. Sein Vater reagierte mit Unverständnis, wandte sich ab, kein Wort war seit dieser Zeit zwischen ihnen gesprochen worden. Seit mittlerweile mehr als vierzig Jahren nicht.

    Er wollte, nein, er musste mehr Erfahrungen sammeln. Seine Reise war ohne Ziel gewesen, hatte sich an Geschichten und Gerüchten über gute Schwertkämpfer orientiert.

    Gefunden hatte er so einige, aber wenige waren wirklich gut, noch seltener fand er Gegner, die wie er um der Perfektion des Kampfes Willen mit einer oder zwei Waffen bemüht waren. Es ging ihm nicht um das Töten seiner Gegner, nein, er wollte zu den Besten gehören.

    Uhra war ihm im Osten, in einem kleinen Dorf, begegnet. Es war der Jahrestag des Todes seiner Schwester. Er versank in Selbstmitleid und Hass, starker roter Wein tat sein Übriges. Adderlin legte es ein wenig auf Streit an, um seinen Frust abzukühlen, als Uhra vor ihm stand und mit dem Symbol seiner Göttin herumfuchtelte, Worte sprach, die er nicht verstand, nicht verstehen wollte. Der Elf wollte Uhra wegschubsen, aber der Priester hatte mit so etwas gerechnet, war ihm ausgewichen, er selbst verlor dabei die Balance und stolperte, auch, weil er betrunken war, aber Uhra griff mit seiner rechten Hand zu, bewahrte ihn vor dem Sturz. Die Berührung nutzend sprach der Priester ein kurzes Gebet und hoffte, die Macht seiner Göttin würde durch ihn wirken und den Elf besänftigen. Tatsächlich schwappte ein leichtes Rauschen, wie eine Mitternachtsbrise, über Adderlin. Er blieb stehen, schaute Uhra an, fragte sich, wieso dieser Mensch ihn so freundlich anlächelte, ihm die Hand entgegenstreckte. Seine aufgewühlten Gefühle versickerten wie Wasser auf trockenem Boden.

    »Lasst mich Euch helfen«, lauteten die schlichten Worte des Priesters. Verächtlich wollte Adderlin antworten, er bräuchte keine Hilfe, aber die Worte wollten ihm nicht über die Lippen kommen.

    »Danke, ich komme schon zurecht.« Adderlin orientierte sich Richtung Ausgang, hatte das Interesse an den anderen Gästen verloren.

    »Mellon!«

    Der Elf drehte sich um, versuchte den jungen Mann zu fokussieren. »Du sprichst meine Sprache?«, frage er.

    »Nur wenige Worte«, antwortete Uhra wahrheitsgemäß. »Aber ich würde gerne ein paar mehr lernen.«

    »Ich bin kein Lehrer oder so etwas.«

    »Musst du ja auch nicht sein, nur ein paar Worte, so dass ich mich höflich vorstellen kann, etwas in der Art.« Der Priester wartete.

    »Ich überlege es mir, aber nicht mehr heute. Ich muss erst diesen Kopf loswerden.«

    »Darf ich dir helfen, ich habe ein wenig Erfahrung bei solchen Sachen.«

    »Mit dem Saufen? Du siehst nicht wie jemand aus, der viel trinkt. Was willst du machen, mir den Finger in den Hals stecken – Danke, das kann ich selber.«

    »Nein, ich hatte an etwas anderes gedacht – komm, wir gehen nach draußen, setzen wir uns unter den alten Baum im Hof.« Der Elf schaute skeptisch »Du stehst nicht irgendwie auf Männer oder so?«

    Uhra blieb stehen, kämpfte mit sich nach passenden Worten. »Es geht dich nichts an! Aber nein. Ich dachte eher an die Kraft Artemeseas.«

    »Wen?«

    »Oh, Göttin verzeih ihm, er ist nur ein unwissender Elf. Vergib ihm seine Ignoranz und schenke mir noch einmal deine Gunst.« »Mit wem redest du da? Hast du irgendwas geraucht, riechst jedenfalls nicht nach Alkohol!?«

    Uhra selbst wollte sich damals schon abwenden, wollte sich nicht weiter beleidigen zu lassen.

    »Sei nicht verzagt«, sagte eine Stimme leise zu ihm: »Er wird verstehen, irgendwann wir er verstehen.« Uhra war wie vom Blitz getroffen. Noch nie hatte SIE direkt zu ihm gesprochen. Und er war sicher, niemand anderen, als seine Göttin soeben gehört zu haben. Er faltete die Hände, bildete mit Daumen und Zeigefinger den Mond, ihr Zeichen, sagte: »Ich habe verstanden und danke Dir für Deine Gnade.«

    »Führst du schon wieder Selbstgespräche?« Adderlin war nicht weitergegangen, starrte den Priester an, der auf ihn zuging, ihn aus dem Schankraum ins Freie schob, bis um die nächste Ecke, in Richtung der alten Eiche, die auf dem Platz stand. Hier drückte er den verdutzten Elf auf die dort stehende Bank.

    »Hey, lass mich los.«

    Uhra aber fing an zu beten und ein fahles blaues Licht bildete sich zwischen seinen Händen. Noch bevor der Elf protestieren konnte, legte er sie ihm auf die Stirn und den Hals. Sonderbar, hätte dies ein anderer versucht, Adderlin hätte sein Schwert zwischen sie gebracht. Niemand fasste ihn ungefragt an. Ein Kribbeln ging durch seinen Kopf, wurde stärker und bannte den Schmerz, der es sich gerade dort bequem machen wollte, hinfort. Es dauerte nicht einmal eine Minute und Adderlin konnte wieder klar sehen, kein Kopfschmerz, keine Übelkeit plagte ihn.

    »Wie hast du das gemacht?«, fragte er erstaunt.

    »Ich habe nur die Macht meiner Göttin in dir wirken lassen.« Es dauerte eine Weile, der Elf schaute nachdenklich zu Boden. »Dann schulde ich dir jetzt etwas – Mellon.«

    Mellon, dachte er, musste schmunzeln. Viele Jahre war das nun her, Jahre, die ihn nun hierher geführt hatten, in das größte der Zimmer, das er gerade als Trainingsfläche nutzte. Der Schweiß rann ihm über den nackten Oberkörper. Die Tätowierungen auf seinen Armen glänzten im Schein der kleinen Lampe, die auf dem Nachttisch stand, blau und rot schimmerten die Ranken, Symbole und Greife auf seiner Haut. Es war eine besondere Auszeichnung, den Greif auf der Haut tragen zu dürfen.

    Der Legende nach war die damit verbundene Tradition über sechstausend Jahre alt. Damals war es Ahren, den die Lieder heute als Ahren-den-Harfner immer noch kannten und verehrten, der in höchster Gefahr schwebte und nichts ahnend den alten Pakt mit den Geflügelten belebte. Die Dunklen Brüder, die Drow, hatten ihm und seiner Gruppe aufgelauert, waren wie aus dem Nichts erschienen. Er war ein guter Kämpfer, nicht der Beste, aber als Führer geboren, um durch Charisma und Überzeugung die ihm unterstellten Elfen erfolgreich in den Kampf zu führen, dabei war er unumstritten. Doch das Glück stand an diesem Tage weder auf seiner Seite, noch auf der Seite der anderen Frauen und Männer, mit denen er losgezogen war. Vergiftete Pfeile und magisch gehärtete Waffen setzten ihnen zu, die zahlenmäßige Übermacht der Drow tat ihr Übriges. Nur kurze Zeit nach dem der Kampf begonnen hatte, lag die Hälfte der Elfen tot am Boden, die andere Hälfte war verletzt oder stark in Bedrängnis. In seiner aufkeimenden Verzweiflung ob der kommenden Niederlage, nahm er die silberne Pfeife von der Kette um seinen Hals, blies hinein. Die Pfeife stammte von seiner Großmutter, einer alten Schamanin, die sagte, wenn er in allerhöchster Not ist, solle er dreimal die Pfeife erklingen lassen und Hilfe würde kommen. Ahren hatte dies immer für eine interessante, für Kinder gemachte Geschichte gehalten, ihr aber keine weitere Bedeutung zugemessen, nun aber ertönte die Pfeife hell und klar. Die Drow waren verwirrt, schauten sich um, ob Verstärkung kommen würde. Dunkle Wolken hingen tief über ihren Köpfen. Die Sonne war am Horizont angekommen, blutrot, entschlossen, unterzugehen, und aus dem verhangenen Himmel stürzten sich die Greife, fünf an der Zahl, in den Kampf, wendeten das Blatt. Die Drow wurden geschlagen, nur zwei von ihnen gelang die Flucht, Ahren selbst aber war von einem kleinen Bolzen einer Handarmbrust getroffen worden. Eigentlich keine große Wunde, nicht gefährlich, wäre da nicht das Gift gewesen, es breitete sich aus, dunkle Flüsse unter bleicher Haut. Er würde es nicht schaffen, keiner der Elfen war ein Heiler oder verfügte über eine entsprechende Magie. Da erbot sich der Anführer der Greifen zu helfen. Er würde Ahren mit sich nehmen und zu den Elfen tief in den Heimatwald bringen. Seine Freunde banden ihn schnell auf den Rücken des Greifen, der sich erhob und mit einer berauschenden Geschwindigkeit in die nahende Nacht aufstieg.

    Die Zurückgebliebenen verbrannten die toten Dunkelelfen, bestatteten ihre Brüder und Schwestern. Die Greife verabschiedeten sich und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. »Wir stehen in eurer Schuld« war der letzte Satz, den man den startenden Kreaturen noch hinterherrief. Anschließend machten sie sich mit schweren Herzen auf den Weg nach Hause. Sie brauchten Tage, und da keine Nachricht kam, glaubten sie auch Ahren hätte nicht überlebt.

    Der Prinz der Greife aber hatte es geschafft, den Vergifteten in letzter Minute zu seiner Großmutter zu bringen, und nach vielen Wochen wurde Ahren wieder gesund. Erleichtert über sein Schicksal, aber betrübt über das seiner Freunde, schwor er die Hilfe der Greifen zu vergelten. Er schloss einen Pakt mit seinem Retter und begründete so eine Kampfeinheit, die neben der härtesten und umfangreichsten Ausbildung auch immer einen Kontakt zu den Greifen behielt. Als Zeichen der Ehre trugen die Mitglieder dieser Gruppe von diesem Tag an jene Tätowierungen, manche klein, andere groß, wie bei Adderlin.

    Adderlin trug sie mit Stolz, und wenn es die Möglichkeit gäbe, würde er gerne das alte Band erneuern, aber heute war ein anderer Tag.

    Er nahm seine Übungen wieder auf, erst mit einer Klinge, dann mit beiden, bis er Nyander auf der Treppe hörte. Er trocknete sich ab, zog Hemd und Lederwams an, band sich die Waffen um und nahm ein wenig Geld aus seiner Börse. Er verstaute den Rest, verließ sein Zimmer, um mit Nyander ins Badehaus zu gehen.

    KAPITEL 06

    Nyander war nur einige Minuten später aus seinem Zimmer herausgekommen, die Treppe hinunter gestiegen, hatte unten den wartenden Elfen vorgefunden. Adderlin hob den Blick und fragte: »Hast du alles erreicht, was du dir vorgenommen hast?« Nyander warf einen gespielt traurigen Blick zurück. »Sie wollte wieder nicht mit mir ausgehen.«

    Der Elf seufzte verständnisvoll, nickend erwiderte er: »Ja die Frauen, sie werden noch unser Untergang sein.«

    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, breit wie ein Scheunentor, verließen sie den Gasthof, schlenderten die Straße runter.

    Die Sonne war bereits untergegangen. Die Laternen beleuchteten den Weg, den sie beide nehmen wollten, eher schwach, was keinem Sorge bereitete, konnten sie doch beide im Dunkeln gut sehen. Nach fünf Minuten standen die beiden Freunde vor einem zweistöckigen Haus mit dem schlichten Namen `Kupferkessel´.

    Das Badehaus bot für jeden Geschmack etwas, von Entspannung im Becken mit duftemden Wasser bis zur Massage und mehr.

    Die Freunde verbrachten einige angenehmen Stunden und erholt, gründlich gewaschen und mit exotischen Cremes gepflegt, trafen sie sich am Ausgang.

    »Dann können wir ja jetzt etwas essen, ich habe Hunger bekommen«

    »Ja, gute Idee. Wie ist es mit Nudeln!?«

    »Nudeln? Ich habe eher an eine gute Suppe mit frischem Brot gedacht.«

    »Wir finden bestimmt einen Laden, der beides hat, ich glaub ich weiß wo wir hingehen können.«

    Sie zahlten und machten sich auf den Weg zur Nudelküche.

    Die Tür war offen, führte in einen L-förmigen Raum mit einem Tresen im hinteren Bereich. Auf der linken Seite gab es Tische und Hocker, auf der rechten Seite diente ein langes Brett an der Wand als Tischersatz.

    Im Halbdunkel hinter der Theke stand eine Frau. Die Wirtin war eine ältere Dame, die Haut besaß einen dunklen Kakao-Ton, was ihrem Aussehen eine düstere Note verlieh.

    Adderlin erlag unvermittelt dem Eindruck, er hätte eine alte Drow vor sich. Seine Hände zuckten zu den Schwertgriffen. Nyander schaute sich besorgt in der Garküche um, konnte aber für ihn nichts Verdächtiges sehen.

    »Du scheinst vor Hunger schon Gespenster zu sehen«, sagte er freundlich, klopfte Adderlin auf die Schulter, drängte ihn weiter in den Gastraum hinein. Jetzt, da das Licht den Bereich der Theke anders beleuchtete, war die Köchin nur noch eine alte Frau. Sie kochte, der Duft war herrlich.

    Nyander bestellte gebratene Nudeln mit Gemüse und Hühnchenfleisch, dazu gab es eine scharfe Soße. Adderlin wählte eine Suppe mit Rindfleisch, Gemüse und Reis, ebenfalls scharf, dazu ein frisch gebackener Fladen helles Brot. Acht Kupferlinge waren der Preis. Es schmeckte so wunderbar, wie es duftete.

    »Wie es wohl Uhra geht?«, fragte Adderlin unvermittelt. »Immerhin muss er im Tempel die Geschichte erzählen und versuchen sie zu erklären.«

    Nyander hatte gerade die ersten Nudeln im Mund »Hm.«

    »Ich hoffe, er bekommt nicht zu viel Ärger.«

    »Hm.« Nyander schluckte. »Das hoffe ich auch.«

    »Was glaubst du, was der Hintergrund ist, was ist dort draußen mit uns passiert?«

    »Ich glaube, er wird keinen Ärger bekommen, ist doch nicht seine Schuld. Uhra hat sein Bestes getan, um seine Glaubensbrüder zu schützen.«

    »Ja, aber wir haben es nicht geschafft, alle heile und gesund nach Hause zu bringen.« Adderlin wirkte nachdenklich, sein Gefühl für Verantwortung machte es ihm nicht leicht, die Geschichte einfach abzuhaken. »Wir werden es ja hören, wenn er morgen oder übermorgen zu uns kommt.«

    »Oder wir müssen doch zu denen. Die werden uns ausfragen, als ob wir diejenigen sind, die die Priester getötet haben.«

    »Nee, da komme ich nicht mit - geh du nur, du bist sowieso der bessere Redner.«

    Adderlin schaute sein Gegenüber nachdenklich an, nickte. »Ich werde zu Uhra gehen. Ihm helfen, wenn es nötig ist«, sagte er.

    Im Gasthof angekommen legte Adderlin sich sofort ins Bett, träumte von Wäldern und der Sonne, von blitzenden Schwertern und einem Kampf, der wie ein Tanz war, mehr Kunst als Bedrohung.

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